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400319 Fürst Ludwig an Friedrich Hortleder
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400319

Fürst Ludwig an Friedrich Hortleder


F. Ludwig kondoliert zum Tod der Ehefrau Friedrich Hortleders (FG 343). — Der Fürst erkundigt sich, wie Hortleder die Annolied-Ausgabe von Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200) und deren Anmerkungen gefallen haben und bittet ihn, ihm das Buch zurückzusenden. — Ludwig informiert Hortleder von seiner Lektüre des sehr guten deutschen Gedichts Teutscher Tugendspiegel (von Johannes Freinsheim), das allerdings im Versmaß und in vielen Wörtern Mängel aufweise. — Ludwig kündigt Hortleder eine Sendung seines Kammerrats Johann David Wies(e) (FG 340) an und bittet um förderliche Erledigung.

Beschreibung der Quelle


Q ThHSTA Weimar: Familiennachlaß Hortleder/ Prüschenk Nr. 22, Bl. 205r–206v [A: 206v], 205v–206r leer; eigenh.; Sig.

Anschrift


A  Dem Ehrnvesten vnd Hochgelarten vnserm lieben besondern Friderich Hortledern, Rechtsgelehrten, vnd Fürstl. Sächsischen Rath etc.
Jehna oder Weimar

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Hochgelehrter lieber besonder, ich habe mittleidig das Hauptkreutz vernommen1 , so euch vom lieben Gott zugeschickett worden, verhoffe aber ihr werdet als ein guter Christ es mit geduld ertragen, und euch der liebe Got in andere wege wieder ergetzen. Nechst deme möchte ich gerne wissen, wie eucha das alte deutsche Reimen gedichte2 , so ichb jungsten vbergeschickettc , mit den erklärungen, gefallen, und ob ich es nachst eurem urteil druber wieder haben könte. Mir ist auch zukommen der Tugendspiegell oder gesang von dem Stamme und Thaten des alten und neuen Hercules3 den ich belesen, die erfindung und den inhalt sehr gut finde, ob schon bald im anfange und sonsten an etzlichen örtern in dem deutschen masse,d und ane etzlichen deutschen worten ein mangell gespurett wirdt. Sonsten wird auff meinen befhel mein KammerRaht Johan David Weise4 ihme etwas zuschreiben, darinnen ich bitte unbeschwert gutte beforderung zu erweisen, und ich bleibe noch mitt allen gnaden und gutten gewogen.
  Cöthen 19. des Mertzen 1640

  Ludwig fzuAnhalt

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt.
b Folgt <ihme>
c vber eingefügt für <zu>
d Folgt gestrichenes Wort.
e Eingefügt.

Kommentar
1 Wahrscheinlich Tod seiner Gattin Catharina, geb. Barth, am 2. 10. 1639, vgl. Conermann III, 392.
2 Opitz’ Ausgabe des Annolieds, Opitz: Anno (1639), s. 390121A K 5. F. Ludwig hatte Augustus Buchner (FG 362. 1641) in 400214 versprochen, ihm sein Exemplar zu senden, || [491] sobald er das an Friedrich Hortleder (FG 343), wie der vorliegende Brief zeigt, verliehene Werk zurückerlangt haben werde.
3 Johannes Freinsheim (1608‒1660), der Schwiegersohn des Opitz-Freundes Matthias Bernegger, lebte damals in Straßburg. Er folgte 1642 als Professor der Politik und Redekunst einem Ruf an die Universität Uppsala und wirkte 1648‒1650 als schwed. Hofbibliothekar und Hofhistoriograph. Freinsheim war Mitglied der Straßburger „Auffrichtigen Gesellschaft von der Tannen“: [Titelkupfer:] Teutscher Tugentspiegel oder Gesang von dem Stam̄en und Thaten deß Alten und Newen Teutschen Hercules. An den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herren/ Herren Bernharden/ Hertzogen zu Sachsen Gülch Cleve und Berg/ etc. Getruckt zu Strasburg, Jm Jar M.DC.xxxix. 2° 32 Bl. HAB: 132.1 Quod. 2° (1); Lo 4° 44; 95.6 Quod. 2°(2). Vgl. ADB VII, 348f.; Reifferscheid, 960 u. ö.; Bircher/ Palme I, 94 u. II, 324; Monika Bopp: Die „Tannengesellschaft“: Studien zu einer Straßburger Sprachgesellschaft von 1633 bis um 1670. Frankfurt a. M. 1998, 329ff. u. 443. Das Titelkupfer der Lobschrift stellt neben Herkules u. a. Arminius und Widukind als Schildhalter dar, bietet auch eine Ansicht der Eroberung Breisachs. Vgl. 390800 K 1 u. K 6. Dem Lobgedicht im Carmen Heroicum bzw. in der „Heldenartt“, das in „Vierzeilige gesetze“ (Quatrains) (s. 391119 I Str. 6) gegliedert und mit Marginalnoten versehen ist, geht eine lat. Widmung an den (bald darauf gestorbenen) Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar (FG 30) voraus. „Das mit reichen historischen Marginalien versehene Werk dokumentiert die nationale Adaption humanistischer Formen u. die Rückwendung zu ,altdeutscher’ Literatur (humanistische Tacitusexegese, Otfrid, Freidank).“ Wilhelm Kühlmann, Art. Freinsheim. In: Literatur-Lexikon III, 514f. Zum Einfluß von Otfrids Evangelienbuch auf Opitz’ Ausgabe des Annolieds und zur im 16 Jh. einsetzenden neuartigen gelehrten dt. Philologie vgl. auch Norbert Kössinger: Otfrids Evangelienbuch in der frühen Neuzeit. Studien zu den Anfängen der deutschen Philologie. Tübingen 2009, insbes. 162, 171 u. 180. Freinsheims Dichtung ist demnach neben die Annolied-Ausgabe von Opitz (s. Anm. 2) zu stellen, mit der sich damals F. Ludwig und Hortleder beschäftigten. Das Gedicht, reich an historischen und geographischen Erklärungen, feiert Bernhard als „rechten Musenfreund“ und Beschützer der „Teutschen Freyheit Recht“ gegen die anmaßenden „Tyrannen“ (Bl. [L ii]r u. [C ii]r), lobt seine Tapferkeit, Klugheit, Tugend und Friedensliebe und übt sich in antipäpstlicher Pfaffenschelte (vgl. Bl. Kr f.). Die deutschen Fürsten, heißt es, seien ihren Kaisern „allzeit trew“ gewesen, verlangt „Doch daß dem Teutschen Reich ein Kayser auch so sey“ (Bl. K [i] v). Da dies in gegenwärtigen Zeiten leider vermißt werde, sei König „LVDWIG der Gerechte“ zu preisen: „Er wirdt mit allem ernst die vnderdruckte schützen/ | Er wirdt ein guter Freund deß Grossen BERNHARDS sein/ | Vnd ein getrewer Hort der Teutschen in’s gemein/ | Vnd jhre gute sach’ auff’s trewlichst vnderstützen.“ (Bl. [Jii]r). Auffällig sind Umfang und Intensität, mit denen eine Heirat und Dynastiegründung Bernhards gewünscht und in Form einer Prophezeiung der Calliope gegenüber Herkules ausgeführt werden (Bl. [L ii]r f.). Erstaunlich für ein Mitglied der Tannengesellschaft ist aber auch die profranzös. Haltung. Vgl. 390800: „Kurtze Lobsprechende Beschreibunge Vber den ChristRühmlichen Hintritt Herren Herren Bernhardts Hertzogen zu Sachsen Obristen Feldtherrens“ und die zwei dort folgenden Gedichte. Die „Lobsprechende Berschreibunge“ ist auch in der Heldenart geschrieben, jedoch paarreimig wie in 391119 I Str. 6. Freinsheim dürfte nicht der Autor beider Dichtungen sein, da seine Verse deutlich weniger gewandt als die des Anonymus in 390800 sind. Die Alternation wirkt gelegentlich zurechtgebogen (Bl. [A ij] r: „Mit thewr-erworbnem Lob’“); häufiger Metaplasmus widerspricht Opitz’ Prosodie (a. a. O.: „Hochgeborner Fürst vnd Helde“; „ein solches liede“; [A iiij] r: „auß stoltz vnd freuelem vertrawen“); mundartliche obd. bzw. elsäss. Flexion (A ii r: „ist kummen“, A iij v: „gegunt“) ist bezeichnend, wenn auch selten bei Freinsheim. Dieser Befund stößt auch in F. Ludwigs Brief an Hortleder auf Kritik.
4 Johann David Wies (Wieß/ Wiese; FG 340). Anlaß und Zweck der Mitteilung Wieses sind unbekannt. || [492]
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