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401111 Johann Valentin Andreae an Philipp Hainhofer
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Johann Valentin Andreae an Philipp Hainhofer


Johann Valentin Andreae (FG 464. 1646) bestätigt dankend den Erhalt eines Briefs Philipp Hainhofers mit einem Exemplar der Passionsharmonie Hz. Augusts d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227). Er lobt die christliche Arbeit des Herzogs, dessen publizistisches Pseudonym (Gustavus) Selenus ihm seit langem bekannt sei. Seit 20 Jahren trage er ungemeine Hochachtung vor Hz. August und habe verschiedentlich die Absicht gehabt, zu Hz. August zu reisen, sogar Dienste bei ihm zu suchen. Gern hätte er mit ihm ein christliches Projekt besprochen, über das er sich schon mit Matthias Bernegger verständigt hatte, als der große Stadtbrand zu Calw (1634) seine Pläne vereitelte. Insgesamt halte er den Herzog für den Fürsten aller christlichen und gelehrten Fürsten und für einen ,Phönix unserer Zeit‘. Philipp Hainhofer möge Andreae Hz. August und dem berühmten Theologen Georg Calixt empfehlen, dessen Vorwort zur Passionsharmonie Andreae über alles billige und der unseren Streit über die Allenthalbenheit (Ubiquität) der Menschheit Christi genauso verabscheue wie er. Sollte Gott Frieden bescheren, wünsche Andreae nichts lieber, als eine Reise durch Deutschlands Kirchen zu tun und über deren Leuchten wie Gilbert zu sprechen. — Das Geschäft von Hainhofers Schwiegersohn habe Andreae nicht vergessen. Hainhofer habe sicher schon von (Petrus) Meiderlin erfahren, daß Hz. Eberhard III. v. Württemberg die meiste Zeit des Sommers und Herbstes, wie auch jetzt noch, mit Jagen verbracht habe. Auch Herr J. Canofszj sei in seiner Begleitung. Niemals sollten wir versäumen, die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen. — Die Erwartung der bevorstehenden Einquartierungen von Truppen macht melancholisch. Ernte und Traubenlese sind sehr zurück. Es ist zu fürchten, daß die Menschen fliehen und noch weniger im Land angebaut wird. Das geistliche Ministerium leidet immer größere Not, Kirchen und Schulen liegen danieder, die Jugend vergeht, bevor sie zu ihrer Blüte gelangt. — Postskript: Andreae hat am 11. 11. Hainhofers Schreiben vom 4. 11. erhalten. Auf das Passionsbüchlein des Herzogs will er hier nicht nochmals eingehen, er wünscht jedoch, etwas von Hz. Augusts Revision der deutschen Bibel zu sehen. Auch wenn Augusts Idiom in anderen Gegenden Deutschlands, in denen die ursprüngliche Lutherbibel in Gebrauch ist, nicht unbedingt bequem aufgenommen werden könne, bereichere die sprachliche Neufassung sicher || [585] unser Verständnis der Heiligen Schrift. Obgleich sie vermutlich mehr zu privaten als öffentlichen Zwecken verfaßt wurde, wird sie als ein Kleinod gewiß der Frömmigkeit und Gewissenhaftigkeit im Hause Braunschweig und Lüneburg ein Denkmal setzen. Andernorts sind Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und gute Sitten verachtet. Andreae habe oft gewünscht, daß eine Leben-Jesu-Geschichte den einfachen Menschen den inneren Zusammenhang und die Abfolge von Jesu Leben, Taten und Worten verdeutliche. Eine solche kleine Bibelharmonie könnte sich der Evangelienharmonie des Martin Chemnitz, seiner Fortsetzer und anderer bedienen, und Hz. August (Selenus) wäre gewiß der Mann, der ein solches Werk vollbringen könnte. — Andreae habe von den Erben Michael Mästlins im Manuskript dessen biblische Chronologie erhalten, die sich durch große Scharfsinnigkeit, Sorgfalt, Geschicklichkeit und Beweiskraft auszeichne. Andreae würde gern mit Hz. August korrespondieren, um dieses nützliche Werk mit dessen Hilfe erscheinen zu lassen. Er beabsichtige, einen Auszug zu veröffentlichen, um das Urteil der Gelehrten zu erkunden.

Beschreibung der Quelle


Q HAB: Cod. Guelf. 74 Noviss. 2°, Bl. 7rv [A und Empfangsvermerk: 7v]; eigenh.; rotes Lacksiegel. Die Anschrift ist durch Papierverlust verstümmelt. [Handschrift: [Bl. [7v]]D : Auszugsweise zit. in Martin Brecht: J. V. Andreae und Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg. Ihr Briefwechsel und ihr Umfeld. Stuttgart – Bad Cannstatt 2002, 78.
Von diesem Brief liegen zwei abschriftliche Auszüge vor:
E1 — NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 196, Bl. 6r–6av: „Extract auß herrn Joh. Valentin Andreæ, Frl. Würtenb. Hofpredigers, vnd deß consistorialraths Præsidis etc. schreibens, de dato 11./21. Novembris 1640 an Philippum Hainhofer nacher Augspurg“; mit einem Postskript vom 11. 11. 1640, das im Originalbrief Andreaes fehlt. Schreiberh., Textverluste durch Papierausriß. Dieser Auszug lag dem Brief Hainhofers an Hz. August vom 26. 11./ 6. 12. 1640 bei. NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 177q, 2 Bl.: Bl. 25r–[25a]v. Dieser Brief ist auszugsweise abgedruckt in Gobiet, 692; aus dem Postskript zit. Brecht: Briefwechsel (s. o.), 78.
E2 — Eine weitere Abschrift dieses Extrakts in HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 97r–98v: „Extract aus Hern Johan Valentin Andreæ Furstl. Wurtenberg. Hofpred. und des Consistorial Rahts Præsidis Schreibens, De dato 11/ 12.[recte 21.] Nov. Ao 1640, an Philippum Hainhofer nach Auspurg [sic]“, mit dem Postskript, Schreiberh.(?); als Beilage zum eigenh. Brief Hz. Augusts an Georg Calixt, d. d. Braunschweig, 9. 12. 1640. A. a. O., Bl. 96rv u. 99rv. Nicht in: GEORGII CALIXTI AD AUGUSTUM DUCEM BRUNSVICENSEM EPISTOLAE XII. EX AUTOGRAPHIS PRIMUM EDIDIT ERN. LUD. TH. HENKE. Jena 1835; Georg Calixtus’ Briefwechsel. In einer Auswahl aus Wolfenbüttelschen Handschriften hg. Ernst Ludwig Theodor Henke. Halle 1833.

Anschrift


A [Dem WolEd]len Gestrengen [herrn Philipp Hain]hofern etc. in der h. [Röm. Reichs]statt Augspurg wol[verordneten] Aedili, vornehmen [Patricio,] Seinem großg. herrn [vnd hoch]geEhrten Patronus.
Schwer leserlicher, wohl eigenh. Empfangsvermerk von Hainhofer: 1640 Stutgart [...].

Text


WolEdler Gestrenger, Demselben sein meine beraitwillige Dienst vnd grus bestes vermügens bevor. Großgunstiger Herr, vnd hochgeEhrter Patron.a E. H.1 schreibenb sambt dem Schönen buchlein habe ich gestern mit besondern freuden empfangen, Das Buchlein also bald durchlesen, Vnd dem getrewen Gott für solche recht fürstliche arbeit, vnd furderungc Seiner Kirchen von herzen gedankhet, mit bitt daß wir derogleichend Evergetes vnd Nutritios mehr gehaben, Disen aber noch lang behalten mögen.
  Der Nahme Selinje 2 ist mir langsten wolbekandt, Vnd kan Jch nit schreiben, || [586] || [587] in was vnderthäniger herzens affection ich schon vonf 20 Jahren disen herren getragen. Also daß ich etlich mal resolviert gewesen, Eine Raiß zu Jhr. f. g. zu thon, Auch wol garg deroselben mich zu vndergeben, Da auch meine Schwache leibs disposition mich nit aufgehalten hette, wehre ich gewislich favente Deo, vel invitis Bellonæh furijs zu Jhr. f. g. penetriert, Alß deren Jch Ein Ideam Christianæ negotiatiationi vnderthänig præsentieren wöllen, Da von Jch mit herrn Berneggern Seelig3 Etwas Communiciert, welches aber nachmahlen in dem Busto Caluensi4 im Rauch aufgangen. Jn Summa: Colo et veneror hunc Ducem toto animo, tanquam Principem Principum Christianorum et Literatorum, et nostri temporis Phönicem. Werde auch mitj gottes hülf nit vnderlaßen, meine Devotion gegen Jhr. f. g. offentlich zu bezeugen. Entzwischen wölle E. hrl. mich zu Dero beharrlichen gnaden vnderthänig recommendieren, auch herrn D. Georgio Calixto, berumbtem Theologo (cuius præfationem in Passionem5 , mirificè probo) meine geringe Dienst- vnd Christ-Brüderliche affection, vnbeschwert anErbieten, verhoffe, sollek Jhme nit zuwider sein, tanquam ab eo profectum, qui eodem dolore contra disputationum curiosarum pruritum fertur, et intempestivæ rixæ nostræ de πανταχόσία humanitatis Christi, amaram memoriam, abolitam cupide. Solte Vnß Gott den lieben Frieden bescheren, würde ich mich kaum Enthalten künnen, Einen tour zu Etlichen schönen Kirchen Jn Teutschland zuthon, Deren lumina, inter quæ Gilbertum6 meritò numero, zu besprechen, vnd hirmit meine Peregrinationem zu enden.
Sed fiat voluntas Dominj.
  E. h.l geliebter Dochtermanns7 negotiation ist mir vnvergeßen. Es werden aber dieselbe ohne zweifel von herrn Menderlin verstanden haben, daß mein g. f. vnd h.8 die meiste Zeit dises Sommers vnd herbstes mit dem Jagen zugebracht vnd wenig alhier gewesen, auch an iezo auf dem Schweinhatz, bei deme sich auch J. Canofszj9 befindet. Nunquam deseremus occasionem capillatam quin apprehendamus. Vnd Jhnen auf das wenigst Einen lokh außreißen.10 Deus consilia fortunet.
  Die Apprehension von dem Winterquartier in dem Land macht vns abermahl sehr Schwermutig. Die Ernd vnd herbst11 haben sehr zuruckh geschlagen, dannenhero zu besorgen, daß sich die vnderthanen mehr verliehren, vnd das Land weniger gebawet werde. Das Ministerium leidet ie mehr vnd mehr große Not. Vnd gehen darüber Kirchen vnd Schulen zu grund. Flos Juventism gehet in herba zugrund. Gott wölle sich vnser erbarmen.
  Hiemitn meinen großg. herrn vnd hochgeEhrten Patron Jn den schuz des Allerhöchsten, mich auch E. hl. zu beständigen gunsten dienstl. befehlendt.
  11/21 Novemb. 1640.

  E. hrl. Dienstgeflißener
  JVA.

P.S.o
Heut den 11. Nov. empfahe E. hrl. anderes schreiben [6ar] de dato 4/ 14. Nov. Jch dienstlich, vnd lasse es, wegen hertzogen Augusti Durchleuchtigen fl. Gn. || [588] passional buchlein bei dem obigen verbleiben. Die version vnd Christliche intention gefallet mir sehr wol, vnd wünschetp , daß Jch auch ein stukh der Bibel sehen möchte, welche Gott an das liecht befürdern wölle.12 Dan ob wol das Jdioma sich nit bej allen deutschen provincien, so an Jezo der version Lutherj gewohnet, accomodiern würdtq ,13 ist doch nit zu zweiflen, daß bey solcherr exacta und pensiculata trutina, vil schöne observationes ets notæ geben werdent , derenu man hiebefor nit geachtet. Weil auch das werkh, wie Jch vermuete, mehr privatum alß publicum, würdtv es dem fürstlichen Lünenburgischen hauß, alß ain nobile clinodium, vndw specimen Jllustris pietatis et stupendæ diligentiæ, ad omnem æternitatem über bleiben, vnd sich mit hohem ruhm sehen lassen. Wie vngleich es anderer orthenx hergehe, vnd pietas ridicula, eruditio infamis et bonj mores invisj lasset sich nit schreiben, vnd muß nur gemitu sepeliert werden. Jch habe offt gewünschet, daß aine klaine harmonische hystoria deß gantzen lebens Christj also verfasset, vnd dem gemainen deutschen mann also füry augen geleget würde, da auf das wenigste die cohærentia vndw  series hystorica actorum & dictorum Christj zu sehen wehrez . Ob man nun solches auß Chemnitio14 ets  continuatoribus, nemmen, oder auch andere zu gehilfen ziehen, stundeaa zu bedenkhen, vnd würde gewißlich ain solches auch Jllustris opera Selenj sein, so Jhr. fl. Gn. dahin zu disponiern weren.15
  [6av] Auch habe Jch Chronologiam Biblicam Mesthlinj insignis quondam nostri mathematicj, manuscriptam, à hæredibus concreditam, incedibiljab sagacitate, multiplici lectione, et admirabili dexteritateab deductam, atq. rationibus invictis firmatam. So Jch wünsch[e]ab mit hochged. Jhre fl. Gn. zu communiciern, ob diß hochahn[seh]licheac werkh (quod aliquot annorum labore authorj stetit)ab à tenebris zu vindiciern were. Jch gedencke dessen ainenab  pgustum, per epitomen an das liecht zu geben, eruditorum iudicium dardurch zu exploriern.ad 16

I

Georg Calixts Vorrede zu Herzog Augusts d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel Passionsgeschichte Jesu


Inhaltswiedergabe: Die Geschichte von Jesu Leiden und Tod überragt alle anderen biblischen Erzählungen, keine andere wurde von den Evangelisten vollständiger unter dem Einfluß des heiligen Geistes beschrieben. Da wir ohne Jesu Tod die Vergebung der Sünden und die ewige Seligkeit nicht erlangen, will Gott, daß wir die Passion nicht nur nach dem Wort befolgen, sondern auch durch die Einnahme und das Gedächtnis des für uns gestorbenen Fleisches und Blutes verehren. Die Zusammenziehung der Texte zu einer Erzählung, welche im 2. Jh. zuerst Tatian unter dem Titel ,Diatessaron‘ unternommen hat, wirft in unserer Betrachtung volles Licht auf die allerheiligste Geschichte. Die Einheit der Erzählung ist allerdings nicht leicht zu schaffen.
  Deshalb will uns Gott auch dazu bringen, wieder und wieder die Bibel zu unserem Heil zu lesen und zu betrachten. Stocken wir nicht immer wieder in der Erkenntnis der Zeitfolge und der Umstände und bei der Ergründung der Geheimnisse und der Absicht Gottes? Z. B., wenn wir nicht nur wissen wollen, daß der Vater den Sohn geschaffen, sondern wie || [589] dies geschehen ist, oder wenn es uns nicht genügt zu wissen, daß der Sohn Fleisch geworden ist oder daß wir sein Fleisch und Blut essen und trinken sollen. Nach Irenaeus sollen wir daher gewisse Fragen Gott überlassen und in der Bibel die Übereinstimmung des Verständlichen mit dem Dunklen annehmen. Wie Hilarius lehrt, will uns Gott nicht durch schwierige Fragen zur Seligkeit führen. So habe man sich vor eineinhalb Jahrhunderten gefragt, ob das im Leiden Jesu vergossene Blut mit der Gottheit vereint bleibe oder ob der Heiland gegenüber seiner Mutter Johannes als deren Sohn und Maria als dessen Mutter bezeichnet habe, so daß, wie von Dominicus de Dominicis behauptet, Johannes auch aus Gott geboren sei. Die Dominikaner vertraten im Gegensatz zu den Franziskanern die Auffassung, Jesus habe sein vergossenes Blut bei der Auferstehung wieder an sich genommen. Habe sich denn unsere Zeit von weniger unnützen Fragen ferngehalten und tue sie es noch? Ohne Streit zu stiften, zweifle doch niemand, daß dies heute noch im Papsttum geschieht. Wurde nicht auch von den sog. Kalvinisten und anderen überaus Gelehrten darüber gestritten, ob die Erhabenheit der göttlichen Personen die menschliche Natur Jesu vom Gesetz Gottes ausgenommen hat? Was unsere eigene (lutherische) Partei angeht, so hat sie erörtert, ob die der Menschheit des Heilands geschuldete Allenthalbenheit mit der Trinität der göttlichen Personen vereinbar sein soll. Wird aber die Übereinstimmung die bittere Erinnerung an den Streit ersetzen können? Laßt uns an die Liebe des Vaters denken, der seinen Sohn nicht schonte, an die Liebe des Sohns zu den Sündern und die Erlösung von der Erbsünde, um derentwillen er sterben mußte. Laßt uns uns in der Betrachtung des Leidens Christi wappnen, die Begierden unseres Fleisches kreuzigen, aus Liebe die unbequemen Lasten der anderen tragen und so das Gesetz Christi erfüllen. Wer die Gabe der Prophetie und Wissen um die Geheimnisse und subtilen Fragen besitzt, aber die Liebe nicht, ist nichts. Nur so stärken wir unser Vertrauen auf Gott, befreien uns von Sünden und werden zu Knechten Gottes. So erlangen wir Heiligkeit und ewiges Leben.
  Weil der Welfenfürst (Hz. August d. J.) dies erkannt hat, verlangen es seine große Frömmigkeit, Tugend und Gelehrsamkeit, die Bibel und deren beste Interpreten fleißig zu studieren und darüber zu meditieren. Er muß auch wünschen, seine Kinder von ihrer zarten Jugend an daran zu gewöhnen und unter die heiligen Geschichten besonders die der Passion zu rechnen. Die von verschiedenen Autoren geschaffenen Zusammenstellungen der vier Evangelien genügten ihm nicht, da seine Kinder, wie er glaubte, aus einer Harmonie am besten im Falle seiner eigenen, väterlichen Beteiligung profitieren würden. Wenn er auch zum größten Teil die Bibel neu übersetzte, wollte er damit Luthers Verdeutschung nicht tadeln, verwerfen oder den Menschen aus den Händen schlagen, sondern seiner eigenen Liebe und seinem Eifer für die Heilige Schrift Raum geben und ausprobieren, wie weit er in der Muttersprache dem Evangelistenwort nahezukommen und die Herzen der Seinigen zur Frömmigkeit und zur heiligen Lektüre zu begeistern vermöchte. ‒ Calixt unterstreicht nochmals Hz. Augusts wohlmeinende Absicht, den Text nach der göttlichen Eingebung zu vermitteln und seinen Kindern einzuschärfen. Der Leser möge dieses Beispiel seinerseits nachahmen. Er schließt seine Vorrede im August 1640 an der Universität Helmstedt ab.

Beschreibung der Quelle


Q  D1  (1. Ausgabe, Lüneburg 1640)
[Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel:] Die Geschichte | Von des HErrn | JEsu des * Gesalbten Leyden/ | Sterben und Begräbnisse: | (* Joh. 1.41. Act. 4, 27.) | Auß der Evangelisten Schrifften/ | von newen ördentlich zusammen | getragen. | [Zierleiste] | Lüneburg/ | bey | Hansen und Heinrichen | den Sternen. | [Linie] | Jm 1640. Jahre, Bl. a2 r – [a6]v: „Benevolo Lectori S. D. Georgius Calixtus, D.“, d. d. (Helmstedt) August 1640. 8° 1 Bl. (=Frontispiz), 12 Bl., 85 (1) S., 3 Kupfertafeln im Text. Frontispiz u. Kupfertafeln gestochen von Conrad Buno. [Handschrift: [Bl. [a2 r]]
HAB (4 Ex.): Th 2980; 698. 27 Theol. (1); Ys 1. 8° Helmst. (Kupfertitel u. -tafeln fehlen); 1023.5 Theol. (Pergamentdruck, in schwarzen Samt gebunden; 2 Kupfertafeln || [590] || [591] || [592] fehlen). Der Pergamentdruck und Th 2980 weisen einen im Schriftbild der Schriftkartusche von 698.27 Theol. (1) leicht abweichenden Kupfertitel auf, der auch in der zweiten Ausgabe von 1641 (D2, s. u.) begegnet. Abb. von Kupfertitel und Titelblatt des Exemplars Th 2980 auf S. 590f.Vgl.Sammler Fürst Gelehrter, S. 201 Nr. 400.
Calixts Vorrede folgen:
- Bl. [a7] r – b2 v: Georg Calixt: „DIARIUM Oder Eine Verzeichnis etlicher Tage/ vor/ in und nach dem Leiden des HErrn ...“, d. i. eine tabellarische Chronologie der Ereignisse vom Samstag, 28. 3. (röm. Kal.) bis Sonntag, 5. 4. [keine Jahreszahl].
- Bl. )( [1] r – [)(2] v, 2v leer: Gedicht von Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) mit vorangestelltem anagrammat. Buchstabenrätsel, das den Namen „des Authoris“ des Werkes preisgeben soll: „Dis ist ein unschetzlich-schöner Schatz vom Sterben des Herren: vol über-hoher andechtiger gedancken/ ewiges ruhmbs undt frucht: vol Geistes brunst/ unnd evviger ruh/ unnd ein tieff-reyner Lebens-Brunn.“ Die Auflösung des Rätsels gelingt aber erst in der korrigierten 2. Ausgabe von 1641: D2. Die nach dem angegebenen Zahlenschlüssel umgestellten Buchstaben ergeben dann (Groß- und Kleinschreibung hier nicht beachtet): Das Leiden und Sterben vnserss Herren Iesv Christi mitt Fleisse beschrieben üön [=von] dem durchleuchtigen unt [sic] hochgebornen Fvrsten und Herren Hern Augvsto Hertzogen zv Braunschweig undt Lyneburck.
Folgt das Gedicht, inc.: „DEr Wind der Eitelkeit und das ungute gute/ [...]“. Vgl. abweichend D2.
- S. 1–85: „Die Historia und Geschichte des Leydens/ Todes und der Begräbnisse Jesu Christi/ unsers einigen Erlösers ...“
Die drei Kupferstiche im Ex. Th 2980 zw. S. 2 u. 3, 10 u. 11, 66 u. 67.
- S. [86]: Druckfehler/ Verbesserungen.

Vgl. dazu: HAB: Cod. Guelf. 32 Noviss. 8°, S. 1–44.
D. i. der erste eigenh., stark durchkorrigierte hsl. Entwurf Hz. Augusts zu D1, verfaßt 1638/39, abgeschlossen am 12. 4. 1639 (S. 44), also bevor Calixt ein Jahr später seine Monita vorbrachte, die von Hz. August berücksichtigt wurden, und bevor er seine Praefatio aufsetzte und einreichte. S. unten den Kommentar K I. Die Hs. enthält keine Paratexte, Widmungsgedichte oder dergl. — Vgl. Giermann, 94; Sammler Fürst Gelehrter, S. 201 Nr. 400.

H1 (Entwurf der Vorrede von Georg Calixt)
HAB: Cod. Guelf. 33 Novissimi 8°, Bl. 1r–5v, verfaßt im August 1640; Schreiberh.; 6rv, v leer: eigenh. Zusatz Hz. Augusts, der bereits in die Vorrede in D1 aufgenommen wurde. Das Manuskript stellt ansonsten (Bl. 7r–41v u. 49r–51v) das eigenh. Konzept Hz. Augusts für die erweiterte 2. Ausgabe der Leidensgeschichte Jesu (D2) dar und wurde 1640/41 verfaßt; mit Unterstreichungen und Verweisen auf den Druck (Bl. 42 u. 43 fehlen, 44r–48v u. 51v–52v leer). Es folgen Bl. 53r–56v (55v u. 56r leer) das „Diarium“ (s. o., D1); Bl. 57r–61v: fünf Briefe von Georg Calixt an Hz. August von 1640 (4) und 1641 (1), s. Kommentar K I. — Vgl. Giermann, 94; Sammler Fürst Gelehrter, S. 201 Nr. 401 u. 403.
D2  (stark überarbeitete 2. Ausgabe, Lüneburg 1641)
Die Historie und Geschichte | Von | Des HErrn Jesu/ | des *Gesalbten/ Leyden/ Ster- | ben und Begräbniß: | Vor weniger zeit auß den heiligen Schrifften/ | der vier Evangelisten/ | zusammen getragen und | vereiniget. Jtzt aber in diesem andern Trucke mit fleiß | wieder übersehen/ ordentlich eingerichtet/ und mit | dienlicher Erklärung etlicher örter | vermehret. | *Johan. c. 1. v. 41. Heb. c. 1. v. 9. 2. Luc. c. 4. v. 27. | Offenb. Johan. c. 12. v. 10. | LünaeBurg/ | bey | Hansen und Heinrichen deñ Sternen. | [Linie] | Jm Jahre/ 1641, Bl. A2 r – [A6]v: „Benevolo Lectori S. D. Georgius Calixtus, D.“ || [593] (Textidentisch, sogar satzgleich wie D1). 8° (1), 12 Bl., 106 S., 11 Bl. (Kupfertitel wie D1 im Ex. Th 2980, s. o.; die drei Kupfertafeln im Text identisch mit D1.)
HAB: Th 2981; Th 2982 (Kupfertitel u. -tafeln fehlen); To 26a (Pergamentdruck, in roten Samt gebunden). Calixts Vorwort folgen:
- Bl. [A7]r – Bij v: „DIARIUM“ von Calixt, textidentisch mit D1, aber nicht satzgleich.
- Bl. Biij rv: J. G. Schottelius: Buchstaben-/Zahlenrätsel „Dis ist ein [...]“ (wie D1, aber korrigiert). Erst in dieser 2. Ausg. gelingt die Auflösung mit dem Namen „des Authoris“, s. o. bei der Beschreibung der Erstausgabe D1. Dann folgt ein anderes Gedicht von Schottelius, inc.: „WEnn unsrer Sinnen krafft mit voller liebe dringet [...]“. War die Tendenz seines Gedichts in der Erstausgabe eine Kritik an Sünde, Laster und v. a. am Krieg, so wird dies hier weltflüchtig transzendiert in eine Absage ans Irdische zugunsten der himmlischen Erlösung durch Christi Opfertod usw.
- S. 1–105 (106 leer): „Die Historie und Geschichte ...“; überarbeitet und geändert. Dieselben drei Kupferstiche wie in D1.
Diese Ausgabe enthält auf Bl. [J vj]r – [Kvij]v Texte, die in D1 fehlen: Einen Auszug „Ex Libro Meditationum, qvi S. Augustino solet tribui“, ungez., undat.; eine lat. Vorrede zur 2. Ausg., ungez., undat.; je ein lat. Gedicht von Johann Saubert d. Ä. und Martin Gosky.
- Bl. [K8]r: Druckfehlerverz., v: leer.
Vgl. Herzog August d. J. und die Revision der Lutherübersetzung im 17. Jahrhundert. In: Christian Heitzmann: „Ganze Bücher von Geschichten“. Bibeln aus Niedersachsen. Wolfenbüttel 2003 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 81), 119–136, hier S. 128f. (Nr. 45); Sammler Fürst Gelehrter, S. 202 Nr. 405.

(Die nochmals revidierte 3. Ausgabe, Wolfenbüttel 1650, ohne Calixts Vorrede!)
Evangelia/ und | Send-Brife [sic]/ | Der heill. Evange- | listen/ und Apostelen/ | Welche/ nach der Verdeutschung des H. Lutheri sel. | an deñ Tagen des HErren/ und der Festen/ ... in deñ Kirchen des Brunswigischen Fürsten- | tums/ Wolfenbüttelschen: und des Lünäburgischen Fürstentums/ Dannenbergis- | chen Teils/ ... auf deñ Kanzlen gelesen/ und erklä- | ret werden sollen: | ... Denselben seynd am Ende dises Kirchen-Evangeli-Buches/ | hinzu geordnet/ dy Historien der Passion/ oder des Leidens Jesu: | ... wy sy aus deñ vyr Evangelisten zusammen getra- | gen/ und vereiniget. | [Vignette] | Wolfen-Büttel/ | In Hansen/ und Heinrichen/ Gebrüdern der Sternen/ daselbst | angeordneten Trukkerey verfertiget/ und glüklich geendet/ | Im grossen Jubel-Jare/ | als man schrieb/ | [Linie] | M. DC. L., [180]–282: (Zwischentitel:) „Folgen dy volkommene | Historien/ | Des Leidens/ Sterbens/ der Auf- | erstehung/ und Himmelfart/ unsers Erlö- | sers/ und Heilandes JESU | CHRISTI: | Auch dy ganze Historie der Bekerung | des H. Pauli.“ (Keinerlei Paratexte; auch die Kupferstiche fehlen).
HAB: 148.1 Theol. (4); Tk 7 (1); S 393.4° Helmst. (2).
Vgl. HAB: Cod. Guelf. 34 Noviss. 8°, Bl. 1r–53v. Druckvorlage der 3. Auflage, vor 1650. — S. Giermann, 95.

Text


Benevolo Lectori
S. D.
Georgius Calixtux. D.

INter Historias sacras eminere Historiam Passionis & Mortis Domini & Servatoris nostri, nemo dubitat Christianus. Nec est alia ulla, quæ ab Auctoribus ὑπὸ πνεύματου αγίου ϕερομένοις pleniùs & prolixiùs describatur.
  Qvum enim hac in ipsâ Passione & Morte fiduciam ponere nos oporteat, nec aliter sive peccatorum remissionem, sive æternam beatitudinem sperare liceat, || [594] oculis nostris eam semper qvasi observari, & animis nostris qvàm altissimè infigi Deus salutis nostræ cupientissimus voluit: atq́; adeo non modò Verbis, sed sacris etiam Symbolis, qvin sumtione ipsius pro nobis in mortem traditi Corporis & effusi Sangvinis, recordationem qvàm ma- [a2 v] ximè seriam tum excitari tum foveri. Negari autem non potest, si Evangelicorum Scriptorum Narrationes in Unam redigantur; (quod Altero post natum Servatorem Seculo primus conatus est Tatianus, Opúsq́ve ipsum Τὸ διὰ Τεσσὰρων appellavit,)a plurimum lucis toti illi sanctissimæ nobisq́; semper meditandæ Historiæ accedere. Sed ne hoc qvidem negari potest, rem istam difficultatibus interdum implicari, qvas expedire non sit semper in proclivi.1
  Qvin his ipsis animadversis exstimulare Deus voluisse videtur, ut non modò legamus, sed, dum hæremus, iterum atq́ve iterum relegamus. Nulla enim magis pia & nobismet ipsis magis salutaris præstari potest opera, qvàm qvæ hisce cognoscendis & meditandis impenditur. Qvòd si autem in exponendis Locorum Temporumq́ve circumstantiis, ut aliquando contingit, ambigimus, & ignorantiam fateri in- [a3 r] terdum cogimur, qvid censendum est fore, si ad scrutandum Mysteriorum modum & intimiorem rationem audaces animos admoverimus ? verbi gratiâ: Si non sufficiat nobis nosse & credere, qvòd Pater ab æterno Filium genuerit, sed adlaboremus scire, qvomodo genuerit. Pariter si non sufficiat nobis, Filium incarnatum novisse, sed abstrusissima quæq́; Mysterii tanti & humanum captum longè excedentis rimemur. Nec acqviescamus verbis Domini, Corpus suum in Sanctâ Eucharistiâ manducandum, & Sangvinem bibendum nobis præberi, affirmantis, nisi modum, qvo id fiat, penitus introspexerimus. Qvin in circumstantiis Locorū Temporumq́; enodandis difficultates, qvas diximus, ideo fortè incurrimus, ut ab alteris illis, nimium qvanto sublimioribus & abstrusioribus, temerariô ausu invadendis deterreamur. Si ergò, ut Irenæus loqviturb , qvædam qvæstio- [a3 v] num Deo commiserimus, & fidem nostram servabimus, & omnis Scriptura à Deo nobis data consonans nobis invenietur, & parabolæ sive obscura, his qvæ manifestè dicta sunt, consonabunt, & manifestè dicta absolvent, sivè exponent parabolas.2 Nam, ut rectè Hilariusc , non per difficiles nos Deus Qvæstiones ad beatam vitam vocat.3 Qvò autem usq́ve superioribus proximis Seculis progressus fuerit pruritus de Qvæstionibus non minùs inutilibus qvàm ineluctabilibus certandi, testantur eorum non modò Temporum Historiæ, sed qvàm plurima inde ad nos usq́ve transmissa Scripta. Ut, de Qvæstionibus circa Passionem Domini, de qvâ nunc potissimùm agimus, motis Exemplum proferam, qværebatur ante sesqviseculum & qvod excurrit, num Sangvis in Passione profusus manserit unitus Deitati? Et qvum Servator beatissimæ Matri suæ dixerit de Johanne Apostolo, Ecce Filius tuus; [a4 r] Et huic de illâ; Ecce Mater tua: inde nata fuit Qvæstio, Qvalis esset Johannis ad Virginem ϑεοτόκον filiatio?d Utramq́ve peculiari Scripto proseqvutus fuit Dominicus de Dominicis, Episcopus Brixianus.4 Circa idem tempus, Christum omnem patiendo profusum sangvinem in Resurrectione resumsisse Dominicani affirmabant, negabant Franciscani. Utinam Qvæstionum si non prorsus similium, non tamen multò magis utilium expers fuisset & adhuc esset ætas nostra. Exempla proferri possent, nisi odiosa essent, & in unâ non minùs qvàm aliâ parte passim obvia. De Pontificiâ dubitat nemo. Inter Calvinianos qvi appellantur & || [595] Viros quidem oppidò eruditos, haut ita pridem acriter disputatum fuit, num sublimitas Unionis Personalis, humanam naturam ab obedientiâ Legi divinæ alioqvin debitâ exemerit? Inter Doctores nostræ partis, sanè præclaros [a4 v] & egregiis meritis insignes, magnâ animorum contentione, nec sine verborum acerbitate disceptatum est, num πανταχουσία Humanitati Servatoris tributa, Unioni Personali, an verò Exaltationi & Sessioni ad dextram Patris acceptò ferenda. Sed facessat contentionum amara memoria, & in earum locum subeat animorum & studiorum consensio. Qvanto enim rectius & fructuosius, Sacræ Scripturæ ejusqvè [sic] à Spiritu Sancto profectis verbis meditandis & expendendis adhærescere, & propter ea, ad qvæ nobis illa liqvidò non præeunt, nec animi angi, nec serram contentionis reciprocare? Consideremus potiùs, qvando in sacras hasce Meditationes incumbimus, qvanta in nos fuerit Dei caritas, qvi proprio suo Filio non pepercerit, sed prò nobis omnibus eum tradiderit: qvantus amor Filii, qvi pro impiis & qvum adhuc inimici essemus, animam suam posuerit: [a5 r] qvàm tetrum Peccatum, propter qvod expiandum & abolendum, Dei Filium mori oportuerit. Christo itaq́ve pro nobis in Carne Passo, nos quoq́; eâdē cogitatione armemur, & carnem nostram ejusq́; cupiditates crucifigamus, hoc est, domemus, ne peccatum in nostro corpore regnet. Is sit affectus in nobis, qvi & in Christo Jesu fuit, nempe, ut nō qværamus nostra commoda & compendia, sed alii aliorum onera portemus, & ita impleamus Legem Christi. Nam qvi diligit alterum, Legem implevit: & si habeam Prophetiam, & noverim omnia Mysteria, & abstrusas omnes Qvæstiones subtiliter ac feliciter expedire valeam, caritatem autem non habeam, nihil sum. Ita roborabitur fiducia in Deum; & liberi à peccato, servi autem facti Deo, habebimus fructum nostrum in sanctimoniam, finem autem vitam æternam.
  Qvum hæc omnia probè cognita [a5 v] habeat Serenissimus è Domo Gvelphicâ idemq́ue literatissimus Princeps, qvem sua pietas & virtus eximia, & rari in istâ nascendi sorte exempli eruditio, ignorari nō patiuntur, non ipse modò in Scripturâ & optimis ejus Interpretibus lectitandis, lectisq́; meditandis est assiduus, sed Illustrissimos etiam Liberos suos idem stadium decurrere, idem studium tractare, atq́ve adeo à teneris è puro limpidoq́ve fonte sinceros pietatis latices haurire exoptat. Sed & inter sacras Historias, Historiæ Passionis Mortisq́ve Domini potissimam rationem habere discupit. Qvæ qvamvis diversis plurium conatibus, è qvatuor Evangelicis Scriptis in Unam seriem sit compacta, non tamen sibi suovè Zelo satisfactum putavit, nisi post omnes alios manum ipse admoveret, ratus Generosissimis Liberis acceptius fore, qvod à Paternâ industriâ profectum esset, qvàm qvod ab alienâ. [(a6) r] Etiamsie enim magnâ ex parte nova quoq́; sit Versio, veterem tamen B. Lutheri neq́; reprehendit, neq́; rejicit, neq́; manibus hominum excuti cupit: existimavit autem sibi licere, ut suo, qvo in divinissimam Scripturam fertur, amori & studio aliqvid indulgeret, & ipse, qvàm propè ad Evangelistarum idioma vernaculo accedere posset, experiretur, eademq́ve operâ suorum animos ad pietatis & sanctissimæ lectionis studium inflammaret. Qvod nemo candidus ægrè feret, aut sinistrè interpretabitur, qvū aliud spectaverit nihil, qvàm ut suo textum ϑεόπνευστον prorsus imbibendi, mentiq́; penitus imprimendi desiderio satisfaceret, &, qvemadmodum dictum fuit, Sobolis suæ sibi meritò carissimæ pietatem & diligentiam suo ipsius, utpote Parentis, labore, tamqvam stimulo ma- || [596] ximè penetrabili, acueret.f Exemplum benigne Lector, non modò miraberis, sed tuo qvoqve loco [(a6) v] & pro tuâ virili imitaberis, tuoq́; ad pietatem & sacrarum Literarum studium Duci felcitatem in his terris diuturnam, in cœlis perpetuam apprecaberis. Vale. Ex Acad. Juliâ, Mense Augustog , Anno (I) I)( XL.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
Mit Ausnahme des Postskripts, das in 401111 (und seinem Lagenumfeld) fehlt und lediglich in den Extrakten E1 und E2 vorliegt, geben wir in T nur inhaltliche bzw. in Schreibung und Lautgestalt sinnrelevante Varianten der beiden Extrakte an, da ihnen gegenüber der Leitüberlieferung keine eigene textliche Autorität zukommt.  Festzuhalten bleibt, daß die Wolfenbütteler Abschrift E2 v im Anlaut durch u ersetzt (vnd>und usw.), vnder- zu unter- verbessert (undergeben>untergeben; vnderthäniger>unterthaniger u. ä.), das obd. nit zu nicht und -ai- zu -ei- korrigiert (Raiß>reise), ebenso wöllen zu wollen . Sie meidet auch die fnhd. Konsonantenhäufung (z.B. berumbten zu berühmten). E2 verzichtet auf das r in dar (darvon>davon; dardurch>dadurch), achtet auf die Dativ-Endung -e (dem hauß > Hause; im Rauch > rauche, dem mann > manne) und insgesamt auf eine reguliertere hd. Grammatik und Rechtschreibung. Auch dies liefert einen Hinweis auf die fortschreitende Wolfenbütteler Spracharbeit.
a Die Anrede fehlt in E1 und E2.
b Am Rand Hinweis: 30.Oct./ 9. Nov.
c E1 fürderung E2 forderunge
d E1 dergleichen
e E2 korrigiert hier richtig  Seleni
f E2 verschlimmbessert vor 20 Jahren zu diesem herrn getragen
g Folgt <mich>
h E2 bellorum
i Lies: negotiation, d. i. Werbung, Geschäft. E1 u. E2 korrigieren falsch negatiationis
j mit gottes hülf fehlt in E2.
k E1 solche Jhme E2 ihm solche
l Dieser Absatz fehlt in E1 und E2.
m E1 und E2 verbessern  Juventutis
n Die Schlußkurialie fehlt in E1 und E2.
o Das Postskript fehlt im Originalbrief und wird hier nach E1 wiedergegeben, beginnend mit Bl. 6v; sinnrelevante Abweichungen in E2 verzeichnet in T.
p Lies: wünsch(e)te ich E2 wunsche
q E2 werde
r E2 solche
s E2 und
t E2 werde
u E2 derer
v E2 wird
w E2et
x E2 örter
y E2 vor
z E2 weren
aa E2 stünde
ab In E1 Textverlust durch Papierausriß. Konjektur nach E2.
ac Papierausriß. Konjektur in eckigen Klammern. E2 hochnützliche
ad E1 schließt: Extractus Auß hn. J. Andreä schreiben auß Stutgart.

T I

Orthographische Abweichungen oder solche der Zeichensetzung ohne sinnverändernde Bedeutung in H1 werden nicht eigens angegeben. Orthographische Abweichungen oder solche der Zeichensetzung ohne sinnverändernde Bedeutung in H1 werden nicht eigens angegeben
a Einklammerung fehlt in H1.
b Hierzu Randnote D1, D2: Lib. 1. c. 47. H1 Lib. 2. c. 47.
c Hierzu Randnote D1, D2: Lib. 10. de Trinit. H1 Lib. 10 de Trin.
d H1 hat Punkt statt Fragezeichen.
e H1: Von hier bis penetrabili, acueret von Hz. August eigenh. ins Manuskript eingefügt und in den Drucken übernommen.
f H1 folgt <Quod>
g H1 Aprili

Kommentar

Der vorliegende Brief mitsamt der von uns hinzugefügten Beilage ist nicht im institutionellen Zusammenhang der Fruchtbringenden Gesellschaft entstanden. Daß er dennoch Aufnahme in diese Edition fand, erklärt sich aus der Einbettung der in Brief und Beilage behandelten Sache — der Bibelarbeit Hz. Augusts d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) — in die fruchtbringerischen Bestrebungen einer Regulierung, Ausbildung und Verfeinerung der deutschen Sprache und Literatur. Die 1640 erstmals erschienene Passionsharmonie (s. Beil. I Q) verstand Hz. August von Beginn an nur als Vorarbeit für sein größeres Projekt: eine vollständige sprachliche Revision der Lutherbibel auf der grammatischen und stilistischen Höhe der Zeit. Dieses Vorhaben beschäftigte ihn seit der 2. Hälfte der 30er Jahre bis zu seinem Tode 1666, brachte ihn aber auch von Beginn an in Konflikt mit der lutherischen Orthodoxie (vgl. 380320 u. 391217). In den Jahren 1639/40 wurden Hz. August und der (damals noch in Braunschweig residierende) Wolfenbütteler Hof zu gefragten Ansprechpartnern F. Ludwigs in sprachlichen und literarischen Anliegen. Mit der Kritik des Wolfenbütteler Hofmeisters Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) an der || [597] deutschen Sprachlehre, die Christian Gueintz (FG 361. 1641) im Auftrag der FG vorgelegt hatte (s. 400528 I), wurde Braunschweig/ Wolfenbüttel jetzt ein Zentrum der fruchtbringerischen Sprachdebatte, was sich später auch in fruchtbringerischen Literaturwerken, wie Franz Julius’ v. dem Knesebeck (FG 396. 1642) Dreiständige Sinnbilder (1643), Joachims v. Glasenapp (FG 451. 1646) VINETUM EVANGELICUM, Evangelischer Wejnberg (erstmals 1647), Schottelius’ Fruchtbringendem Lustgarten (1647) und schließlich in einem eigenen Werk über die FG, Carl Gustav v. Hilles (FG 302. 1636) Der Teutsche Palmbaum (1647), fortsetzen sollte. Hz. Augusts Bibelkritik trifft sich zudem mit Andreaes Abgrenzung seiner der praktischen Frömmigkeit gewidmeten Literatur von der als weltfremd empfundenen Literarizität des älteren Humanismus — ein Ansatz, den Andreae in seiner frühen Komödie Turbo in der direkten Gegenüberstellung von „praecepta“ und „usus“, „res“ und „verba“ und dem Plädoyer für die Muttersprache propagierte und den auch die FG mit ihrer auf nützliche soziale Praxis abzielenden Wissens- und Verhaltenskultur vertrat. S. Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982, 338f. Andreaes „Parallelführung von wissenschaftlicher und religiöser Fragestellung“ (Kühlmann, 172) verband sich in der Bibelrevision Hz. Augusts zudem mit der Kritik am unersprießlichen theologischen Gezänk und Doktrinarismus (s. oben Andreaes Verdammung des lutherischen Ubiquitätsstreits) und einer auf die Gemeinde und ihre praxis pietatis zielenden Verbesserung der geistlichen Verhältnisse im Lande. Auch die Tatsache, daß sich Andreae um 1636 auf Wunsch Hz. Augusts und Hz. Ernsts I. v. Sachsen-Gotha (FG 19), angestoßen von Johann Saubert, an eine Stellungnahme zu Gutachten der Reformtheologen Johann Matthäus Meyfart, Sigismund Evenius und John Durie setzte, von welcher aber nichts Näheres bekannt ist, belegt die Verankerung Andreaes in Reformzirkeln der Zeit, an denen auch die FG partizipierte. Hintergrund waren in diesem Falle Kritiken von Meyfart an Mißständen im lutherischen Schul- und Kirchenwesen. Vgl. Ernst Ludwig Theodor Henke: Georg Calixtus und seine Zeit. 3 Bde. in 2. Halle 1853–1860, II.1, 82–94; Martin Brecht: Johann Valentin Andreae 1586‒1654. Eine Biographie. Göttingen 2008, 234, ferner 112, 117 u. ö.; Kühlmann (s. o.), 335 u. 338f.; Herz: Palmenbaum und Mühle. Zur Verbindung F. Augusts v. Anhalt-Plötzkau (FG 46), der Andreaes Fama Fraternitatis 1612 drucken lassen wollte (was dann aber erst 1614 in Kassel geschah), vgl. Carlos Gilly: Iter Rosicrucianum. Auf der Suche nach unbekannten Quellen der frühen Rosenkreuzer. In: Das Erbe des Christian Rosenkreuz. Vorträge gehalten anlässlich des Amsterdamer Symposiums, 18. – 20. November 1986: J. V. Andreae 1586–1986 und die Manifeste der Rosenkreuzerbruderschaft 1614–1616. Amsterdam 1988, 63–89, hier 75ff.
1 „Herrlichkeit“ als Anrede für den „Herren“: „etiam titulus seu salutatio honoratiorum“; Stieler, 812. Der weitgereiste Augsburger Philipp Hainhofer (1578–1647) war Handelsherr, Agent und Kunstsammler in seiner Heimatstadt und mit Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) von 1613 bis zu seinem Tod 1647 als Bücher- und Kunstagent eng verbunden. Hainhofer war seit 1629 Mitglied im Rat der Reichsstadt Augsburg und wurde 1632 unter den 18 sog. Schwedengeschlechtern ins Stadtpatriziat erhoben. 1635 verlor er jedoch wegen seiner Zusammenarbeit mit den Schweden seinen Ratssitz. Er selbst hatte 1622 Hz. August gegenüber klargestellt, daß die Hainhofer zwar von Ks. Karl V. und von Ks. Rudolf II. nobilitiert worden seien und dem turnierfähigen Adel angehörten, nicht aber dem Augsburger Patriziat, sondern der „numero civium nobilium, oder wie es die Italianer haissen, gentil’huominj“. Brief vom 5. 5. 1622, zit. n. Gobiet, 361. Vgl. zu Hainhofer ADB XXXXIX, 719–721; NDB VII, 524f.; Hans-Olof Boström: Philipp Hainhofer als Vermittler von Luxusgütern zwischen Augsburg und Wolfenbüttel. In: Augsburg in der Frühen Neuzeit. Beiträge zu einem Forschungsprogramm. Hg. Jochen Brüning u. Friedrich Niewöhner. Berlin 1995, 140–155 (zur Verbindung mit Andreae s. S. 144); Leonard Forster: Weckherlin und Hainhofer. In: Chloe 6 (1987), 415–434; Ronald Gobiet: Zur Korrespondenz Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg mit dem || [598] Augsburger Patrizier Philipp Hainhofer. In: Briefe deutscher Barockautoren. Probleme ihrer Erfassung und Erschließung. Arbeitsgespräch in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 10. und 11. März 1977; Vorträge und Berichte hg. Hans-Henrik Krummacher. Hamburg 1978 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 6 [1978]), 75–82; Barbara Mundt: Der Pommersche Kunstschrank des Augsburgers P. Hainhofer für Herzog Philipp II. von Pommern. München 2009; G. Nebinger: Die Patrizier Hainhofer in Augsburg. In: Blätter des Bayer. Landesvereins f. Familienkunde 55 (1972), 429–450; Paul von Stetten d. J.: Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichs-Stadt Augsburg. Augsburg 1762, 293f.
2 Hz. August d. J. hatte unter dem Pseudonym Gustavus Selenus 1616 in Leipzig sein Schach- oder König-Spiel und 1624 in Lüneburg seine Cryptomenytices et Cryptographiae Libri IX veröffentlicht. Vgl. 240319 u. ö. Das Pseudonym beruht auf einem Anagramm (Augustus zu Gustavus) und geht auf die griech. Mondgöttin Selene zurück, dabei auf das welfische Stammhaus Lüneburg (Luna-burg) anspielend. — Die dauerhafte Verbindung Johann Valentin Andreaes (FG 464. 1646), Enkel von Jacob Andreae (1528–1590), der die Konkordienformel (1577) maßgeblich ausarbeitete und durchsetzte, mit Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel kam 1640 durch die Vermittlung des Augsburger Handelsherren, Diplomaten, Kunstsammlers und -agenten Philipp Hainhofer (s. Anm. 1) zustande, mit dem Andreae seit 1629 in beständigem brieflichen Austausch stand. Es war Hz. August, der Andreae 1646 in die FG brachte. Vgl. Conermann III, 560ff.; Johann Valentin Andreä 1586–1654. Leben, Werk und Wirkung eines universalen Geistes. Ausstellung zum 400. Geburtstag. Katalog. Bad Liebenzell 1986; Donald R. Dickson: Johannes Saubert, Johann Valentin Andreae and the Unio Christiana. In: German life and letters 49 (1996), 18–31; Christoph Neeb: Christlicher Haß wider die Welt. Philosophie und Staatstheorie des Johann Valentin Andreae (1586–1654). Frankfurt a. M. usw. 1999, 25ff.; Johann Valentin Andreae 1586‒1986. Die Manifeste der Rosenkreuzerbruderschaft. Kat. e. Ausstellung in der Bibliotheca Philosophica Hermetica, bearb. v. Carlos Gilly. Amsterdam 1986; dazu der Sammelband: Das Erbe des Christian Rosenkreuz. Vorträge gehalten anlässlich des Amsterdamer Symposiums, 18. – 20. November 1986, Amsterdam 1988. — Obwohl Hz. August enge Verbindungen zu Andreae unterhielt, sind sich die beiden niemals persönlich begegnet. Die Verbindung zwischen dem Herzog und dem Stuttgarter Hofprediger blieb von Beginn bis zum Tode Andreaes 1654 auf einen sich rasch verdichtenden Briefwechsel beschränkt, der Ende 1640 im Zusammenhang mit der Passionsharmonie anhob. Der erste erhaltene Brief Andreaes an Hz. August stammt zwar schon vom 15. 6. 1630 und sollte allgemein der Kontaktaufnahme dienen (NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 196, Bl. 4rv), jedoch geschah die folgenden 10 Jahre nichts. Im September 1640 sandte Hz. August seinem Augsburger Agenten Philipp Hainhofer über Georg Forstenheuser schließlich zwei Exemplare der im August 1640 erschienenen ersten Ausgabe der Passionsharmonie (s. o. Beil. I Q: D1) zu. Hainhofer bestätigte am 29. 10. 1640, „2 exemplaria deß passional buchleins“ von Forstenheuser empfangen zu haben; eines davon werde er „dise tag“ an Andreae senden. NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 177q, Bl. 19r–20v, hier 20v; vgl. Gobiet, 690f. Mit 401111 dankte Andreae Hainhofer für die Sendung, mit seinem Brief vom 26. 11. konnte Hainhofer Hz. August bereits „ainen extract, auß Joh. Val. Andreæ, hofpredigers zu Stutgart etc. schreiben über empfangenes passional buchlein“, d. h. einen Auszug aus 401111, zuleiten (s. o. Q: E1); vgl. Gobiet, 692. In diesem Brief lobte Andreae Augusts Passionsharmonie überschwenglich, desgleichen in seinem Schreiben vom 24. 12. 1640 an den Herzog selbst. Dabei sprach er den Wunsch aus, sich diesbezüglich in einigen Punkten freundschaftlich mit Georg Calixt zu unterreden, und stellte, ähnlich wie Calixt in seiner Vorrede (Beil. I), das an sich bescheidene Werk der Passionsharmonie in den Kontext einer christlichen und sogar patriotischen Friedensutopie: „[...] clementiæ Tuæ, et inexspectatæ propensionis, arrha mihi illustris erit, Passio Christi harmonica, fervidæ pietatis, et eruditæ industriæ specimen, in quo etsi sunt pauca || [599] quadam, de quibus cum insigni Theologo Tuo, D. Georgio Calixto peramanter conferre velim, tamen ausum planè heroicum, zelum verè Christianum, studium in Principe miraculo simillimum, stilum citra D. Lutheri iniuriam, politissimum, animum denique, iuvandæ rei Christianæ, omni posterati celebrandum, suspicio, et veneror, ingentium gratiarum debitor, cui sponte contigerit, quod omni ambitu humilis obsequii, demerendum videbatur. Christus Te fortem et prudentem navis suæ nauclerum, incolumem servet, ut flexo ad Pacis seria consilia Augustiss. Cæsare, Fides Tua, utique et undique probata, emineat, et cum publica salute, restitutæ Germaniæ, monumentum et trophæum ponat.“ HAB: 56 Extrav., Bl. 6r–7v; veröff. in: E. L. Th. Henke: Herzog August von Braunschweig und Joh. Val. Andreä. Mittheilungen aus ihrem ersten brieflichen Verkehr in den Jahren 1640–1642. In: Deutsche Zeitschrift f. christliche Wissenschaft u. christliches Leben 3 (1852), 260–268, 273–275 u. 352–354, hier 263. Interessant auch die Schlußformel in Andreaes Brief vom 6. 2. 1641, die Hz. August und seine „pia et conspicua studia atque officia in Ecclesiam Christi, als auch deroselben salubria consilia reducendæ pacis et heroica acta servandæ libertatis Germaniae“ Gottes Segen befiehlt. HAB: 65.1 Extrav., 1r–2v; veröff. in: E. L. Th. Henke: Herzog August von Braunschweig und Joh. Val. Andreä (s. o.), 264. Am 19./ 29. 1. 1641 beantwortete Hz. August Andreaes Brief vom 24. 12. 1640 und dankte, daß er sein Passionsbüchlein „zu perlustrieren, und so weit durchzulesen gewürdiget“. Gern möge sich Andreae „etzlicher Puncten halber, mit meinem geliebten D. Calixto“ besprechen, er wünscht aber auch persönlich von Andreaes „gedancken und erinnerungen“ unterrichtet zu werden. HAB: 236.1 Extrav., Bl. 9rv. Dazu erklärte sich Andreae in seiner Gegenantwort vom 6./ 16. 2. 1641 gern bereit und schickte auch gleich einige historische Anmerkungen mit, begeistert, daß Hz. August das von Andreae gewünschte Curriculum Vitae Jesu Christi aufzusetzen gesonnen sei. HAB: 65.1 Extrav., Bl. 1r–2v; veröff. in: E. L. Th. Henke: Herzog August von Braunschweig und Joh. Val. Andreä (s. o.), 263f. Fortan arbeitete Andreae Hz. August durch intensive kritische Durchsicht der ersten Ausgabe (bei der Vorbereitung der Neuauflage des Passionsbüchleins im Jahre 1641; s. o. Beil. I Q: D2) zu, ebenso wie auch Johann Saubert d. Ä. (vgl. seinen Brief vom 14. 4. 1641, NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 225, Bl. 127rv) und wiederum Georg Calixt. Auch danach, besonders bei der Ausarbeitung der Evangelien- oder Kirchenharmonie (s. Anm. 15), arbeiteten Andreae und Hz. August kontinuierlich zusammen, verbunden in einem engen, seitens Andreaes fast schwärmerischen Verhältnis. Seit 1642 war Andreae als hzl. Geistlicher Rat mit einem Jahressalär von 400 Rtln. bestallt. Vgl. Martin Brecht: Johann Valentin Andreae und Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg. Ihr Briefwechsel und ihr Umfeld. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, insbes. 77ff.; ders.: Andreae. Eine Biographie (s. o.), 269ff.; Inge Mager: Die Beziehungen Herzog Augusts von Braunschweig-Wolfenbüttel zu den Theologen Georg Calixt und Johann Valentin Andreae. In: Pietismus und Neuzeit 6 (1980), 76–98.
3 Matthias Bernegger (1582–1640), seit 1616 Lehrer an der U. Straßburg für Geschichte und Beredsamkeit. Zu seinen Schülern gehörten sein späterer Schwiegersohn Johannes Freinsheim (s. 390800 K 1), Martin Opitz (FG 200) u. Johann Michael Moscherosch (FG 436. 1645). Sein weitgespanntes Netz gelehrter Verbindungen und Korrespondenzen umfaßte Johann Valentin Andreae, Daniel Czepko, Samuel Gloner (s. 390800 K 1), Hugo Grotius, Johann Kepler, Wilhelm Schickard u. v. a. Andreaes enge Verbindung zu Bernegger und den um ihn gruppierten Kreisen der respublica litteraria dokumentieren verschiedene, bei Reifferscheid auszugsweise zitierte Briefe der Jahre 1624–1633, in denen es um literarisch-philologische und theologische Fragen sowie um Andreaes Übersetzung von Salustes Triomphe de la Foy (Triumph desz Glaubens, 1627; s. 270429) ging. S. Reifferscheid, 761, 789, 800, 801, 808, 811f., 819, 837, 884, 901 u. 905. Andreae hatte Bernegger schon 1606 in Straßburg kennengelernt, eine Verbindung, die später durch Berneggers konfessionelle Indifferenz gegenüber den Reformierten bei Andreae abkühlte, auch wenn dieser ein dezidierter Gegner aller Streittheologie war und blieb. In seinem Brief an Hz. August vom || [600] 27. 6. 1642 (in HAB: Cod. Guelf. 65.1 Extrav.) zählte Andreae Bernegger unter die Mitglieder seiner i. J. 1616 noch in Tübingen gegründeten Societas Christiana. Auch Tobias Adami (FG 181), der Herausgeber verbotener Schriften Tommaso Campanellas, erscheint als Mitglied. Vgl. Conermann III, 181; ders.: Art. Adami in Literatur-Lexikon2 I, 26f.; Johann Valentin Andreae 1586–1986. Die Manifeste der Rosenkreuzerbruderschaft. Kat. einer Ausst. in der Bibliotheca Philosophica Hermetica (s. Anm. 2), 121. Andreae hielt auch als Diakon in Vaihingen und Pfarrer in Calw (s. Anm. 4) Kontakt zu seinen Tübinger und Straßburger Freunden, auch wenn wir nicht wissen, über welche theologische Initiative Andreae mit Bernegger gesprochen haben will. Vgl. ADB II, 412f.; NDB II, 106f.; Brecht: Andreae. Eine Biographie (s. Anm. 0), 189, 191 u. 234f.; Johann Valentin Andreae: Christianopolis. Introduced and translated by Edward H. Thompson. Dordrecht u. a. 1999, 13; Roland Edighoffer: Rose-Croix et Societé ideale selon Johann Valentin Andreae. 2 Bde. Neuilly sur Seine 1982, 431f. u. 434; John Warwick Montgomery: Cross and Crucible. Johann Valentin Andreae (1586–1654), Phoenix of the Theologians. The Hague 1973, 70, 105 u. 176. Unergiebig in dieser Hinsicht blieben Carl Bünger: Matthias Bernegger. Ein Bild aus dem geistigen Leben Strassburgs zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Strassburg 1893, und Edmund Kelter (Hg.): Der Briefwechsel zwischen Matthias Bernegger und Johann Freinsheim: (1629, 1633–1636). Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Zeit des grossen Krieges. Hamburg 1905.
4 Nach der verheerenden Niederlage der schwed.-protestant. Streitmacht in der Schlacht von Nördlingen am 25. 8. 1634 überschwemmten ksl. und bayer. Truppen auch die württemberg. Territorien. Als die Stadt Calw sich nicht sofort ergab, wurde sie am 10. 9. gestürmt. Gewaltexzesse, Plünderungen und am Ende eine planmäßige Brandstiftung vernichteten die Stadt an der Nagold. Auch Andreae, der von 1620 bis 1638 als Spezialsuperintendent in Calw wirkte und noch gerade rechtzeitig mit seiner Familie in die Wälder fliehen konnte, verlor Hab und Gut, einschließlich seiner Bibliothek. Vgl. sein Trauercarmen: JOHANNIS VALENTINI Andreæ THRENI CALVENSES, QUIBUS URBIS CALVÆ WIRTEMBERGICÆ BUSTUM, SORS PRÆSENS LAMENTABILIS ET INNOCENTIA EXPRESSA (Argentinae: Haeredes Lazari Zetzneri 1635), HAB: 144.9 Eth. (4). Auszug in dt. Übers. in: Johann Valentin Andreä — ein schwäbischer Pfarrer im Dreißigjährigen Krieg. „Ioannis Valentini Andreae theologi q. Württembergensis Vita, ab ipso conscripta“; „Johannis Valentini Andreae Threni Calvenses, quibus urbis Calvae Wirtembergicae bustum, sors praesens lamentabilis et innocentia expressa“. Bearb. v. Paul Antony. Heidenheim a.d. Brenz 1970 (Schwäbische Lebensläufe, 5), 69–106. S. Dünnhaupt: Handbuch, 275 (Art. Andreae Nr. 52). Vgl. Brecht: Andreae. Eine Biographie (s. Anm. 0), 205ff.; Weizsäcker: Des Calwer Präzeptors Christoph Luz lateinisches Gedicht über die Zerstörung von Calw im 30jährigen Krieg. In: Württembergische Vierteljahreshefte f. Landesgeschichte N.F. 13 (1904), 271–304; ferner HhS VI, 110f.; Deutsches Städtebuch. Hg. Erich Keyser. Bd. IV.2,2: Württembergisches Städtebuch. Stuttgart 1962, 336ff.; Paul Friedrich Staelin: Geschichte der Stadt Calw. Calw u. Stuttgart 1888, 25ff.
5 Zum Helmstedter Theologie-Professor Georg Calixt und dessen Vorrede zur Passionsharmonie Hz. Augusts s. Beil. I.
6 Vielleicht spielt Andreae an auf Georg Gilbert: S. Georgens Reisebüchlein (o. O. 1620), UB Greifswald: 520/Ft 116 adn2; Cosmographia Cælestis, Oder Erquickender abriß der andern Welt: In welchem gewiesen wird/ nicht allein/ das warhafftig ein Ewiges leben/ Sondern auch/ Was es für ein wunderliche Landschafft sey/ was für wunderliche Herrschafft/ Speise/ Schmuck/ Gebäwde/ Geschöpff/ Sitten/ Geberden/ FrewdenSpiel/ Herrligkeit der Seelen vnd Leibs darin anzutreffen: Item Wer/ vnd wie man hinein komme/ mit mancherley lieblichen Historien/ und Geheimnussen der Natur/ gezieret ... verfertiget Durch Georgium Gilbertum de Spaigniarth (Rostock: Joh. Hallervord 1623), HAB: 46 Astron. (11) und G 580.4° Helmst. (10); ders.: Kriegs Religion, Darin des heuti- || [601] gen und alten Biblischen Kriegswesens beschreibung und vergleichung ... gewiesen wird (Hamburg: Michael Hering 1628).
7 Bei Hainhofers Schwiegersohn könnte es sich um den Ehemann seiner ältesten Tochter Barbara (1604–1647), Johann Martin Hirt (1588–1661, vermählt 1636) handeln. Seit 1636 für wenige Jahre ksl. Forstmeister in Kirchheim/ Teck, vermutlich 1639 zurück in Augsburg, nach dem Tode seines Schwiegervaters hzl. braunschweig-wolfenbüttelscher Rat und Agent in Augsburg. Der Ehemann der Tochter Augusta, Johann Georg Anckel (um 1618–1676), war Schreiber und Gehilfe Hainhofers, seit 1648 Schreiber und Kammerdiener Hz. Augusts in Wolfenbüttel, seit 1657 dessen zweiter Rat und Agent in Augsburg. Die Verlobung fand erst 1652, die Hochzeit 1657 statt; er scheidet somit als der genannte Hainhofer-Schwiegersohn aus. Vgl. Wolf-Dieter Otte: Johann Martin Hirt und die Augsburger Agentur 1647–1661. In: Augsburg in der Frühen Neuzeit (s. Anm. 1), 39–118; Helmar Härtel: Herzog August und sein Bücheragent Johann Georg Anckel. Studien zum Erwerbungsvorgang. In: Wolfenbütteler Beiträge 3 (1978), 235–282. — Bei dem in diesem Passus genannten Herrn „Menderlin“ handelt es sich wohl um Petrus Meiderlin (1582–1651), luther. Theologe und Philologe, ein Verteidiger Johann Arndts, seit 1612 Ephorus des evangel. Annakollegs in Augsburg. Er erscheint öfter in den Briefen Hainhofers an Hz. August, zuletzt 1642, s. Gobiet, 70 Anm. 5 u. ö., und gehörte bis 1649 auch zu Andreaes beständigen Kontakten. Vgl.NDB XVI, 637f; DBA II 870, 63; Brecht: Andreae. Eine Biographie (s. Anm. 0), 199 u. 263.
8 Hz. Eberhard III. v. Württemberg (1614–1674), seit 1633 regierender Herzog in Stuttgart, Andreaes Dienst- und Landesherr, der ihn im Januar 1639 als Hofprediger und Konsistorialrat nach Stuttgart holte. Nach der Schlacht von Nördlingen (25. 8. 1634) ins Exil nach Straßburg geflohen, war der Herzog erst Ende 1638 in sein um die Hälfte verkleinertes, hochverschuldetes und ausgesogenes Land zurückgekehrt. 1641 erklärte er sogar einen seiner Räte, Ferdinand Geizkofler, zum Vizeregenten. Andreae nannte den Fürsten in einem Brief „Princeps immaturus, succiplenus et deliciis suis dedicatus“. Wilhelm Hoßbach: Johann Valentin Andreä und sein Zeitalter. Berlin 1819, 205. Vgl. Joachim Fischer: Herzog Eberhard III. (1628–1674). In: 900 Jahre Haus Württemberg. Leben u. Leistung für Land und Volk. Hg. Robert Uhland. Stuttgart u. a. 1984, 195–209; Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Hg. Sönke Lorenz, Dieter Mertens, Volker Press. Stuttgart u. a. 1997, 152ff.
9 Uns ist lediglich ein Rittmeister Georg Heinrich v. Kanoffski bekannt, der aber bereits 1628 des württemb. Dienstes entlassen wurde. Walther Pfeilsticker: Neues Württembergisches Dienerbuch. 3 Bde., Stuttgart 1957–1974, § 1610. Möglicherweise ist der weimar. Oberst Friedrich Ludwig Canofsky v. Langendorf, 1638–44 Kommandant in Freiburg, gemeint. Hans-Helmut Schaufler: Die Schlacht bei Freiburg im Breisgau 1644. Freiburg 1979, 54–71.
10 Die Lehre, daß der Mensch die flüchtige Gelegenheit beim Schopfe ergreifen muß, wird in der Emblematik häufig dargestellt und ausgesprochen. S. Emblemata, 1809ff. (s. v. Occasio).
11 Ursprünglich das Einernten der Früchte, in den Weingegenden noch heute die Traubenlese, daher auch die Herbstzeit, in die die Erntearbeit fällt. Stieler, 829: „Einen guten Herbst haben/ uberem messem aut vindemiam habere“, ebenso das Verb „herbsten“: „autumnescere, inde composita: Einherbsten/ vindemiare“ usw. Vgl. Paul Wb., 467.
12 Schon in seinem Brief an Hainhofer vom 8. 9. 1640, mit dem er das erste Exemplar der Passionsharmonie durch Georg Forstenheuser übersenden ließ, hatte Hz. August diese nur als Vortrab („Prodromi loco“) bezeichnet, in der Hoffnung, „daß das gantze Biblicum opus, endlich auch heraußkommen möchte“. Gobiet, 690. Vielsagend auch sein Brief an Andreae vom 19./ 29. 1. 1641: „Jch habe dieses Loco prodromis, wollen heraußgeben, und mit dem Apelle mich an den Weg stellen: umb, da Gott Zeit und gelegenheit dazu verleihen wolte, im Hauptwercke weiter vortzufahren; und nebest dem ganzen wercke, auch in- || [602] tegrum vitæ curriculum, Salvatoris nostri unici, gleichmässig zu pertexiren.“ HAB: Cod. Guelf. 236.1 Extrav., Bl. 9rv; veröff. in: E. L. Th. Henke: Herzog August von Braunschweig und Joh. Val. Andreä (s. Anm. 2), 263; vgl. Sammler Fürst Gelehrter, S. 201 Nr. 401. Zum seit vielen Jahren vorbereiteten, am Ende aber gescheiterten Projekt einer Revision der lutherschen Bibelübersetzung vgl. hier v. a. 391217 u. K I 0.
13 Auch in der Zusammenarbeit an der Kirchenharmonie (s. Anm. 15) brachte Andreae sprachliche Einwände vor. So mahnte er den Herzog, nd. Sprache zugunsten des allgemein üblichen Kanzleistils zu vermeiden. S. etwa seinen Brief vom 1. 1. 1643: „Hiebei auch etwas, weniges vom vnderscheid derer dialectorum, nicht den Schwäbischen damit zu legitimieren, oder dem Braunschweigischen zu competieren, Sondern gegen dem Luterischen Teutschen phrasi, quæ apud omnes Germaniæ provincis obtinuit, oder auf dem Stilo Curiæ haben zu vergleichen. Bei den gelehrten würt es wenig zu bedeuten haben, Der gemeine Mann aber hindert sich bald hieran, bei deme iedoch dieses hochlöbliche werkh auch sehr großen nutzen schaffen kan.“ HAB: Cod. Guelf. 65.1 Extrav., Bl. 46rv. Vgl. auch Andreaes Brief vom 30. 4. 1647, ebd., Bl. 345f.; dazu Mager (s. Anm. 2), 86 u. Brecht: Briefwechsel (s. Anm. 2), 219. Das änderte nichts daran, daß Andreae im Gegensatz etwa zu Calixt, dem Celler Superintendenten Michael Walther und anderen Lutheranern, die Evangelienharmonie einschränkungslos lobte und feierte, auch dann noch, als sie 1646 per fl. Erlaß in den gottesdienstlichen Lesungen die Evangelien- und Epistelperikopen ersetzen sollte. S. Brecht: Briefwechsel (Anm. 2), 220ff.; Wolfgang Sommer: Gottesfurcht und Fürstenherrschaft. Studien zum Obrigkeitsverständnis Johann Arndts und lutherischer Hofprediger zur Zeit der altprotestantischen Orthodoxie. Göttingen 1988, 266ff.
14 Martin Chemnitz (1522–1586), lutherischer Theologe, Schüler Melanchthons, zu dem er später auf Distanz ging, 1567 Superintendent der Stadt Braunschweig (1568 Beginn der Reformation im Hzt. Braunschweig-Wolfenbüttel unter Hz. Julius). Vgl. ADB IV, 116ff; REThK (1896) III, 796ff.; Der zweite Martin der Lutherischen Kirche: Festschrift zum 400. Todestag von Martin Chemnitz. Hg. Ev.-luth. Stadtkirchenverband und Propstei Braunschweig. Red.: Wolfgang A. Jünke. Braunschweig 1986. Andreae bezieht sich auf Chemnitz’ unvollendete Harmonia  evangelistarum, das ist, Ein sehr schöne und eindrechtige zusamenstimmung der heiligen vier Evangelisten: darin die wunderschöne ... Historia, des gantzen lebens ... Jesu Christi (Magdeburg 1589; HAB: Slg. Alv. V 410 2°). Von Polycarp Leyser (1552–1610) weitergeführt, erschien 1593 erstmals Harmonia evangelica / conscripta à ... Martino Chemnitio, ... Edita à D. Polycarpo Lysero, successore, nomine Haeredum [Liber I–III] (Frankfurt a. M. 1593, HAB: 92.10 Theol.). Abgeschlossen und um einen Kommentar von Johann Gerhard (1582–1637) ergänzt, erschien eine zweibändige Ausgabe 1640 in Genf. HAB: X Film 1: 211. Diese Evangelienharmonie war am Ende ein Kolossalwerk in drei Folianten, das die Zwänge Osianders (s. K I 1) vermied und sowohl apologetischen als auch erbaulichen Interessen diente. Vermutlich kannte Andreae auch Chemnitz’ dreiteilige, erstmals 1593 in Frankfurt a. M. erschienene Predigtsammlung: Postilla oder Außlegung der Evangelien, welche auff die Sontage, und fürnembste Feste, durchs gantze Jahr in der gemeine Gottes erkleret werden/ Geprediget durch Martinum Chemnitium ... Sampt einer vorrede Herrn D. Polycarpi Leyseri. Durch Melchiorem Newkirchen ... publicirt, Und jetzt auffs neue ubersehen, auch mit mehr Predigten des Autoris ... verbessert (Magdeburg 1594). HAB: 345 Theol. 2°, sowie die Historia Der Passion unsers lieben Herrn und Heilands Jesu Christi, wie dieselbe von den Vier Evangelisten einhellig beschrieben ist/ aus den Predigten des ... Martini Chemnitii ... zusammen gezogen, Durch Melchiorem Newkirchen (Wolfenbüttel 1590; HAB: 709 Theol. [1]). Vgl. TRE X, 633f.; Theodor Mahlmann: Bibliographie Martin Chemnitz. In: Der zweite Martin der Lutherischen Kirche (s. o.), 368–425, hier Nr. 63, 66 u. 67.
15 Andreae bietet im folgenden seine Hilfe bei einem solchen Bibelwerk an, wofür sich Hz. August in seinem Brief vom 19./ 29. 1. 1641 mit dem Hinweis, die Passionsharmonie sei nur der Vorläufer einer geplanten Evangelienharmonie, sofort bedankte (s. Anm. 12). || [603] Tatsächlich ist Augusts zweiteilige Kirchenharmonie, die alle Sonn- und Festtagsevangelien und Episteln sowie sonstigen Lesungen des Kirchenjahres enthält, in enger Zusammenarbeit mit Andreae entstanden: Evangelische KIrchen-Harmonie/ Das ist: Der hoch-heiligen göttlichen Skrift unterschiedene Texte/ und Worte: Welche Von unsern gottseligen Vorfahren/ aus den Geschicht-Büchern der Evangelisten/ und den Briefen der Aposteln: So wol auch den Skriften des alten/ und ersten Bundes/ oder Testamentes/ vor vielen hundert Jahren/ herausgezogen/ und an gewissen Tagen des HErren/ und der Festen/ in öffentlichen Zusammen-Künften/ und Versammelungen/ den Gemeinen der Christen/ jährlich vorzulesen/ und zu erklären ... verordnet (Wolfenbüttel 1645, 2 Tle.). HAB: 508.16 Theol. 4°, s. Sammler Fürst Gelehrter, S. 203 Nr. 410 (seltener Privatdruck). Die aufwendiger gestaltete und mit Illustrationen versehene 2. Ausgabe erschien ebd. 1646 (HAB: 548.8 Theol. 4°), s. Sammler Fürst Gelehrter, S. 203 Nr. 411–413. Der dritten Ausgabe von 1648 (HAB: 148.1 Theol. 4°) ist jener Erlaß des Herzogs an die General- und Spezialsuperintendenten vom 4. 6. 1646 beigefügt, in dem August anordnete, seine Kirchenharmonie offiziell in den Gottesdiensten der Landeskirche zu verwenden. Als Motiv wird angegeben, daß die lat. und dt. Übersetzungen der Bibel die „heiligen Grund-Sprachen in allem nicht recht treffen/ oder deren eigentlichen Verstand/ und Nachdruck erreichen“. Um nun die „unordentliche gestümlete Texte“ deutlicher und verständlicher zu machen, habe August selbst Hand angelegt, etliche Jahre die evangelischen und apostolischen Texte „nach dem Grunde der heiligen Sprachen/ und der gleich-lautenden Sprüchen/ und Texten des alten/ und neuen Testaments“ eingerichtet, um „den Grund-Text so viel müglich/ klar/ und verständlich/ in unsere Mutter-Sprache“ zu übertragen. Zugleich habe er „jede Evangelische Historie/ aus allen Evangelisten/ so derselben gedänken/ also zusammen gefügt/ daß verhoffentlich kein Umbstand vergessen ist“ und mit Sacherklärungen dem Verstehen der „Einfältigen“ aufgeholfen. S. Sammler Fürst Gelehrter, S. 203 Nr. 414; Mager (wie Anm. 2), 86f. u. 95. Calixt war an diesen Bibelarbeiten kaum mehr beteiligt, er kritisierte im März 1643 sogar die Gesamtkonzeption des Vorhabens und protestierte im Juni 1646 förmlich mit der gesamten Helmstedter Professorenschaft dagegen, die Kirchenharmonie als „verbindliches Lektionar in den sonntäglichen Gottesdiensten zu gebrauchen“. Hz. August ließ sich aber von dieser Kritik in seinem „patriarchalischen landesherrlichen Kirchenregiment“ nicht beeindrucken. Mager (s. Anm. 2), 95; Sommer (s. Anm. 13), 260. Vgl. auch Henke: Calixtus und seine Zeit (s. Anm. 0), II.1, 66f. u. II.2, 49ff.; Johannes Wallmann: Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg als Gestalt der Kirchengeschichte. In: Pietismus und Neuzeit 6 (1980), 9–32, hier 13–16.
16 In seinem Brief an Andreae vom 19./ 29. 1. 1641 war Hz. August auf diese Hinweise eingegangen und hatte angeboten, die Chronologia biblica seines (und Andreaes) Lehrers, des von 1584 bis zu seinem Tod in Tübingen lehrenden Mathematikers und Astronomen Michael Mästlin (1550–1631), im Lüneburger Verlag der Sterne erscheinen zu lassen: „Als ich auch auß seines Schreibens Extracte, vom 11./ 21. 9bris, 1640 an gedachten Hainhofern, unter andern vernommen, daß bey ihm meines gewesenen Præceptoris in Mathematicis, M. M. Mœstlini p. m. Chronologia Biblica mhs. vorhanden, die er mit einem so vortreflichen Encomio angibt: Und es unbillig wäre, daß Posteritati, eine so gute nutzbare arbeit solte vorenthalten verbleiben: So wil ich quoad editionem, daß meine gerne mit hinzutragen, und dieselbige qvamprimum befodern helffen: Wan mir es nuhr wird an die hand gegeben, auf welche manier es zu incaminieren seyn möchte. Wir haben alhie in unsern Fürstenthumen, in der Stadt Lüneburg zweene erfahrne fleissige Buchtruckere, die Sterne, mit dehnen würde etwa leicht zu handlen seyn.“ Während seines Studiums in Tübingen hatte Hz. August 1597/98 sogar ein eigenes Studienheft mit Exzerpten aus Mästlins Lehrbuch Epitome Astronomiae (Tübingen 1588) angelegt, auf dessen Vorderdeckel er sein eigenes, von August selbst gestelltes Horoskop eintrug: HAB: 58 Astron. 8°; das Studienheft: HAB: Cod. Guelf. 48 Noviss. 8°; vgl. Sammler Fürst Gelehrter, 53ff. Hz. August unterstützte im soeben zitierten Brief auch Andreaes Vorhaben, dem geplanten Werk einen || [604] „prægustum, Judicia Eruditorum zu expiscieren“ im Druck vorauszuschicken. HAB: Cod. Guelf. 236.1 Extrav., Bl. 9rv (s. Anm. 12). Andreae zeigte sich in seinem Antwortbrief vom 6./ 16. 2. 1641 hocherfreut: „M. Mæstlino, incomparabili Mathematico, præceptori meo optimè merito, p. m. habe ich vnter der Erden zu gratulieren, daß seine fleißige vnd nützliche Arbeit, a tam illustris gratitudinis summo Patrono, ab interitu, (deme sie sehr nahe gewesen) solle vindiciert, vnd an das liecht befördert werden. Will demnach E. F. G. mit bewilligung der hæredum das Ms. exemplar zu Ehester gelegenheit, durch Herrn Philippum Hainhofern (cuius fidem et zelum in publicanda et ornanda Ill. Cels. T virtutis fama, et contestando obsequio prædicare satis profecto non possum) vnterthänig vbersenden, darüber haben, nach dero hohem iudicio zu disponieren vnd gnädig zu befehlen. Entzwischen aber ein klein indiculum calculi huius, a nonnullis alijs, cum magna ratione dissidentis, der Eruditorum iudicia zu expisciren, vorhergehen laßen.“ HAB: Cod. Guelf. 65.1 Extrav., 1r–2v. Am 2. 3. 1641 berichtete Andreae Hainhofer, daß „das Opus Chronologicum ohnwißend der Erben Maestlini, Durch einen discipulum, so es excipiert, zum Truckh befurdert worden, vnd auf nechstkunftige Ostermeß solle herauß kommen. Daß wir also allerseits der Müh überhoben.“ HAB: Cod. Guelf. 74 Noviss. 2°, Bl. 11rv. Wie Andreae nun weiter „mit den Chronologiis Mœstlini“ zu verfahren gedenke, wollte Hz. August in seinem Brief an Andreae vom 16./ 26. 3. 1641 wissen (236.1 Extrav., Bl. 10r–11v). Die „Mæstlinische epitome soll furderlichst erfolgen, das ganze werkh aber, so zu Tübingen getruckhet, würt in nechst kunftiger Ostermeß herauskommen“, antwortete Andreae am 6. 4. 1641 aus Stuttgart (65.1 Extrav., Bl. 3r–4v). Am 20. 4. erzürnte er sich vor Hz. August über Matthias Hafenreffers ungezogenen Sohn Samuel, „welcher gestalt mit vbereilter edition Chronologiæ Mæstlini p. m. sehr gefehlet worden, Von Samuel Hafenreffer Medicus (optimo Patri multum dissimilis filius) hinderruckhs der Erben, ein imperfect exemplar, so er in seines Vatters sehl. Bibliothec gefunden, præcipitiert, vnd sie die Erben noch in seiner Præfation, An E. F. G. von einem andern gestellet, ob solten sie herrn Mæstlinj arbeit vnd famam nicht achten, perstringiert, Da doch sie das völlige exemplar schon vor 2 ½ Jahren mir communiciert, vnd daß es an das liecht kommen möchte, fleißig gebetten.“ Andreae beschreibt das Manuskript und empfiehlt eine Edition desselben (65.1 Extrav., Bl. 5rv). Am 4./ 14. 5. 1641 konnte August sodann den Erhalt des Manuskripts bestätigen (236.1 Extrav., Bl. 12r–13v), und am 11./ 21. 5. 1641 lag ihm auch Hafenreffers Ausgabe vor, die er ebenfalls als „ein imperfectum opus“ befand, das eine vollständige Ausgabe nicht ersetzen könne (236.1 Extrav., Bl. 14r–15v). Tatsächlich erschien 1641 eine vom Tübinger Medizinprofessor Samuel Hafenreffer (1587–1660) postum edierte Ausgabe der Chronologien Mästlins: Michaelis Moestlini Chronologicae theses et tabulae breves contractaeque: Ad investiganda tempora historiarum & epocharum potissimarum, praesertim sacrarum, a creatione mundi ad ultimam Hierosolymorum vastationem, accommodatae; cum Exegesi quaestionum chronologicarum/ Bono publico editae studio & cura Samuelis Hafenrefferi (Tübingen 1641), HAB: 197.7 Hist. Der Herausgeber war ein Sohn von Andreaes einstigem Tübinger Lehrer, dem Prof. der Theologie an der U. Tübingen, Matthias Hafenreffer (1561–1619). Vgl. zu Matthias Hafenreffer: ADB X, 316f.; DBA I 456, 308–317; DBA II, 508, 426–430; NDB VII, 460f.; zu Samuel Hafenreffer: DBA I 456, 318–320; Hirsch III, 11; NDB VII, 460; zu Mästlin: ADB XX, 575–580, XXII, 795 u. XXXXV, 669; DBE2 VI, 663; NDB XV, 644f. Im Jahr darauf gab Andreae bei den Verlegerbrüdern Stern Mästlins Chronologia Sacra in einer Zusammenfassung („Synopsis“) im Umfang von 33 Seiten und im Duodezformat heraus und widmete sie Hz. August: SYNOPSIS CHRONOLOGIÆ SACRÆ, MICHAELIS MÆSTLINI Qvondam Mathematici Tubingensis celeberrimi. CUM HARMONIA VITÆ JESU CHRISTI. Accurante JOH. VALENTINO ANDREÆ (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1642), HAB: T 194.8° Helmst. (6). Vgl. auch Johann Valentin Andreä 1586–1654. Leben, Werk und Wirkung eines universalen Geistes (s. Anm. 2), 40 u. 45f. || [605]

K I
|| [605] Die Zusammenarbeit von Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) und dem Helmstedter Theologie-Professor Georg Calixt (1586–1656) bei der Gestaltung und Drucklegung der hzl. Passionsharmonie dokumentiert ihr Briefwechsel, der sich in verschiedenen Handschriftenbeständen der HAB erhalten hat. — Am 8. 4. 1640 übersandte der Herzog Calixt seine Passionsharmonie, „wie wir sie in vorigen wochen zusamen getragen: worzu wir unter andern auch seine Concordiam Evangelistarum, und des Heinsii Exercitationes gebrauchet“. Gemeint ist zunächst Calixts Evangelienharmonie Quatuor Evangelicorum scriptorum Concordia, quae in ijs occurrunt, difficilium ac dubiorum explicatio (Halberstadt 1624), HAB: 231.117 Theol. (1) u. 466.14 Theol. (1). Das Werk erschien verbessert und vermehrt 1638 erneut in drei verschiedenen Goslarer Ausgaben, HAB: QuN 167.1.3 (1), QuN 167.11. 7 (1), C 152.4° Helmst. (1) u. ö., s. VD17. Sein Sohn Friedrich Ulrich (1622–1701) gab das Werk 1663 in Helmstedt nochmals heraus, HAB: 278.5 Theol. u. ö. Sodann bezieht sich Hz. August auf Daniel Heinsius’ (1580–1655) Sacrarvm Exercitationvm Ad Novvm Testamentvm Libri XX (Leiden 1639), HAB: 399.4 Theol. 2°. Im genannten Brief hofft Hz. August, den Verlauf der Ereignisse „so weit getroffen“ zu haben und ist gewillt, „dieselbige für unsere liebe Kinder, in ein kleines format zu Lüneburg trucken zu lassen“. Zusätze und Erklärungen des Verfassers sollen mit kleinerem Schriftgrad vom biblischen Text typographisch abgesetzt werden. An Calixt ergeht die Bitte um „Censur“ und eine „praefation“, er solle den Text kritisch „perlustrieren“. HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 81rv u. 83rv (vollst. Abschrift in 149.6 Extrav., Bl. 191rf.; vollst. abgedr. in Henke: Calixtus’ Briefwechsel [s. Q, unter E 2], 52f.). Der beiliegende Zettel 82rv trägt Calixts lat. Antwortkonzept, das ausgefertigt in HAB: Cod. Guelf. 55.1 Extrav., Bl. 2r–3v vorliegt (vollst. Abschrift in 149.6 Extrav., Bl. 191vf.; vollst. abgedruckt in Henke, a. a. O., 53). Er habe Hz. Augusts Sendung gleich nach ihrem Erhalt (in Helmstedt) am gestrigen Abend durchgelesen, wünscht dies aber genauer und sorgfältiger zu tun und stellt, falls sich dies als angemessen erweise, kritische Hinweise in Aussicht. Wegen der Vorrede zweifelt er an Hz. Augusts Meinung, daß „Germanico scripto [Henke hat: libro] Germanicam quidem praefationem addi decebit“, und möchte sich vergewissern, unter wessen Namen sie veröffentlicht werden soll: „Non tamen existimo Serenitatem Tuam sub suo nomine illam [praefationem] velle edi. Nescio tamen an sui et à se profecti laboris mentionem fieri velit; et an meum nomen velit exprimi.“ In einer Nachschrift (fehlt bei Henke) kommt er auf die Übersetzung „zu Tische liegen“ zu sprechen, die den Heutigen zwar befremdlich erscheine, den alten Sitten aber tatsächlich entspreche. Es wäre gut, dies bildlich darzustellen. Auch ein wahres Bild der Kreuzigung („vera crucifixi imago“) zu bringen, wäre zu empfehlen. Am 13. 4. 1640 (55.1 Extrav., Bl. 4r–6v; nicht bei Henke) kommt er genauer auf seine druckgraphischen Vorschläge zurück. Er überschickt Hz. August seine Bemerkungen zur Hälfte des Passionswerks; der Rest und sein Vorwort würden folgen. In das Ms. des Herzogs möchte er nicht eingreifen, jedoch sollte es ergänzt werden um drei Bilder: 1. „discumbentis Christi, et à Mariâ uniti“, 2. „cum discipulis discumbentis & Eucharistiam instituendis“, 3. „in cruce rectè formatâ pendentis“ sowie um ein tabellarisches Diarium der letzten Tage Christi, zu dem er einen Entwurf beilegt (Bl. 5, s. auch die hsl. Fassung in Cod. Guelf. 33 Noviss. 8°, Bl. 53r–56v). Alle drei Bilder finden sich tatsächlich als Kupfertafeln im Druck. Tafel 1 zeigt (nach Jh 12, 2ff. [u. Mt 26, 6ff. u. Mk 14, 3ff.]) Jesus im Hause Simons und Marthas im Kreise seiner Jünger, da Maria Jesus mit Öl salbt und man zur Abendmahlzeit bei Tische liegt. Biblia (Luther 1545) hat: „[...] mit jm [Jesus] zu tissche sassen.“ (Unsere Hervorhebung). Die Unterschrift erklärt unter Angabe biblischer Belegstellen, daß bei den Hebräern „Accubationes in Conviviis“ gewöhnlich waren und daß die Zusammenkünfte „facta sunt cum Decūbitu, decumbentibus scilicet Convivis in Lectis, super Latus Sinistrum: non stantibus aut sedentibus, uti nunc fit“. Tafel 2 zeigt das Letzte Abendmahl, zu dem sich die Jünger wiederum niedergelegt haben. Die Unterschrift verweist auf die Anmerkung bei Tafel 1. Die 3. Tafel stellt die Kreuzigungsszene dar. Am 15. 4. dankt Hz. August in großer Freude, daß Calixt das Ma- || [606] nuskript so fleißig „perlustrieren und so gute monita hinzutragen wollen“; August habe bereits begonnen, Stellen wie Petri Verleugnung entsprechend zu überarbeiten. Er schickt ihm die verbesserten Versionen wieder zu, damit Calixt prüfen könne, ob August seine Anregungen richtig umgesetzt habe. Das vorgeschlagene Diarium möge Calixt fertigstellen und „sub ipsius nomine, etwa teutsch mit herausgeben“. 84.9 Extrav., Bl. 84r–85v (vollst. Abschrift in 149.6 Extrav., Bl. 192rf.; vollst. abgedr. in Henke [s. o.], 53f.). Schon tags darauf übersendet Calixt weitere Monita, versichert aber, daß Inhalt und Anordnung des Werks insgesamt nicht zu beanstanden seien. Sein Vorwort und das Diarium werde er demnächst schicken. 55.1 Extrav., Bl. 7r–8v. Am 20. 4. entschuldigt er sich: „Praefationem, qua sola adhuc forté desideratur, mittere nondum potui“, dies werde er bei nächster Gelegenheit nachholen. A. a. O., Bl. 11r–12v. Am 23. 4. bestätigt Hz. August den Erhalt weiterer Anmerkungen, die berücksichtigt werden sollen. Das Diarium solle gleich auf Calixts Vorwort folgen, das erwartet wird. Wenn alles beisammen und rein abgeschrieben sei, werde es Calixt zur nochmaligen Kontrolldurchsicht übermittelt werden, bevor es nach Lüneburg in den Druck gehe. Frontispiz und Kupfertafeln könnten zuletzt gedruckt werden. Vgl. die gleichlautende Nachricht Hz. Augusts vom 25. 4. S. 84.9 Extrav., Bl. 86r–87v u. 88r–89v (vollst. Abschrift des Briefes vom 23. 4. in 149.6 Extrav., Bl. 192vf.; beide Briefe vollst. abgedr. in Henke [s. o.], 54f.). Am 24. und 29. 4. verspricht Calixt, sein Vorwort nächstens bzw. am morgigen Tage einzuliefern. 55.1 Extrav., Bl. 13r–14v u. 17r–18v (der Brief vom 24. 4. vollständig abgedruckt in: GEORGII CALIXTI AD AUGUSTUM DUCEM BRUNSVICENSEM EPISTOLAE XII. EX AUTOGRAPHIS PRIMUM EDIDIT ERN. LUD. TH. HENKE. Jena 1835, 6f.). Am 5. 6. teilt der Herzog mit, er fahre in seiner „Passions-arbeit“ fort, und legt „einen Abdruck von der Creutzigung Christi“ bei (s. die 3. Kupfertafel im Druck). 84.9 Extrav., 90r–91v. Am 12. 8. schickt Hz. August anscheinend einen Probedruck aus Lüneburg und fragt Calixt, „ob was dabey zu erinnern“. A. a. O., Bl. 92r–93v. Die Akte HAB: Cod. Guelf. 33 Noviss. 8°, Bl. 57r–60v, enthält vier weitere lat. Briefe Calixts an seinen Dienst- und Landesherren aus dem August 1640, in denen er Hz. August in seinem Vorhaben unterstützt, Vorschläge macht, aber auch Bedenken und Befürchtungen vorträgt, v. a. gegenüber leichtfertiger Veränderung der lutherschen Bibelverdeutschung: „Lutheri uersio integra relinquatur, et in margine apponatur, uel in annotationibus adijciatur noua, siue admonitio, quomodo locus aliter verti siue poßit siue debeat. Vix calumnia os obstrui poterit, nisi ista modo: et fortè ne vel isto quidem“. (Brief vom 1. 8., a. a. O., Bl. 57rv). Auch ist er in Sorge über das Attribut Christi, „in titulo vocem gesalbter ab imperitis perperam, ab improbis malignè acceptum iri“. Um zu vermeiden, daß dies als Veränderung oder Neuerung angeklagt werde, sollten wenigstens stützende biblische Belegstellen angeführt werden: Jh 1,41 u. Apg 4,27. Eben dies wurde auf dem Titelblatt von D1 ausgeführt. S. Calixts Briefe vom 13. u. 14. 8., a. a. O., Bl. 58rv u. 59rv. Auf dem Titelbl. von D2 begegnet uns ein größerer Katalog biblischer Belege, s. dazu auch Hz. Augusts eigenh. Belegstellensammlung auf S. 49 in Cod. Guelf. 32 Noviss. 8°. Am 9. 12. 1640 fragt Hz. August, ob Calixt weitere Exemplare vom „Passionalbüchlein“ wünsche, und legt seinem Brief einen Extrakt aus Johann Valentin Andreaes (FG 464. 1646) Schreiben an Philipp Hainhofer (401111) bei (s. o. Q, unter E2). Auch im Jahre 1641 setzte sich die gemeinsame Arbeit an der Passionsharmonie fort. Vgl. 84.9 Extrav., Bl. 100ff. Andreae sollte die 2. Aufl. der Passionsgeschichte (s. oben Beil. I Q: D2) 1649 unter dem Titel „Monotessaron Passionale Jesu Christi Salvatoris Mundi ...“ ins Lateinische übersetzen. S. HAB: Cod. Guelf. 235 Extrav.; vgl. Die neueren Handschriften der Gruppe Extravagantes. Teil 3: 220.1 Extrav. – 317 Extrav. Beschrieben von Wolf-Dieter Otte. Frankfurt a. M. 1993, 43 (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 19). Die Übersetzung blieb ungedruckt. — Calixts besonnene Kritik des Manuskripts und seine gelungene Vorrede, die dogmatische Subtilitäten umgeht und den Nutzen dieses eindrücklichen Bibelwerks für den einfachen Gläubigen herausstellt, haben sehr zur Anerkennung des Werkes bzw. zu dessen wiederholten Veröffentlichung beigetragen. F. Lud- || [607] wig muß ein Exemplar der Passionsharmonie von 1640 besessen haben, denn er hat es lt. 410106 auch seinem Neffen F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) geliehen. Vgl. auch Christoph Böttigheimer: Das Unionskonzept des Helmstedter Irenikers Georg Calixt (1586–1656). In: Harm Klueting (Hg.): Irenik und Antikonfessionalismus im 17. u. 18. Jahrhundert. Hildesheim u. a. 2003, 55–70; Inge Mager: Georg Calixt — der niedersächsische Unionstheologe. In: Vier Jahrhunderte lutherische Landeskirche in Braunschweig. Festschrift zum 400jährigen Reformationsjubiläum der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche im Jahre 1968. Wolfenbüttel 1968, 79–93. In dem von Martin Gosky besorgten großen Sammelband von Gelegenheitsdichtungen auf Hz. August, ARBUSTUM vel Arboretum  Augusræum, Æternitati ac domui Augustæ Selenianæ sacrum (Wolfenbüttel 1650; HAB: Gn 4° 766; T 904.2° Helmst. [1]), finden sich auf Bl. 172v–188v auch lat. und dt. Gedichte auf Hz. Augusts Passions- und Evangelienharmonie von Andreae, Georg Calixt, Johann Saubert d. Ä., Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642), Georg Philipp Harsdörffer (FG 368. 1642), Christian Gueintz (FG 361. 1641; Gedicht d. d. Halle, 26. 4. 1647) u. a. Nur ein Gedicht von Joachim v. Glasenapp (FG 451. 1646) spielt dabei auf die FG an, nämlich den Gesellschaftsnamen des Herzogs (Der Befreiende) und die Palmenimprese der FG:
„ [...]
Gesegnet sey das Werck: der Lorbeerkrantz und Krone
Sey von des HErrn Hand/ dem Befreyenden zu Lohne/
  Der an dem Palmen Baum ein gülden fruchtbar Ast
  Schau die gekrönte Seul wächst aufwerts unter Last/
Ob zwar SchneeWolcken/ Sturm den Himmel offt beziehen/
Doch unter diesem Baum Kunst/ Adel/ Tugend blühen/
[...]“
Ohne auf die Passionsarbeit seines Dienst- und Landesherren einzugehen, ließ Justus Georg Schottelius im selben Jahr wie Hz. August eine eigene Passions-Dichtung erscheinen: Die hertzliche | Anschawunge | Vnsers gecreutzigten | Heylandes/| Sampt andächtigen Gedancken | Von seinem Leyden für | vns vnd seiner Liebe gegen | Vns. | abgefasset | Von | Justo-Georgio Schottelio | Einbeccensi. | [Zierstück] | Braunschweig/| Bey Balthasar Grubern/| Jm Jahr 1640. HAB: 1336. 10 Theol.; 608.3 Quod. (1); s. Dünnhaupt: Handbuch, 3827 (Art. Schottelius, Nr. 4), vgl. 400218 K 5. Das Büchlein wird durch eine lange Widmung an die damals 11jährige Tochter Hz. Augusts, Pzn. Sibylla Ursula, eingeleitet. Der Mensch erscheint hier grundsätzlich als Perlensucher, doch komme es darauf an, die wahre, gute und nützliche Perle zu finden: die Gottergebenheit. Auch der Fruchtbringer Wolfgang Helmhard Frh. v. Hohberg (FG 580. 1652) setzte ein Passionsgedicht auf, das postum erst 1725 lat. und dt. erschien, die Historia Passionis & Mortis Jesu Christi. Carmine heroico delineata (Zerbst 1725; s. Dünnhaupt: Handbuch, 2158 [Art. Hohberg, Nr. 14]). Erwähnt sei auch die Leben-Jesu-Dichtung von Friedrich Greiff (1601–1668): Der vier Evangelisten vbereinstimmende Geschicht Beschreibung CHristi Von seiner Heylsamen Geburt/ biß zu seiner Siegreichen Himmelfahrt. Alles in Reimen verfasset (Tübingen 1647). HAB: 501.7 Theol. (1), vgl. Sammler Fürst Gelehrter, 231. Sie enthält ein hsl. Gedicht Greiffs an Hz. August und eine Vorrede von Andreae, in der er Opitz (FG 200), Schottelius und die FG lobt.
1 Evangelienharmonien (und als Spezialfall: Passionsharmonien) sind im engeren Sinne zusammenhängende Darstellungen des Lebens Jesu, die aus den vier kanonischen Evangelien zusammengezogen wurden, sich aber dabei textnah an die biblischen Worte halten. Sie sind zu unterscheiden von freien Erzählungen des Lebens Jesu (ohne strenge Bindung an die Bibeltexte), Bibeldichtungen (z. B. Otfrids v. Weißenburg Evangelienbuch und F. Ludwigs lehrhafte Dichtungen über die Bücher des Alten Testaments) und den Evangeliensynopsen (s. u.). Sie zielen auf die Verdeutlichung des „consensus evangelistarum“ (so der Titel einer augustinischen Programmschrift). Die älteste klarer nachweisbare Version || [608] einer Evangelienharmonie ist Tatians Diatessaron (um 172 n. Chr.), wovon trotz der ehemals großen Verbreitung kein Exemplar auf uns gekommen ist. Vom Diatessaron leiten sich (neben anderen späteren Textzeugen) eine nach der Vulgata bearbeitete lat. Evangelienharmonie im Codex Fuldensis und von dieser wohl eine ahd. Übersetzung her, die um 830 im Kloster Fulda geschaffen wurde und sich allein in einer Handschrift in St. Gallen erhalten hat. Dieser „Althochdeutsche Tatian“ diente Otfrids von Weißenburg endgereimtem, südrheinfränk. Evangelienbuch und dem altsächs. -, dem berühmten religiösen Epos in Stabreimen aus dem 9. Jh., als Vorbild. Das ganze Mittelalter, die Reformationszeit, das konfessionelle Zeitalter und noch die Moderne brachten Evangelienharmonien hervor, zunächst auf Tatian fußend, später auch in neuen, eher additiv-vollständigen statt extrahierend-glättenden Harmonisierungsversuchen wie dem an Augustinus anschließenden Monotessaron Johannes Gersons (um 1420). Von den frühneuzeitlichen Passions- und Evangelienharmonien seien hier nur genannt: Der text des passions- oder lidens Christi von Johannes Geiler von Kaysersberg (lat. 1506/ dt. 1522), Erasmus Albers (1500–1553) Euangelistarum harmonia von etwa 1532, Johannes Bugenhagens (1485–1558) vielgelesene und immer wieder nachgedruckte Passionsharmonie (lat. Basel 1524, nhd. zuerst Wittenberg 1526, in nd. Übersetzung zuerst 1531). Wie Hz. August beabsichtigte auch Bugenhagen, sie zu einer vollständigen Evangelienharmonie auszuweiten. Dieses Vorhaben konnte aber erst durch Paul Crell(ius) (1531–1579) zum Abschluß gebracht werden: Monotessaron Historiae Evangelicae Latino-Germanicum (Wittenberg 1566; HAB: A 93. 4° Helmst.; Td 77) und Euangelion Vnsers Herrn Jhesu Christi, Aus allen vier Euangelisten, nach ordnung der zeit vnd Geschichte einstimmig verglichen vnd zusamen gezogen (Wittenberg 1571; HAB: 604 Theol.). Andreas Osianders d. Ä. (1498–1552) Harmoniae evangelicae libri IV Graece et Latine, Basel 1537, oft nachgedruckt und bearbeitet, war Ausdruck einer neuen, reformatorischen Evangelienharmonie, die im Einklang mit einer strengen Inspirationslehre den biblischen Wortlaut wahrte und diesen selbst in der Harmonisierung transparent halten wollte: Harmoniae Euangelicae libri iiii graece et latine, In quibus Euangelica historia ex quatuor Euangelistis ita in unum est contexta, ut nullius verbum ullum omissum, nihil alienum immixtum, nullius ordo turbatus, nihil non suo loco positum: omnia vero litteris et notis ita distincta sint, ut quid cuiusque Euangelistae proprium, quid cum aliis et cum quibus commune sit, primo statim aspectu deprehendere queas. Item annotationvm liber vnvs elenchvs harmoniae avtore Andrea Osiandro (Basileae 1537: Officina Frobeniana). Des orthodoxen Lutheraners Martin Chemnitz unvollendete Harmonia quatuor evangelistarum (s. K 14), die von 1593‒1611 von Polycarp Leyser und Johann Gerhard fortgesetzt wurde, distanzierte sich von Osianders strenger Form. Chemnitz teilte den griech., lat. übersetzten Text in Abschnitte auf, stellte parallele Texte der Quellen hintereinander, fügte sie auch wieder (griech. u. lat.) zusammen und bereicherte alles mit einem gelehrten Kommentar. Die luther. Evangelienharmonien konnten sich auf Luthers Auffassung etwa in seiner Vorrede zum Newen Testament Deutzsch (1522) berufen: „Also ist das newe testament, eyn buch [...] Also das man gewiß sey, das nur eyn Euangelion sey, gleych wie nur eyn buch des newen testaments, vnd nur eyn glawb, vnd nur eyn Gott“ (Luther: Werke, Abt. 2, Bd. 6, S. 2) oder in der Weihnachtspostille von 1522, wonach das „Euangelium ist und soll nit anders seyn denn eyn rede oder historia von Christo [...] Wie nu nit mehr denn eyn Christus ist, szo ist und mag nit mehr denn eyn Euangelium seyn“. Luther: Werke Abt. 1, Bd. 10.1, S. 9f. Von den seit Osiander so bezeichneten Harmonien im strengen Sinne sind die Evangeliensynopsen zu unterscheiden, die die Evangelientexte unverändert lassen und nur parallelisieren und erklären, aber nicht zu einem Text verschmelzen. Diesen Weg einer kommentierten Evangeliensynopse ist z. B. Jean Calvin gegangen, als er in 222 Sektionen die parallelen Bibeltexte der drei synoptischen Evangelien zusammenstellte und sie mit einer Erläuterung begleitete: Harmonia ex tribus Evangelisticis composita Matthaeo, Marco et Luca: adjuncto seorum Iohanne (O. O. [Genevae]: Stephanus 1555). Vgl. Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Neue Reihe. Hg. Ot- || [609] to Weber. 12. u. 13. Bd.: Johannes Calvins Auslegung der Evangelien-Harmonie. 2 Tle. Übers. v. Hiltrud Stadtland-Neumann u. Gertrud Vogelbusch. Neukirchen-Vluyn 1966 u. 1974. Zur reformierten Evangelienharmonie in Predigten von F. Ludwigs Hofprediger Daniel Sachse, Sachse: Einhelligkeit I–III (1641–43), s. 400104 u. I. Hz. Augusts Passionsharmonie verschmilzt die Evangelienberichte zu einem fortlaufenden Text, verzichtet auf Erläuterungen und Paraphrasen und bringt am Rand lediglich Verweise auf die entsprechenden Bibelstellen. August hatte sich schon 1625 einer anderen Form bedient, um den biblischen Text zu konzentrieren und leichter faßbar zu machen: Biblischer | Außzug/ | Oder | Gründliche | SUMMARIA, | Vber die beeden heyli- | gen Testamenta; Eines | vornehmen Teutschen | Theologi. | Durch | A. B. L. der H. Bibeln | Liebhabern/ mit besondern | fleiß übersehen/ und in die- | ses Hand-Büchlein zu- | samen geordnet. | Gedruckt zu Lüneburg (HAB: 1291.31 Theol.). A. B. L., d. i. Augustus Brunsvicensis Lunaeburgensis, brachte hier die Summarien des Stettiner Pastors Daniel Cramer zusammen und ergänzte sie. Luther hatte durch seine Summarien über die Psalmen (1531‒1533) den Weg gewiesen (die Bugenhagen in seine nd. Bibel 1534 mitaufnahm), und Veit Dietrich machte die Summarien als Inhaltsangabe in der Lutherbibel seit 1541/1545 heimisch. Die lat. Bibel des württemberg. Hofpredigers Lucas Osianders d. Ä. enthält Summarien, vor allem jedoch fortlaufende, den Vulgata-Text wie eine Paraphrase durchwebende Kommentare und Textverbesserungen (Biblia latina, ad fontes hebr. textus emendatus, cum brevi et perspicua expositione illustrata. 7 vol. Tubingae 1573‒1586). David Förters Verdeutschung auf der Grundlage der Luther-Übersetzung (Biblia: Das ist: die gantze Heilige Schrifft / mit einer kurtzen Erkl. des Texts/ und Andeutung der fürnembsten Lehrpuncten. Auß Martini Luthers Dolmetschung unverendert getruckt. Erstlich in Lat., durch Lucam Osiandrum beschrieben. An jetzo in die teutsche Sprach gebracht und an Tag geben. Durch David Förter. Zu Stutgarten: Fürster 1600‒1610) wurde mit Zustimmung Hz. Augusts in der Lüneburger Ausgabe von 1650 übernommen (nochmals 1665 gedruckt). S. 391217 K I 0. In den sog. Württemberger Summarien (1709) ließ Hz. Eberhard III. v. Württemberg zuerst bis 1669 durch Johann Jacob Hainlin, Jeremias Rebstock und Johann Conrad Zeller den Inhalt der Heiligen Schrift im Zusammenhang einfach und klar ausdrücken. — Die aufgeklärte Bibelwissenschaft des fortgeschrittenen 18. Jhs. bereitete der Evangelienharmonie der Orthodoxie ein Ende. Darstellungen des Lebens Jesu kommen nun der erbaulichen Unterrichtung nach; Evangelienharmonien aber verlieren ihre wissenschaftliche Bedeutung. Auffällig ist, daß Hz. Augusts Passions- und Evangelienharmonien, die in theologischer und sprachlicher Absicht Bibelkritik mit landesväterlicher Frömmigkeitsfürsorge und einem autoritätsbewußten landesherrl. Kirchenregiment verbinden, in der nachstehend angeführten Literatur nicht erwähnt werden. Vgl. Johannes Bugenhagen: Historia Des lydendes unde upstandige/ unses Heren Jesu Christi:/ uth den veer Euangelisten. Niederdeutsche Passionsharmonie. Faks.dr. nach der Barther Ausg. von 1586. Hg. u. mit e. Nachw. vers. v. Norbert Buske. Berlin, Altenburg 1985, Nachwort (S. 243ff.); LThK (1993) III, 1030; RGG II, 770; RGG4 II, 1692f.; TRE X, 626–636; Wernfried Hofmeister: Evangelienharmonie. In: Sachwörterbuch der Mediävistik. Hg. Peter Dinzelbacher. Stuttgart 1992, 226f.; Petra Hörner: Zweisträngige Tradition der Evangelienharmonie durch den „Tatian“ und Entharmonisierung durch Georg Kreckwitz u. a. Hildesheim u. a. 2000; dies. (Hg.): Erasmus Alber: Evangelienharmonie. Edition. Berlin, New York 2009, insbes. 4–18; Dietrich Wünsch: Evangelienharmonien im Reformationszeitalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Leben-Jesu-Darstellungen. Berlin, New York 1983.
2 Irenaeus (ca. 140 – um 200, Bischof von Lyon): Adversus Haereses, Buch II, Kap. 28, § 3: „Si ergo, secundum hunc modum quem diximus, quaedam quidem quaestionum Deo commiserimus, et fidem nostram seruabimus, et sine periculo perseuerabimus, et omnis Scriptura a Deo nobis data consonans nobis inuenietur, et parabolae his quae manifeste dicta sunt consonabunt, et manifeste dicta absoluent parabolas, et per dictionum multas || [610] uoces unam consonantem melodiam in nobis sentiet, laudantem hymnis Deum qui fecit omnia.“ Irénée de Lyon: Contre Les Hérésies Livre II. Edition critique par Adelin Rousseau et Louis Doutreleau. Tome II: Texte et Traduction. Paris 1982 (Sources Chrétiennes, 294), 276. — Irenaeus verurteilte übrigens Tatian als Haupt der enkratitischen Ketzer. TRE X, 628, vgl. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon II (1990), Sp. 1315–1326.
3 Hilarius (315–367), Bischof von Poitiers: De Trinitate, Buch X, Kap. 70, Z. 27ff.: „Non per difficiles nos Deus ad beatam uitam quaestiones uocat, nec multiplici eloquentis facundiae genere sollicitat. In absoluto nobis ac facili est aeternitas.“ Sancti Hilarii Pictaviensis Episcopi Opera, Pars 2.2: De Trinitate. Libri VIII–XII. Indices. Cvra et Stvdio P. Smulders. Turnbout 1980 (Corpus Christianorvm. [1] Series Latina, Bd. LXIIA), 526. Vgl. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon II (1990), Sp. 835–840.
4 Domenico de’ Domenichi (1416‒1478), seit 1464 Bf. v. Brescia. R. Aubert: Domenico de’ Domenichi. In: Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastique XIV (1960), 584‒587; D. Quaglio: Dominicus de Domenicis. In: Lexikon des Mittelalters III.1 (1985), 275f.; Hubert Jedin: Studien über Domenico de’ Domenichi. Mainz usw. 1958, 177‒300 (Akad. der Wiss. u. d. Lit., Abhh. der Geistes- u. Sozialwiss. Kl. 5. 1957). Von einer Predigt eines Minoriten angeregt, über die Domenico in Rom zu Gericht saß, verfaßte er anschließend 1462/63 den Aufsatz „De relationibus et necessitate fundamenti earum“, in dem er die philosophische Frage der realen Grundlegung der Relationen in der aristotelischen Kategorienlehre positiv beantwortete und daher die Auffassung des Predigers zurückwies, die biblischen Worte hätten Johannes zum natürlichen Sohn Marias und dieselbe zu dessen Mutter gemacht. Jedin, 269. In einem öffentlichen Disput zwischen Vertretern der beiden Orden nahm Domenico im Dezember 1462 Partei für die Dominikaner, während er im Januar 1463 in einem Traktat (De sanguine Christi) die Meinungen über das Wesen des Blutes Christi vom Tode bis zur Auferstehung eher abwägend behandelte. Jedin, 271.
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