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401223 Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig
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401223

Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig


F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) bestätigt den Empfang zweier Schreiben F. Ludwigs (Der Nährende), von denen eines wohl versehentlich ungezeichnet geblieben sei. Christian hat seinem Kanzlisten Hans Georg und seinem Stadtvogt (Melchior Louis) Befehle erteilt wegen der Aufschüttung des Getreides bzw. wegen des Viehes. — Christian bedauert, daß Caspar Pfau (FG 412. 1644) bislang versäumt habe, F. Ludwig die an F. Christian entliehenden holländischen Nachrichten auftragsgemäß zurückzugeben. — Bei einer Neuauflage des FG-Gesellschaftsbuches wird sich gewiß keines der Mitglieder gegen eine Umlage der Kosten sperren, sofern diese gerecht und bezahlbar ist. Es wäre schade, wenn dieses stattliche Werk ins Stocken geriete, zumal die Verse in die anspruchsvollere Reimform (der Stanze) gebracht worden sind. — F. Ludwigs Übersetzung Der weise Alte (1643) gefällt F. Christian gut; er würde aber unmaßgeblich dafür plädieren, die Widmungszuschrift an junge und alte Mitglieder der FG zu adressieren. — Die französischen Nachrichten wurden mit Gewinn gelesen und sollen F. Ludwig zurückgeschickt werden, wenn dieser dies wie im Falle der holländischen Nachrichten wünsche. — Weihnachts- und Neujahrswünsche beschließen den Brief.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 143r–144v [A u. Eingangsvermerk: 144v], 144r leer; eigenh.; 3 schwarze Lacksiegel. [Handschrift: Bl.144r ]D: KE, 82f. (gekürzt u. unzuverlässig). — BN: Bürger, S. 238 Nr. 15.

Anschrift


A Dem Nehrenden. zu handen. Cöhten.
Eingangsvermerk von Schreiberh.: Ps. 23. Xbris Ao. 1640.

Text


Von dem Nehrenden hat der Vnverenderliche zwey schreiben entpfangen.1 Daß vornehmste war nicht vndterschrieben, wirdt vielleicht vorzutragen vergeßen sein worden. Dennocha aber ist Hanß Geörgen dem Cantzelisten der aufschüttung des getreidigs halben, dem Stadtvogt2 aber wegen des viehes befehl gegeben, den sachen nach müglichkeit, recht zu thun.3 Daß Pfaw die Holl. Zeitungen4 nicht wiedergesandt verdreust mich, er ist an Harz gewandert, Soll ihm aber zu seiner wiederkunft verwiesen werden, vndt man wirdt inskünftige solcher guten Mittheilung halber, sorgfältiger sein, des herren Nehrenden willen, ein beßeres genügen zu thun. Er wolle indeßen nicht nachlaßen, wohlzuthun vndt mittzutheilen.
  Das Gesellschaftbuch anlangende, wirdt sich zuversichtig keiner aus den erleuchteten gesellschaftern ausschließen, wann es erst recht angebrachtb , vndt eine gleichmeßige anlage (so zu ertragen,) erfolgen möchte.5 Schade wehre es, wann diß Stadtliche wolgemeinte werck, also ersitzen bleiben sollte, vmb so viel mehr, weil auch die gesetze nach der geschrenckten artt6 verfertiget worden. || [640]
  [143v] Den Weysen Allten, laße ich mir gar wolgefallen. Hielte aber vnmaßgebig davor, man köndte ihn dem ersten vorsatz nach, so wol Jungen als allten gesellschaftern v̈bereignen.7 Jedoch hat der Nehrende, damitt zu schallten, vndt zu wallten, nach belieben.
  Die Frantzösischen Zeittungen, habe ich gar gerne verlesen, wollte sie auch wol wieder senden, wann es gleich den Holländischen begehret würde.8
  Hiemitt wirdt dem Nehrenden, nebst freundl. Dancksagung vor seine höfliche gute wüntzsche vndt andencken, hinwieder ein fröliches Weyhnachtfest mitt den lieben seinigen, wie auch hernachmals ein geruhiges gesegnetes neẅ Jahr aus treẅem hertzen gewüntzschet, von dem der da ist, vndt verbleibet:

  Des Nehrenden, dienstwilliger Gesellschafter,
  Der Vnverenderliche.

Bernburgk, im Jahr 1640 am Abelstage9 , in Meinem Kalender.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Dieser Satz fehlt in KE.
b Gebessert aus anbracht

Kommentar
1 In seinem Tagebuch vermerkte F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) am 22. 12. 1640, „Schreiben von F. L. [F. Ludwig] in höflichen terminis, sampt allerley guter Nachrichtt“ erhalten zu haben. Am 23. 12. 1640: „Nach Cöhten geschrieben an F. L. humaniter.“ Christian: Tageb. XV, Bl. 414v. Der letzte uns vorliegende Brief F. Ludwigs (Der Nährende) an seinen Neffen stammt vom 15. 12. 1640. S. 401214 I.
2 Am 6. 3. 1638 war der fl. anhalt-bernburg. Rat Melchior Louis von F. Christian II. zu dessen Stadtvogt in Bernburg ernannt worden. Vgl. Christian: Tageb. XIV, Bl. 565r.
3 Stieler, 1943: „Getreidig aufschütten/ frumentum aggerere“, ohne weitere übertragene Bedeutung, also im Sinne von Zusammentragen, Zusammenbringen von Getreide. Ebenso DW I, 732. Da die vorangehenden zwei Briefe F. Ludwigs fehlen, aber auch die Quellensammlung KU im fraglichen Zeitraum keine Aufschlüsse bietet, wird der hier angesprochene historische Zusammenhang nicht deutlich. Geht es um ein Bittgesuch F. Ludwigs? Eine Bernburger Kontributionsquote oder sonstige Abgabe? Spielt der Streit um die Bernburger Braurechte, die wegen überteuerter Biertaxe von F. Ludwig und F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) just in diesen Tagen angefochten wurden, eine Rolle? Vgl. Christian: Tageb. XV, Bl. 412r ff. Einziger Hinweis ebd., Bl. 416v (26. 12. 1640): „ErsuchSchreiben von Cöhten, wegen aufschüttung des getreydigs“. Zur allgemein unruhigen militärischen Lage in diesen Tagen und Wochen vgl. 401212 K 4 u. K I 2 u. 401214 K 8.
4 Dem anhaltischen Gesamtrat Caspar Pfau (FG 412. 1644; vgl. 401212 K 2) hatte F. Christian die gedruckten holländischen Nachrichten, die ihm F. Ludwig beiliegend in 401029 und mit der Bitte um Rücksendung geliehen hatte, zwecks Rückgabe ausgehändigt. Vgl. 401212.
5 Gemeint ist die Subskription eines neuen Gesellschaftsbuchs der FG. Vgl. 391203 u. I u. K I 0. Mit dem Brief 401228A schickte ihm F. Ludwig einen (verlorenen) Kostenvoranschlag für das Stechen und Drucken der Mitglieder-Impresen.
6 Zum Ausdruck „geschrenckte artt“ s. Fürst Ludwig: Kurtze Anleitung zur Deutschen Poesi (1640), 9. Strophe. Am Ende heißt es da zum Achtzeiler (in Stanzenform): „Von achten das gesetz [d. i. die Strophe, d. Hg.] geschrencket dreymahl treget | Den Reim, und einer giebt den schluß und letzten streich.“ (Reimschema abababcc). S. 391119 I u. 400619. —Seit Ende 1639 arbeiteten F. Ludwig und Diederich v. dem Werder (FG 31) die paargereimten achtzeiligen Alexandrinergedichte der FG-Reimgesetze (vgl. GB 1629/30) in eine || [641] ebenfalls achtzeilige Alexandrinerstrophe im anspruchsvolleren Reimschema der Stanze, „einer Fürstin unter den Strophenformen“ (W. Kayser, s. u., S. 45), um: abababcc mit männlich einsetzendem Kadenzwechsel von Zeile zu Zeile bei männlichem Versschluß der beiden Schlußzeilen. Diese Stanzenform begegnet uns zuerst schon in Werders Tasso-Übersetzung (1626), sodann in F. Ludwigs Poetik und in den Gesellschaftsbüchern erstmals im GB 1641 und diesem folgend in GB 1641/44 und GB 1646. Vgl. Conermann II, 51ff. In Ludwigs Poetik kann die Stanze allerdings auch mit weiblichem Versschluß anheben und demzufolge im letzten Verspaar weiblich enden („Heldenartt Achtzeiliges gesetz’ anfahende mitt weiblicher endung, von dreyzehen und zwölff Sylben“). Auch kennt er dort achtzeilige Gesetze „Gemeiner Art“ (fünfhebige Jambenverse) mit weiblich oder männlich beginnenden Kadenzfolgen. Die klassische italienische Stanze bestand aus jambischen Elfsilbern (Endecasillabi) und endete also in jeder Zeile weiblich. Das wäre im Deutschen der fünfhebige jambische Vers mit stets weiblichem Ausgang. Heinse und Goethe aber ersetzten die barocken Alexandriner durch jambische Fünfheber und führten „die glückliche Neuerung von abwechselnd weiblichem und männlichem Ausgang“ (Kayser) ein, und in dieser Gestalt wurde die Stanze in Deutschland wieder in Kraft gesetzt. Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte mit Einschluß des Altenglischen und altnordischen Stabreimverses. 5 Tle. in 3 Bdn. Bd. III. 2. unveränd. Aufl. Berlin 1956, § 1010 u. 1016; Wolfgang Kayser: Kleine deutsche Versschule. 2. verb. Aufl. Bern 1949, 45ff. Vgl. zur Stanze auch Horst Joachim Frank: Handbuch der deutschen Strophenformen. München, Wien 1980, 663ff.; Christian Wagenknecht: Deutsche Metrik. Eine historische Einführung. München 1981, 70 u. 137. Zu den Reimgesetzen der FG allgemein und F. Ludwigs und Werders Umarbeitung der FG-Reimgesetze in Stanzenform vgl. auch 390712A, 390723, 390901, 390902 u. I, 391203 K I 2, 400619, 400620, 400622, 401007 (?), 401009 (?), 401025 (K 2), 401116, 401215 u. I, 401216 K 3, 401228A u. 401229 K 1.
7 In 401214 zeigte sich F. Christian II. bereits von F. Ludwigs Übersetzung Der weise Alte (1643) nach einer französischen Vorlage des Genfer Predigers Simon Goulart de Senlis d. Ä. sehr eingenommen. F. Ludwig hatte dieses Werk bereits 1630/31 übersetzt, später aber nochmals sprachlich und stilistisch verbessert. Die in der Handschrift HM Köthen: Hs. FG 17 überlieferte Prosa-Widmung vom April 1631 weist bereits wie der Druck von 1643 die Überschrift „An Alte und Junge der Fruchtbringenden Gesellschafft“ auf. F. Christians Verbesserungsvorschlag zu der Widmungszuschrift (nämlich an junge und alte Mitglieder der FG) muß sich daher auf eine ihm vorgelegte handschriftliche Fassung bezogen haben, die von dieser Überschrift (zeitweilig) abgewichen ist. Auch in den Titelblättern der Hs. von 1630/31 und dem Druck von 1643 wird die „ernste vermanung an alle alte undt Junge“ angekündigt. Vgl. 310411 u. I und 401214 K 12.
8 Mit 401029 hatte F. Ludwig auch französische Nachrichten in Abschrift an F. Christian II. zum vertraulichen Verbleib gesandt, worauf Christian noch einmal aufmerksam macht.
9 Ein Abelstag ist nach Grotefend nirgendwo nachgewiesen. Auch Des Abenteurlichen Simplicissimi Ewig-währender Calender (Nürnberg 1670, Ndr. Konstanz 1967) bietet keine Hinweise. Desgleichen führt der Kalender Zerbst 1654 im Dezember keinen Gedenktag für Abel auf. Allerdings verzeichnet der Kalender Herlitz 1646 (HAB: Xb 6222) für den 23. 12. neuen Kalenders „Abel“. Dies würde auch zum Eingangsvermerk passen, da anzunehmen ist, daß der Brief per Boten zugestellt worden ist und bei der geringen Distanz zwischen Bernburg und Köthen den Empfänger noch am Ausstellungstag erreichte. KE datiert ohne Angabe von Gründen auf den 21. 12. Dass zumindest Diederich v. dem Werder Herlitz-Schreibkalender benutzte, ist belegt. S. schon 401009 u. 401215 K 3. || [642]
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