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Anhang (zu Nr. 13): Briefwechsel zwischen Karl V. und den Grafen von Mansfeld
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[Inhaltsverzeichnis]

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Die Mansfelder Grafen an Karl V., Mansfeld 19. Dezember 15481

[23r:] Allerdurchlauchtigster, großmechtigster, vnvberwundlichster keyßer vnd herr, Ewer key. Mayt. sindt vnnser vnderthenigste gehorsam vnnd gantz willige dinste alle tzeyt zuuorn. Aller genedigster keyßser vnd herr, Ewer key. Maytt. genedigste widderschriftte2 auff vnsere vnderthenigste gethon andewordt,3 die ordenunge des Jnterimß4 betreffende, haben wir Jnn aller vnderthenikeytt Empffangen vnd sindta Ewer key. Maytt. dorvor zum hochsten billich dangkbar, geruhenn auch Nochmalß der bewilgethenn artikel5 halbenn die vermoge voriger andeword anzurichtenn auff vnsern vnderthenigstenn Erbiethenn,6 b welche auch nuhe mher auffgericht vnd Jns werck bracht,b Nochdem aber Ewer kayserliche Mayestet weither genedigst begerenn, die vberigenn artikel, dorvonn Jnn vnser andtword ausdrugkliche meldunge mehr geschen auch Jns wergk zu richtenn, vnrichtikeyt vnd vngleicheyt auch nicht zu vrsachenn, alß wollen dorauff Ewer key. Maytt. Jnn aller vnderthenikeytt wir zu weitherm [23v:] berichtt anzutzeigenn nicht vnderlassenn, das der vberigenn artikel halb des mherenn theyls, dovonn das Jnterim meldett vnd wir Jnn vnser andttwordtt nicht specificirdtt, keynes sunderlichen Newenn anrichtens bedorff, dorumb das die Jnn vnser kirchenn, wie ann etzlichenn Enden geschen, nicht gefallenn, dann wißlich aller genedigster keyser vnd herr seynnc bey dem Sacrament der heylgennd tauff blibben die alten Ceremonien alß der exorcißmus, abrennotiatio,7 bekenthnus des glaubens vnd der glichen. So wordenn Jm amptt der meß gehaldenn der Jntroitus, kerieleyson, Et Jn terra, Collecten, episteln, alleluia, Sequentij, Gradua, euangelia, Symbolum apostolorum, prefatio,

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Sanctus, agnus dei, collecten vnd alßo bis zum Ende8 vnd soll das volgk vleysigk dorzu vermanet werdenn, wie dan bisher geschen. Die horae canonicae9 sollen alhir anstanthlos, do sie gestifftett vnd voralthers gehaldenn wordenn seyn,e bleiben, aber Jnn denn pffarkirchenn do nicht Stifftunge, sunder schulen seynn, Metten10 vnd vesper11 mith antyken psalmen, responsorijs, hymnis, magnificatt vnd anderm,12 wie es [24r:] Jnn der cristlichenn kirchen voralders geordenett, celebrirt werdenn. So ist Jn vnser herschaft die beicht vnd priuat Absolution Nymhals gefallen, sol auch Nechmalß doruber gehaldenn werdenn. Derglichenn habenn wir die lher vom hochwirdigenn Sacrament des leybs vnd bludts christi, wie die bey der heylgenn christlichen kirchen geweßen, nemlich dasf der leyb vnd blutt christi warhafftigk dorinneng sey, alle we

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ge erhalten13 vnd Jst dorzu die eleuation14 desselben blibbenn, wollenn auch die nicht abkomen15 lassen. Bey denn begrebnussen16 aber der todten Jst bey vns dysser brauch, das die alden responsoria vnd gesenge, so aus denn vigilien17 genommen vnnd sunst h christliche gesengei aus der heiligen schrifftth dorbey gesungen vnd also die begrebnus mith bethen vnd singen cristlich vnd eherlich celebrirt werdenn vnd vnsers verhoffens, weyl disses dem brauch der althen kirchen nicht vngleich, werden Ewer key. Maytt. des artikels halben der Jn gemeyn18 redett von begreb­nus [24v:] nach der aldenn kirchenn brauch19 mith vns genedigst auch zufriden seyn. So habenn wir auch vor etzlichen Monaten vnsere prediger Erforderd,20 Jnen auffs ernstliche gebothenn, widder Ewer key. Maytt. Ordenunge des Jnterimß nicht zu predigenn, redenn ader zu schreiben, das sie gewilligt vnd gehalthen, wilchs auch mith andernn vns zugehorig vnd vnderthone gleiche meynunge haben soll. Vnd Jst derhalben vnser ganz vnderthenigste vnd dinstlichste bitt, Ewer key. Maytt., alß vnser allergenedigster her, wolthe mith vorger,21 auch itzigenn vndertheniger andttwordtt mith vns genedig zufridenn seyn.j [25r:] Wollen auch sunstenn dobenebenn vns alles gehorsams mith darstreckunge22 Leybs vnnd guths nach hochstem vormogenn gegenn Ewer key. Maytt. alß vnser rechte, Naturliche vberkeytt hal

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thenn, vns auch nicht vermogenn23 lassen, Jmands widder Ewer key. Maytt. anhengigk zu werdenn, wie vns dann auch vnser Eydtt vnd pfflicht halben nichtt geburett. Ewer Maytt. wolthe vnser allergenedigster her seynn vnd blibenn etc. Das erkennen24 wir vns vmb E. Ro. Kay. Mat. aller vnsers hochstenn vermugens Jnn aller vnderthenikeyt Jnn alwege gehorsamlich zu uordienen schuldig vnd ganz willig. Datum Mansfelt den 19. decembris Anno etc. 48. Gebhart, Hansgeorge vnd Hans Albrecht25 etc.

Textapparat
a gestrichen: dorvor.
b b-b am Rand eingefügt für: „welche auch zum theyl Jns werck bracht vnd die andernn [ Zeremonien; vgl. Augsburger Interim XXVI (Von den ceremonien und gebrauch der sacramenten), 134-145] vermittelst gottlicher hulff so bald es vns moglich auffgerichtett werdenn sollenn.“
c gestrichen: wir.
d am Rand eingefügt.
e Zusatz am Rand gestrichen: „Mann hat nicht horas canonicas, sunder priuatos gehalten“.
f ursprünglicher Text: „vnder der gestaldtt des brotts vnd weyns“, zunächst am Rand korrigiert zu: „vnder brot vnd weyn“, dann vollständig gestrichen; vgl. Anm. g.
g am Rand zugesetzt.
h h-h am Rand eingefügt für: „von gelerten leuthen gemacht“.
i geändert aus: „lidder“.
j gestrichen: „Ob wir auch Jn der Eyl vnd kortz auffe yemand die bewilligthenn artikel fugklich [zweckmäßig] nicht anrichten kunthen, Eynheytt etlicher punct halben mith vns genedigste geduldtt tragen, weyl wir Nach gelegenheyt [Lage] vnser herschafft vnd vnderthonen, auch der vmbligenden Nachbarnn halben Jnn disser verenderunge bedechtiglich fharen [vorgehen] mussen. Doch soll ann voltzihunge der [25r:] selbigen keynn mangel vorstehenn.“ Zur politischen Abhängigkeit der Grafen von den wettinischen Kurfürsten und zum Umgang der Mansfelder Grafen mit dem Interim: vgl. Wartenberg, Interim in Mitteldeutschland, 235–242.

Kommentar
1 Konzept: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Rep. A 12a III Nr. 232, 23r-25r.
2 Brief Kaiser Karls V. an die Mansfelder Grafen vom 19. Oktober 1548. (Vgl. unsere Ausgabe Nr. 13, S. 723).
3 Brief der Mansfelder Grafen an Kaiser Karl V. vom 23. August 1548. (Vgl. unsere Ausgabe Nr. 13, S. 724–726).
4 Vgl. Augsburger Interim; DRTA.JR XVIII, 2, 1910–1948; PKMS III, Nr. 1095, S. 810–853.
5 Laienkelch und Priesterehe Vgl. Augsburger Interim XXVI (Von den ceremonien und gebrauch der sacramenten), 142.
6 Anerbieten, nach dem lateinischen Wort „propositio“ aber auch als „Darlegung, Bekanntmachung“ zu verstehen. Vgl. Art. Erbieten, in: DWb 3, 724.
7 Die Absage an den Teufel. Auch Luther behielt, vor dem Hintergrund seines Taufverständnisses als Herrschaftswechsel, in seinem Taufbüchlein den Exorzismus als liturgischen Bestandteil bei. Vgl. Peters, Kommentar 4, 89–91; Peters, Kommentar 5, 172–177; Jordahn, Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart, 400–411; Albrecht, Kasualtheorie, 49–62; Luther, WA 19, 531–541 (Das tauffbuchlin verdeudscht, 1526).
8 Die Grafen beschreiben hier den liturgischen Ablauf eines Gottesdienstes, der zunächst an den Ablauf einer Messe erinnert. Allerdings beziehen sich die von den Grafen genannten liturgischen Elemente fast ausschließlich auf den Wortgottesdienst. Die Elemente der sich anschließenden Abendmahlsfeier, beginnend mit der Präfatio, werden eher kursorisch geschildert. Der reformatorischen Rechtfertigungslehre folgend, bleiben das Offertorium und die Oratio super oblata unerwähnt. Insgesamt erinnert der hier beschriebene Ablauf eines Gottesdienstes an die Formula Missae et Communionis Luthers aus dem Jahr 1523 und weniger an dessen, den Gottesdienstablauf deutlicher ändernde, Deutsche Messe aus dem Jahr 1526. Vgl. Angenendt, Religiosität, 488–515; Missale Romanum, 9–22; Stählin, Geschichte des christlichen Gottesdienstes, 54–60; Müller, Ordinarium Missae; Beckmann, Proprium Missae; Luther, WA 12, 197–220 (Formula Missae, 1523); WA 19, 44–113 (Deudsche Messe, 1526).
9 Die Horae canonicae (Matutin, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Complet) sind Gebetszeiten im Laufe eines Tages, die durch die jeweiligen Wochentage und durch den Ablauf des Kirchenjahres eine jeweils unterschiedliche inhaltliche Prägung erhalten. Vgl. F. Probst, Art. Brevier, in: WWKL 2 (1883), 1257–1291; Albrecht Gerhards, Art. Stundengebet I (Geschichte), in: TRE 32 (2001), 268–276; Angelus A. Häussling, Art. Tagzeitenliturgie, in: LThk³ 9 (2000), 1232–1241; Goltzen, Der tägliche Gottesdienst.
10 Das Wort „Mette“ kommt von „Matutin“, dem Gebet, das in der Morgendämmerung gebetet wurde. Vgl. matutinum, in: Sleumer, 508; Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 233–237; F. Propst, Art. Brevier, in: WWKL² 2 (1883), 1258.
11 Die Vesper bezeichnet den Teil der Stundengebete im letzten Viertel des Tages. Vgl. Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 228f, 240–250; Karl Ernst Schrod, Art. Vesper, in: WWKL² 12 (1901), 869–871; Propst, Art. Brevier, in: WWKL² 2 (1883), 1258.
12 Während der Vesper wurden im Officium Romanum fünf Psalmen mit Antiphon gesungen. Die rezitierten Psalmen wechselten dabei von Tag zu Tag, so dass im Verlaufe einer Woche in der Vesper die Psalmen 109 bis 147 gesungen wurden. Vgl. Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 160, 228f. Als Responsorien bezeichnet man liturgische Texte bei denen ein Chor oder die ganze Gemeinde den von einem Sänger rezitierten Vers aufnimmt und gewissermaßen darauf antwortet. Vgl. Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 254–257, 265f; Karl Ernst Schrod, Art. Responsorium, in: WWKL² 10 (1897), 1096–1098. Gerade die Hymnen (Lieder) transportieren in der Vesper deutlich deren Grundmotiv, den Dank gegen Gott im Rückblick auf die erfahrene Gnade. vgl. Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 229. Besonders deutlich wird das Grundmotiv der Vesper im Magnificat, dem marianische Lobgesang, das den feierlichen Höhepunkt der Vesper darstellt. Vgl. Lk 1,46–54; Goltzen, Der tägliche Gottesdienst, 228f; Karl Ernst Schrod, Art. Vesper, in: WWKL² 12 (1901), 871.
13 behalten, bewahrt. Vgl. Art. erhalten, in: DWb 3, 835.
14 Luther behielt in seiner Deutschen Messe die Elevation von Hostie und Kelch (große Elevation) zunächst bei, bis sie in der Wittenberger Pfarrkirche durch Bugenhagen 1542 abgeschafft wurde, nachdem sie in der Schlosskirche anscheinend schon 1539 abgeschafft war. Vgl. Meyer, Elevation; Alfred Niebergall, Art. Abendmahlsfeier III. (16. bis 19. Jahrhundert), in: TRE 1 (1977), 287–310 bes. 290f; Wolfgang Hinz, Art. Abendmahlskelch, in: RGG4 1 (1998), 54f; Luther, WA 19, 99f. (Deutsche Messe, 1526).
15 Eigentlich „entfremden, losmachen“, hier im Sinne von „abschaffen“. Vgl. Art. abkommen, in: DWb 1, 63.
16 Zum Ablauf der Totenmesse: vgl. Friedemann Merkel, Art. Bestattung IV (Historisch), in: TRE 5 (1980), 743–749; C. Kreutzwald, Art. Begräbniß (kirchliches), in: WWKL² 2 (1883), 189–204; Angenendt, Religiosität, 677–683.
17 Vigil bezeichnet den Tag, der einem höheren Festtag vorausgeht (vgl. die Bezeichnung Ostervigil für den Ostersamstag). Allerdings wird auch das Officium bei Begräbnissen Vigil genannt. Vgl. Karl Ernst Schrod, Art. Vigil, in: WWKL² 12 (1901), 951–953; Angelus A. Häussling, Art. Vigil, in: LThk³ 10 (2001), 785–787.
18 allgemein. Vgl. Art. Gemein, in: DWb 5, 3170.
19 Vgl. Augsburger Interim XXIV (Von der gedechtnus der verstorbnen in Christo), 128–133.
20 einberufen. Vgl. Art. erfordern, in: DWb 3, 804.
21 vorheriger. Gemeint ist das Schreiben der Mansfelder Grafen an Karl V. vom 23. August 1548.
22 Hingabe, Aufopferung. Vgl. Art. Darstreckung, in: DWb 2, 794.
23 dahin bringen lassen. Vgl. Art. vermögen, in: DWb 25, 882–884.
24 anerkennen. Vgl. Art. erkennen, in: DWb 3, 868.
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