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400528 Christian Gueintz an Fürst Ludwig
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400528

Christian Gueintz an Fürst Ludwig


Christian Gueintz (FG 361. 1641) hat F. Ludwigs Sendung (vermutlich das Gutachten Justus Georg Schottelius’ [FG 397. 1642] zu Gueintz’ Sprachlehre) erhalten, den Text gelesen und dazu sein Gegengutachten aufgesetzt, das diesem Brief beiliege. Er befürchtet, daß Neuerung entgegen allen bewährten Gründen gesucht werde und Schottelius ihm nicht das Verdienst seines Fleißes und das Erstgeburtsrecht daran gönne. Gueintz wolle niemanden bevormunden, habe sich aber an den Sprachgebrauch gehalten, dessen Autorität jene der Regeln übertreffe. Hinsichtlich der in der deutschen Bibel „angemerckten“ Wörter, wovon er dem Fürsten erneut einige schicke, bittet er diesen um sein Urteil und um Zurücksendung.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 545, Bl. 138r–139v [A u. Empfangsvermerk: 139v], 138v u. 139r leer; eigenh. mit Empfangsvermerk von F. Ludwigs H. [Handschrift: [Bl. [138r]]D: KE, 246 und KL III, 157 (in beiden Fällen falsch auf den 28. 3. 1640 datiert; fehlerhaft u. stark verkürzt veröffentlicht). — BN: Bürger, S. 634 Nr. 4 (datiert falsch nach KE).

Anschrift


A Dem Durchlauchtigen, Hochgebornen Fürsten und Herren Herren Ludwigen Fürsten zu Anhalt Graffen zu Ascanien Herren zu Zerbst und Berenburg etc. meinen gnadigsten Fürsten und Herren etc.
Darunter F. Ludwigs eigenh. Empfangsvermerk:  Pres. 29. Maij 1640.

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Durchlauchtigstera Hochgeborner Fürst Gnädigster Herr || [507]
was E. F. Gnaden mihr zuschicken lassen1 , hab ich in aller unterthänigkeit durchleßen, und alß fort mein geringes beyligendes unvorgreiffliches Gutachten2 hiermit entdecken wollen. Bitte nach Jhren Hohen Fürstlichen Nachsinnen es zu erwegen, und in obacht zu nehmen, ob man nicht wieder alle bißhero erwiesene Gründe newerung suche, und ob man nicht andern den preiß des Fleisses und des Anfangs zum wenigsten zweyfelhafftig zu machen gedencke.b Meine wenigheit hat nicht ursach jemand was anderß vorzuschreiben, alß was der Gebrauch der in Sprachen alles vermag (es müsten dan alle von Anfang der welt hierin geirret haben) und mehr alß alle regeln; ja bißweilen auch wie ein tyran die regeln zwinget und übertrifft.3 Vnterdeß aber E. F. G. zu gehorsamen erkenne ich mich schuldig und willig zu dienen, achtete es auch vor ein Glückstücke E. F. Gnaden underthänigst auffzuwarten, unter deß gewerdig was auch E. F. Gn. von denen in der Deutschen Bibel angemerckten wörtern4 urtheilen dazu noch was überschicket und ümb aller wieder zurücksendung demudigst bittet

  E. F. Gnd. underthänigster
  Christian Gueindtius.

Hall den 28 Meyens 1640.

I

Justus Georg Schottelius' Gutachten über Gueintz' Sprachlehre

Beschreibung der Quelle


Q  HM Köthen: V S 545, Bl. 140r–145v, 145v leer; Schreiberh. (?); ungez., o. O. u. J.[Handschrift: [Bl. [140r]]D: Stark verstümmelt — beispielsweise durch den Wegfall der Mehrzahl der lat. Hinweise — und stellenweise grob fehlerhaft veröffentlicht in KE, 246–253 und danach in KL III, 157–163, sodaß wir im Textapparat auf den Nachweis von „Lesarten“ verzichten.

Text


Das diesesa gegenwertiges Tractetlein viel leswürdiges, und welches als standfeste, naturliche gründe unserer Sprache wol kunnen gesatzet werden, in sich halte, solches gibt die durchlesunge deßelben selbst. Das es aber eine völlige untergründunge, und gantz-richtige anleitunge der Teutschen Sprache sei, solches kan nicht bewilliget werden, und zwar darumb; Weil (wen es die Zeit verleihen, und die Noht erfoderen wurde) augenscheinlich und unwiederleglich künne dargethan werden, das eine reiche anzahl der fürnembsten Regulen und Lehren, welche sönderlich unsere Sprache angehen, und mit den anderen allen nichts gemeines haben, alhie nicht befindlich sind, in derer kraft und macht dennoch die rechte kündigkeit unserer sprache bestehet: kunten auch dieselbige in ihrer volstendikeit, und in böshero [sic] nie-erwiesener demonstration angeführet werden; sintemal sie vieleicht beihändig sein müchten, und nur auf das gluck einer mehr-befreiten zeit erwarten, darin Sie zu völligem wachsthumb und unwandelbahrer zahl gerahten, und als eine zeitige geburt das offenbahret urtheil des Vaterlandes begrüßen kunnen. Oder im fall es zu ergentzunge und völliger Verfaßunge etwa dieses (oder eines anderen) tractetleins begehret wurde, kunte daßelbige (so viel || [508] die Grammatic betrift) communicirt, und also etwas volliges und nützliches gemacht werden. Was unterdeßen dem Lectori bei durchlesunge dieses tractetleins eingefallen, und was seinem geringen gutbeduncken nach bei dieb her-gesatzte Regulen zu erinnern were, wil er als etwas unverfengliches und nichts-geltendes, mit wenigen anführen.
  [140v] Es gibt den Teutschen ia so wenig ruhmes, so wenig als es der warheit ähnlich ist, das wir nur durch erratunge, durch etwa eine innerliche gleichförmigkeitc oder Zustimmunge etzlicher buchstabe ausd frömbder Sprache, unserer eigenen Sprache ihre hochheit und ihr alter benehmen wollen: gleichsam als ob Sie so liebe lange Zeit hette müßen wider ihren danck Stumm, und in ihren festen gründen grundbrüchig gewesen sein, bis die anderen sprachee (die doch an Worten, Alter, Pracht und Herligkeit weit hintenstehen) ihr etzliche brocken zugeworfen, und als eine halb-redelose durchstückelt hetten. Es ist nicht so, die Teutsche Sprache ruhet fest und unbeweglich in ihren, von Gott eingepflantzten haubtgründen, welche lautere, reine, deutliche, meist-einsilbige  Stammwörter sind,1 die ihre spröslein, ast- und aderreiche Zweige in schönester reinlikeit, steter gewisheit und unergründter mannigfältigkeit reumig und weit ausbreiten, das es gar nicht nötig mit frembden knüttelen darunter zuwerfen; umb die reislein zu zerbrechen und zu miswachs zu machen. Das nicht eine adsonantia und consonantia der worter bald in dieser bald in iener Sprache sich befinde, ist unlaugbar: Es hat aber wegen wenigkeit der 24 buchstaben per rerum naturam nicht anders sein können, es müsten gleichlautende Thöne der wörter oftmals vorkommen, weil immer fort-und-fort so viele tausend wörter nur von 24 buchstaben müßen zusammengebracht werden. Wer nun auf solchen thon der worte oder gleichmeßige redarten die derivation einer sprache aus der anderen zuerzwingen, [141r] oder die wörter unter sich anmaslich zugründen pflegt, ist ein hodiernus  Criticus, das ist ein solcher, der seine crisin in den wind ausblest. Unter den Hochgelahrten befinden sich dennoch dies-haltende, aber die unkundikeit unseref Sprache, als die Sie noch nie in ihren gründen ersehen, noch recht ausgeübet haben, kan Sie entschuldigen: Sie meinen, ein gleichstimmender laut in der Hebr. Grich. Latein. oder Frantzosischen Sprache hette die gewalt, gleich einer Tirannischen mutter mit der Teutschen Sprache als ihrer Stiftochter zuverfahren.
Pag. 4 huius tractatus. Wird dennoch nicht wol bestehen künnen, was hie wird gesagt, das unsere geschlechtwörter (articuli, der, die, das, ein etc.) solten von der Grichschen Sprache genommen sein:2 Den, quæ causa? R.g , weil die Græci auch articulos haben. At quare non potius sic: Die Græci haben ihre articulos von der alten Celtischen (Teutschen) Sprache entlehnet, weil die uhralte Celtische Sprache ehe- und mehr-weltkündiger, als die Grichsche gewesen. Eine feste grundsäule unserer Sprache sind die articuli, ohn welche die sprache nicht bestehen kan, ia die mit- und in der natur der Sprache entstanden, auch in derselben bleiben und untergehen werden.
pag. 4. Was ferner pag. 4 gesagt wird, wir hetten die Zahl der Buchstaben,h die eigenschaft der doppellautenden, und die aussprechunge der Silben von den Grichen gleichfals behalten,3 ist ohne grund; und müste es bewiesen werden, das unsere vorfahren weren lehrschülere der Grichen gewesen. || [509]
pag. 26. Ferner, wasi aus anderen allegirt wird, das Mensch vom Hebr. Enosch, und Liebe, von Leb kommen sol, kan man nicht als aus einer [141v] bloßen muhtmaßung sagen.4 Wie M. Cruciger oftmals (und fast immer) aus dem Hebræischen ein gezöge und gewirr machet, davon möchte einem das maul wäßeren: Er selber bekennet, daß er seinem eigenen errahten nicht kan genug thun. Besoldus behawt auch unterweilen unsere Sprache nach einem frömbden winckeleisen5 , wie auch viele andere hie und da, de quibus quid sentiendum plenâ demonstrative aliquando, volente Deo, aperietur. Jener Criticus sagte, Fisch kome von Tisch her, weil man die Fische auf den Tisch trüge: Nein andwortet ein noch spitzfundiger, es kombt her von Frisch, dieweil die Fische im Frischen waßer lebten. Bund, meinet ein ander kome von Hund, weil die Hunde gemeiniglich Bund weren: Hund aber müße kommen von Mund, weil die Hunde einen großen Mund haben. quid stultius! quid insanius!
pag. 6. Wird gesagt die Meister etc.6 Alhie ist zuerinneren, das die Nomina substantiva auf er Meister, die haber etc. in plurali in eadem terminatione hie und da zwarj gebraucht werden: Aber wan man wil eigentlich und grammaticè reden, ists gar nicht recht, und zwar darumb: (1.) Weil aus vielen alten hofgerichts ordnungen hin und wieder getrückt, landgebräuchen, urtheilen der rechtsgelehrten, bescheiden der Schoppenstülen, Reichsabschieden7 , Goldast, Lehman8 , verteutschtem Matterano9 &c. kan dargethan werden, das der rechter pluralis hin und wieder daselbst befindlich, und widerk den algemeinen misbrauch dennoch so kreftig ist, das er seine misbräucherel selbst uberzeuge; den es ia unlaugbar sein wird, wens an einem orte recht heißet Meistere, einwohnere, inhabere, richtere, ubelthätere, besitzere, Schwestere &c., das es an [142r] einem anderen orte alsden durch fahrleßikeit ubersehen, und durch den bekanten misbrauch ungeachtet sei worden. Und (2.) auch darumb weil der rechter verstand sonst oftmals verlohren wird; als wen Saxo in seiner Kaisercronike10 sagt: Die Konige und Keiser lagen zu felde, quæro, an Reges et Cæsares?, vel Reges et Cæsar? Er solte sagen, die Konige und Kaisare. Vel die Konige und der Keiser. Jtem Opitius im 6. Psalm11
  Jhr ubelthäter fliehet
  Jhr böseswircker ziehet:
Ein teutscher kan alhie den Singularem und Pluralem verstehen: debebat dixisse:
  Jhr ubelthätre fliehet
  Jhr böseswirckre ziehet:
Sic sensus et metri cursus constat. Weil demnach überflüßige authoritates vorhanden, auch der Natürliche verstand unserer Sprache es also erfodert, ists ia unbillig, das man dem misbrauche so viel einräume, das er auch uber die warheit hersche. Similes et magis necessariæ observationes de adiectivis et substantivis, quoad casus et numeros, horumque usûs et contractiones in hoc translatu non habent: tamen, si loco Grammatica esse debeat, haberi debebant. Quomodo a. Regula illa de Nominibus in Er integrè formanda, hûc apponi non potest.
|| [510] pag. 17. ad Regulam de litera C insuper addendum: das es ante a, l, o, r, eben wie ante h werde als ein, k, ausgesprochen12 , als: Cantzley, Cantzler, Capel, Cantzel, Castanien, Carthaune, Capittel, Clavir, Clasuren, Corallen, Cornet, Creutz, Cristal, Crocodil etc. item das die beiden buchstaben ch ante [sic] s (sch) bei den Teutschen einen solchen grob-zischenden laut verursachen, da es doch wunder ist, wie solche 3 buchstaben sich zu solcher Stimme gefunden haben; weil weder einer allein, noch Sie zusammen solchen thon zugeben vermögen, daß also eines mangelnden buchstabes, welcherm so viel als ש Schinn bedeuten müße, die drei sch, aufgebracht weren. [142v]
Pag. 20. in Regulâ 2 wird gesagt, das die mitlautende buchstabe in kurtzen worteren gemeiniglich am ende gedoppelt werden, als: voll, Schall.13 Aber diese regula gehet so nicht, man schreibet weib, gras, glas, kind; nicht aber; weibb, kindd. Hæc regula ita formari debet:
Jn den stammwörteren wird am ende der mitlautender verdoppelt, wen in dem Nomine der Genitivus Singularis: in den Verbis aber die Flexio der anderen personarum et temporum solche Verdoppelunge erfordert, welches den leichtlich aus dem gehör abzunehmen: Jn den andern allen bleibet die doppelunge weg, als: Mann, quia genitivus est mannes, nicht manes. Schall, Schalle. Stimm, Stimme. Sinn, Sinnes. Lauff curre (den die imperativi sein bei uns die themata oder Stammworter) quia dicimus lauffen, ich lauffe, non laufe. Komm. Veni. ich komme, kommen. etc.
Jst also gar unnötig, was hie pag. 20 folget, das nach des Wehneri lehr das L in denen verdoppelt werde, welche von all und will herkommen, dieweil das L auch in allen anderen stammwörteren, da die abfließenden fälleo ein doppeltes ll erfoderen, mus verdoppelt werden. Sicut in regula dictâ fuit ostentum.14
pag. 27. Das wenige, was alhie vom Numero plurali wird gesagt, ist nicht gnug: Es sind davon etzliche andere gewiße Regulen, deren keine alhie befindlich.15
pag. 30. 31. 32. Was daselbst von den adiectivis und deren derivation und composition gesagt wird, ist nicht der dreißigste Theil deßen, was davon zusagen hochnötig, und ohn welcher kündigkeit niemand sagen kan, daß er der Teutschen sprache mechtig sei, wie es re ipsâ suo tempore sol demonstriret werden.16 [143r]
pag. 35. Das unabsonderliches vorwortlein ge gibt unserer Sprache wol in etzlich hundert worteren so wol Nominibus als Verbis eine solche verwunderliche Kraft und trefliche austrückunge der dinge, das es kan dargethan werden, das in keiner anderen Sprache ein solches zufinden, ia das Sie mit einem wort nicht künnen aussprechen das ding, was wir Teutschen mit hulfe des wördtleins ge dennoch mit einem worte geben künnen. Was aber pag. 35 von den generibus nominum, incipientium à particulâ  Ge berührt wird, kan dem lernwilligen wenige gewisheit geben; es mus ein solches, sambt den bedeutungen des wordleins Ge aus anderen standfesteren principiis deducirt, und volkömlich erkleret werden.17
pag. 37. Bei dem VIII. Capittel müsten die endungen der Selbstendigen (terminationes substantivorum) iede insonderheit, weitleuftiger und mit feinen deutlichen Sprüchen und exempelen erkleret, und anleitunge gegeben werden, || [511] wie selbige von ihrem Stammwort geleitet, und nach erfoderter ausdrückunge richtig künten gemacht werden.18
Es müsten auch die stammworter in viel-größerer Zahl aufgesucht, und, umb eine gewisheit in den Generibus zu haben, anhero gesatzet werden. (Sambt anderen nohtwendigen errinnerungenp , so hieher gehören)19
pag. 42. 48. 76. Was von dem geschlecht der beistendigen (genere adiectivorum) an diesen orteren, und pag. 76 bei den Participiis gesagt wird, solches kan per multas rationes universaliter nicht paßiren. probabitur aliquando. Es müste auch an diesem orte etwas mehres vom gebrauch, auslaßunge und Zier des geschlechts des beistendigen gesagt werden.20 [143v]
pag. 56. 58. 59. Was pag. 56 von gebräuchlicher versetzunge der buchstaben in vnser: item pag. 58. 59. von der auslaßunge des e  in primâ personâ Verbi gesagt wird, were vieleicht dabei zu erinneren, das man den misbrauch so nicht feiern müste, das man ihn loco regulæ anzubeten solte schuldig sein. Es heist unsere augen, Ewre mutter, nicht aber unser augen, Ewr mutter. Sic dico: ich bete, ich gebe, non autem ich bet, ich geb. Das solches zwar hin und wieder zu finden, macht solches in dem, da es unrecht ist, keine regulam. Was aus fahrleßikeit der buchsetzerer, eilfertikeit der Scribenten oder eingeschlichener misbräuchligkeit geschicht, daßelbe mus in der Grammatica keine regul geben.21 Opitius tadelt es am Melisso22 , das er sagt, rot roseleinpro rote roselein.
Den es kan solches e bei vns Teutschen nicht ausgelaßen werden, si velimus Grammaticè scribere, es sei den, das ein Vocalis oder H folge, alsden kan sich das e im folgenden laute verlihren, und an deßen stat das Zeichlein gesatzt werden, als: (sonderlich im Vers) ich geb’ euch. ich bet’ alhie zu Gott. ist ewr’ aufrichtigkeit. Ist unser’ hand hiebej. vel, ist unsre hand hiebei (Est non certa regula, quâ docemur omittere medium e 1.q ad poeticam spectat etc.)
ad pag. 64. Die coniugationes Verborum (Verenderungen der Zeitworter) kunnen vieleicht nicht richtiger, noch dem lernenden zum gewißeren begriff abgetheilet werden, als in gleichfließende, und ungleichfließende (anomala, vel non, ordentliche oder unordentliche) Also das alle Verba, so einerlei stammbuchstaben in den abfließenden [144r] Zeitenr behalten, Jn der ersten, nemlich der gleichfließenden coniugation gehöreten, und wer demnach eine derselben recht coniugiren künte, wurde in den anderens allen keine beschwerligkeit finden, als: ich liebe, ich liebete, ich habe geliebet: ich lerne, ich lernete, ich habe gelernet, alhie bleiben die Stammbuchstaben Lern, Lieb in allen temporibus und also in vielen tausenten. Die ungleichfließenden Zeitwörter (verba anomala) welche in ihren temporibus nicht einerlej stammbuchstaben behalten, machen die andere, und also die ungleichfließende coniugation: Dieselbe Verba nun müßen von dem Lernenden, gleich wie in anderen sprachen, insonderheit alle gelernet, und deren sönderliche verenderunge zu gedechtnis gefast werden, alsdan kan er leichtlich unterscheiden, in zuwachsender kündigkeit der worte, wohin eines oder das andere gehöre. Were also nicht nötig dieselbe anomala in 3 classes zu theilen, welches nur mehr beschwerligkeit und verwirrunge geben würde. e. g.Bind (liga tu) ich binde, || [512] ich band, ich habe gebunden, alhie bleiben die stammbuchstaben nicht, sondern wird i, a, u, bind, band, bund. item. brich. frange. ich breche, ich brach, ich habe gebrochen. i, e, a, o. Es gehoren aber anhero sonderliche observationes, wie auch sonsten andere regulen von den Verbis, pronominibus[,] participiis, deren hie keine befindlich. Musten aber nohtwendiglich im fall man etwas volkommenes ausfertigen wolte, herbei gesetzt werden.23 [144v]
pag. 81. 82. et seqq. Was in dem XIX. Capittel von den Vorwörteren (præpositionibus) wie in den folgenden Capittulen von den adverbiis, et coniunctionibus gesetztt wird,24 ist nicht gnugsam, einem daher eine vollige wißenschaft beizubringen: Den es müsten alle stamwörter harum particularum anhero gebracht sein, welches nicht gescheen, es werden alleine noch uber 20 præpositiones gefunden, davon hie nichts vorhanden. Es müste die Verdoppelunge25 der Vorworteru gewiesen, und deren bedeutunge erkläret werden. Es muste in den adverbiis, die ableitunge deroselben auchv rechtw gewiesen werden. Das wort wider, wieder, wird auch alhie confundirt und als ein eintziges gesatzt, welches nicht ist: den wider (sine e) significat contra, re, adversus, wieder (cum e) sgt. rursum, als: wiedergeben, widerstehen etc.26 Jn Summa es ist an diesem ort, wie auch hernacher in Syntaxi von diesen particulen gar kein volliger unterricht gethan, wie solches mit anfuhrunge der hie-unbefindlichen regulen künne beweislich gemacht werden. Wiewol sonst daßelbe, was anhero gesatzt, an sich sehr gut ist, auch ein stets-bleibendes ruhmreiches zeugnis wegen seiner nötigen nutzbarkeit hinter sich verlaßen künte, wen der mangel an den nohtwendigen regulen, der sich durch und durch befind, ersetzet, und es also in einer schönen volstendikeit ergentzet wurde. Was die wordfügung (syntaxin)27 anlangend ist, sind imgleichen eine gute anzahl sehr [145r] nötiger regulen und anweisungen vorhanden, derer inngleichen gar wenige, ohn alle Zier und anmuht gebürender exempel, alhie sich ereugen werden. Eben das ist auch von dem wenigen, welches loco prosodiæ anhero gebracht, zusagen.

Hæc, quæ ita dicta sunt, citra ullius
præiudicium aut immutandi men-
tem dicta sunto: Ea, si minus
firma probabuntur, non dicta
sunto.

II

Gueintz' Stellungsnahme zum Gutachten von Schottelius

Beschreibung der Quelle


Q  HM Köthen: V S 545, Bl. 146r–150v; ungez., undat., Schreiberh. mit einem eigenh. Zusatz von Gueintz.[Handschrift: [Bl. [146r]]D: willkürlich verstümmelt in KE, 253–57 und danach in KL III, 163–168, so daß wir auf eine Angabe der „Lesarten“ verzichten.

Text


Es ist nun von Anfang der Welta biß anhero mitt gewißen gründen erhärtet, daß die Sprachen, zumahl die, so von den Müttern vnndt durch tägliche || [513] vbung gefaßet worden, auß den Büchern anfangs nicht erlernet; Sondern daß die gewonheit sie gelehret, getrieben, erhalten.
  Vnndt ist vnnötig diß zuwiderholen, waß vernünfftige Leute, ehe wir alle gewesen, erwiesen. Gewiß wer anderer meinung ist, der muß nicht viel sprachen können, viel wenigerb sie gelehret, noch weniger sie recht auß dem grunde verstehen. Wer weiß nicht die sonderlichen Arten außer den Regeln in der Hebräischen, Griechischen, vnndt Lateinischen, so doch meist in gewiße Regeln gefasset sindt? Alles nach einer Regell machen, ist alles eines haben wollen, das doch auch in der Seel der Menschen nicht ist; Alles so wollen wie man es sich einbildet, ist eine Einbildung; Sprachen können wir auch nicht machen, Sie sindt schon; Aber wie man andere so sie nicht können, lehren wolle, darumb sindt Regeln erdacht.1 Vnndt wenn es so seyn solte, wie man sich will einbilden, oder Neue Vrtheiler (critici)2 meinen, So müste kein deutscher biß anhero sein gewesen, oder noch sein; auch Er selbst nicht: müste auch biß annoch kein rechter Brieff sein geschrieben, wenig recht gedrücket, keine rechte Rede, oder Predigt gethan vnndt vorgetragen sein worden. Dann gewiß, daß kein mensch, so, wie dieser Guttachter will, es gemachet; Von dergleichen hatt [146v] D. Luther einesmahls geschrieben: Meine vnvorgreiffliche meinung ist, man laße Deutsch, Deutsch bleiben, vnndt so wie man es biß dahero dafür gehalten gutt sein; machte auch einen anfang.3 Will es vnndt kan es iemandt verbessern, Der ist zu loben; dem erfundenen ist leicht zu helffen. Doch were gutt, daß die angegebenen Regeln weren heraus gegeben worden, So köndte man se[hen,]c waß richtig oder nicht; Der gebrauch aber doch mu[ß]c den anschlag geben, vnndt nicht die Regel dem gebr[auch]c wieder aller Sprachen art, vorgezogen, weil [die]c Regeln aus dem gebrauch.
  Waß den Vrsprung anlanget, ist gewiß, wie Gottes wortt, daß Adam des Deutschen sich nicht gebrauche[t]c derwegen sie denn nothwendig ihren Vrsprung muß von derselbend haben, Oder muß erwiesen werden, daß sie Gott sonsten der Natur eingepfl[an]tzetc habe, welches wieder die erfahrung, vnndt vernunfft, denn warümb nicht die andern sprachen au[ch?]c4 Daß alle stamwörter müßen einsylbig sein, ist so vi[el]c nach dieses meinung gesagt, daß sie nicht alle Deu[tsch]c sein, denn daß wortt Adam selber nicht einsyl[big]c ist, vnndt derer viel tausendt.5 Eine eingebildete eines Newen heutgewachsenen Vrtheilers Narrheit ist es, daß die Celtische sprache ehe gewesen als die Griechische vnndt andere.6 Vielleicht hatt es diesen Neuen Vrtheiler der Becanus Goropius gelehret. Den aber Lipsius auslachet; Becmann[us]c wiederleget, vnndt alle vernünfftige verwerff[en.]c7 [147r] Denn waß ist närrischer, alß daß das wortt Adam soll von dam herkommen vnndt Ates? vnndt Eva von Eben, alß wenn der Mann der Frauen so eben iste Dam wehre? Da doch in Gottes wortt viel ein anders. Sind Feigen, Cedern, Purpur auch deutsche wörter? wo findet man die? warlich sie werden nur aus den Morgenländern anhero gebracht, vnndt sollen doch, nach Becani meinung, vielleicht auch des Anmerckers, von deutschen herkommen, Alß Purpur, par, par: lauter Becan. Herm. lib. 7. pag. 151. vnndt Feigen von vie oder vei, daß Vnsere erste Eltern zu viehe worden, in dem sie von Feigenbaum geßen, Becan. hierog. lib. 14. pag. 226. Cetrus giebt etwan: es geust fett oder harz. Becan. in Vertumno. pag. 78 vnndt waß der Grillen mehr, vor- || [514] nemlich von dem Wortte Quitte oder Cotoneum in Vertumno. pag. 71 & seqq.8 Thorheit ist es vnndt eine Crisis die der Windt auß Mitternacht lange verblasen oder vielmehr erfröhret. Aber vnter deßen ist gewiß, daß eine iedtwedere Sprache seine Stamwörtter hatt, daß man aber bißweilen von andern es hernimmet, ist mehr der Vbereinstimmung alß der noth zu zuschreiben.
  Also ist es auch mit dem [sic] geschlechtwörtern, so deswegen den Griechischen gleich, weil sie die Griechen ehe alß die Deutschen in gewiße Regeln gebracht. Nicht ists die meinung daß sie von den Griechen genommen, sondern daß sie denen fast gleich.9 Doch ist diß vngleublich, wo nicht ganz vngereimbt, daß [147v] die Griechen solten von den Celten es genommen haben. Jch halte daß kein Grieche zu den Celten kommen; aber wohl daß ein Celt zu den Griechen, weil, wie Cicero saget in der rede für den Archiam, die Griechische sprache dazumahl wegen der künste vberall in schwange gegangen. Halte auch we[nn]c der Tacitus wahr redet vnnd andere mehr, daß die künste vnndt also auch die arten in reden, von den[en,]c so älter hergenommen, Es wehre denn sache daß die Alten aus der Erden entsprungen, wie die Athenienser vorgeben, vnndt Adam nicht der erste mensch vndt aller Vatter, oder wie Becanus will wehre ein Deutscher gewesen.
  Ob daß Ebreisch von Deutschen, oder daß Deutsche vom Ebreischen, ist aus Gottes wortt klar, daß dieses wahr sey, ienes ein gedichte, daß einem nicht allein daß Maul darvon wässert, sondern auch daß einem alle haut dafür schauret, vnnd man könte waß anders darvon bekommen. Gewiß daß Junge [ist]c von den Alten. Nun ist ia das Hebräische älter, oder daß widerspiel ist zuerweisen, vndt daß der Paradieß etwan in hinter Pommern sey gewesen, oder gar zu Stockholm, weil es noch viel weiter gegen Mitternacht vnndt weil ein Städlein vor Stetin, dürfte es noch wol gleublicher sein. Gleich wie auch iener sagete, da er[,] alß ein Ordinandus gefraget, wo Jerusalem gelegen wehre, zur antwortt gab, es müste im Erzstiffte sein, denn Jericho wehre noch darinnen.
  Wollen derowegen die Demonstrationes, darinnen doch keine sein können, wer weiß was Demonstrationes sein, erwartten.10
  [148r] Waß iener Criticus11 gesagt, daß laße ich ihn verantwortten; Aber auch den Becanum daß Eretz von Erde vnndt malach von mischen, zar von thurn herkomme; Anna von an pro voran, vnndt na das nachfolget. Bel von behelt, Vater von Vat, quia comprehendit, Jupiter von Jou das ist Lust Vater.12 Oder warümb nicht von Pommerischen Jou Vater, daß ist euer Vater, daß were noch spitzfindiger, sed quid insanius? quid stultius?
  Ob die in Er in plurali ere haben, muß der wollaut vnndt der gebrauch geben. Eß hatt niemandt so geredet, niemand iemals so geschrieben: warumb solte man es nun auffbringen? Je kurtzer, ie beßer sagt ia der Becanus, deßen Schüler dieser sein will. Daß man die Meistere gesagt oder geschrieben, ist vielmehr ein paragoge oder wie J. F. Gn. erinnern ein mißbrauch, Warümb saget man nicht auch die Vätere, die Müttere vndt waß dergleichen mehr? Aber warümb soll man waß newes machen, das die Zierligkeit nicht zulest, daß die gewonheit verwirfft, die doch eine richtschnure der Redart ist?13 Waß alte hoffgerichts Ordnung vnndt dergleichen mehr anlanget, ist es alt, vnndt drümb nicht alsofort recht; zumahl weil man || [515] aniezo alles vermeinet vnserer art nach zierlicher zu haben. Zum 2. können nicht alle zweiffelhaffte reden verendert werden, weil weniger wortt als sachen.
  Saxo hatt so dazumahl geschrieben, wie man dazumahl geredet.
  [148v] Vielweniger darff alzeit das geschlechtswort dabey sein, daß ein Deutscher könte den Singularem oder pluralem verstehen (warümb gibt man nicht das deutsch) Jhr vbelthätre fürchtet. Da kan ich mir nicht einbilden daß es Singularis numeri, es müste denn Jhr Singularis numeri seyn; vndt daß wortt Ego so Lateinisch vnndt Griechisch von Jch herkommen, wie Becanus schwermet. Daß man thätre saget, halte ich nicht, außer in Düringen, vnndt wo der newe vrtheiler ist.14
  Waß nu für mehr observationes sein mögen, kan man leicht schliessen, auß denen die schon vorbracht[;]c gewiß sie müßen närrisch gnug sein; doch kan man sie hören.15
  Warümb er aber saget non posse apponi, weis ich nicht, vielleicht will er noch mit sich eins werden, ob er denf gebrauch will folgen, oder ob der gebrauch seinen Regelln, das nimmermehr geschehen wird, folgen soll!
  Waß von C erinnert wirdt, daßelbe ist der rechte gebrauch, denn das C anders niemals gelesen worden, oder gelesen werden kan, außer in dem auszuge der ausgesazten wörter, Cantzler &c. sind Lateinisch, wie auch alle andere angemerckte, weil kein Deutsch wortt von C allein sich anfänget. Oder will man sie vor Teuzsche wörter halten, so seze man daß C wie ein K gelesen wirdt, außer vor dem CI oder Y in frembden wörtern.
  Von sch oder Chs waß für eine grobe stimme [149r] gebe, kann ich nicht sehen. Möchte sonsten gerne wißen wie er sagte: Jch will ihn erschiessen?16
  Wegen der Doppelschreibung kan diß erinnert werden, daß die so auff ein L, m, n, r, ausgehen, wenn sie in der vbereinzigen Zahl die Syllaben vermehren, die buchstaben zweyfachen.
  Wegen Lauff ists also, denn kein Deutsch wortt auff ein einfach f ausgehet. Jst derowegen die Regel also zu setzen: Alle einsylbige so auff ein halblautenden ausgehen, vnndt nicht einen langen lautbuchstaben haben, zweyfachen am Ende den buchstaben, denn wer weis wann sie es sonsten erfodern? Müßen also erst lernen decliniren vnndt Conjugiren, hernacher schreiben, so vmbgekehret.17
  Wegen All vnndt will ist nicht wegen deß Endes allein, sondern auch in der mitten, kan aber auch deßwegen ausgelassen werden oder verbeßert.18
  Ad pag. 27. vnndt andere ist zusehen was denn vor mehr Regeln vorhanden, auch das von derg Sylben ge gesetzet wirdt.19
  Ad pag. 37. Das gehöret zum Wörterbuche vnndt nicht zur Sprachen-Lehr, sonsten müsten vberall auch in den nominibus vnndt verbis alle wörter gesetzet werden, das nicht nötig, auch nicht breuchlich, weil es nicht recht.20
  Pag. 42 muß anders erwiesen werden vnnd können auch wohl Exceptiones sein. Aber wenn nicht [149v] ehe eine Grammatic gemacht biß alles richtig, würde gewiß ehe der Jüngste Tagk kommen? Dennoch auch wohl in Lateinischen vnndt Griechischen wie in andern Sprachen waß so darinnen nicht obs[er-]viretc wirdt. Wer wolte deßwegen sagen daß keine gutte Grammatic verhanden?
Man mache eine beßere.21 || [516]
  pag. 56. Von dem e ist es nur anmerckung vnndt keine Regel, warümb vnndt wie man es also gebrauche, daß es allein, wenn ein Vocal oder h folgen, s[ein]c soll, deuchtet ihme, mir nicht, welches Düncken ist nu beßer? Jch habe den gebrauch, er will allerer[st]c einen machen. Vnndt wer schreibet daß Zeichlin? W[er]c gerne waß sonderliches sein will. Wer es lieset der verstehet es sonsten wohl, in reden mercket man es nicht. Da ist es nötig, da es eine zweiffelhaffte rede giebet. Wie denn auch solche zeichen de[ß]wegenc bey den Latinis gebrauchet werden. Weil aber das reden, mehr ist als das schreiben, wie will man es im reden mercken? gewiß alzu klug ist halb närrisch.22
pag. 64. Ob anomala vel non gleichfließende oder nicht gle[ich]fließendec zu nennen sein, kan ich nicht vrtheilen, de[nn]c es gar keine ähnligkeit mitt vrsprung hatt: Gleichförmig oder ordentlich ist beßer.23
  Daß nur eine Coniugation zu machen, ist auch nichts[,] denn ein vnterscheid der termination vnndt der verenderung der Conjugation.
  Jn allen sprachen ist die endung nur einerley, Jm hebräischen, wie die endung in Cal also in Niphal etc. [150r] Auch im Griechischen werden die alle nach τύπτω gemacht, im Lateinischen alle nach Amo was die Endung anlanget, nur daß der Vocalis geendert ist, denn alle haben s, t, mus, tis, nt, in præsenti. Jn Imperfecto alle bam, perfecto i, isti, it, mus, istis, erunt etc. Wer wolte aber darumb sagen in denen sprachen allen ist nur eine Conjugation? Der alles will vmbkehren, sonsten keiner, der auch nicht weis waß Conjugatio ist, die nicht nur in der Endung bestehet, sondern auch in den Zeiten, weisen — vnnd deswegen hatt man sie in vnterschiedene arten gebracht, damitt sie eine gewißheit haben.24
  Die Regeln so waß anders sollen sagen, sind zu fodern oder hernacher zu zusezen alß eine fernere erklerungh . Jm anfang ist nicht alles nötig, zumahlen weil man noch in allen nicht einig.
  Pag. 81. Da sollen auch nicht alle wörter da sein, denn es gehöret in das Lexicon oder Wörterbuch.
  Ob mehr præpositiones möchte man gerne wißen. Kan sein, aber ich weiß sie nicht, vielleicht ein ander auch nicht, vnnd können wohl Adverbia sein, wehre gutt daß eines oder daß ander zugesezet worden.25
  Waß die Verdoppelung der Præposition sey, ist mir vnbekandt, wie die Compositio beschaffen, ist erinnert, vnndt gehöret meist in das wörterbuch.26
  Ob iemand wieder ohne e geschrieben, weiß ich nicht, halte auch nicht, ob es beßer, stehet zu bedencken. Daß ein vnterscheid sey, deucht vnß, denn Contra alzeit in bösen, adversus aber auch bißweilen. [150v] Wo bleibet aber Wieder aries. Rursus heist eigentlich hinwiederümb.27
  Jst nicht Ensis ein Schwerdt vnndt Gladius auch[?]c wer will daß im Deutschen alß gemeinen sachen vnterschieden? Kurtz es ist nichts mitt dem.
  Daß aber ein mangel noch sey, ist gewiß, denn es ein anfang vnndt stehet zu verbeßern: Kan man es haben ist es desto besser. Aber ich ha[l]tec nicht daß es möglich, weil in den Redarten d[ie]c vbung, die Zeiten alles endern, Jn andern sp[ra]chenc ist es so, solte vnßere Muttersprache ander[s]c sein, würde es keine sprache bleiben, würde von Natur sein, stünde nicht in der Menschen beliebe[n.]c 
Horatius saget: Verborum vetus interit usus.28 || [517]
  Doch kan J. F. Gn. es begehren, wirdt man sie gutt befinden, wirdt der böse sein so sie nicht annimpt. Aber wer will vnß versichern, daß ihr alß denn auch nicht mehr sein? Der anfang ist aller ehren werth, Jn humanis nihil perfectus. Daß ist noch zu erinnern, daß gesezt wirdt der Imperativus sey das stamwortt, aber ich kan e[s]c nicht gleuben, weil darvon auch keine vrsache. Die andern sprachen laßen es nicht zu, vnndt wo blieb, ich will? Jch kan, mag, soll? Becanu[s]c, daß die Stamwörter meist einsylbig[,] ist schon wi[e]derlegetc, denn nicht allezeit daß Schlechte daß erste. Becmannus in manud. ad. L. L. c. 5. Ja, [sie] haben nicht alle eine Sylbe, alß: Wer saget: wiße[.] Zui dem deucht mich der erste person ist eher alß die ander, weil kein anderß ohne das erste. Nun aber ist aller Imperativus secundæ personæ.29

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Gebessert aus Durchleuchtigster [?]
b KE u. KL III brechen hier ab. KE begründet: „Mehrere folgende Zeilen sind völlig unleserlich.“

T I
a Eingefügt.
b Eingefügt.
c Folgt <und>
d Eingefügt für <der>
e Lies: sprachen
f Lies: unserer
g Sonderzeichen, das wohl als R. für responsum [?] zu lesen ist.
h Folgt <wir Teutschen hetten>
i Gebessert aus das
j Eingefügt.
k Gebessert aus wieder
l Die von Schottelius hier geforderte Pluralmarkierung –e bei Substantiven auf –er nachträglich angefügt.
m Gebessert aus welches
n Eingefügt.
o Dazu Randnote:  reliqui casus
p Gebessert aus erringerungen
q 1. ad poeticam spectat  eingefügt.
r Dazu Randnote: reliquis temporibus
s Folgt <viel>
t Folgt <ist>
u Dazu Randnote:  compositio ppositionum.
v Eingefügt für <gewiesen>
w Gebessert aus rcht

T II
a Gebessert aus Weltt
b Von F. Ludwig (?) gebessert aus weiniger (?)
c Textverlust im Falz. Konjektur in eckigen Klammern.
d Lies: derselben Sprache Adams
e Vermutlich Abschreibfehler. Lies: ihr
f Lies: dem
g Gebessert aus den
h Von F. Ludwig (?) gebessert aus erklärung
i Bis zum Ende des Textes eigenh. von Gueintz.

Kommentar

K
1 Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gutachten Justus Georg Schottelius’ (FG 397. 1642) zur Sprachlehre von Christian Gueintz (FG 361. 1641), deren Versand Gueintz in 400313 von F. Ludwig schon angekündigt worden war. Zur Frage der Datierung dieses Gutachtens s. K I 0.
2 Gueintz’ Gegenantwort, s. Beil. II.
3 Gueintz muß Schottelius’ Kritik an seiner Sprachlehre schwer getroffen haben. Das verraten der gereizte Ton im vorliegenden Brief und in seiner Gegenantwort auf Schottelius’ Gutachten, die wir als Beil. II im Anschluß veröffentlichen. Von Beginn an ist der schon aus der Antike von Varro überlieferte, v. a. mit den Antipoden Aristarch von Samothrake (ca. 216–144 v. Chr., dem sechsten Leiter der Bibliothek von Alexandria, „Analogist“) und Krates von Mallos (ca. 200–150 v. Chr., stoischem Philosophen und Philologen in Pergamon, „Anomalist“) verbundene Widerstreit in der sich entspinnenden fruchtbringerischen Sprach(norm)debatte recht scharf. Richtschnur der Normierung in fraglichen Fällen ist für Gueintz der (historisch-empirische, freilich regelgeleitet-gute) Gebrauch, die Gewohnheit, also die lebendige Sprachpraxis der Sprachgemeinschaft, die u. U. die Konsequenz der Regelrichtigkeit bricht und Ausnahmen (Anomalie-Prinzip) zuläßt. D. h.: er berücksichtigt bei allen sprachtheologischen Prämissen und ungeachtet der mißglückten formalen Anlage seiner Sprachlehre (vgl. 400122 K 4 u. 400301) die sprechenden, die Sprache schaffenden und in sie eingreifenden Subjekte und ihr primäres Ziel: Verständigung. Für die starke Normativität des (guten) Sprachgebrauchs konnte sich Gueintz auch auf die an- || [518] tike Rhetorik berufen. Vgl. Herz: Palmenbaum und Mühle, 177. Dieser konventionalistisch-pragmatischen Strömung schlossen sich auch F. Ludwig und andere anhalt. Mitglieder aus den Reihen der politisch-administrativen Führungselite an, wie etwa Martinus Milagius (FG 315) oder Joachim Mechovius (FG 483. 1647). Auch Augustus Buchner (FG 362. 1641) scheint sich dieser Auffassung zugeneigt zu haben, vgl. 400122 u. I (darin besonders Buchners Bemerkung zu „pag. 56. lin. 7“). Schottelius hingegen, und mit ihm Georg Philipp Harsdörffer (FG 368. 1642) und (mit Abstrichen) Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) begriffen die Grammatik nicht als ein aus dem Sprachgebrauch heraus zu kodifizierendes Regelwerk, sondern als idealsprachliche Norm, die die Sprache aus ihren von der Natur eingepflanzten ursprünglichen Gründen und Regeln (re-)konstruiert (Analogieprinzip) und den unzuverlässigen Gebrauch korrigiert. Mit seinem zentralen Begriff „Grundrichtigkeit“ übersetzt Schottelius die latein. „analogia fundamentalis“ (Ausführliche Arbeit [1663], 1466). Die Orientierung an der in einer durch Gott veranlagten Sprachnatur unverbrüchlich festgelegten Sprachrichtigkeit, also am Sprachsystem und dessen Konformität, depotenzierte die normative Kraft des Sprachgebrauchs. — Aus der breiten Forschungsliteratur verweisen wir hier nur auf Wolfram Ax: Lexis und Logos. Studien zur antiken Grammatik und Rhetorik. Hg. Farouk Grewing. Stuttgart 2000, 108ff., 129 u. 135f.; Dieter Cherubim: Varro Teutonicus. Zur Rezeption der antiken Sprachwissenschaft in der frühen Neuzeit. In: Zeitschrift f. germanistische Linguistik 23 (1995), 125–152, hier bes. 128; ders.: Schottelius and European traditions of grammar. In: Indigenous Grammar Across Cultures. Ed. Hannes Kniffka. Frankfurt a. M. usw. 2001, 559–574; Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 398ff.; Hundt, 32ff., 96f., 108ff., 120ff., 136ff., 194, 242ff. u. ö.; Andreas Gardt: Die Sprachgesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 I, 332–348; Herz: Zesen, 197ff.; Takada, 5, 8f., 22ff., 27, 29ff. u. ö.; Hiroyuki Takada: J. G. Schottelius, die Analogie und der Sprachgebrauch. Versuch einer Periodisierung der Entwicklung des Sprachtheoretikers. In: Zeitschrift f. germanistische Linguistik 13 (1985), 129–153.
4 Gueintz’ Anmerkungen aus der deutschen Bibel, die vielleicht im Zusammenhang mit der Bibelübersetzung und Bibelharmonie Hz. Augusts d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227; 391217 K I 0) standen. Vgl. 400301, 400313, 400314 u. 410714.

K I  Justus Georg Schottelius’ (FG 397. 1642) Gutachten bezieht sich, wie schon die etwas früheren von Augustus Buchner (FG 362. 1641) und F. Ludwig (s. 400122 I u. 400214 I) auf eine Handschrift der Deutschen Sprachlehre von Christian Gueintz (FG 361. 1641). Diesen Grammatik-Entwurf ließ F. Ludwig abschriftlich inner- und außerhalb der FG zur kritischen Begutachtung kursieren. Vgl. 381105 u. 390114. Die Handschrift, die Schottelius bei seiner Stellungnahme vorlag, ist verschollen. Die im LHA Sa.-Anh./ Dessau unter der Signatur Abt. Köthen C 18 Nr. 55 erhaltene Handschrift „Die Deutsche Sprach-lehr zur Lehr-art <verfertiget>“ ist ein früherer, im Zusammenhang mit den ratichianischen Reformen in Köthen und Weimar (1618–1622) entstandener Entwurf einer dt. Grammatik (s. 400122 I Q), die Schottelius nicht vorgelegen haben kann, die wir jedoch im Kommentar zum Vergleich heranziehen (Sigle H unter Angabe der ursprünglichen Paginierung). Auf den Druck Gueintz: Sprachlehre (1641) verweist die Sigle D. — Die Abschrift von Gueintz’ Sprachlehre, die Schottelius vorlag, muß jünger als jener Entwurf gewesen sein, den Gueintz an F. Ludwig und dieser abschriftlich an Buchner geschickt hatte. In 400313 kündigt F. Ludwig Gueintz an, dessen Sprachlehre werde z. Zt. wieder sauber abgeschrieben und dann an einen Ort gesandt [Braunschweig], da man verlange, sie zu sehen. Mit 400323 wird dies ausgeführt. Das kann nur heißen, daß die für Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) und indirekt für Justus Georg Schottelius u. Balthasar Walther bestimmte Fassung schon Buchners und F. Ludwigs (und möglicherweise weitere) kritische Anmerkungen sowie Gueintz’ „Andwort“ darauf (s. 400301 I) berück- || [519] sichtigte. Ein direkter Vergleich der kritischen Gutachten Buchners (400122 I) und F. Ludwigs (400214 I) mit jenem von Schottelius läßt indes mangels Übereinstimmung der kritischen Referenzpunkte keine tragfähigen Rückschlüsse auf inhaltlich-textuelle Unterschiede der jeweiligen Vorlage zu. Sie scheint dem Druck von 1641 aber bereits recht nahe gekommen zu sein. — Schottelius’ Gutachten ist undatiert. Da der Versand von Gueintz’ Sprachlehre nach Braunschweig mit 400323 erfolgte und Gueintz in 400528 tatsächlich auf ein Gutachten (vielleicht eine Vorab-Kritik?) von Schottelius reagiert, markieren diese beiden Briefdaten die Frist, innerhalb derer Schottelius sein Gutachten aufgesetzt und F. Ludwig und indirekt Gueintz zugeleitet haben muß. Ein Brief des Wolfenbütteler Prinzenpraeceptors Schottelius, dem sein Gutachten beilag oder beigelegen haben könnte, ist uns nicht bekannt. Jellinek: Nhd. Grammatik I, 122 hat im vorliegenden Brief 400528 den Begleitbrief erkannt, mit dem Gueintz seine ebenfalls undatierte Replik auf Schottelius’ Gutachten übersandte. Jedoch wird diese plausible Chronologie verunsichert durch 400605. Darin erwartet F. Ludwig nämlich noch eine Sendung von Hz. Augusts „bedientem“, d. i. Schottelius. In 401109 teilt F. Ludwig Gueintz mit, daß sich das „bedencken aus Braunschweig über die aufgesetzete Sprachlehre“ verzögere. Diese Bemerkung bezieht sich allerdings auf das ausstehende Gutachten des schwer erkrankten Braunschweiger Superintendenten Balthasar Walther. Gueintz möge unterdessen bestimmte Veränderungen und Ergänzungen an seiner Sprachlehre vornehmen. Vielleicht wird das in 401109 genannte „bedencken aus Braunschweig“ mit 410208 von F. Ludwig an Gueintz gesandt und diesem anheim gestellt, „was er etwa sonderlich zu den regeln noch daraus nehmen könne“. Allerdings könnte es sich auch um das Gutachten eines anderen Braunschweigers (Hz. August selbst?) gehandelt haben, denn Balthasar Walther war schon am 15. 11. 1640 gestorben. Am 8. 2. 1641 steht der Druck der Sprachlehre unmittelbar bevor (vgl. schon 401109). Wenn F. Ludwig in 410208 ferner sagt, er habe zu diesen Anmerkungen „auch das hiesige bedencken kurtz bey iedem gezeichnet“, vielleicht also seine eigenen Beurteilungen bei den verschiedenen Punkten notiert, so scheidet Schottelius’ Gutachten, wie es im Erzschrein Köthen ohne jedwede Köthener Einträge, Zusätze oder dergleichen vorliegt, wiederum als das hier gemeinte Braunschweiger „bedencken“ aus. Es muß sich also um eine andere Kritik aus Braunschweig oder um eine weitere Kritik oder Ergänzung von Schottelius’ Bedenken handeln (möglicherweise als Reaktion auf Gueintz’ Gegenantwort, Beil. II), die uns nicht vorliegt und vielleicht auch nie wirklich erstellt wurde, da Schottelius noch im selben Jahr 1641 seine eigene Teutsche Sprachkunst veröffentlichte. Auch Jellinek: Nhd. Grammatik, a. a. O., hat die chronologischen Unstimmigkeiten in diese Richtung aufzulösen versucht. Tatsächlich können die von F. Ludwig in 400605 erwarteten Korrekturen von Schottelius (bzw. Hz. August) angekündigte Zusätze gewesen sein. In seinem ersten, in Beil. I vorliegenden Gutachten hatte er schließlich angeboten, „im fall es zu ergentzunge und völliger Verfaßunge etwa dieses (oder eines anderen) tractetleins begehret wurde, kunte daßelbige (so viel die Grammatic betrift) communicirt, und also etwas volliges und nützliches gemacht werden.“ Offenbar ließ es Schottelius auch mit dieser Offerte nicht bewenden, denn noch in 410714 teilt Gueintz dem anhalt-köthnischen Kammersekretär Christian LeClerq mit, „Mit übergebung vnd überschickung dem Hause Braunschweig der deutschen Sprachlehr wird man müssen an iezo zu rücke halten.“ Gueintz wollte seine Sprachlehre endlich drucken lassen!
1 „Unsere so wol alte als jetzige Teutsche Sprache hat allemahl geruhet/ und ruhet festiglich annoch in jhren eigenen einlautenden Stam̄worteren/ welche man allezeit auch in den allereltestē Schrifften und Reimē/ und in allē mundarten der Teutschen Sprache finden kan“. Schottelius: Sprachkunst (1641), 71 u. 74ff. (Vierte Lobrede, über die dt. Stammwörter). Entsprechend Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 49ff. („Die vierdte Lobrede“) u. 1269ff.: „EJn jedes standfestes Gebäu beruhet auf seinen unbeweglichen wolbepfälten Gründen: Also einer jeglichen Sprache Kunstgebäu bestehet gründlich in jhren uhrsprünglichen natürlichen Stammwörtern: welche als stets saftvolle Wurtzelen den gantzen || [520] Sprachbaum durchfeuchten“ (50). Die unzweifelhaft dt. „Stammwörter oder radices“ (also nicht die eingebürgerten Lehn- und Fremdwörter) „sind die grundseulen zu allen darauf erhöhten Teutschen Sprach-Gebäuden“ (1272). In der seit Johannes Reuchlin der hebr. Grammatik abgewonnenen Wurzel- oder Stammworttheorie zeigt sich am deutlichsten die Dominanz der Wort-, Wortarten- und Wortbildungslehre in den Grammatiken des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, verbunden mit einem relativ geringen normativen Interesse an Fragen des Satzbaus. Vgl. Markus Hundt: Die Instrumentalisierung der „Wortforschung“ im Sprachpatriotismus des 17. Jahrhunderts. In: Historische Wortbildung des Deutschen. Hg. Mechthild Habermann, Peter O. Müller, Horst Haider Munske. Tübingen 2002, 289–313, und Padley I, 115; ferner und zur stammwortgeprägten Lexikographie Hundt, 40, 92ff., 247ff. u. 334f.; Kathrin Gützlaff: Von der Fügung Teutscher Stammwörter. Die Wortbildung in J. G. Schottelius’ „Ausführlicher Arbeit von der Teutschen HaubtSprache“. Hildesheim, Zürich, New York 1989, 14f., 33ff. u. ö.; Helmut Henne: Deutsche Lexikographie und Sprachnorm im 17. und 18. Jahrhundert. In: Wortgeographie und Gesellschaft. Festgabe für L. E. Schmitt. Hg. Walther Mitzka. Berlin 1968, 80–114, hier 97; Gisela M. Neuhaus: Justus Georg Schottelius: Die Stammwörter der Teutschen Sprache Samt dererselben Erklärung/ und andere die Stammwörter betreffende Anmerkungen. Eine Untersuchung zur frühneuhochdeutschen Lexikologie. Göppingen 1991, 1f., 78ff. — Wenn Schottelius in seinem Gutachten der dt. Sprache einen Vorzug „an Worten, Alter, Pracht und Herligkeit“ vor den anderen (gemeint: europäischen) Sprachen zuspricht, so wird Gueintz das in seiner Antwort und in D nicht akzeptieren. Hier erscheint die dt. Sprache im Reigen der anderen postbabylonischen Sprachen und darf sich wie das Griechische oder Lateinische ebenfalls als „tapfer/ ansehnlich/ richtig und herlich“ behaupten (D, Bl. )( v v; vgl. Bl. [vi] rf.), nicht mehr und nicht weniger. Vgl. K II 4; ferner die Unterscheidung zwischen Sprachpatriotismus und Sprachnationalismus, welch letzterer mit einer ideologischen Abwertung des sprachlich Fremden einherging (und von dem sich Schottelius nicht freihielt), bei Andreas Gardt: Sprachpatriotismus und Sprachnationalismus. Versuch einer historisch-systematischen Bestimmung am Beispiel des Deutschen. In: Sprachgeschichte als Kulturgeschichte. Hg. A. G., Ulrike Haß-Zumkehr u. Thorsten Roelcke. Berlin, New York 1999, 89–113. — Die These einer Einsilbigkeit der dt. Stammwörter wird Gueintz in seiner Gegenantwort zurückweisen, vgl. K II 5; ferner Barbarić, 1190ff.
2 Vgl. Gueintz in Beil. II (K II 9).
3 H, 4: „Gleichwol hat sie [die dt. Sprache, Hg.] von den Griechen die Natur und Geltung der buchstaben, die eigenschafft und zahl der doppellautenden, die aussprechung der Sylben, die Geschlechtwörter, und dergleichen viel behalten. Wie auch sehr viel Deutsche Wörter mit den Griechischen am laut und bedeutung übereinkommen.“ Diese Aussage kehrt fast wörtlich in D, 4, wieder, allerdings zu Anfang leicht abgemildert: Obwohl die dt. Sprache „nunmehr ihre eigene buchstaben“ habe, und nicht mehr die griechischen benutze, habe sie „wie die Griechen/ die Natur und geltung der buchstaben/ die eigenschaft und zahl der Doppeltlautenden/ die aussprechung der Sylben/ die Geschlechtwörter [Am Rand:  Articulos]/ und dergleichen viel/ wie auch sehr viel Deutsche wörter mit der Griechischen an Laut und bedeutung übereinkommen.“ Vgl. Beilage II (K II 9); Schottelius: Sprachkunst (1641), 75ff. (Buchstaben), 198f. („Doppellaut“/ Diphthong), 207ff. („Geschlechtwort“/ Artikel). Zur „uhralten Celtischen (Teutschen) Sprache“ vgl. Beilage II (K II 4–6).
4 Die etymolog. Ableitung „Mensch“ von hebr. „Enosch“ fehlt in H. In D (Buch 1, Kap. 4: „Von der Wortforschung“), 25, aber heißt es: „das wort Mensch komt vom Hebräischen Enosch [...]. Also liebe/ kan nicht ungereimt vom Hebräischen Leb/ das ist ein hertz/ herkommen/ weil die liebe vom hertzen sein sol.“ Schon in seiner Stellungnahme zu Schottelius’ Gutachten hatte sich Gueintz gegen dessen Zurückweisung dieser Etymologie polemisch zur Wehr gesetzt, s. Beil. II. || [521]
5 Weder Cruciger, noch Besoldus werden in H und D als Gewährsmänner genannt; auch Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v – ):( vij v, nennt Cruciger nicht in der Liste benutzter/ zitierter Autoren/ Werke, wohl aber Christoph Besold (1577–1638). Vgl. Georg Cruciger (1575–1637): Harmonia linguarum quatuor cardinalium: Hebraicae, Graecae, Latinae et Germanicae (Frankfurt a. M. 1616). HAB: 23 Gram. 2° (1); Besold: Thesaurus practicus. Item de populorum origine & Linguarum immutatione (Tübingen 1629), Bl. ):( vi v). HAB: 43.1 Jur.; ders.: De Natvra Populorum, Ejvsque Pro Loci Positu, ac temporis decursu variatione: Et insimul etiam, De Linguarum Ortv atq. Immvtatione, Philologicus discursus. Ed. Secunda (Tübingen 1632). HAB: 19.2 Pol. (2).
6 In H, 6, kommt nur das Compositum „Meistergesänge“ vor; in D, 5 ebenfalls, jedoch heißt es dort weiter: „Es sind aber der Meister dieser Kunst an der zahl zwölffe gewesen“. Im folgenden besteht Schottelius auf dem Kasusmorphem –e im Nominativ und Akkusativ Plural bei Substantiven auf –er und auf der Kasusendung –er zur Markierung des Genitiv Plural, also: die Meistere bzw. der Meisterer dieser Kunst usw. Vgl. 380320 K I 1. In Schottelius: Sprachkunst (1641), 222ff., 229f. u. 288ff., stellt der Autor die richtige Regel der mißbräuchlichen Gewohnheit gegenüber, räumt allerdings ein: „ob es aber also überall von jedem zu gebrauchen und auffzubringen sey/ möchte man billich zweiffeln“ (226). Ein solches Zugeständnis an den Sprachgebrauch wird Schottelius in seiner Sprachkunst (1651), 409ff., nicht mehr machen. Vgl. auch Anm. 11 und Takada, 191. Gueintz weist diese Regel als willkürliche Neuerung in seiner Gegenantwort (Beilage II) zurück. Vgl. K II 13, ferner Gueintz: Rechtschreibung (1645), 22f.
7 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste benutzter/ zitierter Werke und Autoren): „Die ReichsAbscheide samt der Cammergerichtes Ordnung nach dem jüngsten Abtrucke“. Vgl. etwa: Alte ReichsAbschied und Handlungen: so dem gemeinen nutzen zu gutem, theils auß Chur-Fürsten und Stätten Archivis, theilß auß hievor getruckten alten Exemplarien, zusammen getragen worden (Amberg 1607). HAB: 37. 16 Jur. 2°.
8 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste benutzter/ zitierter Werke und Autoren) nennt von Goldast „Die Politischen Reichshändel“ sowie „Die Speyrische Chronic deß Lehmanni“. — Melchior Goldast v. Haiminsfeld (1578–1635), der wissenschaftlich-philologisches Interesse am dt. Altertum entwickelte und von Schottelius hochgeschätzt und häufig herangezogen wurde, hier mit: Politische ReichsHändel, Das ist, Allerhand gemeine Acten, Regimentssachen, und Weltliche Discursen: Das gantze heilige Römische Reich, die Keyserliche und Königliche Majestäten, den Stul zu Rom, die gemeine Stände deß Reichs, insonderheit das Vatterlandt Teutscher Nation betreffendt ... abgetheilt, zusammengebracht, in den Truck gegeben auß der Bibliotheck des Herrn Melchior Goldasts von Haiminsfeld (Frankfurt a. M. 1614). HAB (2 Ex.): 2. 1 Pol. 2° u. Gl 4° 172 (1). Vgl. schon 310119; ferner Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1159f.; Gundula Caspary: Späthumanismus und Reichspatriotismus. Melchior Goldast und seine Editionen zur Reichsverfassungsgeschichte. Göttingen 2006. — Christoph Lehmann (1568–1638), der in Schottelius’ Urteil „um das Teutsche Wesen und die Teutsche Sprache sich wolverdient gemacht“. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1186. Vgl. Chronica der Freyen Reichs Statt Speyr: Darinn von dreyerley fürnemblich gehandelt/ Erstlich vom Ursprung/ Uffnemen/ Befreyung ... auch underschiedlichen Kriegen und Belägerungen der Statt Speyer; Zum andern/ von Anfang unnd Uffrichtung deß Teutschen Reichs/ desselben Regierung durch König unnd Kayser ... Zum dritten/ von Anfang und Beschreibung der Bischoffen zu Speyr ... Mit Fleiß zusammengetragen Durch Cristophorvm Lehman (Frankfurt a. M. 1612). HAB (2 Ex.): 65 Hist. 2° u. Gm 2° 158.
9 Schottelius: Sprachkunst (1641), Bl. ):( vi v (in der Liste benutzter/ zitierter Werke und Autoren): „Der continuirter Meteranus nach dem letzten Abtrucke“. Seit 1593 erschien die Historia Belgica des Emanuel van Meteren (1535–1612) in fläm., dt., engl. und französ. Sprache und in mehreren chronologisch fortgesetzten Büchern. Schottelius könnte benutzt haben: Meteranus novus, das ist: warhafftige Beschreibung aller denckwürdig- || [522] sten Geschichten, so sonderlich in den Niderlanden auch sonst in andern Reichen, von anfang der Regierung Philippi Audacis Hertzogen zu Burgund ... biß auff das Jahr Christi 1612 sich zugetragen/ beschrieben in XXXII Bücher durch Emanuel von Meteren: Vor diesem zwar von Jann Janssonio in Hochteutscher Spraach aber sehr mangelhafft und uncorrect außgegeben: Nun aber auß deß Authoris letzt ubersehner ... Edition ... biß auff das Jahr 1633 auffs fleisigste continuirt (Amsterdam 1633). HAB: T 1013.2° Helmst.
10 Michael Sachs (1542–1618), Verfasser der Newen Keyser Chronica in vier Teilen, zuerst Magdeburg 1606–1607 (HAB: 186. Hist. 2°), in 2. verm. Ausg. Leipzig, Magdeburg 1614–1615 (HAB: Gl 2° 76). Vgl. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1196. Verwechselt ihn Gueintz in Beil. II (Bl. 148r) mit dem dän. Geschichtsschreiber des 12. Jhs., Saxo Grammaticus?
11 Opitz: Psalmen (1637), 12: „Jhr übelthäter fliehet/ | Jhr böseswircker ziehet | Nun ferren von mir hin.“ Was Schottelius für die Wiederherstellung einer korrumpierten Regelrichtigkeit hielt, erschien Gueintz als „mißbrauch“. Zudem verteidigte Gueintz den modernen, eleganteren Sprachgebrauch („zierlicher“) gegen ein normatives Sprachaltertum. Vgl. K II 14. Tatsächlich hatte sich die Pluralmarkierung bei mehrsilbigen Lexemen auf –er, -el und –en durch das Flexiv –e (feder-e, vogel-e usw.) im Md. erhalten und verbreitet, während es im Obd. schon seit dem 13. Jh. apokopiert wurde. Dieser Prozeß griff auch auf das Md. über, bevor sich das flexivische –e in der 2. Hälfte des 16. Jhs. ausgehend vom Omd. wieder ausdehnte. Vgl. Klaus Peter Wegera, Hans-Joachim Solms: Morphologie des Frühneuhochdeutschen. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 II, 1542–1554, hier 1544; auch 391217 K II 13. Der gesamte Passus in Schottelius’ Gutachten erscheint fast wörtlich in Schottelius: Sprachkunst (1641), 290f., wieder: „Alle Nennwörter/ welche auf er und el außgehen/ müssen in der mehreren Zahl [Plural] das E an sich nehmen/ als Bürger/ Bürgere; Thäter/ Thätere/ Schwester/ Schwestere; Himmel/ Himmele/ Engel/ Engele.“ Leider verstoße der Sprachgebrauch gegen diese Regel und lasse das Endungs-e weg. „Wan̄ man aber nach dem Hauptgrunde und dem natürlichen Verstande der Teutschen Sprache schliessen wird/ befindet sich solches jrrig/ und durch den Mißbrauch eingeschlichen“. Dies will Schottelius erstens aus alten und neuen Schriften beweisen, in denen die genannten Formen gebildet werden, und zweitens „Vornemlich darumb/ weil sonst der rechte Verstand bey uns verlohren wird/ als wenn Saxo in seiner Keyser Cronicen sagt: die Könige und Keyser hattens beschlossen/ woselbst man ansteht/ ob er Cæsarem oder Cæsares verstehe. Also Opitz in Psal. 6. jhr übelthäter fliehet/ jhr böseswircker ziehet. Ein Teutscher kan allhie den singularem und pluralem numerum verstehen.“ Vgl. auch Anm. 6 und die gekürzte Passage in Schottelius: Sprachkunst (1651), 484f.
12 Eine Ausspracheregel zum Buchstaben c läßt sich weder in H (vgl. S. 20ff.) noch in D (vgl. S. 21ff.) finden. Gueintz teilt hier auch nichts (mehr) über die Aussprache des sch mit. Vgl. aber seine wieder mit dem Sprachgebrauch argumentierende Antwort in Beil. II, s. K II 16. Vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 188: „Das C vor a/ o/ L/ r/ h/ wird gelesen wie ein K/ als: Cantzley/ Clavir/ Coralle/ Creutz/ Crocodil.“ Ebd., 187: „Von diesen beyden Letteren CH ist zuwissen/ daß sie in Teutscher Sprache/ verwunderlicher weise/ dreyerley Tohne haben: Denn wenn diese Letteren ch nach a/ e/ i/ o/ u/ folgen/ geben sie den Laut/ welchen das Griechische Χ geben mag/ als: nach/ noch/ nicht [!]. Wann sie aber nach s folgen/ veruhrsachen sie einen solchen grob-zischenden Laut/ daß es fast seltzam ist/ wie doch solche drey Buchstaben sich zu der zischenden Stimme gefunden haben/ weil weder einer allein/ noch sie zusammen solchen Tohn zu geben vermögen: Wen̄ aber diese Buchstaben ch ein Wort anfangē/ haben sie den Laut eines K/ als Christ/ Chor.“ Schottelius gibt dann die drei Laute mit den Schriftzeichen K, Χ und [hebr.] ש wieder. Auch werde für gewöhnlich zwischen s und w/l ebenfalls ch eingefügt, s. z. B. schlagen, schwören. „Solches nun ist durch den Gebrauch allerdings bestetiget“, sei aber eigentlich unnötig und in den „alten Teutschen Schrifften und Gesängen“ nicht üblich (a. a. O., 188). — Zur Unsicherheit bei Schottelius, wie das /sch/ hochdt. richtig auszusprechen oder ob das /ch/ || [523] nicht gar vor dem l, m, n und w als überflüssig auszuscheiden sei — eine Unsicherheit, die auf das dem gebürtigen Einbecker geläufige (ostfälische) Niederdeutsch zurückgeführt wurde, das die v. a. im Spätmhd. vollzogene Verschiebung von s zu sch in den Lautverbindungen sl, sm, sn, sw nicht mitgemacht hat, vgl. auch Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 196ff. In Schottelius: Sprachkunst (1641), 462f., finden wir noch die Schreibweise schlagen, schleichen, schmeltzen, schneiden und schweigen, während in der Sprachkunst (1651), 761f., slagen, sleichen, smelzen, sneiden und sweigen geschrieben wird (vgl. dort auch S. 7). Die Ausführliche Arbeit (1663), 594f., wird dann zur früheren Schreibung zurückkehren; vgl. aber ebd., 196f. Vgl. ferner Mnd. Handwb., 351, 357 u. ö. Helmut de Boor, Roswitha Wisniewski: Mittelhochdeutsche Grammatik. Berlin, New York 7 1973, 19; Stefan Kiedroń: Niederländische Einflüsse auf die Sprachtheorie von Justus Georg Schottelius. Wrocław 1991, 57; Gilbert A. R. de Smet: Niederländisch/ Deutsch. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 IV, 3290–3299, hier 3295; Takada, 84ff.; Sheila Watts: „Wer kan wider eines gantzen Landes Gewohnheit?“ Justus Georg Schottelius as a Dialectologist. In: „Proper words in Proper Places“. Studies in Lexicology and Lexicography in Honour of William Jervis Jones. Ed. by Máire C. Davies, John L. Flood and David N. Yeandle. Stuttgart 2001, 101–114, hier 106f.
13 H, 17: „Die Mitlautende buchstaben pflegen die deutschen in kurtzen wörtern am ende gemeiniglich duppelt zu setzen [Von F. Ludwig eingefügt für <zu dopplieren>]. als: All, Schall, Naß.“ D, 19: „Die Mitlautenden buchstaben pflegen die Deutschen in kurtzen wörtern am ende gemeiniglich zu Dopplieren/ als: all/ schall/ voll/ vaß/ auff.“ Gueintz übernahm in die endgültige Druckfassung seiner Sprachlehre also weder die differenzierte Regel von Schottelius (s. auch Anm. 14), noch seine eigene aus der Antwort Beil. II (K II 17).
14 Zur Verdoppelung des l fehlt in H eine Aussage. D, 19: „Das l wird allezeit gedoppelt/ welche von will und all/ herkommen. VVern., pag 55.“ Obwohl sich Gueintz in seiner Antwort korrekturwillig zeigte (s. K II 18), änderte er den von Schottelius kritisierten Hinweis offenbar noch nicht. Die nicht phonetische, sondern etymologisch-morpholog. Begründung bei Schottelius, wonach die obliquen Kasus bzw. die anderen Tempora über die Doppelung der Konsonanten entscheiden, greift Gueintz erst in seiner Rechtschreibung (1645), 16, auf. Vgl. Johann Werner: Manuductio orthographica ad linguam germanico-latinam (1629). Hg. Claudine Moulin. Hildesheim u. a. 2007 (Documenta Orthographica, Abt. A, Bd. 1), 55: „Das L. wird allezeit zwiefach gesetzet/ in denen wörtern/ welche vom will und alle herkommen: alß/ Wollen/ willig/ willfahren/ allezeit/ allewege/ allenthalben/ allerley/ etc.“ Hingegen lautet die Faustregel in Schottelius: Sprachkunst (1641), 189f.: „Es wird in den Stammwörteren am ende der mittlautender gedoppelt/ so offt in dem Nennworte die abfallende Zahlendungen [Marginalnote von Schottelius dazu: „obliqui casus“]/ solche doppelung nothwendig erfoderen/ als Stimm/ all/ voll/ Mann/ Schall/ etc. denn man saget der Stimme/ alle Leute/ voller Mühe/ des Mannes/ des Schalles/ etc. und nicht: Stime/ ale/ vole/ Mane. Also gleichfalls in dem Zeitworte [dito: „verbo“]/ wird der letzter mittlautender verdoppelt/ wenn die anderen Zeiten solche doppelung erfoderen/ als: Lauff/ denn man sagt ich lauffe/ und nicht ich laufe: Stoß/ denn es heisset stossen und nicht stosen [...].“ Vgl. insgesamt Barbarić, 403ff.
15 Vgl. H, 25ff., zur „vielfältigen Zahl“ der Nennwörter. In abweichender Terminologie D, 26 u. 32f., zur „mehreren“ oder „übereintzigen“ Zahl. Zu den Regeln des Plurals vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 267ff. Hierzu und in anderen Fällen einer Kritik an mangelnder Vollständigkeit und Systematik der Regeln s. Gueintz’ Gegenantwort (K II 19).
16 Vgl. H, 38, 44, 46ff., 50ff. u. 85f.; D, 42f., 44, 48f., 50ff. u. 97, sowie Gueintz’ Gegenantwort (K II 19). Dazu Schottelius: Sprachkunst (1641), 221ff. u. 302ff. (Im 12. Kap. des 2. Buches „Von der Doppelung“, a. a. O., 345–395, werden nur zusammengesetzte Substantive behandelt; vgl. daher auch Schottelius: Ausführliche Arbeit [1663], 398ff.) || [524]
17 Vgl. dazu das 6. Kapitel des 1. Buchs in H, 29f., wo es u. a. heißt: „Die Nennwörter welche mit dem Unabsonderlichen Vorwort ge zusammengesetzet, und vor sich eine vollkommene bedeutung haben, sind keinerley geschlechts [d. i. genus neutrum]. als:
Das Gemüthe,Das Gebew,
Das Geblüte,Das Geschrey.
§ ausgenommen: der Geschmack, der Geruch, der Genuß [von F. Ludwig gebessert aus Genieß], der Gestanck, die Gefahr, die Gebühr.“ Entsprechend in D, 35; allerdings ist dort vom „unbenamten“ (statt keinerley) Geschlecht die Rede. Vgl. Gueintz’ Gegenantwort (K II 19). Schottelius kannte drei konstitutive Bestandteile des Wortes, (1.) die Stammwörter oder Wurzeln, ggf. (2.) die „Hauptendungen“ („terminationes derivandi“), d. h. Ableitungssuffixe, die an sich selbst nicht bedeutungstragend sind, sondern bedeutungsmodifizierend wirken, und ggf. (3.) die „zufälligen Endungen“ (=Flexionsmorpheme: Deklinations-, Komparations- und Konjugationsendungen). Die „Hauptendungen gehören nicht mit zu dem wesentlichen Verstande des verdoppelten Wortes/ sondern sie sind nur eine unfehlbare Anzeige der Ableitung/ veränderen nicht den Sinn des Grundworts/ deuten aber an eine sonderbare Eigenschaft oder Zufall desselbigen“. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 91, vgl. 42; vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 302ff.; ferner hier Anm. 25; Barbarić, 1182f. u. 1242ff.; Peter v. Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. 2: 17. und 18. Jahrhundert. Berlin, New York 1994, 154; Takada, 150f. Vom Wortbildungsmodus der Derivation/ Ableitung ist die Verdoppelung/ Komposition zu unterscheiden. Vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 345ff.; Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 72ff. u. 398ff.; Barbarić, 1333; Takada, 144ff. Den „Vorwörtern“ räumte Schottelius ebenfalls, und zwar vorrangig, elementare Funktionen in der Wortbildung, der Wortzusammensetzung ein. „Vorwort (Präposition)“ meinte bei ihm und seinen Zeitgenossen nicht nur unser heutiges Verhältniswort, sondern schloß auch Vorsilben („unabsonderliche Vorwörter“/ „praepositiones inseparabiles“, s. Schottelius: Ausführliche Arbeit [1663], 616) ein, wie das Präfix ge-. Vorsilben aber sind keine selbständig gebrauchten Lexeme, sondern Wortbildungsmorpheme, die nur in der Zusammensetzung Bedeutung generieren. S. Schottelius: Sprachkunst (1641), 483ff. Seiner Liste von Vorwörtern, die beide Kategorien, „absönderliche“ und „unabsönderliche“ Vorwörter umfaßt, gehört auch die Vorsilbe ge- an, die mit vielen Beispielwörtern illustriert wird, s. a. a. O., 487ff., hier 497ff. In der Ausführlichen Arbeit (1663), 632, heißt es dazu ähnlich wie in Schottelius’ Gutachten: „Dieses Vorwörtlein Ge ist eine vortrefliche Wirkung/ dadurch eines jeden anzudeutenden Dinges sonderbare Menge/ verwirrung/ vielheit etc. aufs kürtzeste und doch klärlich dem Teutschen Verstande vorkomt/ wie aus nachfolgenden vielen artigen Worten abzunehmen.“ Vgl. auch Barbarić, 1086ff. u. Takada, 158ff. Zur hier zugrundeliegenden Unterscheidung von „species“ und „figura“ in der lat. Grammatik und etwa auch bei Johannes Kromayer, zu Wolfgang Ratkes Originalität in der Konzeption einer semantisch basierten Derivationstheorie im Deutschen und zur großen Bedeutung dieser Wortbildungslehre für Schottelius’ Grammatik vgl. u. a. Padley I, 112; Markus Hundt: Die Instrumentalisierung der „Wortforschung“ im Sprachpatriotismus des 17. Jahrhunderts, a. a. O. (s. Anm. 1); Johannes Kromayer: Deutsche Grammatica/ Zum newen Methodo/ der Jugend zum besten/ zugerichtet (Weimar 1618). Ndr. Hildesheim u. a. 1986 (Documenta Linguistica, Reihe IV), S. 3; Reiner Schmidt: Deutsche Ars Poetica. Zur Konstituierung einer deutschen Poetik aus humanistischem Geist im 17. Jahrhundert. Meisenheim am Glan 1980, 246ff.
18 Das 8. Kapitel des ersten Buchs in H, 32ff. („Von dem Geschlecht der Selbstendigen [Nennwörter] ... Aus der Endung“), in D, 38ff. („Von dem geschlechte der Selbständigen und beyständigen aus der endung“). Schottelius’ Einwand weist Gueintz in seiner Gegenantwort ab, da er in jenem nicht ein systematisches Anliegen zur Erklärung der Substantivendungen (vgl. Anm. 17), sondern nur das Ansinnen einer vollständigen Wortliste erblickt, die in das (noch zu schaffende) dt. Wörterbuch, nicht in die Grammatik, gehöre. || [525] Vgl. K II 20. Vgl. zur Deklination der Substantive Schottelius: Sprachkunst (1641), 283–302.
19 Tatsächlich hat D, 38ff. eine umfangreiche, alphabetisch nach Endbuchstaben geordnete Wörterliste aufgenommen, die in H noch fehlt, allerdings keine verläßliche Regelhaftigkeit der Genusmarkierung qua Wortendung bietet. Hier, in der Varianz und Uneinheitlichkeit des Genus der Substantive lag ein ernstes Problem für die Grammatiker des 17. Jahrhunderts. Dazu Schottelius: Sprachkunst (1641), 246ff. (mit Wortlisten nach dem Auslaut, wie bei Gueintz); Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 261ff. (dito); vgl. Neuhaus (s. Anm. 1), 181ff.; Gabriele Schmidt-Wilpert: Die Bedeutung der älteren deutschen Grammatiker für das Neuhochdeutsche. In: Sprachgeschichte. Handbuch II, 1556–1564, hier 1561.
20 In H, 38, ist das 9. Kapitel „dem Geschlecht der Beystendigen NennWörter“ gewidmet; vgl. auch 46 und D, 42f.: „Von dem Geschlechte der beyständigen [Nennwörter, d. h. Adjektive, d. Hg.]/ sind nachfolgende regeln: 1. Allerley geschlechtes sind die beyständigen Nenwörter/ die ein vornenwort [Pronomen, d. Hg.] haben/ als: der gute/ die gute/ das gute: der dritte/ die dritte/ das dritte. 2. Die beyständigen Nenwörter/ die nicht ein vornenwort vor sich haben/ sind auf ein er mänliches/ auf ein e weibliches/ auf ein S unbenamtes geschlechtes/ als: guter mann/ gute frau/ gutes haus.“ Vgl. die differenzierteren und analytischeren Ausführungen in Schottelius: Sprachkunst (1641), 221ff. u. 301ff.; Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 261ff. (7. Kap. des 2. Buchs: „von dem Geschlechte der Nennwörter“). Gueintz’ Gegenantwort bleibt an diesem Punkt völlig unergiebig, vgl. Beil. II (K II 21).
21 H, 53 (über die Pronomen): „Das e in Ewere, Unsere, wird offt weggeworffen, als: Unser hülffe.“ Ausführlicher in D, 58 (s. 400122 I [K I 29]). Über die Verben heißt es u. a. in D, 61: „Das Zeitwort in der ersten person der eintzelen zahl gehet aus auf einen mitlautenden buchstaben oder ein e. Welches/ so es nicht da ist/ dennoch drunter verstanden wird/ als: Jch bet zum HErren/ an stat/ Jch bete/ und wird das kurtze e/ wie bey den Hebräern/ das Scheva, gehalten. Kan auch ohne Merckzeichen (oder apostropho) recht und wol gebraucht werden.“ (Eine entsprechende Passage fehlt in H.) Gueintz hat also Schottelius’ Kritik nicht aufgegriffen, da er in seiner Gegenantwort bestreitet, aus der bloßen Anmerkung eine Regel gemacht zu haben. Ansonsten argumentiert er mit dem Gebrauch, auch gegen das Auslassungszeichen des Apostrophs, das er hier als anmaßende Künstlichkeit verwirft. S. K II 22. Vgl. bereits Buchners Ausführungen in 400122 I (K I 29) und F. Ludwigs Kritik in 400214 I (K I 23); ferner Schottelius: Sprachkunst (1641), 404f., 410 u. 547ff., da er beklagt, daß „aber etzliche ersetzen mein Mutter/ dein Schwester/ unser augen/ mein allerliebsten Vater/ etc. solches ist durchauß falsch und hat nichts als den unverstendigen mißbrauch zum Grunde“ (410). Ja, es sei „keine Letter in Teutscher Sprache/ welche also mißlich gebrauchet werde/ als das E“ — mit willkürlichen Elisionen, Hinzufügungen usw. Der Apostroph („Hinterstrich“) soll, so Schottelius, nur in Versen zur Kennzeichnung eines ellidierten Schluß-„e“ verwendet werden, und nur dann, wenn das nächste Wort mit einem Vokal oder mit einem „H“ beginnt (526 u. 537ff.; vgl. die folgende Anm.).
22 Der Humanist und neulatein. Dichter Paulus Schede Melissus (1539–1602). Martin Opitz (FG 200) kritisierte des öfteren seine dichterischen Freiheiten hinsichtlich der dt. Grammatik, s. 380828 K I 2 unter Bezug auf Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey (Breslau 1624), in: Opitz II.1, 331–416, hier 390. Opitz schrieb zur Apokope des Schluß –e, a. a. O., 386: „Das e/ wann es vor einem andern selblautenden Buchstaben zue ende des Wortes vorher gehet/ es sey in wasserley versen es wolte/ wird nicht geschrieben vnd außgesprochen/ sondern an seine statt ein solches zeichen ’ darfür gesetzt“ (ausgenommen Eigennamen wie Helene usw.), z. B. „[...] mein’ ergetzung [...]“. Folgt dem –e aber im anschließenden Wortanfang ein Konsonant, „soll es nicht aussen gelassen werden“, wie irrig bei „Melißus: Rot rößlein wolt’ ich brechen/ für Rote rößlein.“ A. a. O., 388. Schottelius || [526] schloß sich auch in seiner Grammatik Opitz an. Sprachkunst (1641), 444: Grundsätzlich „ist zuwissen/ daß die anzeigungsweise [Indikativ] müsse allezeit in Teutscher Sprache zwosilbig seyn/ als ich lauffe/ ich gebe/ ich bete. Es ist zwar zuweilen befindlichen/ daß sie ohn jhr letztes E geschrieben werden; aber solches gibt in dem/ da es unrecht ist/ keine regulam. Opitz tadelt es an einem/ daß er gesetzet rot röselein/ für rote röselein/ und zwar darumb/ daß ein endstehendes E/ wenn ein mittlautender darauff folget/ mit nichten künne und müsse in den Teutschen Wörteren übergangen werden/ wenn wir sonst recht und grundmessig Teutsch schreiben wollen. Was an sich mißbräuchlich ist/ muß keinen Lehrsatz in der Teutschen Sprachkunst geben.“ Das Argument leicht gekürzt und ohne den Verweis auf Opitz’ Kritik auch in Schottelius: Sprachkunst (1651), 740, bzw. Ausführliche Arbeit (1663), 574. Auch die (unvollständige) Übersetzung des Hugenottenpsalters durch Schede: Di Psalmen Davids Jn Teutische gesangreymen/ nach Frantzösischer melodeien ůnt sylben art (Heidelberg 1572) hatte Opitz’ Kritik hervorgerufen. Was Schede später der Psalter-Übertragung von Ambrosius Lobwasser: Psalter deß Königlichen Propheten Dauids/ Jn deutsche reymen verstendiglich vnd deutlich gebracht (Leipzig 1573) an metrischen und Reim-Verstößen vorgeworfen habe, treffe noch schärfer auf ihn selbst zu. Vgl. die Vorrede in Opitz: Psalmen (1637), Bl. (:) vi rf. Vgl. Die Psalmenübersetzung des Paul Schede Melissus (1572). Hg. Max Hermann Jellinek. Halle a. d. S. 1896, S. XX.
23 Auch in seiner Grammatik führte Schottelius eine Untergliederung in nur zwei Konjugationen („Zeitwandelungen“) ein, „die gleichfliessende“ oder „ordentliche“ (conjugatio regularis, i. e. regelmäßige, bei den sog. schwachen Verben) und „die ungleichfliessende“ oder „unordentliche“ (conjugatio irregularis, i. e. unregelmäßige, bei den sog. starken Verben). S. Schottelius: Sprachkunst (1641), 414f. u. 424f.; vgl. Schottelius: Sprachkunst (1651), 710ff. u. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 549ff. Die erste umfaßt alle Verben „mit behaltung einerley Stammletteren/ durch und durch in jhren zeiten/ zahlen/ weisen und Personen“. Schottelius: Sprachkunst (1641), 424. Die andere Gruppe von Verben, die 1641 auf „ohngefehr hundert und neuntzig Teutsche Zeitwörter“, 1651 auf 200 Wörter taxiert wurde, verändert die „Stammbuchstaben“. A. a. O., 425, vgl. 436ff.; ferner Sprachkunst (1651), 720 u. 733ff. In der Ausführlichen Arbeit (1663), 549 und 569, nennt Schottelius die ersten Zeitwörter auch „verba analoga“, jene der zweiten Gruppe „verba anomala“. Die Verben „brechen“ und „kommen“ werden als Beispiele der unregelmäßigen Verben durchkonjugiert, Schottelius: Sprachkunst (1641), 437ff. u. 440ff.; eine vollständige Liste der „ungleichfliessenden“ Verben schließt das Kapitel ab, a. a. O., 451ff.; vgl. Sprachkunst (1651), 747ff. u. Ausführliche Arbeit (1663), 579ff. Vgl. Takada, 204ff. Die heutige Grammatik folgt Schottelius darin, unterscheidet aber innerhalb der unregelmäßigen Konjugation je nach der Änderung des Stammvokals 39 verschiedene Ablautreihen. Vgl. Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 6., neu bearb. Aufl. Mannheim u. a. 1998, 127. — H, 63ff. unterscheidet vier „Verenderungen“ (Konjugationen) anhand der Ablaute, allerdings sozusagen quer zum Kriterium der Regel- bzw. Unregelmäßigkeit, welch letztere H „Unehnliche“ Verben nennt. In D, 68ff. grenzte sich Gueintz von seinen Vorgängern Johann Clajus, Albert Ölinger und Stephan Ritter ab, indem er die Konjugation der Verben als insgesamt „gar verworren/ und unordentlich“ befand und als bessere Lehre die Unterscheidung in eine regelmäßige und drei unregelmäßige „verenderungen“ anbot. Wie auch sonst öfter, folgte Gueintz hier im Unterscheidungsprinzip dem Weimarer Ratichianer Johannes Kromayer: Deutsche Grammatica/ Zum newen Methodo (s. Anm. 17), 27ff. Die erste Konjugation ist die regelmäßige mit unverändertem Stammvokal in Präsens, Imperfekt und Partizip Perfekt; die zweite bricht den Stammvokal nur im Imperfekt, die dritte verändert den Stammvokal einheitlich in Imperfekt und Partizip Perfekt, die vierte verändert den Stammvokal abweichend in Imperfekt und Partizip Perfekt. In seiner Gegenantwort kritisierte Gueintz die unverständlichen Termini „gleichfließende“ und „nicht gleichfließende“ zugunsten der Attribute „Gleichförmig“ bzw. „ordentlich“, vgl. K II 23. Auch wehrte er sich dagegen, „nur eine Coniugation zu machen“ (ge- || [527] meint ist wohl: nur eine unregelmäßige Konjugation), s. K II 24. — Daß Schottelius die Ablautreihen der unregelmäßigen Verben mit dem Imperativ Sing. beginnt, liegt daran, daß er in dieser einsilbigen Form das Stammwort des Verbs erblickt, s. K II 29, vgl. dazu Barbarić, 964.
24 S. H, 76ff.; D, 86ff. Vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 483ff. (Vorwörter/ Präpositionen), 514ff. (Zuwörter/ Adverbien) u. 523 (Fügewörter/ Konjunktionen).
25 Der Terminus „Verdoppelung“ für alle Arten der Komposition von Wörtern spielt in Schottelius’ Wortbildungslehre/ Morphologie eine entscheidende Rolle. Vgl. schon Anm. 17. Ihr einzigartiger Reichtum an Verdoppelungen, „die unvergleichliche gerühmte Kunst der Teutschen Verdoppelung“, verleiht der dt. Sprache einen einzigartigen „Kunstschmuck“ an semantischem Reichtum und Feindifferenzierung, läßt sie der vielgestaltigen Natur „am nechsten“ kommen und darin die anderen Sprachen weit übertreffen. Schottelius: Sprachkunst (1641), 345 u. 346, vgl. auch 483f. Der „Verdoppelung“ ist daher auch eine eigene, die sechste Lobrede der ,uralten teutschen Hauptsprache‘ in a. a. O., 105–138, vgl. hier bes. S. 121, gewidmet. „Das eintzige Band Menschlicher Einigkeit/ das Mittel zum Guten/ zur Tugend und zur Seligkeit/ und die höchste Zier deß Vernünfftlichen Menschen sind die Sprachen. Nachdem nun aber die eine vor den anderen reich/ voll/ künstlich/ dringend und füglich ist/ darnach kan sie auch jhre wirckungen den Menschen außtheilen/ und desto höherē Stand der vortrefflichkeit einnehmen. Solches aber bestehet vornemlich und fast gäntzlichen in modis & aptitudine variâ componendi, darinn die Griechische Sprache sich sönderlich hervorthut/ und weit und breit die hülffliche künstliche Hand beut. Unsere Teutsche Sprache aber/ welches ich sicherlich setze/ und zuversichtlich hoffe zubehaupten/ tritt noch weiter vorauß/ pranget mit noch reicher [lies: reicherer] Fülle einher/ öffnet viel milder jhre unerschöpffte Kunstquellen/ zeiget nach Wunsch die Lustwege zu ihr/ hat sich/ so zu redē/ mit der Natur verschwestert/ alles uns Teutschen/ was die Natur wil/ außreden zu lehren.“ A. a. O., 348. Vgl. Klaus Peter Wegera, Heinz-Peter Prell: Wortbildung des Frühneuhochdeutschen. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 II, 1594–1605. Zur Verdoppelung der Präpositionen („Vorwörter“) vgl. Schottelius, a. a. O., 484ff. (d. i. eine Liste der zusammengesetzten Präpositionen wie „außerhalb“, „aneinander“ usw.) u. 514ff. („abgeleitete Zuwörter“); Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 614ff., ebenfalls mit einer Liste von rund 100 „gedoppelten Vorwörter[n]“ (616). Gueintz hielt in seiner Gegenantwort Schottelius’ Vorwurf für unpassend: vollständige Wörterlisten gehörten in das Wörterbuch, nicht in die Grammatik. Zudem hinterfragte er rundweg die Verdoppelung der Vorwörter, weil er zwar abgeleitete, nicht aber verdoppelte Präpositionen kenne. Vgl. Barbarić, 1090f.; Dieter Wolf: Lexikologie und Lexikographie des Frühneuhochdeutschen. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 II, 1554–1584, hier 1561ff. („Derivation und Komposition“).
26 In H läßt sich die von Schottelius kritisierte Vermischung der Präposition ,wider‘ mit dem Adverb ,wieder‘ nicht auffinden. In D erscheint nur „wiederumb“ als Adverb (Bey- oder Zuwort) „der zahl“ (S. 89), „wieder“ als Präposition (Vorwort) aber sowohl im Sinne von ,wider‘ mit Akkusativ („Klagendung“) als auch „als ein unabsonderliches“ Vorwort (Vorsilbe), bedeutend „so viel als im Lateinischen/ Re, als: Wiederantworten/ (respondere.)“ Inhaltlich differenziert Gueintz hier also, wie schon in seiner Gegenantwort (s. K II 27) durchaus analog zu Schottelius’ Unterscheidung bei allerdings homonymer Schreibweise „wieder“. In seinem Kapitel über Homonyme („Gleichbenahmte“) gibt Schottelius „wieder“ als Beispiel an: „wider contra, wieder rursus, widder aries“. Sprachkunst (1641), 543ff., hier 544. Vgl. Barbarić, 1092.
27 Im zweiten Buch von Gueintz’ Sprachlehre („Von der Wortfügung“), s. H, insbes. S. 118ff.; D, insbes. S. 107ff. Vgl. das zweite Buch „Von der Wortfügung“ in Schottelius: Sprachkunst (1641), 553–654.
K IIZur Datierung von Christian Gueintz’ (FG 361. 1641) Stellungnahme zum Gutachten von J. G. Schottelius (FG 397. 1642) über seine Sprachlehre vgl. K I 0. S. dort auch die Auflösung der im folgenden benutzten Siglen H und D.
1 Auch in seiner Rechtschreibung (1645) bekräftigt Gueintz, daß dem Menschen allgemein von Natur nur die Sprachfähigkeit, nicht aber eine bestimmte Sprache gegeben ist. Alle Einzelsprachen aber werden im Primärerwerb „durch gewonheit und übung erlernet“ (S. 1). Zu der von Beginn an virulenten Opposition zweier grundsätzlich verschiedener Sprachauffassungen in der fruchtbringerischen Sprachdiskussion — festzumachen an den Positionen von Gueintz und Schottelius — vgl. K 3.
2 Der „Vrtheiler“ (Criticus) ist hier mit dem Attribut „neu“ ebenso pejorativ besetzt — gemeint ist Schottelius —, wie in Schottelius’ Gutachten der nur Wind produzierende „hodiernus Criticus“, mit welcher sich Gueintz wohl angegriffen glaubte. Auch die mit dem Steigerungspräfix Ertz- versehene Form meint abwertend dasselbe: „die Windmänner/ die Ertzcritici genennet werden“. Schottelius: Sprachkunst (1641), 270, vgl. 245. Ansonsten war der Begriff des ursprünglich im Bereich der Grammatik angesiedelten Criticus in der Antike und in der an sie anknüpfenden Renaissance-Philologie deutlich positiv besetzt, wie bei Angelo Poliziano (1454–1494), Francesco Robortello (1516–1567), Joseph Justus Scaliger (1540–1609), Justus Lipsius (1547–1606), Paulus Merula (1558–1607), Isaac Casaubonus (1559–1614), Caspar Schoppe (1576–1649), Esteban Manuel de Villegas (1589–1669) u. v. a. Der „Criticus“ (auch „emendator“, „corrector“, seltener „censor“) ist bei ihnen der gelehrte und enzyklopädisch gebildete Philologe, der mit Sorgfalt („cura“) an sein textkritisches Werk geht. Der schlechte Kritiker/ Philologe erscheint hingegen in Bezeichnungen wie „imperitus“ und „corruptor“. Zuweilen aber können auch die Critici negativ gezeichnet sein, oft, wie oben, mit dem Attribut „neu“: ein kecker „novus emendator“ des Terenz oder „novi correctores“, die Texte verderben (Robortello), schließlich „ingeniosi & prurientes critici“, begierig-grillenhafte Kritiker (Schoppe), „moroses insectatores“ (pedantische Nörgler, I. C. Scaliger) wenn nicht gar mangelnde Qualität als die zeitgenössische epidemische Kritiker-Krankheit gilt („hodie solemnis & ἐπιδήμιος nostrorum Criticorum morbus“; Casaubonus). Die Gefahr gelehrter Hyperbolie oder Pedanterie, die die neue, emanzipierte Basiskompetenz der „Kritik“ des Aufklärungszeitalters an ihrer Vorläuferin tadelt, scheint damit im Criticus angelegt zu sein, wie sie in obigen Zitaten begegnet. S. Iulius Caesar Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Lat.-dt. Ausg. Unter Mitw. v. Manfred Fuhrmann hg., übers. u. eingel. v. Luc Deitz u. Gregor Vogt-Spira. 6 Bde. Stuttgart, Bad Cannstatt 1994–2008, Bd. 4: Buch V (1998), 44, vgl. 216; Klara Vanek: Ars corrigendi in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte der Textkritik. Berlin, New York 2007, (in der Reihenfolge der Verweisungen:) 179ff., 157ff., 162 u. 171f. Zur Kritik der Grammatici als Pedanten bei Balthasar Gracian s. u. a. Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat: Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982, insbes. 294ff.; Carlos Gilly: Das Sprichwort „Die Gelehrten die Verkehrten“ oder der Verrat der Intellektuellen im Zeitalter der Glaubensspaltung. In: Forme e destinazione del messaggio religioso. A cura di Antonio Rotondo. Firenze 1991, 229‒375. S. auch Claus v. Bormann/ Helmut Holzhey: Kritik. In: HWPh IV, 1249–1282; Herbert Jaumann: Critica. Untersuchungen zur Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius. Leiden 1995, 158ff. (Kap. III); Gunter E. Grimm: Literatur und Gelehrtentum. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. Tübingen 1983, 150 u. 153; Wilhelm Schmidt-Biggemann: Topica universalis. Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft. Hamburg 1983, 261ff. Der „Urteilsmeister“ erscheint bei Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) als Übersetzung für Kritiker, Rezensent, s. Hugo Harbrecht: Philipp von Zesen als Sprachreiniger. Karlsruhe 1912, 39. Georg Philipp Harsdörffer (FG 368. 1642) verglich Luther als Vater der dt. Beredsamkeit mit Cicero, ein „Grammaticus“ oder „Criticus“ vom Schlage eines Marcus Terentius Varro sei er aber || [529] nicht gewesen: „Cicero fuit Lutherus et Eloquentiae | Germanicae Parens, non Varro, Grammaticus vel Criticus“. Zit. n. Cherubim: Varro Teutonicus (s. K 3), 131; vgl. auch das Schreiben Harsdörffers an Gueintz vom 31. 1. 1646, KE, 350. V. a. als Criticus, als „Zensor eines richtigen Sprachgebrauchs“, sind Varro und seine überlieferte Schrift zur lat. Sprache von der europ. Sprachwissenschaft seit der Renaissance wahr- bzw. übernommen worden. Cherubim, a. a. O., 141.
3 Gueintz’ Luther-Zitat scheint wörtlich nicht nachweisbar, wie zuletzt noch die ausgiebige Text- und Stichwort-Suche in der CD-Rom-Ausgabe von Luther: Werke zeigte. Der Sache nach begegnet der Luther-Ausspruch aber deutlich in seinen Ausführungen zur Bibel-Übersetzung ins Deutsche. Ohne Willkür oder Voreiligkeit Vorschub zu leisten, verlangt Luther eine freie, sinngemäße Übersetzung dort, wo eine wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen bzw. Griechischen (auch dem Lateinischen der Vulgata) in der deutschen Sprache den originären Aussagesinn verfehlt. Er ist überzeugt, das „nicht der sinn den worten, sondern die wort dem sinn dienen und folgen sollen“, zumal es in der Übersetzung gilt, die Worte „rein und klar teutsch zu geben“. Die „art“ der dt. Sprache aber, sei es der Lexik, der grammatischen Konstruktion oder der Phraseologie, ist eine eigene, die in wörtlicher Wiedergabe anderer Sprachen verfehlt werden kann. Ist dies der Fall, müsse man „die buchstaben faren lassen, und forschen, wie der Deutsche man solchs redet“. Auch verzichtet er nicht auf die Bescheidenheitsformel, sein Bestes versucht zu haben, aber niemanden zwingen oder von eigenen, besseren Übersetzungsversuchen abhalten zu wollen. Die Zitate in der Reihenfolge: Martin Luther: Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens (1531–33), in Luther: Werke, Abt. 1, Bd. 38, 1–69, hier 11; ders.: Sendbrief vom Dolmetschen (1530), in Luther: Werke, Abt. 1, Bd. 30.2, 627–646, hier 636, 637 u. 639, vgl. 633; ferner Andreas Gardt: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Berlin, New York 1999, 131f., wo diese Passage aus Gueintz’ Antwort behandelt wird (ohne Nachweis des Luther-Zitats); schließlich Erwin Arndt/ Gisela Brandt: Luther und die deutsche Sprache. Wie redet der Deudsche man jnn solchem Fall? Leipzig 1983 (ohne das von Gueintz bemühte Luther-Zitat).
4 Schottelius bestritt nicht, daß die hebr. Sprache die erste und älteste war und daß die alte kelt. oder dt. Protosprache (für Schottelius synonym, s. Schottelius: Sprachkunst [1641], 62f., 271, und die Schemata in Schottelius: Ausführliche Arbeit [1663], 153f.) erst von Noahs Nachkommen Ascenas von Babel nach Europa eingeführt wurde. Unter den in der babylonischen Sprachverwirrung entstandenen Sprachen aber räumte Schottelius der deutschen den Status der ältesten, am wenigsten verfälschten, der Natur und Adam am nächsten stehenden Sprache ein. Vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 54ff., 152, 177 u. 271; auch Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 29ff. (Dritte Lobrede, „von der Uhralten HaubtSprache der Teutschen“); Takada, 2f., 8f. u. ö. In seinem Gutachten (Beil. I) spricht Schottelius die adamitische Sprache zunächst gar nicht an, betont aber entschieden die originäre Eigenständigkeit der dt. Sprache, was Gueintz’ Polemik eine willkommene Angriffsfläche bot. Vgl. K I 1.
5 Tatsächlich unterschied Schottelius 1663 drei Arten von dt. Stammwörtern: „Vors erste/ sind die echte/ rechte/ von niemand in zweiffel zuziehende Teutsche Stammwörter/ welche meist alle einsilbiges lautes sein“, zum zweiten „etzliche unabgeleitete und ungedoppelte Wörter/ die man für Teutsche Stammwörter halten und behalten muß/ ob man schon zweiffelt/ wohin sie dem Uhrsprung nach gehören; [...] solcher Wörter sind viel verhanden/ so wir aus der alten Celtischen Sprache (cujus dialectus praecipua est Lingua Germanica hodierna) noch haben“. Drittens gebe es schließlich „etzliche/ aus frömden Sprachen angenommene und Teutsches Ausspruchs fähig gewordene/ und also der Teutschen Sprache nunmehr miteingepflantzte Wörter“, die keineswegs aufzugeben seien. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 1272, vgl. 61. Zur von Schottelius behaupteten Einsilbigkeit der dt. Stammwörter vgl. Schottelius: Sprachkunst (1641), 87ff., 413 u. 444. Vgl. noch Anm. 29. || [530]
6 Vgl. die Anmerkung von Schottelius in seinem Gutachten zu „Pag. 4 huius tractatus“, in der diese These vertreten wird; ferner Schottelius: Sprachkunst (1641), 63 u. 69; Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 153f., auch 1029ff. Vgl. zu der schon von Beatus Rhenanus bestrittenen These keltisch-germanischer Sprachidentität bei Philipp Clüver (1580–1622), Adriaan van Schrieck (1560–1622), Schottelius und anderen Arno Borst: Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker. 4 Teile in 6 Bden., Bd. III.1, Stuttgart 1960, 1224ff. u. 1357; Hundt, 262ff.; William Jervis Jones: „König Deutsch zu Abrahams Zeiten“: Some perceptions of the place of German within the family of languages, from Aventinus to Zedler. In: „Das unsichtbare Band der Sprache“. Studies in German Language and Linguistic History in Memory of Leslie Seiffert. Ed. by John L. Flood (e. a.). Stuttgart 1993, 189–213, hier 201ff.; Stefan Sonderegger: Ansätze zu einer deutschen Sprachgeschichtsschreibung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In: Sprachgeschichte. Handbuch2 I, 417–442, hier 421, 423 u. ö.; Takada, 9.
7 Zu Johannes Goropius Becanus’ (Jan van Gorp van der Beken) schon unter Zeitgenossen äußerst umstrittener These, nicht das Hebräische, sondern das „Cimbrische“, d. h. das Niederdeutsche und Niederländische sei die Ursprache, die lingua adamica gewesen, vgl. William Jervis Jones (s. Anm. 6). Auch Schottelius selbst grenzte sich sehr wohl von van Gorps These ab und pflichtete wie fast alle anderen Gelehrten Adriaan van Schriecks oder Christianus Becmanus’ (1580–1648) Meinung bei, wonach die hebr. Sprache die älteste und die einzige Universalsprache vor der babylonischen Verwirrung gewesen sei. S. Christianus Becmannus: Manuductio ad latinam linguam nec non De originibus latinae linguae ... quartùm & quidem multo auctius ... edita (Hanoviae: Clemens Schleichius & Vidua Danielis Aubrii 1629), [HAB: Kg 7], 26: „Quamuis Hebreæ esse non morose concedat noster Goropius: sed tamen è Cimbrica profluxisse. Si quœras, cuius testimonio norit? Quia, inquit, nos sumus radix: cæteri rami, aut frondes, aut folia: nos sumus primævi & indigenæ: alii omnes è nobis & à nobis. Si vrgeas, vnde hoc reuelatum sit? Tacet & ora pallor albus occupat. Vt non immerito exagitet eum Lipsius: Nosne hic in frigido axe primi hominum? nos soli (ô cœli beneficium!) intemeratam linguam & sine mixtione seruauimus? nos ad alios, coloniis credo mißis, propagauimus? Risum, vix oppositionem merentur: & mentem qui per volumina temporum, per vasta hæc terrarum mittet: inueniet à prima illa confusione linguarum, sacris libris expressa, infinitum easdem mutasse, variasse, multiplicasse: vt gentes hominum confusæ mixtæque inter se fuerunt, & iterum propagatæ.“ Vgl. Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 18ff., 26 u. 30ff. und mit positivem Bezug auf van Gorp s. in Schottelius: Sprachkunst (1641), 178, 204 u. ö. Vgl. Kiedroń (s. K I 12), 10ff.; auch Aleida Assmann: Schriftspekulationen und Sprachutopien in Antike und früher Neuzeit. In: Kabbala und Romantik. Hg. Eveline Goodman-Thau u. a. Tübingen 1994 (Conditio Judaica 7), 23–41, hier 36f.; Klaus Grubmüller: „Deutsch“ an der Wende zur Neuzeit. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze. Hg. Walter Haug. Tübingen 1999, 263–285, hier bes. 264 u. 270f.; Hundt, 21 u. 256ff.; Anthony J. Klijnsmit: Schottel and the Dutch — The Dutch and Schottel. In: „Das unsichtbare Band der Sprache“ (s. Anm. 6), 215–235, hier 224f.; Takada, 8ff. Gueintz beharrte auch in seiner Rechtschreibung (1645) darauf, daß die hebr. Sprache „die Mutter aller andern“ sei (S. 2). Zu dieser auf Hieronymus und Augustinus zurückgehenden Auffassung — das Hebräische als „omnium linguarum matrix“ oder „mater reliquarum linguarum“ — vgl. Wolf Peter Klein: Die ursprüngliche Einheit der Sprachen in der philologisch-grammatischen Sicht der frühen Neuzeit. In: The Language of Adam. Die Sprache Adams. Ed. by Allison P. Coudert. Wiesbaden 1999, 25–56, 26ff.; Thorsten Roelcke: Der Patriotismus der barocken Sprachgesellschaften. In: Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Hg. Andreas Gardt. Berlin, New York 2000, 139–168, 154ff.
8 [Jan van Gorp, 1518–1572:] OPERA IOAN. GOROPII BECANI, Hactenus in lucem non edita: nempe, HERMATHENA, HIEROGLYPHICA, VERTVMNVS, GALLICA, FRANCICA, || [531] HISPANICA (Antwerpen 1570: Christophorus Plantinus). HAB: P 538. 2° Helmst. In Hermathena (Lib. VII), 153: „Purus fit à vur/ quo ignis denotatur; eo quòd omnia per ignem purgentur. Vur itaque purum, & purgo, dat Latinis; nobis pur/ à quo Purpur color purè igneus, quasi pur-vur. Sic tamen Latini vsi sunt, vt purpur color sit purus purus.“ — Hieroglyphica (Lib. XIV), 226f. über den Buchstaben Pe/ Phe, der auch als Fi ausgesprochen werden könne: „Inde  Plant/ quasi  Pe-lant/ est quippiam terræ committere vt crescat. Sed in Hermathena satis est exemplorum, è quibus & pronuntiationis proprietas, & nomenclatoris sententia perspici possit. Pe  igitur & Phe  olim pro pecude vsurpatum inuenimus, vti Latinum vocabulū Pecus declarat. Nos, quo discrimé aliquod esset inter ea quæ spirāt, & inter ea quæ non spirant, Pe  pro radicibus maximè vescis; Phe  pro brutis animātibus vsurpamus: & lenioris sermonis gratia, non rarò digāma simplex, cognatā omnino litterā, loco  Pe & Phe  supponimus: quod & antiquos fecisse argumēto est, Veterinū à nostro Vetering/ quo significatur alimentū è pecude siue pecus, alendis hominibus destinatū. [...] vnde arbor, illa cuius vetito fructū primi nostri parentes pecudes euaserunt, Feig  nominatur, siue  Feig boom; quo fructus  Feig/ arbor generis nomine adiecto intelligatur.” — Vertumnus, 77f. zur Herleitung des aus dem Arabischen stammenden Wortes Cedrus von Harz/ „Thran“: „Thran enim nobis nō tantùm oculorum lacrymam, sed omnem liquorē notat, præsertim eum qui igne exprimitur; atq. inde oleum ex balenarum aruina excoctū,  Thran vulgo nominamus. Primum itaq. & summo iure vox apud Arabes conseruata, Cedrelatae conuenit [...].“ — Zur ebenso umständlichen Verbindung von griech. Cydonium/ lat. Cotoneum mit Apfel/ Quitte s. Vertumnus, 71ff.
9 Vgl. dazu Schottelius’ Gutachten zu „Pag. 4 huius tractatus“, Beilage I (K I 3). Gueintz weist hier voller Ironie die Ansicht zurück, er habe die dt. Artikel von den griech. ableiten wollen.
10 Bezieht sich wohl auf Schottelius’ Anmerkung zu „pag. 26“ in Beilage I, in der er „plenâ demonstrative aliquando, volente Deo, aperietur“ ankündigte. Mit dem Erzstift ist das Ebt. Magdeburg gemeint mit dem berühmten Kloster Jerichow.
11 Schottelius hatte ebd. einen „Criticus“ erwähnt, von dessen kruden Wortetymologien er sich distanzierte.
12 Die ersten drei Beispiele konnten wir in Jan van Gorps Opera (s. Anm. 8) nicht auffinden; zu seiner kritisierten Etymologie des Namens „Anna“ s. Hermathena, 194; zu bel/ behelt ebd., 194; zu Vat/ Vater ebd., 107ff., insbes. 109; zu Jupiter/ Jou s. Hieroglyphica, 176.
13 Vgl. K I 6.
14 Zu Schottelius sprachhistorischer Begründung seiner vermeintlich regelgerechten Kasusmarkierung bei Substantiven auf –er vgl. K I 6 u. 11.
15 Weitere „observationes de adiectivis et substantivis“ hielt Schottelius am Ende seiner Anmerkung zu „pag. 6“ in Beilage I für nötig.
16 Vgl. in Schottelius’ Gutachten die Anmerkung zu „pag. 17.“ S. Beilage I (K I 12).
17 Vgl. in Schottelius’ Gutachten die Anmerkung zu „Pag. 20.“ S. Beilage I (K I 13).
18 Vgl. K I 14.
19 Vgl. K I 15 u. K I 17.
20 Vgl. K I 19.
21 Vgl. K I 20.
22 Vgl. K I 21.
23 Vgl. K I 23.
24 Vgl. K I 23.
25 Vgl. K I 24.
26 Vgl. K I 25.
27 Vgl. K I 26.
28 Gueintz’ Zitat lautet nach Hor. epist 2,3 im Kontext „Ut silvae foliis pronos mutan- || [532] tur in annos, | prima cadunt, ita verborum vetus interit aetas, | et iuvenum ritu florent modo nata vigentque.“ Es scheint in alten zeitgenössischen Horaz-Ausgaben durchweg aetas zu heißen. Vgl. etwa Qvincti Horatii Flacci Poemata ... illustrata à Ioanne Bond (Amsterodami: Guilielmus I. Blaeuw 1636), 269 (HAB: Lh 941); Q. Horatii Flacci Opera omnia, a Pet. Gvalt. Chabotio ... explicata. Nunc verò a I. Iac. Grassero. Tomi 1‒3 (Colon. Munatianae: Ludovicus Rex 1615), III, 209. Ansonsten bezieht hier Gueintz nochmals eindeutig Stellung gegen Schottelius’ Konzept der Natur- und Idealsprache. Vgl. K 3.
29 Vgl. Anm. 5 u. K I 1. Die Beispiele der Modalverben wollen, können, mögen, sollen, die keinen Imperativ formen können, sollen gegen die von Schottelius behauptete Einsilbigkeit der Stammwörter aus dem Imperativ zeugen. Gueintz: Sprachlehre (1641), 59f.: Die Stammwörter der Verben „werden in der beschliessungsweise [Infinitiv] gebraucht/ als: Lieben/ Loben/ Leben. Von dem Imperativo oder der gebietungsweise/ können sie nicht gemacht werden. Weil es erstlich ist also in keiner sprache. Zum andern sie nicht alle eine gebietungsweise haben/ als wil/ kan/ mag.“ Zudem erscheint hier noch das Argument, der Imperativ bezöge sich stets auf die 2. Person (Sg. oder Pl.), die 1. Person aber sei „eher“, die 2. also abgeleitet. Die von Simon Stevin (1548–1620) und Jan van Gorp übernommene und von Harsdörffer geteilte Präferenz des stammwortbildenden Imperativs begründet Schottelius wie folgt: „Gebietungsweise“/ der Imperativ ist „bey den Teutschen die erste [Weise/ modus] und das rechte Stam̅wort/ welches alleine die Stam̅letteren in sich begreifft“. „Es ist wunderlich/ daß die Zeitstammwörter oder Gebietungsweisen einsilbig sind/ anzuzeigen jhre natürliche/ lautere/ reinliche ankunfft/ jhre schöneste Stammwürtzelen/ die so schön/ kürtz/ safftig und rein sind“. Aus diesen einfachen, schon in der frühesten Kindersprache hervorgebrachten „wesentlichen Lauten“ erwächst das ganze kunstvolle Sprachgebäude — nicht als ein „zufälliges barbarisches Wesen/ sondern eine von den höchsten Künsten der Sprachnatur“. Schottelius: Sprachkunst (1641), 413; entsprechend Schottelius: Sprachkunst (1651), 708f. und Schottelius: Ausführliche Arbeit (1663), 61 u. 548. Gegen die Einsilbigkeit s. auch Gueintz: Rechtschreibung (1645), 20f. Philipp v. Zesen (FG 521. 1648) wollte sie ebenfalls nicht gelten lassen. Vgl. Barbarić, 849 u. 851; Borst (s. Anm. 6), 1187ff.; Hundt, 117f.; Klijnsmit (s. Anm. 7), 219ff.; Takada, 11f., 26 u. 201ff. Wie eine Antwort auf Gueintz’ Einwand stellt Schottelius: Sprachkunst (1641), 444, klar: „Etzliche Zeitwörter/ welche nicht haben die Gebietungsweise/ behalten jhren einsilbigen Stamm in der weise anzuzeigen [Indikativ]/ als Jch kan/ ich mag/ ich thar[*]/ ich wil/ ich soll/ ich muß/ ich darff“ (entsprechend auch Sprachkunst [1651], 739 u. Ausführliche Arbeit [1663], 573). [*] Das Wort „thar“, Infinitiv „thüren“ wird in Ausführliche Arbeit (1663), 599 mit „audere, oser“ übersetzt, lat. u. frz. „wagen“, anscheinend aber auch als Synonym für „dürfen“ verwendet, s. 582. In der historischen Lexik des Hochdt. ist „thüren“ nicht belegt und von Schottelius offenbar als Hapaxlegomenon eingeführt worden. In seiner Ausführlichen Arbeit (1663) und ihrer Liste der Stammwörter gibt Schottelius durchaus einsilbige Singular-Imperative für die Modalverben an: „Woll“ (1445), „könn vel kühn“ (1342), „Mag“ (1360) und „Soll“ (1417). Vgl. Christianus Becmanus: Manuductio (s. Anm. 7), 167. u. ö. zur Widerlegung des Becanus, weil das Einfache nicht immer das Frühere sei.
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