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Prachtstammbaum des braunschweig-lüneburgischen Welfenhauses von Franz Algermann - Quellen und Kommentar

Kommentar

Mit dem in den Jahren nach 1580 am Wolfenbütteler Hof entworfenen und 1584 gedruckten Prachtstammbaum des Welfenhauses besitzen die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und das Niedersächsische Staatsarchiv in Wolfenbüttel herausragende Produkte genealogisch begründeter Herrschaftslegitimierung und herrschaftlichen Repräsentationsbedürfnisses, das in einer zeitlichen und ideologischen Nachfolge von Werken steht, wie sie u. a. Künstler wie Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair und Albrecht Dürer für Kaiser Maximilian I. geschaffen haben.

Das inhaltliche Programm dieser "warhafftige[n] vnd in bewerten Historien wolgegründete Genealogia oder Stambaum des Hochlöblichen Uhralten Fürstlichen Hauses Braunschweig vnd Lüneburg […]" wurde maßgeblich vom fürstlichen Beamten und späteren Biographen des Herzogs Julius, Franz Algermann, erarbeitet, die künstlerische Ausführung lag in den Händen des Görlitzer Formschneiders Georg Scharffenberg und die Drucklegung erfolgte in der Wolfenbütteler Druckerei des Conrad Horn.


Von diesem Werk lassen sich zur Zeit vier teilweise unvollständige Exemplare nachweisen, von denen sich zwei in der Herzog August Bibliothek, eins im Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel (NdsStAWF 26 Slg. Nr. 253R) und eins im Kupferstichkabinett in Berlin befinden. Die weitgehend identischen Exemplare bestehen aus der zentralen genealogischen Tafel sowie einer rechts und links des Stammbaums angeordneten gereimten "Erklerung des Stammbaums der Hochlöblichen Fürsten zu Braunschweig und Lüneburg" und einem 1 umlaufenden Katalog der Bischöfe zu Halberstadt und Minden, die allerdings beim Berliner Exemplar fehlen. Die beiden Exemplare der Herzog August Bibliothek besitzen des Weiteren jeweils noch unterschiedlich gestaltete Titelfelder und Kopfbilder mit der Darstellung des römischen Kaisers - wohl Rudolf II. - und der über allem thronenden Trinität, die die Treue des Welfenhauses zum Kaiser und die Verwurzelung im christlichen Glauben zum Ausdruck bringt.

Alle Exemplare tragen den Vermerk "Gedruckt vnd verfertigt in der Heinrichstadt bey dem Fürstlichen Hofflager Wolffenbüttel / durch Cunradt Horn / Franciscum Algerman vnd Georg Scharffenbergern / Anno 1584" (Graph A4/19), doch das in der Zeughaushalle der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel präsentierte Exemplar ist auf das Jahr 1590 (Graph A4/18) zu datieren. Während die drei frühen Exemplare des Stammbaums die mittelalterlichen Linien der Welfen über Herzog Heinrich den Stolzen und Herzog Heinrich den Löwen in direkter Linie auf Herzog Julius und seine Gemahlin Hedwig führen, ist dieses Exemplar um die Bildnisse von Herzog Heinrich Julius und seiner zwei Gemahlinnen Dorothea von Sachsen und Elisabeth von Dänemark ergänzt. Diese Ergänzung sowie das königlich dänische Wappen in der rechten oberen Ecke des Blattes lassen den Schluss zu, das dieses Exemplar anlässlich der Hochzeit des Herzog Heinrich Julius mit Elisabeth von Dänemark im Jahre 1590 angefertigt worden ist.

Darüber hinaus besitzt das Wolfenbütteler Staatsarchiv vier Fragmente eines weiteren kolorierten Exemplars, die sich von den übrigen Stammbäumen durch die inhaltliche und formale Gestaltung der Schriftbänder unterscheiden. Dargestellt sind die Herzöge Wilhelm, Otto das Kind, Albert der Große und Albrecht der Feiste mitsamt ihren Gemahlinnen (NdsStAWF 26 Slg., Nr. 1a).

Gewidmet ist diese genealogische Tafel Herzog Heinrich Julius, der zum Zeitpunkt der erstmaligen Drucklegung 18 oder 19 Jahre alt war und als oberer Abschluss des Stammbaums in einer Reihe mit seinen Geschwistern Sophia Hedwig, Maria, Elisabeth, Philipp Sigismund, Margaretha, Joachim Carl, Sabina, Dorothea, Julius August und Hedwig dargestellt wurde.

Diese Tafeln sollten - so Franz Algermann in einem Schreiben an den Celler Herzog Wilhelm den Jüngeren vom 24. November 1582 - den Einwohnern und Untertanen der welfischen Fürstentümer das hohe Alter und den hohen Rang des Welfenhauses vor Augen führen und zeigen, dass die welfischen Herzöge als "gutte fromme oberherrn" von Alters her unter dem Schutz Gottes standen und "ferner lernen, sich in den geburenden und von Godt erforderten gehorsam desto williger in underthenigkeit zu schicken".


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