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401109 Fürst Ludwig an Christian Gueintz
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Fürst Ludwig an Christian Gueintz


Das aus Braunschweig erwartete Gutachten Balthasar Walthers verzögert sich aufgrund seiner schweren Erkrankung und der angespannten Kriegslage. Daher sendet F. Ludwig Christian Gueintz (FG 361. 1641) dessen Entwurf einer deutschen Sprachlehre zurück nebst einigen wenigen kritischen Anmerkungen dazu. Er stellt Gueintz anheim, diese Anmerkungen noch zu berücksichtigen und etwa bei den Ausführungen zum Alter der deutschen Sprache zu ergänzen, daß sie mindestens so alt sei wie die griechische, ja sogar — nach Aventinus — mit der hebräischen zu Zeiten Abrahams gleichziehe. Zudem sei in der Vorrede der Vorbehalt anzubringen, daß die aus den besten münd- und schriftlichen Sprachzeugnissen abstrahierten Regeln nicht den Anspruch auf Vollkommenheit erheben, sondern man weiteren Erkenntnissen offen begegnen werde. Drittens sollte Gueintz seine Sprachlehre auch Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) widmen, jedoch ohne zu erwähnen, daß dieser bereits im Vorfeld in die Erörterungen zur Sprachlehre einbezogen wurde.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 545, Bl. 158r–159v; 158v u. 159rv leer; eigenh. Konzept. [Handschrift: [Bl. [158r]]D: KE, 258 und leicht gekürzt KL III, 168. — BN: Bürger, S. 949 Nr. 37.
Am oberen Blattrand von 158r Notiz v. anderer H.: „a L’officier du Prince d’Orange
Vgl. Jellinek: Nhd. Grammatik I, S. 122 Anm.

Anschrift


A Fehlt.

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Weill es sich mitt dem bedenckena aus Braunschweig über die aufgesetzete Sprachlehre,1 wegen entstandener unruhe dessen orts2 verzeucht, ja das herr Walther beschwerlich und fast auff den Todt kranck liegen soll, als wird dem verfaßer sein entwurff, wie etwa in weinigen noch etwas darbey erinnert, hiermitt wieder zugefertiget, und ihme anheimgestellet, ob er kurtzlichb bey der älte3 unserer Sprache dieses an solchem orte erwehnen wolle, das sie mitt der Griechischen, wo nicht zuvor, doch eines alters gewesen, und weill könig Deutsch zu || [583] Abrahams zeiten gelebett als Aventinus saget,4 der Hæbræischen damals auch hatt müssen gleich gehenc . Furs andere, were in der Vorrede zu melden, das in dieser Sprachlehre die jehnigen regeln alle gesetzet, die man bisher aus demd reden und schreiben, nach der besten art, ziehen können, solte sich auch ins künftige, wie nicht nachbleiben möchte, ein mehreres finden, würde man zur ausübung und fernerer erleuterung gantz geneigt sein.5 Furs dritte, stehet es ihmee zu bedencken, und were nicht zu wiederrahten, das so fort die Sprachlehre gedruckt sie zugleich hertzog Augusto zu Braunschweig und Lüneburg mitt zugeschrieben würde, aber darbey gantz nicht gemeldet, als wen sie dahin zuvor were geschickt gewesen.6 Dieses hatt man gutter wolmeinung hiemitt andeuten wollen.

   Geben den 9. Wintermonats 1640.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Darüber ohne Einschaltzeichen von F. Ludwigs H.: dort her [?]
b Eingefügt für <mitt [... ?]gen>
c hatte müssen gleich gehen gebessert aus gleich <gethan>
d aus dem eingefügt für <im>
e Eingefügt für <dahin>

Kommentar
1 Der braunschweigische Superintendent Balthasar Walther starb kurz darauf am 15. 11. 1640. Vgl. 391217 K 4. Er sollte auf Empfehlung von F. Ludwig noch bei der Durchsicht von Gueintz: Sprachlehre (1641) (s. 390114 K 13) durch Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) zu Rate gezogen werden. Tatsächlich lag sie ihm auch vor, jedoch hinderte ihn vielleicht der Tod an der Abfassung bzw. Fertigstellung seines Gutachtens. S. 391217, 400122 K 7, 400323 u. 400605. Mit 410208 übersandte F. Ludwig Gueintz allerdings Anmerkungen zur Sprachlehre aus Braunschweig, die durchaus das postum nach Köthen gesandte Gutachten Walthers gewesen sein könnten. Vgl. 400528 K I 0 u. 410714.
2 Zu der kriegsbedingten „Unruhe“, die damals in den welfischen Territorien herrschte, s. 400810 K 7 u. K 11.
3 Älte, f., das Alter, Altertum. Dasypodius, 288; Diefenbach, 50; DW I, 267; Wachter, 44. Zur Betonung der altersbedingten Hoheit der dt. Sprache vgl. 400528 K I 1.
4 S. [Johannes Turmair gen. Aventinus]: IO. AVENTINI ANNALIVM BOIORVM LIBRI VII (Basileae: P. Lecythus 1580), 13: „Noster profectò sermo præcipuè Saxonum, literarum natura & potestate, diphthongorum vi & numero, syllabarum pronunciatione, declamatu, articulis, accentu (quos & nostra lingua tonos vocamus) ratione loquendi, cæterisq̀; huiusmodi dictionum proprietatibus, maximam habet communitatem: plurimum retinet commercij cum Græcorū lingua, rectiuq̀; literis Græcis scribitur. Infinita sunt vocabula, quę nobis & Gręcis idem valent.“ A. a. O., 15: „Tempore Ingeuonis Abramus in Palæstinam habitauit.“
5 Gueintz: Sprachlehre (1641) legitimiert ihre Regeln in der Widmungsvorrede oder der Einleitung „An den Leser“ nicht in dieser Weise, sondern betont auf Bl. )( iv v ‒ [)( v r], daß „unsere Muttersprache bis anhero nicht aus den Büchern ersuchet; sondern gleichsam aus der natur genommen: nicht von Lehrern erlernet; sondern von den Ammen: nicht von den Schulen; sondern in der Wiegen [...]: Dennoch aber/ haben alle also ihren Ursprung nemen müssen/ ausser der ersten/ die GOTT dem vernünftigen geschöpfe anfangs mit eingepflantzet: [...] Hat der alte Deutsche Teuto geredet/ wie ausser zweifel/ so hat er auch so geredet/ daß ein anderer es verstanden; [...] Aber wo ist die Richtschnur? wo ist die Regel? Andere haben es an ihren Sprachen versuchet und gefunden/ Wer wolte nun verneinen/ daß in unserer Deutschen muttersprache nicht dergleichen zu thun were?“
6 Gueintz hat seine Sprachlehre (1641) in der Tat Hz. August d. J. und F. Ludwig durch eine Vorrede, d. d. Halle a. d. S. 24. 3. 1641, und ein Gedicht gewidmet. Letzteres endet:
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„Jst nicht der freyen künst’ alhier noch Sitz und Wohnung?
Hier hohe Tugend auch der Ewigkeit belonung
   Durch Deutsche sprach’ erwart. Darumb o Barbarey/
   Und Mars/ bekenne daß noch Deutsch in Deutschland sey.“
Eine frühere, für den Druck dann überarbeitete hsl. Fassung des Gedichts befindet sich im Köthener Erzschrein: V S 545, Bl. 135r, vgl. KE, 244. Es ist noch ganz auf F. Ludwig und das Haus Anhalt bezogen, bis dann in der Druckfassung die mythologischen Anspielungen auf Hz. August ausgedehnt werden. Wir danken hier Michael Mühlenhort für einen fruchtbaren Gedankenaustausch. KE, 244 bringt das hsl. Gedicht als Anhang zu 381105, wie es sich im Erzschrein auch unmittelbar vor 381105 erhalten hat. Allerdings ist das Blattformat dieser Beilage etwas größer als das des Briefes 381105. Wir werden das Gedicht als Variante im Korrespondenzjahrgang 1641 berücksichtigen. Auch Augustus Buchner (FG 362. 1641), der die Grammatik aufmerksam durchgesehen hatte, steuerte ein Gedicht bei, s. 410505. Die Sprachlehre hatte F. Ludwig u. a. an Hz. August gesandt (s. 400323) und sie dadurch nicht nur Walther (s. Anm. 1), sondern auch Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) zugänglich gemacht. S. 400528 u. I. u. ö. Gueintz erwähnte diese Gelehrten nicht als Gutachter im Druck der Sprachlehre.
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