Text

Trostlied für Johann Friedrich von Sachsen (1548)
bearbeitet von Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]

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Einleitung

1. Historische Einleitung

Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war am Ende des Schmalkaldischen Kriegs auf der Lochauer Heide durch kaiserliche Truppen gefangengenommen worden und hatte sich auf Gnade oder Ungnade dem Kaiser ergeben. Dieser zeigte sich unnachgiebig und verurteilte Johann Friedrich zunächst zum Tode, dann begnadigte er ihn zu Gefangenschaft unbestimmter Dauer bei Verlust der Kurwürde und eines großen Teils seines Territoriums. Bei alldem hatte sich Johann Friedrich als standhaft und beherzt erwiesen. Im Juli 15481 trat der Kaiser mit einer neuerlichen Zumutung an ihn heran, nämlich mit der Aufforderung zur Umsetzung des Interims in den ernestinischen Teilen des Landes Sachsen. In dieser Situation, da im Stammland der Reformation das Erbe Luthers, die Wahrheit des Evangeliums hochgradig gefährdet schien, formulierte Greff sein Trostlied für Johann Friedrich. Aus dem Text lassen sich mehrere Absichten des Verfassers erschließen: 1. ideelle Unterstützung für Johann Friedrich und Bestärkung in seiner bis dahin gezeigten Kompromisslosigkeit, was Glaubensfragen anbelangte; 2. Beeinflussung der öffentlichen Meinung, die in Teilen Johann Friedrich die Schuld am Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs gab, nämlich als Folge der Fehde gegen Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, und nicht wahrhaben wollte, dass der Kaiser darin nur einen willkommenen Anlass gefunden hatte, längst gehegte Absichten in die Tat umzusetzen und zum vernichtenden Schlag gegen das Evangelium im Reich auszuholen. Wenn die Bereitschaft der Untertanen stieg, zur Verteidigung der Freiheit des Evangeliums notfalls auch Leiden auf sich zu nehmen, erleichterte dies für Johann Friedrich die Entscheidung, die Einführung des Interims abzulehnen. 3. Wurde die öffentliche Meinung dahin beeinflusst, dass sie eine ablehnende Haltung ihres Fürsten und seiner Söhne gegenüber dem Interim guthieß und für richtig hielt, so ergab sich damit zugleich ein zusätzliches Gegengewicht gegen eine mögliche Annahme des Interims, weil diese dann auf Unverständnis bei den Untertanen gestoßen wäre.2

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2. Der Autor

Joachim Greff3 wurde um 15104 in Zwickau als Sohn des dortigen Kantors Paul Greff geboren. Ab 1529 studierte er in Wittenberg und wurde Lehrer in Halle und Magdeburg, schließlich wohl 1535 Rektor der Dessauer Lateinschule. Für den Schulbetrieb verfasste er zahlreiche Dramen meist nach biblischen Vorlagen, aber auch die erste gedruckte deutsche Übersetzung einer antiken Komödie für Schulaufführungen stammt aus Greffs Feder, eine Versübertragung der Aulularia des Plautus.5 Anlässlich einer Schulaufführung zu Himmelfahrt 1543 wurden Unstimmigkeiten zwischen Greff und einem Teil der Dessauer Geistlichkeit offenkundig, so dass Greff sich um Unterstützung nach Wittenberg wandte. Er erhielt sie neben andern auch von Luther selbst, der in einem Brief an Greffs Landesherrn, den Fürsten Georg von Anhalt, die Verurteilung von harmlosen Schulaufführungen missbilligte, man solle nicht Neutrales als verdammungswürdig hinstellen.6 Wohl ab 1549 stand Greff als Pfarrer in Roßlau bei Dessau, hier starb er im November 1552 mit seiner Ehefrau7 an der Pest.

3. Inhalt

Der Verfasser formuliert aus der Perspektive des ehemaligen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen: Dieser ist gefangen, angeblich als besiegter Landfriedensbrecher, tatsächlich aber als Bekenner des Evangeliums. Ehemalige Freunde und Verwandte, Nachbarn und Bekannte wenden sich gegen ihn, obwohl er ihnen nur Gutes erwiesen hat und kein Mordbrenner ist wie Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Treiben er Einhalt geboten hat. Johann Friedrich und die Seinen wollen sich das Evangelium und die deutsche Freiheit nicht vom Papst nehmen lassen. Die Farce eines angeblichen Konzils zu Trient kann daran nichts ändern. Der Kaiser ist schlecht beraten, verhetzt und irregeführt. Man ist ihm Gehorsam schuldig, solange er sein Amt recht gebraucht, aber wenn er sich als Tyrann aufspielt, muss man ihm entgegentreten und Widerstand leisten. Hätte Johann Friedrich die Machenschaften im Zusammenhang mit dem Trienter Konzil geduldet oder gar unterstützt, dann hätte er keine Schererei

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en zu befürchten gehabt, im Gegenteil. Noch tut man, als sei das Interim eine fromme Unternehmung, tatsächlich aber hat man es auf die protestantische Konfession und auf die Freiheit des Vaterlandes abgesehen. Dagegen hat Johann Friedrich angekämpft, und deshalb ist er jetzt gefangen. Die öffentliche Meinung verurteilt Johann Friedrichs Verhalten bislang noch, als habe er den Krieg verursacht. Das Kreuz kommt, man muss Verfolgung leiden und sträubt sich. Mit dem Interim und seiner „ungesunden Lehre“8 will man Deutschland das ewige Gut nehmen. Weltlicher Besitz hilft nicht gegen Teufel, Tod und Hölle, allein das Evangelium hilft, und um das zu behalten, muss man das zeitliche Gut und notfalls das Leben daransetzen. Christus allein bleibt unsere Hoffnung. Mit dem Dank für das Evangelium verbindet sich die Bitte um Abwehr der falschen Lehre und der Wunsch, Gott möge auch den Kaiser von der Wahrheit des Evangeliums überzeugen, damit er selig wird. Der Juli 1548 hat für Johann Friedrich einen besonders schweren Schicksalsschlag gebracht, nämlich die Forderung nach Einführung des Interims, aber mit Gottvertrauen kommt er darüber hinweg und hält am Evangelium, an Gottes Wort fest. Was Johann Friedrich leidet, hat Gott als Strafe für seine Sünden verhängt, aber er straft die Seinen väterlich. Land und Leute stehen in Gottes Hand, er nimmt und gibt. Auch wenn er sich eine Weile zornig stellt, hat doch seine Barmherzigkeit kein Ende. Gott ist treu und führt nicht in die Irre. Christus schenkt uns seine Gnade und Gerechtigkeit statt unserer Sünden; wir haben Gott zu danken für die Sündenvergebung durch das Amt der Schlüssel, das er seinen Dienern verliehen hat. Johann Friedrich freut sich auf das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott und allen Gläubigen, hofft aber zugleich auch noch auf Befreiung in diesem Leben. Gott weiß die rechte Zeit. Johann Friedrichs Söhne sollen sich selbst und ihren Vorfahren keine Schande machen, ihre Mutter in Ehren halten, an Gottes Wort festhalten. Jedermann soll für Johann Friedrich beten. Freund und Feind möge Gott nicht länger widerstehen, sondern zufrieden sein mit dem, was ihnen rechtmäßig zusteht, treu sein und Frieden halten, denn die Welt hätte ihn nötig. Gott möge seinen Frieden schenken!

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann folgende Ausgabe: A: Ein Trostlied zu || Ehren dem gefangnen Crist || lichen Churfrsten / HERtzog Jo= || hans Fridrich . gestelt an freunde vn || Feinde auff den thon . Mag ich || Vnglck nicht widerstan / || Jm Jar . 1548. || Ach es ist verkehrt alle Welt || Wie gar starck leit vntru zu feldt. || Wie hart leit gerechtickeit gfangen / || Hoch thut vngerechtickeit prangen. || Warheit man schweigen mus vnd sol || Liegen ist kein schand vberall. || Doch lieg die Welt gleich ymerhin || So wil ich dir mit rechtem sinn || Die Warheit sagen so from ich bin. [8] Blatt 8° (VD 16 G 2990) Vorhanden: Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8° H. sax. reg. I, 4006 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 925.17 Theol. (31) [benutztes Exemplar]9 Der Text des Liedes ist abgedruckt bei Rochus von Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen, IV, 433–441 (Nr. 560).10

Kommentar
1 Vgl. Strophe 36.
2 Es kann kein Zweifel bestehen, dass Obrigkeiten im frühen 16. Jahrhundert von der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung nicht in gleichem Maße abhängig waren, wie gewählte Regierungen in demokratischen Gemeinwesen des 21. Jahrhunderts es sind, dennoch zeigen die in unserer Ausgabe versammelten Texte deutlich, dass diese öffentliche Meinung, die nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks in ihrer Entwicklung erheblich gefördert wurde, von den Verfassern der Texte allemal für relevant gehalten wurde. Vgl. Burkhardt, Reformationsjahrhundert, 48–64.
3 Zur Vita vgl. Heinz Wittenbrink, Art. Greff, Joachim, in: Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon, 4 (1989), 321; WA.B 10, 284f (im Anschluss an Buchwald, Anfänge); Seidel, Greff.
4 Seidel, Greff 11f, meint aus Erinnerungen Greffs auf ein Geburtsjahr um 1500 schließen zu müssen, allerdings ist das kaum zwingend, denn Greff differenziert offenbar nicht eindeutig zwischen vier- und dreitägigen Aufführungen der Freiberger Pfingstspiele, so dass er auch die Aufführungen von 1516 und 1523 „als ein kindt und junger knab angehort und gesehn“ haben könnte.
5 Zu Greffs Bedeutung für das Drama der Reformationszeit vgl. Holstein, Dramatische Litteratur, passim, bes. 22–25. 48–51.
6 Vgl. Martin Luther an Fürst Georg von Anhalt, Wittenberg 5. April 1543: WA.B 10, (284) 286 (Nr. 3862).
7 Am 14. Oktober 1537 hatte Greff in Dessau Anna Treutler geheiratet. Vgl. Seidel, Greff, 13.
8 Vgl. Strophe 27.
9 Mikrofiche-Ausgabe bei Hans-Joachim Köhler, Flugschriften des späteren 16. Jahrhunderts, Serie IV, Fiche Nr. 739, Text Nr. 1342.
10 Liliencron ordnet das Lied dem Jahr 1547 zu, wohl weil Johann Friedrich 1547 in Gefangenschaft geriet, aus dem Text des Liedes geht aber eindeutig hervor, dass es nicht vor Mitte 1548 gedichtet sein kann (jedenfalls in der veröffentlichten Form), denn das Interim ist explizit erwähnt in Str. 19.
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