4 Zu den Finanzierungsplänen der Neuauflage des
Gesellschaftsbuchs s. 391203 K I 0 u. 400605 I. Das Vorhaben geriet in der
Folgezeit ins Stocken (s. 401228A), so daß erst im folgenden Jahr das nächste GB
der FG erschien, allerdings ohne Kupferstiche der Impresen (
GB
1641). Erst 1646 konnte (nach
GB 1629/30) ein
zweites illustriertes Gesellschaftsbuch erscheinen (
GB
1646). Dieses sollte Hz. August mit 48 Exemplaren großzügig subskribieren.
Vgl. HAB: 17.4.1 Eth., 18.1 Eth. und Ln 302; ferner
Bircher:
Merian, 678f. Zu jenem Halberstädter Kaufmann, der den Geldtransfer von
Braunschweig nach Köthen vermitteln sollte, s. 400605.
5 Nicht
Die hertzliche Anschawunge Vnsers
gecreutzigten Heylandes (1640, s. 401111 K I 0), eine frühe
Passionsdichtung von Justus Georg Schottelius’ (FG 397. 1642), scheint hier
gemeint zu sein, sondern dessen 1640 in Braunschweig erschienene
LAMENTATIO GERMANIÆ EXSPIRANTIS Der numehr hinsterbenden Nymphen GERMANIÆ
elendeste Todesklage. HAB: 61.2 Poet. und QuN 275 [16]; vgl.
Sammler Fürst Gelehrter, 220. Sie ist Hz. August d. J. als
Friedensfürst und mächtigstem Beförderer der Muttersprache gewidmet. F. Ludwig
bietet sich im vorliegenden Brief an, dieses Werk, das Hz. August ihm vermutlich
in einer Abschrift geschickt hatte, gründlich durchzusehen. Anscheinend hat er
auch Diederich v. dem Werder dazu herangezogen, s. 400514. F. Ludwigs Urteil über
Schottelius in 400605: „Die stellung E. L. bedientens will in allem nicht unserer
geübten aussprache gemess fallen“, mag sich entweder auf dessen Gutachten zu
Gueintz’ Sprachlehre (s. Anm. 3) oder, wahrscheinlicher, sogar auf die Klagerede
beziehen. (Zum Begriff „stellung“ für sprachliche Gestaltung des Textes s. 391028
K 5). Niemand, so heißt es in der Todesklage, werde hoffentlich der Nymphe
Germania „diese Linderung vnd den Trost/ welchen SIE in freyer Außschüttung jhres
Elendes/ vnd in rechter Anwendung jhrer angebornen Sprache empfinden möchte/
mißgönnen“ und diese nach seiner „sparsamen mißlichen vnd mißbräuchlichen
Gewonheit“ tadeln (Bl. A ij v). Die „rechte Sprache Germanias“ ist die des
Juristen und Prinzenerziehers Schottelius. Sie stellt sich der mißbräuchlichen
Gewohnheit entgegen und wendet bereits — zumindest teilweise — die grammatischen
Regeln an, die er ein Jahr später in seiner ersten Sprachlehre (
Schottelius: Sprachkunst [1641]) aufstellen wird, z. B. jene, wonach die
bestimmten Artikel die Endungen der nachgestellten Adjektive vorgeben, im Singular
des Maskulinum: „der mangelnder Verstand“; „der silberheller Mond“; im Neutrum:
„das unerfahrnes Gehirn“, „das blinckendes Gestirn“ usw. Oder die Regel, daß auf
-er ausgehende Substantive die Pluralmarkierung -e anhängen: „die Reitere“, die
„Bürgere“ etc. — Einer solchen Einigkeit bzw. Analogie steht nach Schottelius in
der Sprache die Anomalie der Gewohnheit gegenüber. Zu den sprachphilosophischen
Grundlagen der Sprachauffassung s. Josef Plattner: Zum Sprachbegriff von J. G.
Schottel aufgrund der „Ausführlichen Arbeit von der Teutschen HaubtSprache“ von
1663. Phil. Diss. Zürich 1967, 36ff. Zum Streit über die Rolle des Usus in der FG
s.
Conermann: Akademie, Kritik und Geschmack, 37ff. Im
menschlichen Verhalten ist „Vneinigkeit“ eine Ursache des Krieges, so auch in der
Lamentatio. Wir übergehen die in diesem Werk entwickelte
Topik von Krieg und Frieden, die sich in Schottelius’ 1642 erstmals in
Braunschweig aufgeführtem und 1648 im Druck veröffentlichten
Neu
erfundenem FreudenSpiel genandt Friedens Sieg wiederholt. Zitiert sei nur
Germanias Klage über den geschundenen Frieden, die sich thematisch mit der
zeitgleichen
D. v. dem Werder: Friedensrede (1639) (s.
390904 I u. K I 0) verbindet:
„Falsch vnd zweizüngig seyn/ mit Friedensworten zieren
Den durst nach Menschenblut/ Gott vnd sein Recht verliehren
Auß Liebe zur Gewalt; sich schmücken nur mit schein
Das heist ohn Christenhertz ein Christenmensche seyn.
|| [
463]
Man lehrt die Friedenskunst/ damit man möge führen
Vnendlich-Krieges Recht: wie solte einer hören
Das durch den Vntergang/ durch Mord/ vnd Triegerey
Des Wesens einigkeit jemals gemeynet sey?“
Jedoch wütet der Krieg ungebrochen, und „der Gewonheit stanck erstickt der
Tugendlehr“ Bl. (B iij r). Auffällig ist auch hier die schlechte, „mißbräuchliche“
Gewohnheit. Erst die natur- und vernunftgegründete Regel korrigiert die falsche
oder irrtümliche Sprachgewohnheit. Und ebenso hat eine vernunftgegründete Ethik
oder „Tugendlehr“ den Zusammenprall von Affekten, Ansprüchen und Interessen zu
korrigieren. An dieser Stelle versieht sich Schottelius’ Kriegskritik mit
kulturkritischen Argumenten gegen das Alamode-Wesen in Sitten und Sprache. Die
Überfremdung der deutschen Sprache als der ältesten, reinsten und prächtigsten
Hauptsprache wird mit der einstigen, nun aber in Trümmer gesunkenen Suprematie des
Hl. Röm. Reichs deutscher Nation — übrigens auch als europäische Friedensmacht —
parallelisiert. Doch erwächst noch Hoffnung für Germania aus der herzoglichen
Bibliothek in Braunschweig, „dem schönsten Bücherschatz“:
„[..]. Was je/ von allen Zeiten
Gott von vns hat gewolt/ der Menschen Geist erdacht/
Jst aus der gantzen Welt in Braunschweig hergebracht.“ (Bl. E ij r).