K1 Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gutachten Justus Georg
Schottelius’ (FG 397. 1642) zur Sprachlehre von Christian Gueintz (FG 361. 1641),
deren Versand Gueintz in 400313 von F. Ludwig schon angekündigt worden war. Zur
Frage der Datierung dieses Gutachtens s. K I 0.
2 Gueintz’ Gegenantwort, s. Beil. II.
3 Gueintz muß Schottelius’ Kritik an seiner Sprachlehre
schwer getroffen haben. Das verraten der gereizte Ton im vorliegenden Brief und in
seiner Gegenantwort auf Schottelius’ Gutachten, die wir als Beil. II im Anschluß
veröffentlichen. Von Beginn an ist der schon aus der Antike von Varro
überlieferte, v. a. mit den Antipoden Aristarch von Samothrake (ca. 216–144 v.
Chr., dem sechsten Leiter der Bibliothek von Alexandria, „Analogist“) und Krates
von Mallos (ca. 200–150 v. Chr., stoischem Philosophen und Philologen in Pergamon,
„Anomalist“) verbundene Widerstreit in der sich entspinnenden fruchtbringerischen
Sprach(norm)debatte recht scharf. Richtschnur der Normierung in fraglichen Fällen
ist für Gueintz der (historisch-empirische, freilich regelgeleitet-gute) Gebrauch,
die Gewohnheit, also die lebendige Sprachpraxis der Sprachgemeinschaft, die u. U.
die Konsequenz der Regelrichtigkeit bricht und Ausnahmen (Anomalie-Prinzip)
zuläßt. D. h.: er berücksichtigt bei allen sprachtheologischen Prämissen und
ungeachtet der mißglückten formalen Anlage seiner Sprachlehre (vgl. 400122 K 4 u.
400301) die sprechenden, die Sprache schaffenden und in sie eingreifenden Subjekte
und ihr primäres Ziel: Verständigung. Für die starke Normativität des (guten)
Sprachgebrauchs konnte sich Gueintz auch auf die an- || [
518] tike Rhetorik berufen. Vgl.
Herz: Palmenbaum und Mühle, 177. Dieser
konventionalistisch-pragmatischen Strömung schlossen sich auch F. Ludwig und
andere anhalt. Mitglieder aus den Reihen der politisch-administrativen
Führungselite an, wie etwa Martinus Milagius (FG 315) oder Joachim Mechovius (FG
483. 1647). Auch Augustus Buchner (FG 362. 1641) scheint sich dieser Auffassung
zugeneigt zu haben, vgl. 400122 u. I (darin besonders Buchners Bemerkung zu „pag.
56. lin. 7“). Schottelius hingegen, und mit ihm Georg Philipp Harsdörffer (FG 368.
1642) und (mit Abstrichen) Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) begriffen die Grammatik
nicht als ein aus dem Sprachgebrauch heraus zu kodifizierendes Regelwerk, sondern
als idealsprachliche Norm, die die Sprache aus ihren von der Natur eingepflanzten
ursprünglichen Gründen und Regeln (re-)konstruiert (Analogieprinzip) und den
unzuverlässigen Gebrauch korrigiert. Mit seinem zentralen Begriff
„Grundrichtigkeit“ übersetzt Schottelius die latein. „analogia fundamentalis“ (
Ausführliche Arbeit [1663], 1466). Die Orientierung an der
in einer durch Gott veranlagten Sprachnatur unverbrüchlich festgelegten
Sprachrichtigkeit, also am Sprachsystem und dessen Konformität, depotenzierte die
normative Kraft des Sprachgebrauchs. — Aus der breiten Forschungsliteratur
verweisen wir hier nur auf Wolfram Ax: Lexis und Logos. Studien zur antiken
Grammatik und Rhetorik. Hg. Farouk Grewing. Stuttgart 2000, 108ff., 129 u.
135f.; Dieter Cherubim: Varro Teutonicus. Zur Rezeption
der antiken Sprachwissenschaft in der frühen Neuzeit. In: Zeitschrift f.
germanistische Linguistik 23 (1995), 125–152, hier bes. 128; ders.: Schottelius
and European traditions of grammar. In: Indigenous Grammar Across Cultures. Ed.
Hannes Kniffka. Frankfurt a. M. usw. 2001, 559–574;
Conermann:
Ludwig und Christian II. von Anhalt, 398ff.;
Hundt,
32ff., 96f., 108ff., 120ff., 136ff., 194, 242ff. u. ö.; Andreas Gardt: Die
Sprachgesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts. In:
Sprachgeschichte. Handbuch2 I, 332–348;
Herz:
Zesen, 197ff.;
Takada, 5, 8f., 22ff., 27, 29ff. u.
ö.; Hiroyuki Takada: J. G. Schottelius, die Analogie und der Sprachgebrauch.
Versuch einer Periodisierung der Entwicklung des Sprachtheoretikers. In:
Zeitschrift f. germanistische Linguistik 13 (1985), 129–153.
4 Gueintz’ Anmerkungen aus der deutschen Bibel, die
vielleicht im Zusammenhang mit der Bibelübersetzung und Bibelharmonie Hz. Augusts
d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227; 391217 K I 0) standen. Vgl. 400301,
400313, 400314 u. 410714.
K I Justus Georg Schottelius’ (FG 397.
1642) Gutachten bezieht sich, wie schon die etwas früheren von Augustus Buchner
(FG 362. 1641) und F. Ludwig (s. 400122 I u. 400214 I) auf eine Handschrift der
Deutschen Sprachlehre von Christian Gueintz (FG 361.
1641). Diesen Grammatik-Entwurf ließ F. Ludwig abschriftlich inner- und außerhalb
der FG zur kritischen Begutachtung kursieren. Vgl. 381105 u. 390114. Die
Handschrift, die Schottelius bei seiner Stellungnahme vorlag, ist verschollen. Die
im LHA Sa.-Anh./ Dessau unter der Signatur Abt. Köthen C 18 Nr. 55 erhaltene
Handschrift „Die Deutsche Sprach-lehr zur Lehr-art <verfertiget>“ ist ein
früherer, im Zusammenhang mit den ratichianischen Reformen in Köthen und Weimar
(1618–1622) entstandener Entwurf einer dt. Grammatik (s. 400122 I Q), die
Schottelius nicht vorgelegen haben kann, die wir jedoch im Kommentar zum Vergleich
heranziehen (Sigle
H unter Angabe der ursprünglichen
Paginierung). Auf den Druck
Gueintz: Sprachlehre (1641) verweist die Sigle
D. — Die
Abschrift von Gueintz’ Sprachlehre, die Schottelius vorlag, muß jünger als jener
Entwurf gewesen sein, den Gueintz an F. Ludwig und dieser abschriftlich an Buchner
geschickt hatte. In 400313 kündigt F. Ludwig Gueintz an, dessen Sprachlehre werde
z. Zt. wieder sauber abgeschrieben und dann an einen Ort gesandt [Braunschweig],
da man verlange, sie zu sehen. Mit 400323 wird dies ausgeführt. Das kann nur
heißen, daß die für Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) und
indirekt für Justus Georg Schottelius u. Balthasar Walther bestimmte Fassung schon
Buchners und F. Ludwigs (und möglicherweise weitere) kritische Anmerkungen sowie
Gueintz’ „Andwort“ darauf (s. 400301 I) berück- || [
519] sichtigte. Ein direkter Vergleich
der kritischen Gutachten Buchners (400122 I) und F. Ludwigs (400214 I) mit jenem
von Schottelius läßt indes mangels Übereinstimmung der kritischen Referenzpunkte
keine tragfähigen Rückschlüsse auf inhaltlich-textuelle Unterschiede der
jeweiligen Vorlage zu. Sie scheint dem Druck von 1641 aber bereits recht nahe
gekommen zu sein. — Schottelius’ Gutachten ist undatiert. Da der Versand von
Gueintz’ Sprachlehre nach Braunschweig mit 400323 erfolgte und Gueintz in 400528
tatsächlich auf ein Gutachten (vielleicht eine Vorab-Kritik?) von Schottelius
reagiert, markieren diese beiden Briefdaten die Frist, innerhalb derer Schottelius
sein Gutachten aufgesetzt und F. Ludwig und indirekt Gueintz zugeleitet haben muß.
Ein Brief des Wolfenbütteler Prinzenpraeceptors Schottelius, dem sein Gutachten
beilag oder beigelegen haben könnte, ist uns nicht bekannt.
Jellinek: Nhd. Grammatik I,
122 hat im vorliegenden Brief 400528 den
Begleitbrief erkannt, mit dem Gueintz seine ebenfalls undatierte Replik auf
Schottelius’ Gutachten übersandte. Jedoch wird diese plausible Chronologie
verunsichert durch 400605. Darin erwartet F. Ludwig nämlich noch eine Sendung von
Hz. Augusts „bedientem“, d. i. Schottelius. In 401109 teilt F. Ludwig Gueintz mit,
daß sich das „bedencken aus Braunschweig über die aufgesetzete Sprachlehre“
verzögere. Diese Bemerkung bezieht sich allerdings auf das ausstehende Gutachten
des schwer erkrankten Braunschweiger Superintendenten Balthasar Walther. Gueintz
möge unterdessen bestimmte Veränderungen und Ergänzungen an seiner Sprachlehre
vornehmen. Vielleicht wird das in 401109 genannte „bedencken aus Braunschweig“ mit
410208 von F. Ludwig an Gueintz gesandt und diesem anheim gestellt, „was er etwa
sonderlich zu den regeln noch daraus nehmen könne“. Allerdings könnte es sich auch
um das Gutachten eines anderen Braunschweigers (Hz. August selbst?) gehandelt
haben, denn Balthasar Walther war schon am 15. 11. 1640 gestorben. Am 8. 2. 1641
steht der Druck der Sprachlehre unmittelbar bevor (vgl. schon 401109). Wenn F.
Ludwig in 410208 ferner sagt, er habe zu diesen Anmerkungen „auch das hiesige
bedencken kurtz bey iedem gezeichnet“, vielleicht also seine eigenen Beurteilungen
bei den verschiedenen Punkten notiert, so scheidet Schottelius’ Gutachten, wie es
im Erzschrein Köthen ohne jedwede Köthener Einträge, Zusätze oder dergleichen
vorliegt, wiederum als das hier gemeinte Braunschweiger „bedencken“ aus. Es muß
sich also um eine andere Kritik aus Braunschweig oder um eine weitere Kritik oder
Ergänzung von Schottelius’ Bedenken handeln (möglicherweise als Reaktion auf
Gueintz’ Gegenantwort, Beil. II), die uns nicht vorliegt und vielleicht auch nie
wirklich erstellt wurde, da Schottelius noch im selben Jahr 1641 seine eigene
Teutsche Sprachkunst veröffentlichte. Auch
Jellinek: Nhd. Grammatik, a. a. O., hat die chronologischen
Unstimmigkeiten in diese Richtung aufzulösen versucht. Tatsächlich können die von
F. Ludwig in 400605 erwarteten Korrekturen von Schottelius (bzw. Hz. August)
angekündigte Zusätze gewesen sein. In seinem ersten, in Beil. I vorliegenden
Gutachten hatte er schließlich angeboten, „im fall es zu ergentzunge und völliger
Verfaßunge etwa dieses (oder eines anderen) tractetleins begehret wurde, kunte
daßelbige (so viel die
Grammatic betrift)
communicirt, und also etwas volliges und
nützliches gemacht werden.“ Offenbar ließ es Schottelius auch mit dieser Offerte
nicht bewenden, denn noch in 410714 teilt Gueintz dem anhalt-köthnischen
Kammersekretär Christian LeClerq mit, „Mit übergebung vnd überschickung dem Hause
Braunschweig der deutschen Sprachlehr wird man müssen an iezo zu rücke halten.“
Gueintz wollte seine Sprachlehre endlich drucken lassen!
1 „Unsere so wol alte als jetzige Teutsche Sprache hat
allemahl geruhet/ und ruhet festiglich annoch in jhren eigenen einlautenden Stam̄worteren/ welche man allezeit auch in den
allereltestē Schrifften und Reimē/ und in
allē mundarten der Teutschen Sprache finden kan“.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 71 u. 74ff. (Vierte Lobrede, über die
dt. Stammwörter). Entsprechend
Schottelius: Ausführliche Arbeit
(1663), 49ff. („Die vierdte Lobrede“) u. 1269ff.: „EJn jedes standfestes
Gebäu beruhet auf seinen unbeweglichen wolbepfälten Gründen: Also einer jeglichen
Sprache Kunstgebäu bestehet gründlich in jhren uhrsprünglichen natürlichen
Stammwörtern: welche als stets saftvolle Wurtzelen den gantzen || [
520] Sprachbaum
durchfeuchten“ (50). Die unzweifelhaft dt. „Stammwörter oder
radices“ (also nicht
die eingebürgerten Lehn- und Fremdwörter) „sind die grundseulen zu allen darauf
erhöhten Teutschen Sprach-Gebäuden“ (1272). In der seit Johannes Reuchlin der
hebr. Grammatik abgewonnenen Wurzel- oder Stammworttheorie zeigt sich am
deutlichsten die Dominanz der Wort-, Wortarten- und Wortbildungslehre in den
Grammatiken des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, verbunden mit einem relativ
geringen normativen Interesse an Fragen des Satzbaus. Vgl. Markus Hundt: Die
Instrumentalisierung der „Wortforschung“ im Sprachpatriotismus des 17.
Jahrhunderts. In: Historische Wortbildung des Deutschen. Hg. Mechthild Habermann,
Peter O. Müller, Horst Haider Munske. Tübingen 2002, 289–313, und
Padley I, 115; ferner und zur stammwortgeprägten Lexikographie
Hundt, 40, 92ff., 247ff. u. 334f.; Kathrin Gützlaff: Von der
Fügung Teutscher Stammwörter. Die Wortbildung in J. G. Schottelius’ „Ausführlicher
Arbeit von der Teutschen HaubtSprache“. Hildesheim, Zürich, New York 1989, 14f.,
33ff. u. ö.; Helmut Henne: Deutsche Lexikographie und Sprachnorm im 17. und 18.
Jahrhundert. In: Wortgeographie und Gesellschaft. Festgabe für L. E. Schmitt. Hg.
Walther Mitzka. Berlin 1968, 80–114, hier 97; Gisela M. Neuhaus: Justus Georg
Schottelius: Die Stammwörter der Teutschen Sprache Samt dererselben Erklärung/ und
andere die Stammwörter betreffende Anmerkungen. Eine Untersuchung zur
frühneuhochdeutschen Lexikologie. Göppingen 1991, 1f., 78ff. — Wenn Schottelius in seinem Gutachten der dt. Sprache einen Vorzug „an
Worten, Alter, Pracht und Herligkeit“ vor den anderen (gemeint: europäischen)
Sprachen zuspricht, so wird Gueintz das in seiner Antwort und in
D nicht akzeptieren. Hier erscheint die dt. Sprache im Reigen der anderen
postbabylonischen Sprachen und darf sich wie das Griechische oder Lateinische
ebenfalls als „tapfer/ ansehnlich/ richtig und herlich“ behaupten (
D, Bl. )( v v; vgl. Bl. [vi] rf.), nicht mehr und nicht
weniger. Vgl. K II 4; ferner die Unterscheidung zwischen Sprachpatriotismus und
Sprachnationalismus, welch letzterer mit einer ideologischen Abwertung des
sprachlich Fremden einherging (und von dem sich Schottelius nicht freihielt), bei
Andreas Gardt: Sprachpatriotismus und Sprachnationalismus. Versuch einer
historisch-systematischen Bestimmung am Beispiel des Deutschen. In:
Sprachgeschichte als Kulturgeschichte. Hg. A. G., Ulrike Haß-Zumkehr u. Thorsten
Roelcke. Berlin, New York 1999, 89–113. — Die These einer Einsilbigkeit der dt.
Stammwörter wird Gueintz in seiner Gegenantwort zurückweisen, vgl. K II 5; ferner
Barbarić, 1190ff.
2 Vgl. Gueintz in Beil. II (K II 9).
3 H, 4: „Gleichwol hat sie [die dt. Sprache, Hg.] von den
Griechen die Natur und Geltung der buchstaben, die eigenschafft und zahl der
doppellautenden, die aussprechung der Sylben, die Geschlechtwörter, und
dergleichen viel behalten. Wie auch sehr viel Deutsche Wörter mit den Griechischen
am laut und bedeutung übereinkommen.“ Diese Aussage kehrt fast wörtlich in
D, 4, wieder, allerdings zu Anfang leicht abgemildert:
Obwohl die dt. Sprache „nunmehr ihre eigene buchstaben“ habe, und nicht mehr die
griechischen benutze, habe sie „wie die Griechen/ die Natur und geltung der
buchstaben/ die eigenschaft und zahl der Doppeltlautenden/ die aussprechung der
Sylben/ die Geschlechtwörter [
Am Rand: Articulos]/ und
dergleichen viel/ wie auch sehr viel Deutsche wörter mit der Griechischen an Laut
und bedeutung übereinkommen.“ Vgl. Beilage II (K II 9);
Schottelius: Sprachkunst (1641), 75ff. (Buchstaben), 198f. („Doppellaut“/
Diphthong), 207ff. („Geschlechtwort“/ Artikel). Zur „uhralten Celtischen
(Teutschen) Sprache“ vgl. Beilage II (K II 4–6).
4 Die etymolog. Ableitung „Mensch“ von hebr. „Enosch“ fehlt in
H. In
D (Buch 1,
Kap. 4: „Von der Wortforschung“), 25, aber heißt es: „das wort Mensch komt vom Hebräischen
Enosch [...]. Also liebe/ kan nicht ungereimt vom Hebräischen Leb/ das ist ein
hertz/ herkommen/ weil die liebe vom hertzen sein sol.“ Schon in seiner Stellungnahme
zu Schottelius’ Gutachten hatte sich Gueintz gegen dessen Zurückweisung dieser Etymologie
polemisch zur Wehr gesetzt, s. Beil. II. || [
521]
5 Weder Cruciger, noch Besoldus werden in
H und
D als Gewährsmänner genannt; auch
Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v – ):( vij v,
nennt Cruciger nicht in der Liste benutzter/ zitierter Autoren/ Werke, wohl aber
Christoph Besold (1577–1638). Vgl. Georg Cruciger (1575–1637): Harmonia linguarum
quatuor cardinalium: Hebraicae, Graecae, Latinae et Germanicae (Frankfurt a. M.
1616). HAB: 23 Gram. 2° (1); Besold: Thesaurus practicus. Item de populorum
origine & Linguarum immutatione (Tübingen 1629), Bl. ):( vi v). HAB: 43.1
Jur.; ders.: De Natvra Populorum, Ejvsque Pro Loci Positu, ac temporis decursu
variatione: Et insimul etiam, De Linguarum Ortv atq. Immvtatione, Philologicus
discursus. Ed. Secunda (Tübingen 1632). HAB: 19.2 Pol. (2).
6 In
H, 6, kommt nur das Compositum
„Meistergesänge“ vor; in
D, 5 ebenfalls, jedoch heißt es
dort weiter: „Es sind aber der Meister dieser Kunst an der zahl zwölffe gewesen“.
Im folgenden besteht Schottelius auf dem Kasusmorphem –e im Nominativ und
Akkusativ Plural bei Substantiven auf –er und auf der Kasusendung –er zur
Markierung des Genitiv Plural, also: die Meistere bzw. der Meisterer dieser Kunst
usw. Vgl. 380320 K I 1. In
Schottelius: Sprachkunst (1641),
222ff., 229f. u. 288ff., stellt der Autor die richtige Regel der mißbräuchlichen
Gewohnheit gegenüber, räumt allerdings ein: „ob es aber also überall von jedem zu
gebrauchen und auffzubringen sey/ möchte man billich zweiffeln“ (226). Ein solches
Zugeständnis an den Sprachgebrauch wird Schottelius in seiner
Sprachkunst (1651), 409ff., nicht mehr machen. Vgl. auch Anm. 11 und
Takada, 191. Gueintz weist diese Regel als willkürliche
Neuerung in seiner Gegenantwort (Beilage II) zurück. Vgl. K II 13, ferner
Gueintz: Rechtschreibung (1645), 22f.
7 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste
benutzter/ zitierter Werke und Autoren): „Die ReichsAbscheide samt der
Cammergerichtes Ordnung nach dem jüngsten Abtrucke“. Vgl. etwa: Alte
ReichsAbschied und Handlungen: so dem gemeinen nutzen zu gutem, theils auß
Chur-Fürsten und Stätten Archivis, theilß auß hievor getruckten alten Exemplarien,
zusammen getragen worden (Amberg 1607). HAB: 37. 16 Jur. 2°.
8 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste
benutzter/ zitierter Werke und Autoren) nennt von Goldast „Die Politischen
Reichshändel“ sowie „Die Speyrische Chronic deß Lehmanni“. — Melchior Goldast v.
Haiminsfeld (1578–1635), der wissenschaftlich-philologisches Interesse am dt.
Altertum entwickelte und von Schottelius hochgeschätzt und häufig herangezogen
wurde, hier mit: Politische ReichsHändel, Das ist, Allerhand gemeine Acten,
Regimentssachen, und Weltliche Discursen: Das gantze heilige Römische Reich, die
Keyserliche und Königliche Majestäten, den Stul zu Rom, die gemeine Stände deß
Reichs, insonderheit das Vatterlandt Teutscher Nation betreffendt ... abgetheilt,
zusammengebracht, in den Truck gegeben auß der Bibliotheck des Herrn Melchior
Goldasts von Haiminsfeld (Frankfurt a. M. 1614). HAB (2 Ex.): 2. 1 Pol. 2° u. Gl
4° 172 (1). Vgl. schon 310119; ferner
Schottelius:
Ausführliche Arbeit (1663), 1159f.; Gundula Caspary:
Späthumanismus und Reichspatriotismus. Melchior Goldast und seine Editionen zur
Reichsverfassungsgeschichte. Göttingen 2006. — Christoph Lehmann (1568–1638), der
in Schottelius’ Urteil „um das Teutsche Wesen und die Teutsche Sprache sich
wolverdient gemacht“.
Schottelius: Ausführliche Arbeit
(1663), 1186. Vgl. Chronica der Freyen Reichs Statt Speyr: Darinn von
dreyerley fürnemblich gehandelt/ Erstlich vom Ursprung/ Uffnemen/ Befreyung ...
auch underschiedlichen Kriegen und Belägerungen der Statt Speyer; Zum andern/ von
Anfang unnd Uffrichtung deß Teutschen Reichs/ desselben Regierung durch König unnd
Kayser ... Zum dritten/ von Anfang und Beschreibung der Bischoffen zu Speyr ...
Mit Fleiß zusammengetragen Durch Cristophorvm Lehman (Frankfurt a. M. 1612). HAB
(2 Ex.): 65 Hist. 2° u. Gm 2° 158.
9 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste
benutzter/ zitierter Werke und Autoren): „Der continuirter Meteranus nach dem
letzten Abtrucke“. Seit 1593 erschien die
Historia Belgica
des Emanuel van Meteren (1535–1612) in fläm., dt., engl. und französ. Sprache und
in mehreren chronologisch fortgesetzten Büchern. Schottelius könnte benutzt haben:
Meteranus novus, das ist: warhafftige Beschreibung aller denckwürdig- || [
522] sten
Geschichten, so sonderlich in den Niderlanden auch sonst in andern Reichen, von
anfang der Regierung Philippi Audacis Hertzogen zu Burgund ... biß auff das Jahr
Christi 1612 sich zugetragen/ beschrieben in XXXII Bücher durch Emanuel von
Meteren: Vor diesem zwar von Jann Janssonio in Hochteutscher Spraach aber sehr
mangelhafft und uncorrect außgegeben: Nun aber auß deß Authoris letzt ubersehner
... Edition ... biß auff das Jahr 1633 auffs fleisigste continuirt (Amsterdam
1633). HAB: T 1013.2° Helmst.
10 Michael Sachs (1542–1618), Verfasser der
Newen Keyser Chronica in vier Teilen, zuerst Magdeburg 1606–1607 (HAB:
186. Hist. 2°), in 2. verm. Ausg. Leipzig, Magdeburg 1614–1615 (HAB: Gl 2° 76).
Vgl.
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1196.
Verwechselt ihn Gueintz in Beil. II (Bl. 148r) mit dem dän. Geschichtsschreiber
des 12. Jhs., Saxo Grammaticus?
11 Opitz: Psalmen (1637), 12: „Jhr übelthäter fliehet/ | Jhr
böseswircker ziehet | Nun ferren von mir hin.“ Was Schottelius für die
Wiederherstellung einer korrumpierten Regelrichtigkeit hielt, erschien Gueintz als
„mißbrauch“. Zudem verteidigte Gueintz den modernen, eleganteren Sprachgebrauch
(„zierlicher“) gegen ein normatives Sprachaltertum. Vgl. K II 14. Tatsächlich
hatte sich die Pluralmarkierung bei mehrsilbigen Lexemen auf –er, -el und –en
durch das Flexiv –e (feder-e, vogel-e usw.) im Md. erhalten und verbreitet,
während es im Obd. schon seit dem 13. Jh. apokopiert wurde. Dieser Prozeß griff
auch auf das Md. über, bevor sich das flexivische –e in der 2. Hälfte des 16. Jhs.
ausgehend vom Omd. wieder ausdehnte. Vgl. Klaus Peter Wegera, Hans-Joachim Solms:
Morphologie des Frühneuhochdeutschen. In:
Sprachgeschichte.
Handbuch2 II, 1542–1554, hier 1544; auch 391217 K II 13. Der gesamte
Passus in Schottelius’ Gutachten erscheint fast wörtlich in
Schottelius: Sprachkunst (1641), 290f., wieder: „Alle Nennwörter/ welche
auf
er und
el außgehen/ müssen in der
mehreren Zahl [Plural] das
E an sich nehmen/ als Bürger/
Bürgere; Thäter/ Thätere/ Schwester/ Schwestere; Himmel/ Himmele/ Engel/ Engele.“
Leider verstoße der Sprachgebrauch gegen diese Regel und lasse das Endungs-e weg.
„Wan̄ man aber nach dem Hauptgrunde und dem natürlichen
Verstande der Teutschen Sprache schliessen wird/ befindet sich solches jrrig/ und
durch den Mißbrauch eingeschlichen“. Dies will Schottelius erstens aus alten und
neuen Schriften beweisen, in denen die genannten Formen gebildet werden, und
zweitens „Vornemlich darumb/ weil sonst der rechte Verstand bey uns verlohren
wird/ als wenn
Saxo in seiner Keyser Cronicen sagt: die Könige und Keyser hattens
beschlossen/ woselbst man ansteht/ ob er
Cæsarem oder
Cæsares verstehe. Also Opitz
in Psal. 6. jhr übelthäter fliehet/ jhr böseswircker ziehet. Ein Teutscher kan
allhie den
singularem und
pluralem numerum verstehen.“ Vgl. auch Anm. 6 und die
gekürzte Passage in
Schottelius: Sprachkunst (1651), 484f.
12 Eine Ausspracheregel zum Buchstaben
c
läßt sich weder in
H (vgl. S. 20ff.) noch in
D (vgl. S. 21ff.) finden. Gueintz teilt hier auch nichts
(mehr) über die Aussprache des
sch mit. Vgl. aber seine
wieder mit dem Sprachgebrauch argumentierende Antwort in Beil. II, s. K II 16.
Vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 188: „Das
C vor a/ o/ L/ r/ h/ wird gelesen wie ein K/ als: Cantzley/
Clavir/ Coralle/ Creutz/ Crocodil.“ Ebd., 187: „Von diesen beyden Letteren CH ist
zuwissen/ daß sie in Teutscher Sprache/ verwunderlicher weise/ dreyerley Tohne
haben: Denn wenn diese Letteren ch nach a/ e/ i/ o/ u/ folgen/ geben sie den Laut/
welchen das Griechische Χ geben mag/ als: nach/ noch/ nicht [!]. Wann sie aber
nach s folgen/ veruhrsachen sie einen solchen grob-zischenden Laut/ daß es fast
seltzam ist/ wie doch solche drey Buchstaben sich zu der zischenden Stimme
gefunden haben/ weil weder einer allein/ noch sie zusammen solchen Tohn zu geben
vermögen: Wen̄ aber diese Buchstaben ch ein Wort
anfangē/ haben sie den Laut eines K/ als Christ/ Chor.“
Schottelius gibt dann die drei Laute mit den Schriftzeichen K, Χ und [hebr.] ש
wieder. Auch werde für gewöhnlich zwischen s und w/l ebenfalls ch eingefügt, s. z.
B. schlagen, schwören. „Solches nun ist durch den Gebrauch allerdings bestetiget“,
sei aber eigentlich unnötig und in den „alten Teutschen Schrifften und Gesängen“
nicht üblich (a. a. O., 188). — Zur Unsicherheit bei Schottelius, wie das /sch/
hochdt. richtig auszusprechen oder ob das /ch/ || [
523] nicht gar vor dem l, m, n und w als
überflüssig auszuscheiden sei — eine Unsicherheit, die auf das dem gebürtigen
Einbecker geläufige (ostfälische) Niederdeutsch zurückgeführt wurde, das die v. a.
im Spätmhd. vollzogene Verschiebung von s zu sch in den Lautverbindungen sl, sm,
sn, sw nicht mitgemacht hat, vgl. auch
Schottelius: Ausführliche
Arbeit (1663), 196ff. In
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 462f., finden wir noch die Schreibweise schlagen, schleichen,
schmeltzen, schneiden und schweigen, während in der
Sprachkunst
(1651), 761f., slagen, sleichen, smelzen, sneiden und sweigen geschrieben
wird (vgl. dort auch S. 7). Die
Ausführliche Arbeit (1663),
594f., wird dann zur früheren Schreibung zurückkehren; vgl. aber ebd., 196f. Vgl.
ferner
Mnd. Handwb., 351, 357 u. ö. Helmut de Boor,
Roswitha Wisniewski: Mittelhochdeutsche Grammatik. Berlin, New York
7 1973, 19;
Stefan Kiedroń: Niederländische Einflüsse auf die Sprachtheorie von
Justus Georg Schottelius. Wrocław 1991, 57; Gilbert A. R. de Smet: Niederländisch/
Deutsch. In:
Sprachgeschichte. Handbuch2 IV, 3290–3299,
hier 3295;
Takada, 84ff.; Sheila Watts: „Wer kan wider
eines gantzen Landes Gewohnheit?“ Justus Georg Schottelius as a Dialectologist.
In: „Proper words in Proper Places“. Studies in Lexicology and Lexicography in
Honour of William Jervis Jones. Ed. by Máire C. Davies, John L. Flood and David N.
Yeandle. Stuttgart 2001, 101–114, hier 106f.
13 H, 17: „Die Mitlautende buchstaben pflegen die deutschen in
kurtzen wörtern am ende gemeiniglich duppelt zu setzen [
Von F.
Ludwig eingefügt für <zu dopplieren>]. als: All, Schall, Naß.“
D, 19: „Die
Mitlautenden buchstaben
pflegen die Deutschen in kurtzen wörtern am ende gemeiniglich zu Dopplieren/ als:
all/ schall/ voll/ vaß/ auff.“ Gueintz übernahm in die endgültige Druckfassung
seiner Sprachlehre also weder die differenzierte Regel von Schottelius (s. auch
Anm. 14), noch seine eigene aus der Antwort Beil. II (K II 17).
14 Zur Verdoppelung des
l fehlt in
H eine Aussage.
D, 19: „Das l wird
allezeit gedoppelt/ welche von will und all/ herkommen. VVern., pag 55.“ Obwohl
sich Gueintz in seiner Antwort korrekturwillig zeigte (s. K II 18), änderte er den
von Schottelius kritisierten Hinweis offenbar noch nicht. Die nicht phonetische,
sondern etymologisch-morpholog. Begründung bei Schottelius, wonach die obliquen
Kasus bzw. die anderen Tempora über die Doppelung der Konsonanten entscheiden,
greift Gueintz erst in seiner
Rechtschreibung (1645), 16,
auf. Vgl. Johann Werner: Manuductio orthographica ad linguam germanico-latinam
(1629). Hg. Claudine Moulin. Hildesheim u. a. 2007 (Documenta Orthographica, Abt.
A, Bd. 1), 55: „Das L. wird allezeit zwiefach gesetzet/ in denen wörtern/ welche
vom will und alle herkommen: alß/ Wollen/ willig/ willfahren/ allezeit/ allewege/
allenthalben/ allerley/ etc.“ Hingegen lautet die Faustregel in
Schottelius: Sprachkunst (1641), 189f.: „Es wird in den Stammwörteren am
ende der mittlautender gedoppelt/ so offt in dem Nennworte die abfallende
Zahlendungen [
Marginalnote von Schottelius dazu: „obliqui
casus“]/ solche doppelung nothwendig erfoderen/ als Stimm/ all/ voll/ Mann/
Schall/ etc. denn man saget der Stimme/ alle Leute/ voller Mühe/ des Mannes/ des
Schalles/ etc. und nicht: Stime/ ale/ vole/ Mane. Also gleichfalls in dem
Zeitworte [
dito: „verbo“]/ wird der letzter mittlautender
verdoppelt/ wenn die anderen Zeiten solche doppelung erfoderen/ als: Lauff/ denn
man sagt ich lauffe/ und nicht ich laufe: Stoß/ denn es heisset stossen und nicht
stosen [...].“ Vgl. insgesamt
Barbarić, 403ff.
15 Vgl.
H, 25ff., zur „vielfältigen
Zahl“ der Nennwörter. In abweichender Terminologie
D, 26 u.
32f., zur „mehreren“ oder „übereintzigen“ Zahl. Zu den Regeln des Plurals vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 267ff. Hierzu und in
anderen Fällen einer Kritik an mangelnder Vollständigkeit und Systematik der
Regeln s. Gueintz’ Gegenantwort (K II 19).
16 Vgl.
H, 38, 44, 46ff., 50ff. u.
85f.;
D, 42f., 44, 48f., 50ff. u. 97, sowie Gueintz’
Gegenantwort (K II 19). Dazu
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 221ff. u. 302ff. (Im 12. Kap. des 2. Buches „Von der Doppelung“,
a. a. O., 345–395, werden nur zusammengesetzte Substantive behandelt; vgl. daher
auch
Schottelius: Ausführliche Arbeit [1663], 398ff.) || [
524]
17 Vgl. dazu das 6. Kapitel des 1. Buchs in
H, 29f., wo es u. a. heißt: „Die Nennwörter welche mit dem
Unabsonderlichen Vorwort
ge zusammengesetzet, und vor sich eine vollkommene
bedeutung haben, sind keinerley geschlechts [d. i. genus neutrum]. als:
Das Gemüthe, | | Das Gebew, |
Das Geblüte, | | Das Geschrey. |
§ ausgenommen: der Geschmack, der Geruch, der Genuß [
von F.
Ludwig gebessert aus Genieß], der Gestanck, die Gefahr, die Gebühr.“
Entsprechend in
D, 35; allerdings ist dort vom „unbenamten“
(statt keinerley) Geschlecht die Rede. Vgl. Gueintz’ Gegenantwort (K II 19).
Schottelius kannte drei konstitutive Bestandteile des Wortes, (1.) die Stammwörter
oder Wurzeln, ggf. (2.) die „Hauptendungen“ („terminationes derivandi“), d. h.
Ableitungssuffixe, die an sich selbst nicht bedeutungstragend sind, sondern
bedeutungsmodifizierend wirken, und ggf. (3.) die „zufälligen Endungen“
(=Flexionsmorpheme: Deklinations-, Komparations- und Konjugationsendungen). Die
„Hauptendungen gehören nicht mit zu dem wesentlichen Verstande des verdoppelten
Wortes/ sondern sie sind nur eine unfehlbare Anzeige der Ableitung/ veränderen
nicht den Sinn des Grundworts/ deuten aber an eine sonderbare Eigenschaft oder
Zufall desselbigen“.
Schottelius: Ausführliche Arbeit
(1663), 91, vgl. 42; vgl.
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 302ff.; ferner hier Anm. 25;
Barbarić,
1182f. u. 1242ff.; Peter v. Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter
bis zur Gegenwart. Bd. 2: 17. und 18. Jahrhundert. Berlin, New York 1994, 154;
Takada, 150f. Vom Wortbildungsmodus der Derivation/
Ableitung ist die Verdoppelung/ Komposition zu unterscheiden. Vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 345ff.;
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 72ff. u. 398ff.;
Barbarić, 1333;
Takada, 144ff. Den
„Vorwörtern“ räumte Schottelius ebenfalls, und zwar vorrangig, elementare
Funktionen in der Wortbildung, der Wortzusammensetzung ein. „Vorwort
(Präposition)“ meinte bei ihm und seinen Zeitgenossen nicht nur unser heutiges
Verhältniswort, sondern schloß auch Vorsilben („unabsonderliche Vorwörter“/
„praepositiones inseparabiles“, s.
Schottelius: Ausführliche
Arbeit [1663], 616) ein, wie das Präfix
ge-.
Vorsilben aber sind keine selbständig gebrauchten Lexeme, sondern
Wortbildungsmorpheme, die nur in der Zusammensetzung Bedeutung generieren. S.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 483ff. Seiner Liste von
Vorwörtern, die beide Kategorien, „absönderliche“ und „unabsönderliche“ Vorwörter
umfaßt, gehört auch die Vorsilbe ge- an, die mit vielen Beispielwörtern
illustriert wird, s. a. a. O., 487ff., hier 497ff. In der
Ausführlichen Arbeit (1663), 632, heißt es dazu ähnlich wie in
Schottelius’ Gutachten: „Dieses Vorwörtlein
Ge ist eine
vortrefliche Wirkung/ dadurch eines jeden anzudeutenden Dinges sonderbare
Menge/ verwirrung/ vielheit etc. aufs kürtzeste und doch
klärlich dem Teutschen Verstande vorkomt/ wie aus nachfolgenden vielen artigen
Worten abzunehmen.“ Vgl. auch
Barbarić, 1086ff. u.
Takada, 158ff. Zur hier zugrundeliegenden Unterscheidung von
„species“ und „figura“ in der lat. Grammatik und etwa auch bei Johannes Kromayer,
zu Wolfgang Ratkes Originalität in der Konzeption einer semantisch basierten
Derivationstheorie im Deutschen und zur großen Bedeutung dieser Wortbildungslehre
für Schottelius’ Grammatik vgl. u. a.
Padley I, 112; Markus
Hundt: Die Instrumentalisierung der „Wortforschung“ im Sprachpatriotismus des 17.
Jahrhunderts, a. a. O. (s. Anm. 1); Johannes Kromayer: Deutsche Grammatica/ Zum
newen Methodo/ der Jugend zum besten/ zugerichtet (Weimar 1618). Ndr. Hildesheim
u. a. 1986 (Documenta Linguistica, Reihe IV), S. 3; Reiner Schmidt: Deutsche Ars
Poetica. Zur Konstituierung einer deutschen Poetik aus humanistischem Geist im 17.
Jahrhundert. Meisenheim am Glan 1980, 246ff.
18 Das 8. Kapitel des ersten Buchs in
H, 32ff. („Von dem Geschlecht der Selbstendigen [Nennwörter] ... Aus der
Endung“), in
D, 38ff. („Von dem geschlechte der
Selbständigen und beyständigen aus der endung“). Schottelius’ Einwand weist
Gueintz in seiner Gegenantwort ab, da er in jenem nicht ein systematisches
Anliegen zur Erklärung der Substantivendungen (vgl. Anm. 17), sondern nur das
Ansinnen einer vollständigen Wortliste erblickt, die in das (noch zu schaffende)
dt. Wörterbuch, nicht in die Grammatik, gehöre. || [
525] Vgl. K II 20. Vgl. zur Deklination
der Substantive
Schottelius: Sprachkunst (1641),
283–302.
19 Tatsächlich hat
D, 38ff. eine
umfangreiche, alphabetisch nach Endbuchstaben geordnete Wörterliste aufgenommen,
die in
H noch fehlt, allerdings keine verläßliche
Regelhaftigkeit der Genusmarkierung qua Wortendung bietet. Hier, in der Varianz
und Uneinheitlichkeit des Genus der Substantive lag ein ernstes Problem für die
Grammatiker des 17. Jahrhunderts. Dazu
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 246ff. (mit Wortlisten nach dem Auslaut, wie bei Gueintz);
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 261ff. (dito); vgl.
Neuhaus (s. Anm. 1), 181ff.; Gabriele Schmidt-Wilpert: Die Bedeutung der älteren
deutschen Grammatiker für das Neuhochdeutsche. In:
Sprachgeschichte. Handbuch II, 1556–1564, hier 1561.
20 In
H, 38, ist das 9. Kapitel „dem
Geschlecht der Beystendigen NennWörter“ gewidmet; vgl. auch 46 und
D, 42f.: „Von dem Geschlechte der beyständigen [Nennwörter,
d. h. Adjektive, d. Hg.]/ sind nachfolgende regeln: 1. Allerley geschlechtes sind
die beyständigen Nenwörter/ die ein vornenwort [Pronomen, d. Hg.] haben/ als: der
gute/ die gute/ das gute: der dritte/ die dritte/ das dritte. 2. Die beyständigen
Nenwörter/ die nicht ein vornenwort vor sich haben/ sind auf ein
er mänliches/ auf ein
e weibliches/ auf ein
S unbenamtes geschlechtes/ als: guter mann/ gute frau/ gutes
haus.“ Vgl. die differenzierteren und analytischeren Ausführungen in
Schottelius: Sprachkunst (1641), 221ff. u. 301ff.;
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 261ff. (7. Kap. des
2. Buchs: „von dem Geschlechte der Nennwörter“). Gueintz’ Gegenantwort bleibt an
diesem Punkt völlig unergiebig, vgl. Beil. II (K II 21).
21 H, 53 (über die Pronomen): „Das
e in
Ewere, Unsere, wird offt weggeworffen, als: Unser hülffe.“ Ausführlicher in
D, 58 (s. 400122 I [K I 29]). Über die Verben heißt es u. a.
in
D, 61: „Das Zeitwort in der ersten person der eintzelen
zahl gehet aus auf einen mitlautenden buchstaben oder ein
e.
Welches/ so es nicht da ist/ dennoch drunter verstanden wird/ als: Jch bet zum
HErren/ an stat/ Jch bete/ und wird das kurtze
e/ wie bey den
Hebräern/ das
Scheva, gehalten. Kan auch ohne Merckzeichen (oder
apostropho) recht
und wol gebraucht werden.“ (Eine entsprechende Passage fehlt in
H.) Gueintz hat also Schottelius’ Kritik nicht aufgegriffen, da er in
seiner Gegenantwort bestreitet, aus der bloßen Anmerkung eine Regel gemacht zu
haben. Ansonsten argumentiert er mit dem Gebrauch, auch gegen das
Auslassungszeichen des Apostrophs, das er hier als anmaßende Künstlichkeit
verwirft. S. K II 22. Vgl. bereits Buchners Ausführungen in 400122 I (K I 29) und F. Ludwigs Kritik in 400214 I (K I 23); ferner
Schottelius: Sprachkunst (1641), 404f., 410 u. 547ff., da er
beklagt, daß „aber etzliche ersetzen mein Mutter/ dein Schwester/ unser augen/
mein allerliebsten Vater/ etc. solches ist durchauß falsch und hat nichts als den
unverstendigen mißbrauch zum Grunde“ (410). Ja, es sei „keine Letter in Teutscher
Sprache/ welche also mißlich gebrauchet werde/ als das E“ — mit willkürlichen
Elisionen, Hinzufügungen usw. Der Apostroph („Hinterstrich“) soll, so Schottelius,
nur in Versen zur Kennzeichnung eines ellidierten Schluß-„e“ verwendet werden, und
nur dann, wenn das nächste Wort mit einem Vokal oder mit einem „H“ beginnt (526 u.
537ff.; vgl. die folgende Anm.).
22 Der Humanist und neulatein. Dichter Paulus Schede Melissus
(1539–1602). Martin Opitz (FG 200) kritisierte des öfteren seine dichterischen
Freiheiten hinsichtlich der dt. Grammatik, s. 380828 K I 2 unter Bezug auf Opitz’
Buch von der Deutschen Poeterey (Breslau 1624), in:
Opitz II.1, 331–416, hier 390. Opitz schrieb zur Apokope des
Schluß –e, a. a. O., 386: „Das e/ wann es vor einem andern selblautenden
Buchstaben zue ende des Wortes vorher gehet/ es sey in wasserley versen es wolte/
wird nicht geschrieben vnd außgesprochen/ sondern an seine statt ein solches
zeichen ’ darfür gesetzt“ (ausgenommen Eigennamen wie Helene usw.), z. B. „[...]
mein’ ergetzung [...]“. Folgt dem –e aber im anschließenden Wortanfang ein
Konsonant, „soll es nicht aussen gelassen werden“, wie irrig bei „Melißus: Rot
rößlein wolt’ ich brechen/ für Rote rößlein.“ A. a. O., 388. Schottelius || [
526] schloß
sich auch in seiner Grammatik Opitz an.
Sprachkunst (1641),
444: Grundsätzlich „ist zuwissen/ daß die anzeigungsweise [Indikativ] müsse
allezeit in Teutscher Sprache zwosilbig seyn/ als ich lauffe/ ich gebe/ ich bete.
Es ist zwar zuweilen befindlichen/ daß sie ohn jhr letztes E geschrieben werden;
aber solches gibt in dem/ da es unrecht ist/ keine
regulam. Opitz tadelt es an
einem/ daß er gesetzet rot röselein/ für rote röselein/ und zwar darumb/ daß ein
endstehendes E/ wenn ein mittlautender darauff folget/ mit nichten künne und müsse
in den Teutschen Wörteren übergangen werden/ wenn wir sonst recht und grundmessig
Teutsch schreiben wollen. Was an sich mißbräuchlich ist/ muß keinen Lehrsatz in
der Teutschen Sprachkunst geben.“ Das Argument leicht gekürzt und ohne den Verweis
auf Opitz’ Kritik auch in
Schottelius: Sprachkunst (1651), 740, bzw.
Ausführliche Arbeit (1663), 574. Auch die (unvollständige) Übersetzung
des Hugenottenpsalters durch Schede:
Di Psalmen Davids Jn
Teutische gesangreymen/ nach Frantzösischer melodeien ůnt sylben art
(Heidelberg 1572) hatte Opitz’ Kritik hervorgerufen. Was Schede später der
Psalter-Übertragung von Ambrosius Lobwasser:
Psalter deß
Königlichen Propheten Dauids/ Jn deutsche reymen verstendiglich vnd deutlich
gebracht (Leipzig 1573) an metrischen und Reim-Verstößen vorgeworfen habe,
treffe noch schärfer auf ihn selbst zu. Vgl. die Vorrede in
Opitz: Psalmen (1637), Bl. (:) vi rf. Vgl. Die Psalmenübersetzung des
Paul Schede Melissus (1572). Hg. Max Hermann Jellinek. Halle a. d. S. 1896, S.
XX.
23 Auch in seiner Grammatik führte Schottelius eine
Untergliederung in nur zwei Konjugationen („Zeitwandelungen“) ein, „die
gleichfliessende“ oder „ordentliche“ (conjugatio regularis, i. e. regelmäßige, bei
den sog. schwachen Verben) und „die ungleichfliessende“ oder „unordentliche“
(conjugatio irregularis, i. e. unregelmäßige, bei den sog. starken Verben). S.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 414f. u. 424f.; vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1651), 710ff. u.
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 549ff. Die erste umfaßt alle
Verben „mit behaltung einerley Stammletteren/ durch und durch in jhren zeiten/
zahlen/ weisen und Personen“.
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 424. Die andere Gruppe von Verben, die 1641 auf „ohngefehr hundert
und neuntzig Teutsche Zeitwörter“, 1651 auf 200 Wörter taxiert wurde, verändert
die „Stammbuchstaben“. A. a. O., 425, vgl. 436ff.; ferner
Sprachkunst (1651), 720 u. 733ff. In der
Ausführlichen
Arbeit (1663), 549 und 569, nennt Schottelius die ersten Zeitwörter auch
„
verba analoga“, jene der zweiten Gruppe „
verba anomala“. Die Verben „brechen“ und
„kommen“ werden als Beispiele der unregelmäßigen Verben durchkonjugiert,
Schottelius: Sprachkunst (1641), 437ff. u. 440ff.; eine
vollständige Liste der „ungleichfliessenden“ Verben schließt das Kapitel ab, a. a.
O., 451ff.; vgl.
Sprachkunst (1651), 747ff. u.
Ausführliche Arbeit (1663), 579ff. Vgl.
Takada, 204ff. Die heutige Grammatik folgt Schottelius darin,
unterscheidet aber innerhalb der unregelmäßigen Konjugation je nach der Änderung
des Stammvokals 39 verschiedene Ablautreihen. Vgl. Duden. Grammatik der deutschen
Gegenwartssprache. 6., neu bearb. Aufl. Mannheim u. a. 1998, 127. —
H, 63ff. unterscheidet vier „Verenderungen“ (Konjugationen)
anhand der Ablaute, allerdings sozusagen quer zum Kriterium der Regel- bzw.
Unregelmäßigkeit, welch letztere
H „Unehnliche“ Verben
nennt. In
D, 68ff. grenzte sich Gueintz von seinen
Vorgängern Johann Clajus, Albert Ölinger und Stephan Ritter ab, indem er die
Konjugation der Verben als insgesamt „gar verworren/ und unordentlich“ befand und
als bessere Lehre die Unterscheidung in eine regelmäßige und drei unregelmäßige
„verenderungen“ anbot. Wie auch sonst öfter, folgte Gueintz hier im
Unterscheidungsprinzip dem Weimarer Ratichianer Johannes Kromayer: Deutsche
Grammatica/ Zum newen Methodo (s. Anm. 17), 27ff. Die erste Konjugation ist die
regelmäßige mit unverändertem Stammvokal in Präsens, Imperfekt und Partizip
Perfekt; die zweite bricht den Stammvokal nur im Imperfekt, die dritte verändert
den Stammvokal einheitlich in Imperfekt und Partizip Perfekt, die vierte verändert
den Stammvokal abweichend in Imperfekt und Partizip Perfekt. In seiner
Gegenantwort kritisierte Gueintz die unverständlichen Termini „gleichfließende“
und „nicht gleichfließende“ zugunsten der Attribute „Gleichförmig“ bzw.
„ordentlich“, vgl. K II 23. Auch wehrte er sich dagegen, „nur eine
Coniugation zu
machen“ (ge- || [
527] meint ist wohl: nur eine unregelmäßige Konjugation), s. K II 24. — Daß
Schottelius die Ablautreihen der unregelmäßigen Verben mit dem Imperativ Sing.
beginnt, liegt daran, daß er in dieser einsilbigen Form das Stammwort des Verbs
erblickt, s. K II 29, vgl. dazu
Barbarić, 964.
24 S.
H, 76ff.;
D, 86ff. Vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641),
483ff. (Vorwörter/ Präpositionen), 514ff. (Zuwörter/ Adverbien) u. 523
(Fügewörter/ Konjunktionen).
25 Der Terminus „Verdoppelung“ für alle Arten der Komposition
von Wörtern spielt in Schottelius’ Wortbildungslehre/ Morphologie eine
entscheidende Rolle. Vgl. schon Anm. 17. Ihr einzigartiger Reichtum an
Verdoppelungen, „die unvergleichliche gerühmte Kunst der Teutschen Verdoppelung“,
verleiht der dt. Sprache einen einzigartigen „Kunstschmuck“ an semantischem
Reichtum und Feindifferenzierung, läßt sie der vielgestaltigen Natur „am nechsten“
kommen und darin die anderen Sprachen weit übertreffen.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 345 u. 346, vgl. auch 483f. Der
„Verdoppelung“ ist daher auch eine eigene, die sechste Lobrede der ,uralten
teutschen Hauptsprache‘ in a. a. O., 105–138, vgl. hier bes. S. 121, gewidmet.
„Das eintzige Band Menschlicher Einigkeit/ das Mittel zum Guten/ zur Tugend und
zur Seligkeit/ und die höchste Zier deß Vernünfftlichen Menschen sind die
Sprachen. Nachdem nun aber die eine vor den anderen reich/ voll/ künstlich/
dringend und füglich ist/ darnach kan sie auch jhre wirckungen den Menschen
außtheilen/ und desto höherē Stand der
vortrefflichkeit einnehmen. Solches aber bestehet vornemlich und fast gäntzlichen
in modis & aptitudine variâ componendi, darinn die Griechische Sprache sich
sönderlich hervorthut/ und weit und breit die hülffliche künstliche Hand beut.
Unsere Teutsche Sprache aber/ welches ich sicherlich setze/ und zuversichtlich
hoffe zubehaupten/ tritt noch weiter vorauß/ pranget mit noch reicher [
lies: reicherer] Fülle einher/ öffnet viel milder jhre
unerschöpffte Kunstquellen/ zeiget nach Wunsch die Lustwege zu ihr/ hat sich/ so
zu redē/ mit der Natur verschwestert/ alles uns
Teutschen/ was die Natur wil/ außreden zu lehren.“ A. a. O., 348. Vgl. Klaus Peter
Wegera, Heinz-Peter Prell: Wortbildung des Frühneuhochdeutschen. In:
Sprachgeschichte. Handbuch2 II, 1594–1605. Zur Verdoppelung
der Präpositionen („Vorwörter“) vgl. Schottelius, a. a. O., 484ff. (d. i. eine
Liste der zusammengesetzten Präpositionen wie „außerhalb“, „aneinander“ usw.) u.
514ff. („abgeleitete Zuwörter“);
Schottelius: Ausführliche
Arbeit (1663), 614ff., ebenfalls mit einer Liste von rund 100 „gedoppelten
Vorwörter[n]“ (616). Gueintz hielt in seiner Gegenantwort Schottelius’ Vorwurf für
unpassend: vollständige Wörterlisten gehörten in das Wörterbuch, nicht in die
Grammatik. Zudem hinterfragte er rundweg die Verdoppelung der Vorwörter, weil er
zwar abgeleitete, nicht aber verdoppelte Präpositionen kenne. Vgl.
Barbarić, 1090f.; Dieter Wolf: Lexikologie und Lexikographie
des Frühneuhochdeutschen. In:
Sprachgeschichte. Handbuch2
II, 1554–1584, hier 1561ff. („Derivation und Komposition“).
26 In
H läßt sich die von Schottelius
kritisierte Vermischung der Präposition ,wider‘ mit dem Adverb ,wieder‘ nicht
auffinden. In
D erscheint nur „wiederumb“ als Adverb (Bey-
oder Zuwort) „der zahl“ (S. 89), „wieder“ als Präposition (Vorwort) aber sowohl im
Sinne von ,wider‘ mit Akkusativ („Klagendung“) als auch „als ein unabsonderliches“
Vorwort (Vorsilbe), bedeutend „so viel als im Lateinischen/
Re, als:
Wiederantworten/ (
respondere.)“ Inhaltlich differenziert Gueintz hier also, wie
schon in seiner Gegenantwort (s. K II 27) durchaus analog zu Schottelius’
Unterscheidung bei allerdings homonymer Schreibweise „wieder“. In seinem Kapitel
über Homonyme („Gleichbenahmte“) gibt Schottelius „wieder“ als Beispiel an: „wider
contra, wieder
rursus, widder
aries“.
Sprachkunst (1641),
543ff., hier 544. Vgl.
Barbarić, 1092.
27 Im zweiten Buch von Gueintz’ Sprachlehre („Von der
Wortfügung“), s.
H, insbes. S. 118ff.;
D, insbes. S. 107ff. Vgl. das zweite Buch „Von der Wortfügung“ in
Schottelius: Sprachkunst (1641), 553–654.
K IIZur Datierung von Christian Gueintz’ (FG 361. 1641)
Stellungnahme zum Gutachten von J. G. Schottelius (FG 397. 1642) über seine
Sprachlehre vgl. K I 0. S. dort auch die Auflösung der im folgenden benutzten
Siglen H und D.
1 Auch in seiner
Rechtschreibung
(1645) bekräftigt Gueintz, daß dem Menschen allgemein von Natur nur die
Sprachfähigkeit, nicht aber eine bestimmte Sprache gegeben ist. Alle
Einzelsprachen aber werden im Primärerwerb „durch gewonheit und übung erlernet“
(S. 1). Zu der von Beginn an virulenten Opposition zweier grundsätzlich
verschiedener Sprachauffassungen in der fruchtbringerischen Sprachdiskussion —
festzumachen an den Positionen von Gueintz und Schottelius — vgl. K 3.
2 Der „Vrtheiler“ (Criticus) ist hier mit dem Attribut „neu“
ebenso pejorativ besetzt — gemeint ist Schottelius —, wie in Schottelius’
Gutachten der nur Wind produzierende „
hodiernus Criticus“, mit welcher sich Gueintz wohl angegriffen glaubte. Auch
die mit dem Steigerungspräfix Ertz- versehene Form meint abwertend dasselbe: „die
Windmänner/ die Ertzcritici genennet werden“.
Schottelius:
Sprachkunst (1641), 270, vgl. 245. Ansonsten war der Begriff des
ursprünglich im Bereich der Grammatik angesiedelten Criticus in der Antike und in
der an sie anknüpfenden Renaissance-Philologie deutlich positiv besetzt, wie bei
Angelo Poliziano (1454–1494), Francesco Robortello (1516–1567), Joseph Justus
Scaliger (1540–1609), Justus Lipsius (1547–1606), Paulus Merula (1558–1607), Isaac
Casaubonus (1559–1614), Caspar Schoppe (1576–1649), Esteban Manuel de Villegas
(1589–1669) u. v. a. Der „Criticus“ (auch „emendator“, „corrector“, seltener
„censor“) ist bei ihnen der gelehrte und enzyklopädisch gebildete Philologe, der
mit Sorgfalt („cura“) an sein textkritisches Werk geht. Der schlechte Kritiker/
Philologe erscheint hingegen in Bezeichnungen wie „imperitus“ und „corruptor“.
Zuweilen aber können auch die Critici negativ gezeichnet sein, oft, wie oben, mit
dem Attribut „neu“: ein kecker „novus emendator“ des Terenz oder „novi
correctores“, die Texte verderben (Robortello), schließlich „ingeniosi &
prurientes critici“, begierig-grillenhafte Kritiker (Schoppe), „moroses
insectatores“ (pedantische Nörgler, I. C. Scaliger) wenn nicht gar mangelnde
Qualität als die zeitgenössische epidemische Kritiker-Krankheit gilt („hodie
solemnis & ἐπιδήμιος nostrorum Criticorum morbus“; Casaubonus). Die Gefahr
gelehrter Hyperbolie oder Pedanterie, die die neue, emanzipierte Basiskompetenz
der „Kritik“ des Aufklärungszeitalters an ihrer Vorläuferin tadelt, scheint damit
im Criticus angelegt zu sein, wie sie in obigen Zitaten begegnet. S. Iulius Caesar
Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Lat.-dt. Ausg.
Unter Mitw. v. Manfred Fuhrmann hg., übers. u. eingel. v. Luc Deitz u. Gregor
Vogt-Spira. 6 Bde. Stuttgart, Bad Cannstatt 1994–2008, Bd. 4: Buch V (1998), 44,
vgl. 216; Klara Vanek:
Ars corrigendi in der frühen
Neuzeit. Studien zur Geschichte der Textkritik. Berlin, New York 2007, (in der
Reihenfolge der Verweisungen:) 179ff., 157ff., 162 u. 171f. Zur Kritik der
Grammatici als Pedanten bei Balthasar Gracian s. u. a. Wilhelm Kühlmann:
Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat: Entwicklung und Kritik des deutschen
Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982, insbes.
294ff.; Carlos Gilly: Das Sprichwort „Die Gelehrten die Verkehrten“ oder der
Verrat der Intellektuellen im Zeitalter der Glaubensspaltung. In: Forme e
destinazione del messaggio religioso. A cura di Antonio Rotondo. Firenze 1991,
229‒375. S. auch Claus v. Bormann/ Helmut Holzhey: Kritik. In:
HWPh IV, 1249–1282; Herbert Jaumann: Critica. Untersuchungen zur
Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius. Leiden 1995,
158ff. (Kap. III); Gunter E. Grimm: Literatur und Gelehrtentum. Untersuchungen zum
Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. Tübingen 1983,
150 u. 153; Wilhelm Schmidt-Biggemann: Topica universalis. Eine Modellgeschichte
humanistischer und barocker Wissenschaft. Hamburg 1983, 261ff. Der
„Urteilsmeister“ erscheint bei Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) als Übersetzung für
Kritiker, Rezensent, s. Hugo Harbrecht: Philipp von Zesen als Sprachreiniger.
Karlsruhe 1912, 39. Georg Philipp Harsdörffer (FG 368. 1642) verglich Luther als
Vater der dt. Beredsamkeit mit Cicero, ein „Grammaticus“ oder „Criticus“ vom
Schlage eines Marcus Terentius Varro sei er aber || [
529] nicht gewesen: „Cicero fuit
Lutherus et Eloquentiae | Germanicae Parens, non Varro, Grammaticus vel Criticus“.
Zit. n. Cherubim: Varro Teutonicus (s. K 3), 131; vgl. auch das Schreiben
Harsdörffers an Gueintz vom 31. 1. 1646,
KE, 350. V. a. als
Criticus, als „Zensor eines richtigen Sprachgebrauchs“, sind Varro und seine
überlieferte Schrift zur lat. Sprache von der europ. Sprachwissenschaft seit der
Renaissance wahr- bzw. übernommen worden. Cherubim, a. a. O., 141.
3 Gueintz’ Luther-Zitat scheint wörtlich nicht nachweisbar,
wie zuletzt noch die ausgiebige Text- und Stichwort-Suche in der CD-Rom-Ausgabe
von
Luther: Werke zeigte. Der Sache nach begegnet der
Luther-Ausspruch aber deutlich in seinen Ausführungen zur Bibel-Übersetzung ins
Deutsche. Ohne Willkür oder Voreiligkeit Vorschub zu leisten, verlangt Luther eine
freie, sinngemäße Übersetzung dort, wo eine wörtliche Übersetzung aus dem
Hebräischen bzw. Griechischen (auch dem Lateinischen der Vulgata) in der deutschen
Sprache den originären Aussagesinn verfehlt. Er ist überzeugt, das „nicht der sinn
den worten, sondern die wort dem sinn dienen und folgen sollen“, zumal es in der
Übersetzung gilt, die Worte „rein und klar teutsch zu geben“. Die „art“ der dt.
Sprache aber, sei es der Lexik, der grammatischen Konstruktion oder der
Phraseologie, ist eine eigene, die in wörtlicher Wiedergabe anderer Sprachen
verfehlt werden kann. Ist dies der Fall, müsse man „die buchstaben faren lassen,
und forschen, wie der Deutsche man solchs redet“. Auch verzichtet er nicht auf die
Bescheidenheitsformel, sein Bestes versucht zu haben, aber niemanden zwingen oder
von eigenen, besseren Übersetzungsversuchen abhalten zu wollen. Die Zitate in der
Reihenfolge: Martin Luther: Summarien über die Psalmen und Ursachen des
Dolmetschens (1531–33), in
Luther: Werke, Abt. 1, Bd. 38,
1–69, hier 11; ders.: Sendbrief vom Dolmetschen (1530), in
Luther: Werke, Abt. 1, Bd. 30.2, 627–646, hier 636, 637 u. 639, vgl. 633;
ferner Andreas Gardt: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom
Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Berlin, New York 1999, 131f., wo diese
Passage aus Gueintz’ Antwort behandelt wird (ohne Nachweis des Luther-Zitats);
schließlich Erwin Arndt/ Gisela Brandt: Luther und die deutsche Sprache. Wie redet
der Deudsche man jnn solchem Fall? Leipzig 1983 (ohne das von Gueintz bemühte
Luther-Zitat).
4 Schottelius bestritt nicht, daß die hebr. Sprache die erste
und älteste war und daß die alte kelt. oder dt. Protosprache (für Schottelius
synonym, s.
Schottelius: Sprachkunst [1641], 62f., 271, und
die Schemata in
Schottelius: Ausführliche Arbeit [1663],
153f.) erst von Noahs Nachkommen Ascenas von Babel nach Europa eingeführt wurde.
Unter den in der babylonischen Sprachverwirrung entstandenen Sprachen aber räumte
Schottelius der deutschen den Status der ältesten, am wenigsten verfälschten, der
Natur und Adam am nächsten stehenden Sprache ein. Vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 54ff., 152, 177 u. 271; auch
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 29ff. (Dritte
Lobrede, „von der Uhralten HaubtSprache der Teutschen“);
Takada, 2f., 8f. u. ö. In seinem Gutachten (Beil. I) spricht Schottelius
die adamitische Sprache zunächst gar nicht an, betont aber entschieden die
originäre Eigenständigkeit der dt. Sprache, was Gueintz’ Polemik eine willkommene
Angriffsfläche bot. Vgl. K I 1.
5 Tatsächlich unterschied Schottelius 1663 drei Arten von
dt. Stammwörtern: „Vors erste/ sind die echte/ rechte/ von niemand in zweiffel
zuziehende Teutsche Stammwörter/ welche meist alle einsilbiges lautes sein“, zum
zweiten „etzliche unabgeleitete und ungedoppelte Wörter/ die man für Teutsche
Stammwörter halten und behalten muß/ ob man schon zweiffelt/ wohin sie dem
Uhrsprung nach gehören; [...] solcher Wörter sind viel verhanden/ so wir aus der
alten Celtischen Sprache (
cujus dialectus praecipua est Lingua Germanica hodierna)
noch haben“. Drittens gebe es schließlich „etzliche/ aus frömden Sprachen
angenommene und Teutsches Ausspruchs fähig gewordene/ und also der Teutschen
Sprache nunmehr miteingepflantzte Wörter“, die keineswegs aufzugeben seien.
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1272, vgl. 61. Zur
von Schottelius behaupteten Einsilbigkeit der dt. Stammwörter vgl.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 87ff., 413 u. 444. Vgl.
noch Anm. 29. || [
530]
6 Vgl. die Anmerkung von Schottelius in seinem Gutachten zu
„
Pag. 4 huius tractatus“, in der
diese These vertreten wird; ferner
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 63 u. 69;
Schottelius: Ausführliche Arbeit
(1663), 153f., auch 1029ff. Vgl. zu der schon von Beatus Rhenanus
bestrittenen These keltisch-germanischer Sprachidentität bei Philipp Clüver
(1580–1622), Adriaan van Schrieck (1560–1622), Schottelius und anderen Arno Borst:
Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der
Sprachen und Völker. 4 Teile in 6 Bden., Bd. III.1, Stuttgart 1960, 1224ff. u.
1357;
Hundt, 262ff.; William Jervis Jones: „König Deutsch
zu Abrahams Zeiten“: Some perceptions of the place of German within the family of
languages, from Aventinus to Zedler. In: „Das unsichtbare Band der Sprache“.
Studies in German Language and Linguistic History in Memory of Leslie Seiffert.
Ed. by John L. Flood (e. a.). Stuttgart 1993, 189–213, hier 201ff.; Stefan
Sonderegger: Ansätze zu einer deutschen Sprachgeschichtsschreibung bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts. In:
Sprachgeschichte. Handbuch2 I,
417–442, hier 421, 423 u. ö.;
Takada, 9.
7 Zu Johannes Goropius Becanus’ (Jan van Gorp van der Beken)
schon unter Zeitgenossen äußerst umstrittener These, nicht das Hebräische, sondern
das „Cimbrische“, d. h. das Niederdeutsche und Niederländische sei die Ursprache,
die lingua adamica gewesen, vgl. William Jervis Jones (s. Anm. 6). Auch
Schottelius selbst grenzte sich sehr wohl von van Gorps These ab und pflichtete
wie fast alle anderen Gelehrten Adriaan van Schriecks oder Christianus Becmanus’
(1580–1648) Meinung bei, wonach die hebr. Sprache die älteste und die einzige
Universalsprache vor der babylonischen Verwirrung gewesen sei. S. Christianus
Becmannus: Manuductio ad latinam linguam nec non De originibus latinae linguae ...
quartùm & quidem multo auctius ... edita (Hanoviae: Clemens Schleichius &
Vidua Danielis Aubrii 1629), [HAB: Kg 7], 26: „Quamuis Hebreæ esse non morose
concedat noster Goropius: sed tamen è Cimbrica profluxisse. Si quœras, cuius
testimonio norit? Quia,
inquit, nos sumus radix: cæteri
rami, aut frondes, aut folia: nos sumus primævi & indigenæ: alii omnes è nobis
& à nobis. Si vrgeas, vnde hoc reuelatum sit? Tacet & ora pallor albus
occupat. Vt non immerito exagitet eum Lipsius:
Nosne hic in
frigido axe primi hominum? nos soli (ô cœli beneficium!) intemeratam linguam
& sine mixtione seruauimus? nos ad alios, coloniis credo mißis,
propagauimus? Risum, vix oppositionem merentur: & mentem qui per volumina
temporum, per vasta hæc terrarum mittet: inueniet à prima illa confusione
linguarum, sacris libris expressa, infinitum easdem mutasse, variasse,
multiplicasse: vt gentes hominum confusæ mixtæque inter se fuerunt, &
iterum propagatæ.“ Vgl.
Schottelius:
Ausführliche Arbeit (1663), 18ff., 26 u. 30ff. und mit
positivem Bezug auf van Gorp s. in
Schottelius: Sprachkunst
(1641), 178, 204 u. ö. Vgl. Kiedroń (s. K I 12), 10ff.; auch
Aleida Assmann: Schriftspekulationen und Sprachutopien in Antike und früher
Neuzeit. In: Kabbala und Romantik. Hg. Eveline Goodman-Thau u. a. Tübingen 1994
(Conditio Judaica 7), 23–41, hier 36f.; Klaus Grubmüller: „Deutsch“ an der Wende
zur Neuzeit. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und
Neuansätze. Hg. Walter Haug. Tübingen 1999, 263–285, hier bes. 264 u. 270f.;
Hundt, 21 u. 256ff.; Anthony J. Klijnsmit: Schottel and the
Dutch — The Dutch and Schottel. In: „Das unsichtbare Band der Sprache“ (s. Anm.
6), 215–235, hier 224f.;
Takada, 8ff. Gueintz beharrte auch
in seiner
Rechtschreibung (1645) darauf, daß die hebr.
Sprache „die Mutter aller andern“ sei (S. 2). Zu dieser auf Hieronymus und
Augustinus zurückgehenden Auffassung — das Hebräische als „omnium linguarum
matrix“ oder „mater reliquarum linguarum“ — vgl. Wolf Peter Klein: Die
ursprüngliche Einheit der Sprachen in der philologisch-grammatischen Sicht der
frühen Neuzeit. In: The Language of Adam. Die Sprache Adams. Ed. by Allison P.
Coudert. Wiesbaden 1999, 25–56, 26ff.; Thorsten Roelcke: Der Patriotismus der
barocken Sprachgesellschaften. In: Nation und Sprache. Die Diskussion ihres
Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Hg. Andreas Gardt. Berlin, New York
2000, 139–168, 154ff.
8 [Jan van Gorp, 1518–1572:] OPERA IOAN. GOROPII BECANI,
Hactenus in lucem non edita: nempe, H
ERMATHENA, H
IEROGLYPHICA, V
ERTVMNVS, G
ALLICA,
F
RANCICA, || [
531] H
ISPANICA (Antwerpen 1570: Christophorus Plantinus). HAB: P 538. 2°
Helmst. In
Hermathena (Lib. VII), 153: „
Purus fit à vur/ quo ignis denotatur; eo quòd omnia per ignem purgentur.
Vur itaque purum, & purgo, dat Latinis; nobis pur/ à quo Purpur color purè igneus, quasi pur-vur.
Sic tamen Latini vsi sunt, vt purpur color sit purus purus.“ —
Hieroglyphica (Lib. XIV), 226f. über den Buchstaben Pe/
Phe, der auch als Fi ausgesprochen werden könne: „
Inde Plant/
quasi Pe-lant/
est quippiam terræ committere vt crescat. Sed
in Hermathena satis est exemplorum, è quibus & pronuntiationis proprietas,
& nomenclatoris sententia perspici possit.
Pe igitur
& Phe olim pro pecude vsurpatum inuenimus, vti Latinum
vocabulū Pecus declarat. Nos, quo discrimé aliquod esset
inter ea quæ spirāt, & inter ea quæ non spirant,
Pe pro radicibus maximè vescis;
Phe pro
brutis animātibus vsurpamus: & lenioris sermonis
gratia, non rarò digāma simplex, cognatā omnino litterā, loco Pe &
Phe supponimus: quod & antiquos fecisse
argumēto est, Veterinū à nostro Vetering/
quo significatur alimentū è
pecude siue pecus, alendis hominibus destinatū. [...] vnde
arbor, illa cuius vetito fructū primi nostri parentes pecudes
euaserunt, Feig nominatur, siue Feig
boom;
quo fructus Feig/
arbor generis nomine adiecto
intelligatur.” —
Vertumnus, 77f. zur Herleitung des aus dem
Arabischen stammenden Wortes Cedrus von Harz/ „Thran“: „
Thran enim nobis nō tantùm oculorum lacrymam, sed omnem
liquorē notat, pr
æsertim eum qui igne exprimitur; atq. inde
oleum ex balenarum aruina excoctū, Thran vulgo nominamus. Primum itaq. & summo iure vox apud Arabes conseruata,
Cedrelatae conuenit [...].“ — Zur ebenso umständlichen Verbindung von griech.
Cydonium/ lat. Cotoneum mit Apfel/ Quitte s.
Vertumnus,
71ff.
9 Vgl. dazu Schottelius’ Gutachten zu „
Pag. 4 huius tractatus“, Beilage I (K I 3).
Gueintz weist hier voller Ironie die Ansicht zurück, er habe die dt. Artikel von
den griech. ableiten wollen.
10 Bezieht sich wohl auf Schottelius’ Anmerkung zu „
pag. 26“
in Beilage I, in der er „
plenâ demonstrative aliquando,
volente Deo, aperietur“ ankündigte. Mit dem Erzstift ist
das Ebt. Magdeburg gemeint mit dem berühmten Kloster Jerichow.
11 Schottelius hatte ebd. einen „
Criticus“ erwähnt, von dessen kruden Wortetymologien er sich distanzierte.
12 Die ersten drei Beispiele konnten wir in Jan van Gorps
Opera (s. Anm. 8) nicht auffinden; zu seiner kritisierten Etymologie des Namens
„Anna“ s.
Hermathena, 194; zu bel/ behelt ebd., 194; zu
Vat/ Vater ebd., 107ff., insbes. 109; zu Jupiter/ Jou s.
Hieroglyphica, 176.
14 Zu Schottelius sprachhistorischer Begründung seiner
vermeintlich regelgerechten Kasusmarkierung bei Substantiven auf –er vgl. K I 6 u.
11.
15 Weitere „
observationes de adiectivis et substantivis“
hielt Schottelius am Ende seiner Anmerkung zu „
pag. 6“ in Beilage I für nötig.
16 Vgl. in Schottelius’ Gutachten die Anmerkung zu „
pag. 17.“
S. Beilage I (K I 12).
17 Vgl. in Schottelius’ Gutachten die Anmerkung zu „
Pag. 20.“
S. Beilage I (K I 13).
19 Vgl. K I 15 u. K I 17.
28 Gueintz’ Zitat lautet nach Hor. epist 2,3 im Kontext „Ut
silvae foliis pronos mutan- || [
532] tur in annos, | prima cadunt, ita verborum vetus interit
aetas, | et iuvenum ritu florent modo nata vigentque.“ Es scheint in alten
zeitgenössischen Horaz-Ausgaben durchweg
aetas zu heißen.
Vgl. etwa Qvincti Horatii Flacci Poemata ... illustrata à Ioanne Bond
(Amsterodami: Guilielmus I. Blaeuw 1636), 269 (HAB: Lh 941); Q. Horatii Flacci
Opera omnia, a Pet. Gvalt. Chabotio ... explicata. Nunc verò a I. Iac. Grassero.
Tomi 1‒3 (Colon. Munatianae: Ludovicus Rex 1615), III, 209. Ansonsten bezieht hier
Gueintz nochmals eindeutig Stellung gegen Schottelius’ Konzept der Natur- und
Idealsprache. Vgl. K 3.
29 Vgl. Anm. 5 u. K I 1. Die Beispiele der Modalverben
wollen, können, mögen, sollen, die keinen Imperativ formen können, sollen gegen
die von Schottelius behauptete Einsilbigkeit der Stammwörter aus dem Imperativ
zeugen.
Gueintz: Sprachlehre (1641), 59f.: Die Stammwörter
der Verben „werden in der beschliessungsweise [Infinitiv] gebraucht/ als: Lieben/
Loben/ Leben. Von dem
Imperativo oder der gebietungsweise/ können sie nicht
gemacht werden. Weil es erstlich ist also in keiner sprache. Zum andern sie nicht
alle eine gebietungsweise haben/ als wil/ kan/ mag.“ Zudem erscheint hier noch das
Argument, der Imperativ bezöge sich stets auf die 2. Person (Sg. oder Pl.), die 1.
Person aber sei „eher“, die 2. also abgeleitet. Die von Simon Stevin (1548–1620)
und Jan van Gorp übernommene und von Harsdörffer geteilte Präferenz des
stammwortbildenden Imperativs begründet Schottelius wie folgt: „Gebietungsweise“/
der Imperativ ist „bey den Teutschen die erste [Weise/ modus] und das rechte
Stam̅wort/ welches alleine die Stam̅letteren in sich
begreifft“. „Es ist wunderlich/ daß die Zeitstammwörter oder Gebietungsweisen
einsilbig sind/ anzuzeigen jhre natürliche/ lautere/ reinliche ankunfft/ jhre
schöneste Stammwürtzelen/ die so schön/ kürtz/ safftig und rein sind“. Aus diesen
einfachen, schon in der frühesten Kindersprache hervorgebrachten „wesentlichen
Lauten“ erwächst das ganze kunstvolle Sprachgebäude — nicht als ein „zufälliges
barbarisches Wesen/ sondern eine von den höchsten Künsten der Sprachnatur“.
Schottelius: Sprachkunst (1641), 413; entsprechend
Schottelius: Sprachkunst (1651), 708f. und
Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 61 u. 548. Gegen die
Einsilbigkeit s. auch
Gueintz: Rechtschreibung (1645), 20f.
Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) wollte sie ebenfalls nicht gelten lassen. Vgl.
Barbarić, 849 u. 851; Borst (s. Anm. 6), 1187ff.;
Hundt, 117f.; Klijnsmit (s. Anm. 7), 219ff.;
Takada, 11f., 26 u. 201ff. Wie eine Antwort auf Gueintz’
Einwand stellt
Schottelius: Sprachkunst (1641), 444, klar:
„Etzliche Zeitwörter/ welche nicht haben die Gebietungsweise/ behalten jhren
einsilbigen Stamm in der weise anzuzeigen [Indikativ]/ als Jch kan/ ich mag/ ich
thar[*]/ ich wil/ ich soll/ ich muß/ ich darff“ (entsprechend auch
Sprachkunst [1651], 739 u.
Ausführliche
Arbeit [1663], 573). [*] Das Wort „thar“, Infinitiv „thüren“ wird in
Ausführliche Arbeit (1663), 599 mit „
audere, oser“
übersetzt, lat. u. frz. „wagen“, anscheinend aber auch als Synonym für „dürfen“
verwendet, s. 582. In der historischen Lexik des Hochdt. ist „thüren“ nicht belegt
und von Schottelius offenbar als Hapaxlegomenon eingeführt worden. In seiner
Ausführlichen Arbeit (1663) und ihrer Liste der Stammwörter
gibt Schottelius durchaus einsilbige Singular-Imperative für die Modalverben an:
„Woll“ (1445), „könn
vel kühn“ (1342), „Mag“ (1360) und „Soll“ (1417). Vgl.
Christianus Becmanus: Manuductio (s. Anm. 7), 167. u. ö. zur Widerlegung des
Becanus, weil das Einfache nicht immer das Frühere sei.