Antwort auf 381224 u. 390514. — Martin Opitz (FG 200. Der Gekrönte) dankt F. Ludwig
(Der Nährende) für dessen Brief 390514 und für ein Schreiben, mit dem zusammen Opitz
vor 5–6 Wochen Ludwigs biblische Dichtung
Das Buch Hiob
empfing. Er hätte auf diesen früheren Brief eher geantwortet und sein Urteil
über das Buch mitgeteilt, wenn er nicht durch eine Reise zu seinem Vater an die
polnisch-schlesische Grenze verhindert gewesen wäre. Opitz dankt auch für eine ihm
vom Fürsten gesandte Liste der seit 1630 aufgenommenen Mitglieder der FG und eine ihm
ebenfalls unter dem 14. 5. 1639 übermittelte Abschrift der Sprachlehre (von Christian
Gueintz). Er verspricht, dem Fürsten seine Kritik der Dichtung und der Sprachlehre zu
schicken. Ludwig möge ihm dafür nur eine Adresse in Hamburg angeben, da der Postweg
über Breslau und Leipzig zurzeit nicht benutzt werden könne. — Opitz pflichtet dem
(unbekannten) Urteil des Fürsten über die Sallust-Übertragung Wilhelms v. Kalcheim
gen. Lohausen (FG 172) bei und drückt seine Hoff-
|| [
202]
nung aus, daß Ludwig schon Kalcheims
neues, aus dem Italienischen verdeutschtes Buch
Der verfolgete
David (1638) gesehen habe. Der Übersetzer habe seine Anmerkungen hinzugefügt
und sich in der Wiedergabe schwieriger fremder Wörter sehr verbessert. — Opitz
schickt sein
Florilegium, soweit es gedruckt sei — es werde
wahrscheinlich nicht fortgesetzt. Außerdem sendet er seine Ausgabe des Annolieds mit
vielen angeführten seltenen Belegen aus alten Quellen der Muttersprache. Gelehrte in
Holland und Britannien ließen ihn hoffen, daß sie bald noch ältere und wichtigere
derartige Bücher veröffentlichen würden. Sicher gebe es noch vieles in Stiften und
Büchereien zu finden, und der Nährende könne, wenn es seine bedeutenden Geschäfte
zuließen, kraft seines Ansehens von den Gesellschaftsmitgliedern überall in
Deutschland noch mehr Einschlägiges zusammentragen. — Dietlof v. Tiesenhausen (FG
208. Der Vorkommende), den Opitz dieser Tage besuchen und an die Beschaffung von
Wappenmalereien der Gesellschafter erinnern wolle, bewirtschafte sein Land
erfolgreich.
Beschreibung der Quelle
Q HM Köthen: V S 544, Bl. 299rv u. 302rv, 302r leer, 302v
Empfangsvermerk; eigenh.
[Handschrift: [Bl. [299r]] —
D:Ebeling, 202f.;
KE, 137f.;
KL III, 115f.;
Stoll, 46f
.,Opitz: BW 390807
ep; auszugsweise in
Ernst Hellgart: Die Rezeption des Annoliedes bei Martin Opitz. In:
Mittelalter-Rezeption. Hg. Peter Wapnewski. Stuttgart 1986
(Germanistische-Symposien-Berichtsbände 6), 60–79, hier 76 Anm. 26. —
BN: Szyrocki: Opitz (1956), 205;
Opitz-Brieferepertorium, Nr. 277;
Bürger, S. 1122 Nr.
185 u. 186.
Text
Des Nährenden leutseliges schreiben vom 14. Maytage ist mir ehegestern, wie auch
ohngefehr vor 5 oder 6 wochen das so dem Hiob
1 beygefugt gewesen, zue handen gebracht
worden. Auff voriges hette ich lengst gehorsambe antwort, wie auch das begehrte
guetachten
a , einschicken wollen: wann
b ich nicht durch eine reise an die Schlesische
gräntze, daselbst ich meinen lieben Vatern besucht,
2 vorhindert
c worden. Wolle es
allso der Nährende in gnaden vermercken, vndt des wolgemeinten vrtheils auff
erwehntes buch, auch ietzt v̈bersendete nützliche Sprachlehre (für
welche ich, als auch wegen der H. Gesellschafter tauffnamen, demütig dancke)
3 ehist
gewertig sein. Vndt damit ich bey öfterer gelegenheit mich des glückes zue schreiben
gebrauchen könne, als ersuche den Nährenden ich vnterthänig, mir iemanden namhafft
zue machen, an den ich solches in Hamburg alle mal v̈bersenden könne; weil ietziger
beschaffenheit nach des weges v̈ber Breslaw vndt Leipzig sich nicht wol
zue gebrauchen. Vom Sallust des H. Lohausens
4 hatt ich iederzeit eben dergleichen
vrtheil gehabt: hoffe der Nährende werde sein neweres buch, Den verfolgten David
5 , so
er
d außm Welschen deutsch gegeben, ingleichen gesehen haben, darbey er gar feine
auffmerckungen gefuget vndt sich in gebung vieler schwerer wörter gar wol
e gebeßert
hatt
f . Die
Epigrammata6 , so viel deren noch zur zeit gedruckt (wie es dann auch
vermutlich darbey verbleiben wirdt), sindt allhier beygefugt, ingleichen der Reim von
Erzbischoff Annen
7 ; bey dem der Nährende ihm die Außlegung hoffentlich [299v] darumb
wirdt gnädig gefallen laßen, daß viel wörter der alten mutersprache
g auß schrifften
herfürgesucht worden, so entweder vnbekandt, oder auch noch vngedruckt
|| [
203]
sind. Jn
Holland vndt Britannien sindt etzliche gelehrte leute, von denen ich die hoffnung
geschöpfft, daß sie noch ältere vndt mehr wichtige bücher ehist an das tageliecht
bringen werden. Jn stifften vndt libereyen ist hin vndt wieder viel dergleichen zue
finden, vndt zweiffele ich nicht, der Nährende köndte bey den H. Gesellschafftern,
die sich allerseits in deutschlandt befinden, durch sein ansehen vndt begehren
hierinnen alles thun, wann es seine höhere sorgen zueließen. Der Vorkommende
8 giebt
einen gueten wirth, ist mitt der erndte geschäfftig: ich wil ihn aber dieser tage
auffm lande besuchen, vndt nebenst vermeldung des gnädigen grußes der wappen halber
errinneren.
Jm übrigen sey der Nährende dem Allerhöchsten zue solchem glück segen vndt wolfahrt,
wie es sein hoher standt vndt noch höhere tugenden verdienen, hertzlich befohlen. Jn
Danzig den 7. Augstmonats, im 1639. Jhar.
Des Nährenden gehorsambsttrewer diener
Der Gekrönte