Text

400312 Fürst Ludwig an Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg
[Inhaltsverzeichnis]
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400312

Fürst Ludwig an Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg


F. Ludwig (Der Nährende) ist der Bitte seines Neffen F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) nach einer Gesellschaftskorrektur nachgekommen und hat || [479] mit Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) Christians Übersetzung eines (von Charles Drelincourt in französischer Sprache veröffentlichten) Buches Von der Beharligkeitt einer kritischen Durchsicht unterzogen. Die von Werder eigenhändig aufgesetzte Beilage halte die Korrekturvorschläge fest. Der angegriffene Gesundheitszustand von Christians (in Köthen lebender) Schwester Anna Sophia (AL 1617[?]. PA. TG 19) und andere Entschuldigungsgründe haben die Durchsicht leider verzögert.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 448f, Bl. 22rv; eigenh. Konzept.

Anschrift


A Fehlt.

Text


Demnach verwichener zeitt vom Unverenderlichen ana denb Nehrenden begehret worden, das er sein verdeutschtes büchlein von der Beharligkeitt1 so fur sich, als durch andere geselschaftere zur übersehung kommen laßen wolte, als ist solches mitt allem fleiße geschehen, wie unter andern aus des Vielgekörnten eigenhändiger einlage2 zu ersehen: Es hette zwart solchec übersehung eher sollend verrichtett worden sein, theils aber hat die unpaßligkeitt des Unverenderlichen freulein schwester3 , als andere ehehaften4 , die verhindrung darbey eingeschoben. Es wuntschett der Nehrende das allese zur vergnugung des Unverenderlichen angewendettf sey, Und verbleibett nechst gebuhrender freundlichen handbietung

  Des Unverenderlichen freundwilliger gesellschafter
  Der Nehrende.

Cöthen an der schuler ein und ausfhartsg tage5 warg der 12. des Mertzens 1640.

[22v]
Dem der der Nehrend’ heißt, einsh der Schmackhafftei bringet
Auff der geselschaft heill, darzu die lieb ihn zwinget
Der Nehrend’ in der thatt bescheid thutt und sichj neigt
Wie mans glaß halten soll auchk dem Schmackhaften zeigtl .6

I

Ölberger-Zeichnung mit Wechselgedichten
Herzog Wilhelms IV. von Sachsen-Weimar
und Fürst Ludwigs

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 546, Bl. 1rv (beschnittenes Blatt); Vorderseite mit Federzeichnung und zwei Verspaaren in Zierschrift und Schreibschrift; Rückseite mit Vierzeiler eigenh. von F. Ludwig. S. „Zu den Abildungen“, S. 480.
— D: Die Vorderseite abgebildet in KL III, zw. S. 26 u. 27, allerdings erscheint hier nicht das Gedicht des Schmackhaften unter der Zeichnung, sondern der Vierzeiler F. Ludwigs von der Rückseite. Nach KL erneut abgedruckt in: Ludwig Keller: Comenius und die Akademien der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts. 1. Tl. In: Monatshefte der Comenius-Gesellschaft IV (1895), H. 1 und 2, 12f. Anm. 1. || [480]

Text


[Handschrift: [Bl. [1]]



Der Schmackhaffte bringt hie/ ein Trunck dem a Nehrendten/
  Auff wohlfahrt der gsellschafft aller Fruchtbringenden.
Der Meister selbst der Vers sich müheSolche zu Corrigiren hie
vnd las sichs nicht verdrißen Er wirds am besten wissen.1

[1v]
Dem der der Nehrend’ heisst, eins der Schmackhaffte bringet
Auff der Geselschafft Heill, darzu die Lieb’ ihn zwinget
Der Nehrend’ in der that bescheid thutt, und sich neigt
Wie mans glaß halten soll auch dem Schmackhaften zeigtt.2

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt.
b Gebessert aus dem
c solche übersehung eingefügt.
d Folgt <zu>
e Eingefügt für <diese übersehung>
f angewendett sey eingefügt für <gereichen möge>
g Unsichere Lesung.
h Eingefügt.
i Schmackhaffte gebessert aus Schmackhaft dieses
j sich neigt eingefügt für <im geist>
k Eingefügt für <hier>
l Eingefügt für <weist>

T I
a Gebessert aus der

Kommentar

K Zum anscheinend viele Monate währenden Stocken des fruchtbringerischen Briefwechsels zwischen F. Ludwig (Der Nährende) und F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) vgl. 390504 K 3. Die in dieser Zeit von Bernburg nach Köthen entsandten sowie die aus Köthen eintreffenden Briefschaften, die in F. Christians Tagebuch vermerkt werden, sind augenscheinlich politischen Inhalts. Vgl. etwa 390903 K 2.
1 [Charles Drelincourt d. Ä.: De la Persévérance des Saincts, ou de la fermeté de l’amour de Dieu (Charenton 1625), ins Deutsche übers. von F. Christian II. u. d. T.:] Von der Beharligkeit der | Außerwehlten. | Oder | Von Besten- | digkeit der Liebe Gottes. | Anfangs im Jahre | 1625. | Durch Carlen Drelincourt, Pre- | diger und diener am worte Gottes/ in | der Reformirten Kirche zu Pariß Fran- | tzösisch geschrieben: | Nachgehendes aber ihme selbst/ und den | Seinigen/ auch andern frommen Chri- | sten zu nützlicher erbaulig- || [481] keit/ | Zusamt den letzten Stunden des Herren von | Plessis Mornay, verdeutschet | Durch ein Mitglied der Frucht- | bringenden Gesellschaft. | [Linie] | Gedruckt zu Cöthen im Fürstenthume | Anhalt/ | Jm Jahre unsers HErren/ | 1641. | Wer beharret biß ans ende/ der wird selig. HAB: 1293.11 Theol. (1); Lm 1133 (1). Auch VD17. Vgl. 370305 K 16, 380110 K 9; 400311, 400514 K 7, 401025, 401117, 401214, 401215 u. II, 401216, 401228, 401229 K 2 u. 410101 nebst Beilagen. Hatte F. Christian II. in 380120 weitere mögliche Übersetzungsarbeiten aufgeschoben — Fürst Christian II.: Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten (1639) befand sich damals noch in der Korrekturphase —, so muß er doch bald darauf mit der Drelincourt-Übersetzung begonnen haben, die ja immerhin den Umfang von 12 Bl. u. 420 S. aufweist, einschließlich des Anhangs „Die letzten Stunden des Herren von Plessis Mornay“. Offiziell und laut Titelblatt erschien die Übersetzung 1641 in Köthen, jedoch wurde die Druckauflage schon Mitte Dezember 1640 ausgeliefert. Christian: Tageb. XV, Bl. 408vf. (Eintrag vom 11. 12. 1640): „Meine Beharrligkeit der Außerwehlten, sampt den Letzten stunden deß herren von Plessis, ist mir heutte von Cöhten in 500 exemplaren zugefertiget worden. Gott gebe daß sie viel frucht schaffen, vndt erbawlich sein möge.“ F. Ludwig erhielt von Christian neun Exemplare (s. 401214 u. 401228), Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) eins (s. 401216), der Bernburger Hofprediger David Sachse 50 Exemplare (Christian: Tageb. XV, Bl. 419r; 1. 1. 1641). Von der Drelincourt-Übersetzung hat sich ein eigenh. Manuskript F. Christians im LHA Sa.-Anh./ Dessau erhalten: Abt. Bernburg A 9b Nr. 15 (105 Bl.). Zwei ungezeichnete und undatierte Gedichte im Druck, das Sonett „Auf die Christliche Beharligkeit“ (Bl. a ij r) und „Eine andere anweisung Auff die Gnadenwahl und Beharligkeit der Glaubigen“ (Bl. a ii vf.), variieren die Prädestinationslehre reformierter Theologie und versuchen, daraus Trost in Anfechtung und Not zu spenden. Sie stammen nach Ausweis der weiteren FG-Korrespondenz von F. Ludwig und Werder. S. 401117 u. 401215. Es schließt sich eine „Vorrede an den Christlichen Leser“ (Bl. a iij v – a vj r) voller Anspielungen auf den Nährenden, den Unveränderlichen und Anhalt an, sodann F. Christians Widmungsbrief „Ubereignungsschrift An den Nehrenden“ vom 1. 1. 1641 (Bl. a vj v – [a viij]v) und Drelincourts eigene Widmung an „Carl von Harlay“, Frh. v. Dolot, Paris, 7. 7. 1625, in dt. Übersetzung (Bl. [a ix]r – [a xii]v). Das Vorwerk könnte auch insgesamt nach dem 11. 12. gedruckt worden sein, s. 401215 K 4. Ihm schließt sich die eigentliche Übersetzung (S. 1–377) an, gefolgt vom „Anhang Von den letzten stunden des Herren von Pleßis Mornay“ (S. 378–418) nach Jean Daillé (1594–1670) mit Christians Widmung „An den Nehrenden“ (S. 378–381), verfaßt „auf des Unverenderlichen Klaghause“ am 12. 11. 1640. Vgl. 410101 nebst Beil. I u. II; ferner Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 479f.; Herz: Tagebücher F. Christians II., 988 u. 1021ff.
2 Weder die Mappe V S 448 (a–f, i) noch die Teile 1 und 3 dieses Bestandes (HM Köthen: V S 447 u. 449) enthalten eine Beilage Werders oder sonst ein Gutachten oder eine Corrigenda-Liste zu F. Christians Drelincourt-Übersetzung.
3 Pzn. Anna Sophia v. Anhalt-Bernburg (AL 1617[?], PA, TG 19) war von schwacher, kränklicher Konstitution. Sie starb bald darauf am 1. 9. 1640. Vgl. 390504 K 1 u. 400902.
4 S. schon 240319 K 3 u. 300718 K 6.Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 342 (Lib. II, Cap. XI: Von der Ableitung des Nennwortes, 8. Hauptendung: -haft): Ehhaft, d. i. unter Verweis auf das sächsische Landrecht „eine jegliche redliche Sache der Entschüldigung/ oder aufrichtige Verhinderung“, „eine wichtige und ehrliche Uhrsach/ die jemand als ein selbstredendes Gebot/ daheim verhaften/ und zu gewisser Zeit und Orten zuerscheinen/ zurük- und abhelt.“ Vgl. auch Stieler, 816 („legitimum impedimentum“); Adelung Wb. I, 1644 („Die Ehehaft“); DW III, 43; Götze, 60; Kleines Lexikon untergegangener Wörter. Hg. Nabil Osman. München 81994, 71 („Ehehaft, gesetzliches Hindernis“).
5 Der 12. März war der Festtag Papst Gregors I. (540–604), des Kirchenlehrers, der sich um die Schulbildung verdient gemacht hatte und daher als Schutzheiliger der Schule und der Schüler galt. Sein Todestag am 12. 3. wurde seit dem Mittelalter im ganzen dt. Sprach- || [482] gebiet als Abschluß der Winterschule, des Wintersemesters bzw. des Schuljahres mit feierlichen Schülerumzügen, -gesang und -aufführungen begangen. Auch die Protestanten übernahmen den „Gregoriustag“, der sich eine lange Tradition z. B. in Annaberg, Freiberg, Altenburg, Chemnitz, aber auch in Franken und Thüringen bewahrte. So ließ der späte Fruchtbringer Christian Funcke (1626–1695; FG 873. 1677) in sämtlichen Stationen seiner Schullaufbahn — den Gymnasien in Freiberg, Altenburg u. Görlitz — alljährlich Festdarbietungen zum Gregoriustag aufführen, so in Altenburg 1661 Der Uhralten Fürstlichen Sächsischen Residentz-Stadt Altenburg Ehren-Port (FB Gotha, BSB München; VD17 12: 140403S). In Görlitz ließ er 1667 einen Entwurf der Aufzüge bei seiner ersten Gregoriusfeier als Rektor des dortigen Gymnasiums ausgehen und behandelte den Ursprung des Gregoriusfestes gleich mit. S. Herbert Hoffmann: Das Görlitzer barocke Schultheater. Königsberg 1932, 20ff.; G. F. Otto: Lexikon der seit dem fünfzehenden Jahrhunderte verstorbenen ... Oberlausitzischen Schriftsteller und Künstler. 3 Bde. Görlitz 1800–1803, Erg.bd. Görlitz 1821, hier Erg.bd., 103; vgl. Bircher/ Palme II, 134f. Vielleicht hatten sich auch im Anhaltischen Gregorius-Schulfeiern erhalten; Hinweise darauf liegen uns allerdings nicht vor, genausowenig wie für das gut dokumentierte Breslauer Schultheater, s. Das Breslauer Schultheater im 17. u. 18. Jahrhundert. Hg. Konrad Gajek. Tübingen 1994. Vgl. schon 380312 K 8; ferner: Hymnologia Sacra, Das ist D. Heinrich Müllers Weiland Superintendentens und Theologiae Professoris zu Rostock, Zehen andächtige Betrachtungen Von Geistlichen Liedern, Nebst einer besondern Vorrede Von dem so genannten Gregorius-Fest und Liedern/ Aufs neue heraus gegeben Von Johann Caspar Wetzeln. Nürnberg 1728 (konnte nicht eingesehen werden); Samuel Traugott Mücke: Vom Ursprunge des Gregoriusfestes. Eine Schulschrift. Neue Aufl. Leipzig 1797; Bruno Kaiser: Aus der Geschichte des Naumburger Domgymnasiums. Naumburg a. d. S. 1920; Bernhard Michels: Der immerwährende, ganzheitliche Natur- und Wetter-Kalender. München u. a. 1998, 115.
6 Vermutlich ist F. Ludwigs undatierter paargereimter Alexandriner-Vierzeiler auf der Rückseite 22v älter als sein Briefkonzept auf der Vorderseite. Er steht mit diesem jedenfalls in keinem ersichtlichen zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang, denn von FG-Trinksprüchen oder -sitten, dem Hänselungs-Ritual u. dgl. ist im Briefkonzept keine Rede.
1 Vielleicht stammt die Zeichnung von Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5. Der Schmackhafte) selbst. Sicher sind ihm die beiden ersten Verse in Zierschrift zuzuweisen und wohl auch das folgende Verspaar, das den „Meister selbst der Vers“, d. i. F. Ludwig (Der Nährende), zur gesellschaftsüblichen Korrektur der herzoglichen Verspaare auffordern. Vgl. Bircher: Merian, 669f. Der das Trinkgefäß haltende Arm ahmt ein Detail auf Peter Isselburgs Kupferstich eines Gesellschaftstreffens nach (s. Abb. in DA Köthen I.1, S. 86). Das Gefäß zeigt also den (recht genau nach dem Kupfer gezeichneten) zeremoniellen Ölberger in seiner charakteristischen Tazza-Form. Der Vorlage Isselburgs gemäß ist der Arm nicht als der Hz. Wilhelms, sondern als der des Nährenden zu deuten.
2 Welcher Scherz oder welche Anspielungen sich hinter diesem Austausch bzw. dieser Korrektur von Gedichten verbergen, bleibt dunkel, v. a. die Parallelisierung von Verskorrektur und richtiger Haltung des Ölbergers durch F. Ludwig ist auffällig. Ob auch zu F. Ludwigs Gedicht einst eine Zeichnung angefertigt wurde — „Wie mans glaß halten soll auch dem Schmackhaften [d. i. Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar] zeigtt“, — ist unbekannt. Wahrscheinlich nahm der Schmackhafte eine von ihm geleitete Aufnahme eines neuen Mitglieds in die FG zum Anlaß, die Zeichnung mit seinen Versen nach Köthen zu schicken. || [483]
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