1 Das vorliegende Schreiben ist der erste und letzte
„Gesellschaftsbrief“, den F. Ludwig an den schwed. Generalfeldmarschall Johan
Banér (FG 222. Der Haltende) sandte, zumindest das einzige erhaltene derartige
Stück aus einer Gesamtkorrespondenz zwischen beiden, die gewiß am wenigsten genuin
fruchtbringerische Themen behandelte. Gesellschaftsbriefe verzichteten auf pompöse
Titular- und Kurialien. Der Schreiber benutzte für sich und den Empfänger
Gesellschaftsnamen der FG und sprach von sich selbst wie auch über den anderen in
der dritten Person. Schon der Aufnahme Banérs im Jahre 1633 dürfte politisches
Kalkül zugrunde gelegen haben: Es galt, sich der Gewogenheit eines führenden,
vorrangig in Mitteldeutschland operierenden und damals auf seinen
erzstift-magdeburg. Gütern (Egeln) niedergelassenen Militärs der Großmacht
Schweden zu versichern. S. 320313 K 0 u. K 2. Auch seine FG-Imprese erinnerte den
Haltenden an die Verpflichtung, „Gut Regiment im Krieg“ zu führen. Zur Zeit des
vorliegenden Briefes hatte Banér nicht nur durch seine oberste Position im schwed.
Heer (seit 1634) und die Rückkehr des schwed. Reichskanzlers Friherre Axel
Oxenstiernas (FG 232) nach Schweden im Juni 1636 an Statur und Macht auf dem
deutschen Kriegsschauplatz gewonnen. Er war auch militärisch so erfolgreich in der
Offensive wie seit langem nicht mehr, auch wenn sich die schwed. Position zum
Jahreswechsel 1639/40 aufgrund der Verbindung von Piccolominis bedeutsamer
Streitmacht mit den Resten von Gallas’ Heer und mit Hatzfelds Armee im
sächs.-böhm. Grenzraum wieder verschlechtern sollte. Vgl. 390504 K 3 u. K 4;
ferner
AOSB SA VI, 673ff., 689, 698 u. 710;
Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 12. Buch, 535ff. Mit seinem
ständigen Agieren zwischen Elbe und Moldau blieb die starke Abhängigkeit der
Anhaltiner vom Wohlwollen Banérs bestehen. Schwed. Abteilungen gab es auch in
Schlesien (Generalmajor Torsten Stålhandske, FG 254. S.
AOSB SA VI, 657, 677, 683 u. ö.), Westfalen und an der Weser
(Generalkommissar Carl Gregersson; Oberst Gf. Hans Christoph v. Königsmarck, ab
25. 3. 1640 Generalmajor, FG 515. 1648. S.
AOSB SA VI, 655,
671, 684, 689ff., 709 u. ö.), in der Garnison Erfurt (Oberst Christoph Heinrich v.
der Goltz, dann Oberst Casper Ermes von 1640–48. S.
Pufendorf:
Kriegs-Geschichte, 12. Buch, 539; zu Ermes vgl. Carl Beyer u. Johannes
Biereye: Geschichte der Stadt Erfurt von der ältesten bis auf die neueste Zeit.
Bd. 1: Bis zum Jahre 1664. Erfurt 1935, 544 [Porträt], 559, 565 u. 575), und in
Norddeutschland (Artillerie-General Lennart Torstensson/ Oberst Thuro Bielke, s.
AOSB SA VI, 598, 688ff., 714 u. ö.). Die schwed.
Rückzugsbasis war Pommern (Gouverneur u. Generalmajor Johan Lilliehöök,
Generalmajor Axel Lillie. S. 390929 K 11;
AOSB SA VI,
656f., 680, 684 u. ö.). In einem Schreiben Diederichs v. dem Werder (FG 31) wurde
Banér gar als „Vater“ der „gesambten gnädigen Fürsten und Herren“ Anhalts
apostrophiert (Werder an F. Ludwig, 21. 12. 1639,
KU IV.2,
25), sicher auch wegen des für Anhalt günstigen Kontributionsabkommens vom März
1639. S. 390504 K 4, vgl. auch Anm. 3.
2 Verschiedene Reisen Diederichs v. dem Werder (FG 31. Der
Vielgekörnte) richteten sich nach Abschluß der Vorbereitungen (Absprachen zwischen
Köthen, Plötzkau und Dessau) im August u. September 1639 zunächst nach Weimar. Ein
Rückkehrdatum Werders, nämlich der 29. 8. 1639, ist in
Christian: Tageb. XV, Bl. 200v (30. 8. 1639) belegt. Eine Reise nach
Plötzkau läßt sich im September feststellen (s. 390826 K, 390910, 390904 K 2,
390921). Ende September schließlich brach Werder von seinem Adelssitz Reinsdorf zu
einer Gesandtschaftsreise zum sächs. Kurfürsten auf, nachdem ihm der
anhalt-dessauische Secretarius und spätere Kammerrat Bernhard Gese am 12. 9. in
Dessau Instruktion und Kreditiv ausgehändigt hatte (vgl. 390921 u.
KU IV.2, 2f.). Zunächst erneut in Weimar, bestellte Werder
Gese vermutlich von dort am 28. 9. nach Leipzig, um die Reise nach Dresden
gemeinsam fortzusetzen. Gese und Werder erreichten getrennt Leipzig am 1. 10. Am
4. 10. nahmen sie Quartier in Dresden. „Der Oberste Werder“, so notierte der
kaisertreue
|| [
238]
F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) in sein Tagebuch (XV, Bl.
219v, vgl. 221r) am 17. 10., „vnser abgesandter, (combien que le ne m’ait rien
com
muniqué de sa com
mission) ist
zu Dresen [Dresden, d. Hg.] wol gehalten worden. Soll nachm Banner, vndt Wien
[letzteres wurde anscheinend aufgegeben, d. Hg.]. Es scheinet, das Contribuiren,
will noch nichtt aufhören.“ Werder erhielt am 2. 10. eine Audienz, bei der er
„sein anbringen in der Weymarischen sache abgeleget“ (
KU
IV.2, 3), während Gese bei den kursächs. Räten die „Anhältische sache“ vertrat,
die Werder am 6. 10. nochmals gegenüber dem Kurfürsten vorbrachte (ebd., 4). Auch
mit dem Generalleutnant Hans Georg v. Arnim (FG 255), der der schwed.
Gefangenschaft entronnen und mit Kriegsplänen gegen die Schweden befaßt war,
führte Werder mehrere vertrauliche Unterredungen (vgl. Geses Bericht vom 10. 10.
1639 in
KU IV.2, 4f.). Arnim hielt sich vom 11. 5. bis 26.
10. 1639 in Dresden auf. Vgl.
Irmer, 352ff.;
Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 98, 107 u. 129; Hermann
Gf. v. Arnim: Märkischer Adel. 2., erw. Aufl. Berlin 1989, 47. Aus Anlaß seines
Todes 1641 sollte Werder Arnim ein Sonett widmen, vgl.
Conermann
III, 282. Gegenstand der anhalt. Mission war die Kontribution für die
kursächs. Garnison in Magdeburg unter dem unnachgiebigen Obristen Frh. August
Adolf v. Drandorff (tatsächlich nicht sein Namensvetter Christoph, s.
KU IV.2, 23, vgl. 381006 K 4), eine vom Kaiser begehrte
Truppen-Einquartierung in Anhalt und die vom Fürstentum verlangten Römerzugquoten
bzw. deren Verrechnung. Vgl. dazu den Brief der anhalt. Fürsten an Kf. Johann
Georg I. v. Sachsen, 20. 10. 1639, s.
KU IV.2, 7f., ferner
Christian: Tageb. XV, Bl. 217r. Da auch Drandorff in
Dresden auftauchte, kam es sogar zu direkten, leider „vnanmuthigen“ (Gese)
Gesprächen zwischen Gese und ihm. Vgl.
KU IV.2, 5 u. 6
(Zitat);
Christian: Tageb. XV, Bl. 219v. Anscheinend stand
auch der Streit um die verwitwete Hzn. Eleonora Maria v. Mecklenburg-Güstrow (AL
1617. TG 17) und ihren unmündigen Sohn Gustav Adolph (FG 511. 1648) — vgl. dazu
371009 K 0 u. 390908 K 1 — auf der Tagesordnung, denn ein Gesandter der Witwe, der
Obristleutnant Bernhard Meyer (FG 347. 1639), nahm ebenfalls an der Legation nach
Dresden teil und folgte Werder im Anschluß nach Leitmeritz ins Quartier Banérs. S.
390914, vgl. auch 390908. Meyer war schon am 8. 9. in Bernburg mit Briefschaften
Hzn. Eleonora Marias eingetroffen.
Christian: Tageb. XV,
Bl. 204v. Bereits am 9. 10. 1639 brachen Werder und Meyer von Dresden zu Banér
auf, bei dem Werder hohes Ansehen genoß und den er in Aussig (bei Leitmeritz)
vermutete. Eine erwogene Weiterreise nach Prag zu Ehz. Leopold Wilhelm oder gar
nach Wien zum Kaiser erschien aufgrund der angespannten Lage dort wenig angeraten.
Vgl.
KU IV.2, 5. Aus F. Christians II. Brief an Hz. Wilhelm
IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5), d. d. Bernburg [?] im Oktober 1639, erfahren wir
lediglich, Christian zweifele nicht, „der Ob. Werder, werde seiner com
mission ein genügen gethan, vndt es (vielleicht) beßer
ausgerichtett, als ich es nicht selber würde haben machen können.“ (ThHSTA Weimar:
Fl. Haus A 205, Bl. 215). Am 11./ 12. 12. finden wir Werder und Meyer, von Banér
mit „schlechter resolution“ in der mecklenburg. Sache zurückgekehrt, wieder im
Anhaltischen, s.
Christian: Tageb. XV, Bl. 238rf., vgl.
241r. Tatsächlich hatte Banér den Gesandten der mecklenburg-güstrowischen Witwe,
den „Oberstlieutenant Meyer“, der mit Werder eingetroffen war, wohl nur formal, ad
referendum „expedijren lassenn“.
AOSB SA VI, 680, Bericht
Banérs an Oxenstierna, 1. 12. 1639. Vgl. 390807A K 3 u. 410102 K 6. Nach Aussig
hatte Banér zwar im September seine Truppen verlegt, um Hatzfeld den Weg zu
verlegen und dessen Agieren zu beobachten; Banér selbst aber verblieb mit
Unterbrechungen (Feldlager vor Prag, Mitte Okt. 1639) bis März 1640 in Leitmeritz.
Vgl.
AOSB SA VI, 652ff. Gese setzte die am Ende mit
„schlechten Contento“ (Gese,
KU IV.2, 19) geführten
Verhandlungen in Dresden fort (vgl.
KU IV.2, 8ff.), bis er
gemeinsam mit dem in Friedensvermittlungen von Wien nach Dresden zurückgekehrten
kgl.-dän. Gesandten Bernd v. Hagen gen. Geist (FG 236) am 19. 11. die Rückreise
über Leipzig antrat. Hagen hatte offenbar den Auftrag, den Unmut des Kaisers und
Kursachsens über die auch vom dän. König als ksl. Friedensvermittler ungern
gesehene Abgrenzungspolitik Hz. Georgs v. Braunschweig-Calenberg (FG 231) und des
nie-
|| [
239]
dersächs. Kreises zu mildern und die Scherben zu kitten (s. u.). Auch sollte er
Sondierungen im Vorfeld des Nürnberger Kurfürstentages vornehmen (vgl. zu Hagen
auch 391005 u. 391209 K 10). Tatsächlich aber hatte sich Hz. Georg mit der Lgfn.
Amalia Elisabeth v. Hessen-Kassel am 5. 4. und 30. 10. 1639 a. St. zu einer
Defensiv-Allianz verbunden. Vgl.
Brockhaus, 29;
KU IV.2, 18f.;
Londorp (HAB: 2.5.2.
Pol. 2°), 709ff.;
Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 11. Buch,
502;
Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 73f., 97 u. 129;
Christian: Tageb. XV, Bl. 221r, 233v u. 234r. Im Dezember
1639 traf Gese in Magdeburg wieder direkt mit Drandorff zusammen, den er „hart vnd
widrig“ in Verlangung der anhalt. Römerzugsquoten (als Kontribution für die
Garnison) fand. Entsprechend wenig Entgegenkommen zeigte der am 28. 12. 1639
aufgesetzte Vergleich zwischen den anhalt. Fürsten und Drandorff, gegen dessen
respektloses Verhalten sie förmlich Protest beim Kaiser und beim sächs. Kurfürsten
einlegten. Drandorff selbst rechtfertigte seine Forderungen mit der „eußersten
noht, die kein gesetz hat“. Die Konflikte zogen sich durch das ganze folgende Jahr
1640 fort. Vgl.
KU IV.2, 22ff. (Zitate 22 u. 24), u. 28–39;
Christian: Tageb. XV, Bl. 239v, 240r, 241v, 242v, 248v
u. ö. Von Gese wissen wir, daß sich Werder Anfang November noch in Leitmeritz
aufhielt. Von dort zog Banér zum Entsatz nach dem von den Schweden mühsam gegen
kursächs. Truppen behaupteten Bautzen, wo er am 16. 11. eintraf, vermutlich in
Begleitung Werders. Vgl.
AOSB SA VI, 665f.;
KU IV.2, 14f. u. 19;
Rebitsch, 201.
Die sich bei Banér kreuzenden Gesandtschaften des kgl.-dän. Emissärs Hagen gen.
Geist (vgl. auch
Christian: Tageb. XV, Bl. 212v, 214v:
Hagen übernachtet am 1. 10. auf der Durchreise in Bernburg; 219v.) und einer
Abordnung des niedersächs. Kreises in Fragen der beanspruchten Kreis-Neutralität
verhinderten eine zügige Behandlung des Werderschen Anliegens. Vgl.
AOSB SA VI, 659f., 665, 666ff. u. 678f.;
KU IV.2, 5, 7, 15 u. 19. In einem Schreiben an F. Ludwig vom 21. 12.
1639, schon wieder aus dem heimischen Reinsdorf, rät Werder, den Drandorffschen
Forderungen nachzukommen, dieser Leistung Priorität einzuräumen, dabei „für die
Plagen des andern tages künftig [zu] sorgen“ in der Hoffnung, Banér könne auf die
vertraglich vereinbarte monatliche Kontributionsquote aus Anhalt (vgl. 390504 K 4)
vorerst verzichten (
KU IV.2, 25). Da Werder erst auf seiner
Rückreise nach Dresden erfahren habe, er solle Banér um Erlaß der monatlichen
Zahlung bitten und dieses Ersuchen daher nur schriftlich und mit Bitte
vertraulicher Behandlung einreichen konnte, sei die Reaktion Banérs noch ungewiß
(vgl. ebd.). Halten wir fest: Bei Werders Gesandtschaft zu Banér waren
sachsen-weimar. Interessen vorrangig, da er nicht nur den vorliegenden Brief F.
Ludwigs nebst dessen literarischer Beilage, sondern auch Schreiben Hz. Wilhelms
IV. v. Sachsen-Weimar (s. 390907 u. 390910) zu überreichen hatte. Offensichtlich
bildete die reichspolitisch heikle Frage nach der Hinterlassenschaft, besonders
des Heeres des im Juli 1639 verstorbenen Hz. Bernhards v. Sachsen-Weimar (FG 30;
s. 390800 u. 390807A u. I) den Hauptpunkt in Werders Gesandtschaftsauftrag. Banér
unterrichtete am 1. 12. 1639 (aus Leitmeritz) Reichskanzler Oxenstierna über
Werders Mission, deren Anliegen politische Absicherung und Entscheidungen von
höherer Stelle nötig machten: „E. Excell. soll ich hiermit auch dienstlich
communiciren, dass eben in dieser zeit [...] der Oberster Weder
[sic], als ein abgeschickter der sämbtlichen Hertzogen zu Waymar bei mir
gewesen und seine proposition in der masse, wie die copien (sub lit. E.) Ihr
Königl. May:tt beivorwahrt, besagen, eingegeben. Weil denn inn diesem werck ich
mich eben so wenig als in andern, indeme Ihr Königl. May:tt allergnädigster wille
und disposition über die armée, so Hertzog Berndts höchsäl. gedechtnus F. G.
geführet, verborgen, ichtwas gewisses zu resolviren unterfangen können, habe ich
es gleichergestaldt ad referendum angenommen und den gesandten mit der resolution,
(sub lit. F.) Ihr Königl. May:tt beigeschlossen, abgefertiget“.
AOSB SA VI, 679. (Keine der von Banér hier genannten Briefbeilagen ist im
zitierten Band abgedruckt, zitiert oder erwähnt worden.) Zu Werders Reisen und
Stationen s. 390807A u. I, 390826, 390904, 390906, 390910, 390914 u. 390921, zu
Hz. Wilhelms Interesse am Erbe Hz. Bernhards s. 390909 K 17, zu einer weiteren
Gesandtschaftsreise Werders zu Banér im Juli/ August 1640 s. 400810 K 10. || [
240]