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Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: Einleitung zum Jahrgang 1622


Zitierlink: http://diglib.hab.de/edoc/ed000228/id/edoc_ed000228_fg_introduction_1622_sm/start.htm

I. In der ersten Hälfte des Jahres 1622 versuchten die protestantischen Kriegsherren Herzog Christian d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Graf Peter Ernst II. von Mansfeld und Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach im Auftrag des am 29. Januar 1621 durch Kaiser Ferdinand II. mit der Reichsacht belegten pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., die Rheinpfalz von den dort einmarschierten spanischen Truppen zu befreien. Trotz anfänglicher Erfolge unterlagen sie jedoch bald den Spaniern und der Katholischen Liga, die ab dem Sommer auch die rechtsrheinischen Gebiete der Unterpfalz mit der Residenzstadt Heidelberg besetzten. Anhalt blieb dagegen von den damaligen militärischen Operationen verschont.

II. Bei Jahresbeginn war Christian II. zwar immer noch kaiserlicher Kriegsgefangener, führte in Wien aber ein Leben ohne größere Einschränkungen. Weiterhin bat er den Kaiser für sich und seinen geächteten Vater im Exil um Begnadigung und Restitution der eingezogenen Lehen. Ab dem 20. Januar begleitete der Anhaltiner das Reichsoberhaupt nach Innsbruck, um dort dessen Vermählung mit Eleonora Gonzaga (2. 2.) beizuwohnen. Anschließend erhielt er die Erlaubnis, für ein halbes Jahr seine Mutter zu besuchen, und brach Anfang Februar zu einer längeren Reise in die nördliche Reichshälfte auf. Für die Tagebuchaufzeichnungen vom 14. Februar bis 5. Oktober sind die Autographen des Fürsten nicht überliefert. In diesen Zeitraum fallen insbesondere sein Wiedersehen mit der Mutter und einigen Geschwistern in Ballenstedt (16. 2.), seine Köthener Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft (25. 2.), eine Besichtigung der Stadt Magdeburg (30. 4.–1. 5.), die Badekur mit Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen und weiteren Verwandten im böhmischen Karlsbad (17. 6.–9. 7.), seine Rückkehr an den Wiener Kaiserhof (20.–26. 7.), ein Treffen mit den Eltern und drei ältesten Schwestern in Flensburg (9.–12. 8.) sowie wiederholte mehrwöchige Aufenthalte im Fürstentum Anhalt (16. 2.–29. 4., 2. 5.–10. 6. und seit dem 18. 8.).1 Vom 30. Oktober bis zum Jahresende befand er sich größtenteils in Regensburg und reiste von hier aus lediglich für wenige Tage einmal dem Kaiser bis Linz entgegen (2.12. 11.), nach Stuttgart (11.13. 12.) und nach Neuburg an der Donau (16.18. 12.). Erst am 30. Dezember kam Christian II. endlich auch in den Genuss der beharrlich erarbeiteten kaiserlichen Begnadigung und Freilassung.

III. Die Verhängung der Reichsacht (22. 1. 1621) über Christian I., der ab 1618 als Senior des Hauses Anhalt und damit zugleich als offizieller Träger aller anhaltischen Lehen amtierte, war formal mit dem Verlust seines territorialen Besitzes verbunden. Nachdem er sich dem Reichsoberhaupt am 2. Juni 1621 schriftlich unterworfen und dieses daraufhin auf die Konfiskation des Bernburger Landesteils vorläufig verzichtet hatte, ersuchten die Fürsten August von Anhalt-Plötzkau, Ludwig von Anhalt-Köthen und Johann Kasimir von Anhalt-Dessau den Kaiser um eine baldige Wiederbelehnung.2 Ferdinand II. tat dies bis zur Aufhebung der Acht (1624) nur mit „allergnädigst ertheilten Jndulten“, schloss allerdings bei einer Audienz für Christian II. dessen väterliche Lehen davon ausdrücklich aus.3 Diese einschränkende Klausel galt wahrscheinlich ebenso für die wenige Tage später erfolgte provisorische Gesamtbelehnung der anhaltischen Fürsten, welche sich auf weitere sechs Monate erstreckte.4 Einen nicht unwichtigen Schritt zur Lösung dieses Problems bildete die öffentliche Erklärung des Kaisers vom Ende des Monats Dezember, dass der seit dem 8. November 1620 als konföderierter Teilnehmer der Schlacht am Weißen Berg gefangene junge Anhaltiner fortan aus seiner „bißhero außgestandenen doch nicht vnverschuldeten verhaftung“ gelöst sei und wieder „für einen freyen Reichsfürsten“ gehalten werde. Im Gegenzug gelobte dieser Ferdinand II. und dem Haus Österreich „nicht allein in worten sondern auch in wercken“ ewige Dankbarkeit und Treue.5 In der Tat fühlte sich Christian II. bis zu seinem Tod diesem in Regensburg gegebenen Versprechen verpflichtet, ja machte es als Landesherr des Teilfürstentums Anhalt-Bernburg – im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten – von 1630 an zum unerschütterlichen Leitfaden seiner Reichspolitik.


Anmerkungen
1 Gottlieb Krause (Hg.): Tagebuch Christians des Jüngeren, Fürst zu Anhalt: niedergeschrieben in seiner Haft zu Wien, im Geleite Kaiser Ferdinands des Zweiten zur Vermählungsfeier nach Inspruck, auf dem Reichstage zu Regensburg, und während seiner Reisen und Rasten in Deutschland, Dänemark und Italien, Leipzig 1858, S. 28-58. Diese ältere Edition folgt überwiegend einer zeitgenössischen Abschrift der Tagebucheinträge vom 25. November 1621 bis 4. September 1624 von unbekannter Hand [LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14a], die wiederum auf einer nicht selten gekürzten und ebenfalls bereits auszugsweisen, durch den fürstlichen Sekretär Sigismund Ladisla um 1650 in Konzeptform angefertigten Kopie der Diarien von 1621 bis 1627 [LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XXIV] basiert.
2 Vgl. Johann Christoph Beckmann: Historie des Fürstenthums Anhalt, Bd. 2, Teil V, Zerbst 1710, S. 330f.
3 Tagebucheintrag vom 10. Januar.
4 Vgl. Tagebucheintrag vom 18. Januar.
5 Tagebucheintrag vom 30. Dezember.
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