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400203 Christian Ernst Knoch an Franz Julius von dem Knesebeck
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Christian Ernst Knoch an Franz Julius von dem Knesebeck


Christian Ernst (v.) Knoch (FG 268) erinnert Franz Julius v. dem Knesebeck (FG 396. 1642) an den Auftrag, den F. Ludwig ihm, Knoch, bei Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) zwecks Wiederauflegung und Erweiterung des Gesellschaftsbuchs der FG erteilt hatte. Hz. August habe ihm wegen seiner Geschäfte und wegen Knochs Eile nicht schriftlich antworten können, dies durch Knesebeck jedoch beizeiten zugesagt, außerdem F. Ludwig bestellen lassen, er werde zur Ostermesse seinen Beitrag für die Finanzierung des Gesellschaftsbuchs überweisen. Knoch entschuldigt sich dafür, daß er (bei seiner Rückreise) nicht innerhalb von 14 Tagen nach Braunschweig zurückkehren konnte und daß wichtige Ursachen sein Kommen auch noch weiterhin für einige Wochen verzögern werden. F. Ludwig habe von Hz. August noch keinen Antwortbrief erhalten, so daß er Knoch vor dessen Abreise von Köthen gebeten habe, von Knesebeck Auskunft einzuholen, ob Hz. August bei seiner Zusage bleibe. F. Ludwig befürchte, daß der Wittenberger Kupferstecher bei längerem Warten verloren ginge. Knesebeck könne ihm, Knoch, gleich durch den Briefboten antworten oder der Herzog möge nach seinem Belieben an den Fürsten schreiben. — Knoch amüsiert sich über die Umstände, unter denen die Sachsen im Handstreich ohne eigene Verluste die Schweden aus der Stadt Halle a. d. S. und der dortigen Moritzburg vertrieben haben. Er bedauert den armen gefangengenommenen Obristleutnant Lange. Die bayerische Armee, die im Hennebergischen und Fränkischen lagert, hat die Schweden unter Hans Christoph v. Königsmarck (FG 515. 1648) nach Erfurt und zum Heere des Feldmarschalls Johan Banér (FG 222) getrieben. Nach Eroberung von Königgrätz und der Zusammenziehung der schwed. Truppen erwarte man einen neuen Vor- || [444] stoß Banérs. — Knoch berichtet ein Gerücht über den Verlust der Moritzburg durch die Sorglosigkeit der schwed. Besatzer.

Beschreibung der Quelle


Q HAB: Cod. Guelf. 135 Extrav., Bl. 400r–401v [A: 401v]; eigenh.; rotes Lacksiegel. — BN: Die neueren Handschriften der Gruppe Extravagantes. Tl. 2: 90.1 Extrav. – 220 Extrav. Beschrieben von Wolf-Dieter Otte. Frankfurt a. M. 1987, 112 (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 18).

Anschrift


A A Monsieur Monsieur de Knesebegk Mareshal de la Cour de Son Altesse le Duc Augusti de Braunsvigk. ès mains propres à Braunswigk

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Hochedelgeborner Gestrenger Vest vndt Manhafter
Hochgeehrter H. Marschalck1 Vornehmer Viel werter Freundt

Nebenst dienstfr. handkußungk habe ich nicht vnterlaßen können, denselben mitt diesen wenigen in seinen viel feltigen wichtigen gescheften beschwerlich zue sein, vndt wirdt sich H. Marschalck ohne weittleuftiges wiederhohlen fr. zue sinnen2 wißen, waß mein gn. fürst vndt Herr f. Ludwigk fl. gn. an Jh. F. Durchl. Herzogk Augusten, Vnsers allerseits gn. fürsten vndt herrn, wegen wieder auflegungk vndt gentzlicher erfüllungk deß geselschafts buchs,3 durch meine wenigkeitt anbringen, auch der antwortt, so Hochgedachte Jh. furstl. Durchl. gn. mir durch h Marschalcken vberbringen laßen, daß nemlich Jh. furst. Durchl. mitt Hochwichtigen gescheften beladen4 wie auch meiner eilungk Jh. fl. gn. itzo nicht schrifftlich beantworten könten, eß solte aber solches ehstes geschehen, vndt in kurtzem erfolgen, J fl. gn. konten sich vnderdeßen versichertt halten daß, weil, die wiederauflegungk, vndt gentzliche erfüllungk obberürtes buches der ganzen fruchtbringenden geselschaft, zue ehren vndt Rhum gereichete Hochgedachte Jh. furstl. Duchl., gerne mittzuwircken vndt gegen künftige Ostermeße, daß ihrige einzuschicken sich fr. belieben laßen wolten. Ob ich zwar nun damalß entschloßen geweßen, innerhalb 14 tagen wiederumb derer ortter zue sein[,] Jh. furstl. Durchl. vnterthenigst die Hende zue kußen, vndt mitt hochgedachter Jh. Durchl. weittleuftiger auß selber sache gehorsambst zue reden5 so bin ich doch auß Hochwichtigen Vrsachen so zue schreiben al zue langk fallen würden, davon, abgehalten worden [400v], welche auch meine Hinkunft noch wol ein Wochen oder 3 aufhalten vndt verhindern möchten. Wie ich dan bey Jh. furstl. Durchl mich deßhalben gehorsambst zuentschuldigen vndt mich deroselben hohen furstl. gn. vnterthenigst zue befehlen. hn. Marschalcken dienstlich hiemitt bitte; weila Jllusstris. mein gn. fürst vndt Herr, auch, noch zur zeitt von hochgedachter Jh. furstl. Durchl. kein schriftliches antwortt brieflein vertrosteter maßen erhalten, Alß haben mich Jh fl. gn. vor meinem abreysen von Cothen gn. ersucht, an den h. Marschalck zue schicken, vndt von demselben fr. zuvernehmen ob Jhr. Furstl. Durchl. noch bey ihrem genommenen schluß gn. verharreten damitt der Kupferstecher6 so zue Wittenbergk, bey zeitten bestellet vndt nicht ettwa vonb abhanden kömmen möchte[.] bitte derenthalben Hn Marschalcken dienstlich mir solches vnbeschwertt bey zeigern zue berichten: oder ob Jh. f. Durchl. selbst gn. belieben möchte, ettwa deßhalben an meinen gn. Herrn zue schreiben.7 H. Marschalck verzeihe meiner kühnen feder die genommene freyheitt, vndt die vngele- || [445] genheitt so ich ihme hier mitt mache, er hatt mich künlich wieder zugebrauchen wie er sich dan zu versichern daß ich nebenst empfehlungk gottlicher gnaden schutzes bestendigk verbleiben werde
  Meines Hochgeehrten hn Marschalcks gehorsa[mer]c Diener
  Christian Ernst Knoche mp.

Cöthen den 3. Feb. Ao 1640.

Daß das Hauß vndt Stadt halle8 von den Sachsischen mit einem anschlagk emportirt[,] wirdt der h Marschalck wißen ohne verlust einziges mannes. Obr leut. lange9 ist gefangen, mochte nicht gerne den Lohn mitt ihme theilen. Die Beyrsche Armee liegt in der graffschaft Hennebergk vndt Francken haben die Konigsmarckische baguage10 biß in Erffurdt getrieben welcher zum G. Bannier gestoßen. Jh. Excell. sollen Konigsgretz11 wieder eingenommen vndt 1600 Keyß. drin außgehoben haben, man vermuttet weil er die ganze Armee zusammen genommen man werde baldt ettwas neues hören. Die Intriegen lauffen so wunderlich daß man fast nichts mehr glauben darff. Hatt d h. Marschalck ettwas von wichtigkeitt bitte ich vmb conescanced [401r]
p. S.
Jtzo kombt ein kaufman von halle berichtet daß im Vbergangk deß schloßes nicht vber 3 Schwedische geblieben vndt weil man den Obristen leutt. nicht bewacht[,] die frau auch von dem schloße auf der Carosse herunter fahren laßen[,] muß Zwischen beydenertheilen Officiren gutte correspondenz vndt vertrauligkeitt geweßen sein.12 Eß sol viel blutt auß den SalzRohren dar vorgestern vndt gestern gelaufen sein Welchs der stadt nicht viel guttes bringen wirdt.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt.
b Lies: davon, von dort
c Papierausriß.
d Unsichere Lesung.

Kommentar
1 Franz Julius v. dem Knesebeck (FG 396. 1642), Hofmarschall Hz. Augusts d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227). Christian Ernst (v.) Knoch (FG 268) hatte in Braunschweig zwei Monate zuvor mit ihm zu tun gehabt. S. 391209, vgl. 391203. Eine schriftliche Antwort Knesebecks an Knoch ist uns nicht bekannt.
2 Lies: (sich) entsinnen, erinnern. Das Verb „sinnen“ hat schon im 17. Jh. primär die Bedeutung von anhaltend denken, nachdenken, sich bedenken, betrachten, erwägen, auch beabsichtigen, planen, streben (gesonnen sein) usw., „cogitare, animô volvere, secum commentari, reputare, retractare“, s. Stieler, 2032. Daneben begegnet vereinzelt auch die Verwendung des Verbs im Sinne von „im gedächtnis behalten“, s. DW X.1, 1165, vgl. 1158ff. u. Paul Wb., 915.
3 F. Ludwig plante einen Druck des um die Neumitglieder zu erweiternden illustrierten GB 1629/30 der FG. S. 391203 K I 0.
4 Hiervon und von Geschäften des Herzogs ist in 391209 nicht eigentlich die Rede, doch drückt sich Knoch im vorliegenden Brief auch rücksichtsvoll aus, da August damals über den Tod seines Sohnes Christian Franz trauerte und Knoch nicht zur Audienz vorließ. Vgl. 391209 u. 391217.
5 Hz. August hatte lt. 391209 trotz seiner Trauer Knoch aufgefordert, auf der Rückreise nach Anhalt wieder bei ihm einzusprechen.
6 Unbekannt. Vgl. 391217 (K 7). Das GB 1641 wurde nicht illustriert. Erst das GB || [446] 1646 enthält wieder Kupferstiche der Mitglieder-Impresen, die aus der Werkstatt Matthaeus Merians d. Ä. stammen.
7 Bezeugt, aber nicht erhalten ist ein Brief Hz. Augusts v. 14. 2. 1640 an F. Ludwig, den dieser in 400218 beantwortete.
8 Die Schweden waren am 14./24. 2. 1639 unter Johan Banér (FG 222) in Halle a. d. S. eingezogen, nachdem der Landesherr, Hz. August v. Sachsen-Weißenfels (FG 402. 1643), am 9./19. Februar mit seinem Hofstaat ins heimatliche Dresden geflohen war. Banér verließ Halle schon am 16./17. 2., stationierte dort aber zwei Regimenter unter den Obristen Elias Flottow (Flotte u. ä.) u. Samuel Österling, die die von den Kursachsen unter ihrem Kommandanten Erschel zäh verteidigte Moritzburg erst am 21./31. 3. 1639 einnehmen konnten. Am 1. 2. 1640 gelang den Kursachsen die Rückeroberung der Moritzburg. Vgl. Anm. 12; Gottfried Olearius: Halygraphia Topo-Chronologica, Das ist: Ort- und Zeit-Beschreibung der Stadt Hall in Sachsen [Tl. 1], Leipzig 1667, 407f. u. 411 (HAB: Gm 1935a [1]); Gustav Frd. Hertzberg: Geschichte der Stadt Halle von den Anfängen bis zur Neuzeit. 3 Bde. Halle a. S. 1889‒1893, II, 458‒461.
9 Martin Lange, einen Hauptmann/ Oberstleutnant aus Schlesien, hatte Österling 1639 nach der Kapitulation der Moritzburg in Halle (s. Anm. 8) mit 150 Mann als Besatzung zurückgelassen. Von dort zogen Streifpartien regelmäßig plündernd durch die umliegenden Lande. Am 1. 11. 1639 hatte F. Christian II. von Anhalt-Bernburg (FG 51) empört in sein Tagebuch notiert: „Ein loses schreiben vom Ob.L. Langhen von Hall bekommen von wegen der in der stadt, seinen Mausepartien, abgenommen, vndt andern Leutten ausm Lande zu Braunschweig restituirten zugehörigen pferden. Dergleichen grobes schreiben, ist mir noch von keinem Offizirer zukommen.“ Christian: Tageb. XV, Bl. 226v, vgl. auch 190r u. 201v. Am 1./11. 2. 1640 gelang es einer kursächs. Abteilung, Stadt und Burg im Handstreich zurückzuerobern. S. Anm. 12. Zu den sächs. Offizieren gehörte nach Hertzbergs Quelle ein „Hauptmann Rabiel“, der die Burg sodann mit 2 Kompanien (bis zum 2./12. 3. 1641?) besetzt hielt. Hertzberg: Halle II (s. Anm. 8), 461f. Es handelt sich wohl nicht um F. Ludwigs ehemaligen Obristlt. Rudolph (v.) Rabiel (FG 235), der in die kursächs. Armee übergewechselt war (Conermann III, 256), sondern um jenen „Erich Rabiell“, der am 26. 7. und 8. 8. 1640 aus der Moritzburg an F. Christian II. bzw. F. Johann Casimir v. Anhalt-Dessau (FG 10) schrieb und um Verwahrung der Bernburger Fähre gegen schwed. Inanspruchnahme bat bzw. Schutz vor Übergriffen seiner Truppe versprach. S. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 10 Nr. 5a Bd. I, Bl. 313r–314v u. Abt. Dessau A 10 Nr. 77, Bl. 136r–137v.
10 Das schwed. ‚Pack’ unter dem Obristen Hans Christoph v. Königsmarck (FG 515. 1648). Nachdem das ksl. Heer durch den aus dem Westen abkommandierten — und zugleich mit der Absetzung Matthias Gallas’ zum obersten ksl. Feldherrn nach Ehz. Leopold Wilhelm berufenen — Piccolomini (s. Anm. 11) verstärkt war, konnte es mit den vom Rhein anrückenden bayer. Truppen unter dem neuen Feldmarschall Gf. Gottfried Huyn van Geleen (Gf. Götz war wg. des Falls von Breisach in Ungnade gefallen) im Verlaufe des Frühlings 1640 die Schweden aus Böhmen durch Meißen bis zum schwed. Stützpunkt Erfurt (Anfang Mai 1640) und weiter durch Thüringen und Hessen an die Weser zurücktreiben. In dieser Absetzbewegung hatte Banér im Januar 1640 auch Königsmarck aus seinen Winterquartieren im Hennebergischen (Schleusingen) zu sich abgeordnet. Dabei hatten Königsmarcks Truppen den kursächs. Verbänden an Saale und Unstrut erheblich zugesetzt. Die bayer. Truppen lagen im März 1640 noch in Quartier in der Gft. Henneberg, sammelten sich dann mit den Kaiserlichen in Franken. Danach wälzten sich die beiden feindlichen Heereszüge nach Thüringen und Hessen, um sich im Mai und Anfang Juni bei Saalfeld wochenlang gegenüberzuliegen, ohne daß es zu einem „Haupttreffen“ gekommen wäre. Vgl. 390903 K 1, 390909 K 17 u. 391209 K 7; Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 12. Buch, 536f.; Ritter: Deutsche Geschichte, 697f.; Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 116, 126f., 217, 219f., 271f., 274, 276, 378ff. || [447]
11 Königgrätz war damals zwischen Kaiserlichen und Schweden oft umkämpft. Ende Mai 1639 war es von einer schwed. Abteilung eingenommen worden. AOSB SA VI, 625; Documenta Bohemica VI, Nr. 826. Am 24. 2. 1640 n. St. konnte der ksl. General Gf. Octavio Piccolomini Duca d’Amalfi (FG 356.1641) von der Rückeroberung berichten. Documenta Bohemica VI, Nr. 992, vgl. 994 u. 997; AOSB SA VI, 726, 732 u. 736; Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 12. Buch, 535; Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 380f.
12 Offenbar kursierten unterschiedliche unterhaltsame Gerüchte über die Besetzung der Moritzburg. Ein ehedem schwed. Leutnant, den seine Partei nicht aus der kursächs. Gefangenschaft freigekauft hatte, habe sich an den Schweden gerächt, indem er dem Kommandanten Lange einen Streich spielte. Er machte sich mit Lange gut bekannt und verabredete, sich mit ihm zu schröpfen und zu baden. Er nutzte die Gelegenheit, drei als Bauern verkleidete Soldaten mit unter Heuhaufen verborgenen Waffen in die Stadt zu schmuggeln, die Wache niederzustechen und 27 andere sächsische Soldaten in die Stadt zu führen. Sie „eilen geschwind auf die Badstube zu, finden den Commendanten nackend im Bade, und nehmen ihn und die Wache gefangen. Die übrigen Soldaten waren in der Stadt zu Marckte; als sie solches erfahren, geben sie Reisaus zum Clausthor hienaus, nach Mansfeld zu, allwo Schwedische Besatzung lag, und kam also die Moritzburg wieder in Sächsische Gewalt, ohne daß die sachsen einen Mann verlohren hätten [...].“ Dreyhaupt I, 432. Vgl. Hertzberg II (s. Anm. 8), 461 u. Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 275. Christian: Tageb. XV, Bl. 260r (1. 2. 1639): „Avis: daß heutte vormittags, vmb zehen vhr, 600 ChurS. (so sich in der Stadt Hall verborgen) zur Moritzburgk, durch das Stratagema, eines heẅwagens, darundter ihr vortropp verborgen, eingefallen, vndt sich derselben bemächtiget, auch großes geschrey darinnen gewesen. Die bürger in der Stadt sollen es mitt den ChurS. treẅlich gehalten haben. Mehrere particularia haben wir davon biß dato nicht.“ A. a. O., Bl. 260v (2. 2. 1639): „Die Zeittung mitt halle continuirt, iedoch daß nur 3 Mann geblieben, in occupation des Schloßes, durch Kriegeslist“.
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