Text

Der Grafen zu Mansfeld Antwort (1548)
bearbeitet von Johannes Hund / Jan Martin Lies / Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]

|| [723]

|| [A 2r:] Carll von Gots gnaden Rmischer Keyser, zu allen zeiten
mehrer1 des Reichs etc.

Wolgebornen lieben getrewen, wir haben Ewer Schrifftlich antwort auff vn-
ser schreiben, die ordnung des Jnterims betreffende, empfangen vnd dessel-
(5)ben inhalts gnediglich, auch Ewer gehorsam erbieten,2 das jr derselben vnser
ordnung, so viel mglich, nachsetzen3 wollet, gnediglich vernomen. Vnd ist
darauff vnser gnedig begeren, gesinnen vnd vermanen, jr wollet dasselbige
nicht allein in den gewillichten Artikeln, sondern in den vbrigen auch in das
werck richten4 vnd Euch hirin von andern gehorsamen Stenden nicht abson-
(10)dern noch vnrichtickeit vnd vngleicheit in einer gemenen sach verursachen,
auch Ewere vnterthanen vnd zugehrigen dahin weisen vnd furnemlich die
Predicanten dazu halten, das sie vermge5 des Buchstabens6 dawider nicht
reden, predigen noch schreiben, sondern sich demselben gemeß halten vnd
ertzeigen. Daranne thut jr vnsern gefelligen ernstlichen willen vnd meinung
(15)vnd begeren hierauff Ewer ferrer7 antwort. Geben in vnser Statt Brssel8 am
xviij. tag des Monats Octobris Anno im xlviij., vnsers Keyserthumbs im
xxviij.
Ad mandatum caesaris et catholicae maiestatis proprium.9

|| [724]

|| [A 2v:] Der Grauen von Mansfelt auff die Keiserliche Declaration10
Antwort.

Allerdurchleuchtigster, großmechtigster, vnberwindligster Keiser vnd Herr,
E. Key. Ma., seind vnser gantzwillige vnterthenige vnd schldige dienste
(5)allezeit zuuor. Allergnedigster Herr, E. Key. Ma. Declaration, die Religion
betreffend, haben wir ina aller vnterthenigkeit empfangen, verlesen, bewogen
vnd darin soviel befunden, das E. Key. Ma. vns vnd andere Ewere vnterthane
in den furnempsten Artikeln, wie wir vor Gott gerecht werden sollen, gantz
Veterlich, gnediglich vnd Christlich bedacht, indem E. Key. Ma. Declaration
(10)mit sich bringt, das vnsere Rechtfertigung durch das vortrauwen vnd den
glauben auff den verdienst vnsers Herrn Jesu Christi stehe, welcher glaube
aber nicht tod oder ein vorgeblig wan,11 sondern durch die liebe vnd gute
wercke tettig ist vnd wirckt.12 Dadurch wir auch bey der lere, so bishero in
vnser Herschafft gewesen, bleiben Vnd seind E. Key. Ma. fur solche
(15)ertzeigte gnade vnd woltath zu hgsten billich danckbar, erkennen auch, das
wir dargegen E. Key. Ma. nach Gott beide, in eusserlichen, weltlichen, auch
was vnser heilige Religion vnd glaubens sachen anlangt,13 so viel jmmer
mglig vnd thunlig, gefelligen gehorsam zu leisten schldig sein, vnd wllen
darauff bey vnsern Predigern die verfgung14 thun, das der lere von der liebe
(20)vnd guten wercken neben dem glauben zum aller fleissigsten ge- || [A 3r:]
trieben werden sol, wie dann bisher auch geschehen. Weil wir auch befun-
den, das E. Key. Ma. durch die Confusion vnd zerruttung, so in etzlichen
Kirchen gewesen, zum hchsten bewogen – auch vnsers erachtens nicht
vnbillich – vnd solliches mit auffrichtung der frigen Kirchenordnung15
(25)abzuschaffen gnedigst willens, als wollen wir E. Key. Ma. zu vnterdenigstem
gehorsam solliche ordnung an den enden,16 da sie gefallen, widerumb an-
nemen vnd durch verliehung Gttlicher gnaden alle alte gesenge vnd Cere-
monien, wie die in der Christlichen Kirchen auff ein jede zeit geordnet,
etzliche hundert jar gehalten vnd sich mit dem Hauptartikel der Rechtferti-
(30)gung, dauon droben gemeldet, vnd Gotts Wort vergleichen oder deme nicht
zuwider sein, zum furderligsten auffrichten, wie dann dieselbige bishero des

|| [725]

mehren teils blieben,17 den Bischoffen jr recht vnd was jnen zustendig ge-
staten, der zuuersicht, sie werden vermge E. Key. Ma. Declaration
die sachen also furnemen, das es nicht ad destructionem vnd wider Gotts Wort
vnd ordnung, sondern ad aedificationem gebraucht werde.18 So sollen die
(5)Priester, gewnliche Kirchenkleidung vnd Kirchenschmuck, da sie erhalten,
bleiben, da sie auch gefallen, widerumb gebraucht werden,19 vnd die Feste,
dauon die Declaratio meldet, in vastem20 Brauche der Sacrament vnd
dergleichen bleiben vnd gehalten werden vnd was in sollichen sachen zu
aberglauben missbraucht, auch aus gnedigster E. Key. Ma. zulassung hind-
(10)angesetzt21 werden.22 So ist auch niemand kein mas oder verboth gescheen,
fur die Todten zu bitten, oder der Heiligen gebett zu begehen.23 b Wir wollen
auch, soviel an vns ist, frdern, || [A 3v:] das die Prediger die sachen dahin
richten vnd die leute vermanen, wie bisher gescheen, das Communicanten
furhanden vnd die Mess auff zeit, wie die Declaration meldet, zum gedecht-
(15)nus des eini­gen opffers vnsers Herrn Jesu Christi am Creutze in vnser Her-
schafft gehalten werden mge.24 Ob wir aber den Canonem in der Mess im
frigen stand nicht bringen,25 ist vnser gantz vntertenigste, denstliche bitte,
E. Key. Ma. wolte gelegenheit26 vnser Herschafft gnedigst bewegen vnd vns
entschldigt wissen. Dann Allergnedigster Keiser vnd Herr, es ist mit vnser
(20)Herschafft also gelegen,27 das das mehrerteil des volcks Berckleute, welche
nicht viel zu verlieren, auch leichtlich zu bewegen, dauon zu lauffen, mit
grossem zwang auch nicht gedruckt sein wllen.28 Doch gleichwol die
wolfart der gantzen Herschafft an jnen gelegen vnd wir soviel wissen, ob wir
gleich darauff dringen, das die Prediger alle abzihen vnd daraus verwstung
der predigt vnd Sacrament folgen, wir auch nach verlierung der Prediger
vnsers leibs vnd lebens fur dem Berckuolck nicht sicher vnd auffruhr des
(5)gantzen volcks gewertig sein wrden. Do auch gleich E. Key Ma. vns zu
hlff kemen, das wir jrer mechtig sein kndten, so wrden doch die Berck-
leute den zwangk nicht leiden, sondern also die wenich haben, aus der Her-
schafft lauffen, das Berckwerck verlassen. Da wir dann andere nicht beko-
men kndten, eine solliche verwstung folgen, welche entlich verterben vnd
(10)vnterganck derselbigen vrsachen vnd vns widerumb solchs auffzurichten vn-
mglich sein wrde. Nachdem wir dann anderst nicht sagen knnen, dann
das E. Key. Ma. vnser vorfarn vnd vns fur andern mit son- || [A 4r:] derlichen
gnaden ye vnd alle wege gemeint,29 alle vnsere besserung frdern vnd scha-
den furkomen helffen, welchs wir auch fur vns in diesen ferlichen leufften
(15)im werck vielfeltig befinden, auch derwegen nach Gott alle vnser hoffnung
vnd trost auff E. Key. Ma. setzen, das vnterthenigst vertrawen vnd zuuersicht
auch jtziger vnd kmpfftige zeit zu derselbigen in vnterthenigkeit tragen
wllen, das sie sich nachmals vnser annemen, vnd was zu errettung vnser
seele vnd seligkeit, leibs, ehr vnd guts ntig sein mchte, sich gnediglich vnd
(20)veterlich als vnser allergnedigster Keyser vnd Herr ertzeigen werden. So
bitten wir derhalben auffs aller vnterthenigst, E. Key. Ma. wolt in diesen
sachen, da vnser verterben vnd vntergang aus erzalten vrsachen zu befaren,30
auch zuforderst vnser seligkeit anne gelegen, gnedigst gedult mit vns tragen,
so wollen wir vns in vnsern Regimenten also ertzeigen, das es zu Gotts ehr,
(25)auch zu erhaltung guter zucht, friedes vnd einigkeit dienen vnd E. Key. Ma.
gefallen sol, daneben auch der vielfeltigen erzeigten gnad vnd woltat nim-
mermehr vergessen, sondern vns als vnterthenige gehorsame vnd danckbare
Grauen beweisen vnd bitten vntertheniglich, E. Key. Ma. wolt vnser gne-
digster Keyser vnd Herr sein vnd bleiben. Das erkenne wir vns31 c etc. Anno
(30)1548c.

Textapparat
a  im Manuskript stattdessen: abwesens der andernn vnnser freundtlichenn liebenn vetternn vnnd
bruder den dreitzehenden dieses monats augustj zu vnser anheimsch kunfft.
b  im Manuskript folgt: soll auch noch einem yderm freyhe pleybenn.
c c-c im Manuskript stattdessen: vmb Ewer Römischen Keyserlichen Mayestet vnsers hochsten
vermugens jn aller vnderthenikeit jn alwege gehorsamlich zuuordienen schuldig vnd ganz willig,
datum Mansfelt den 23 Augusti Anno etc. 48 E. Rö. Kay. M. vnderthenigste vnd gehorsame
diener Gebhart, Hansgeorge, Hansalbrecht vnd Hansernst etc.

Kommentar
1  Vermehrer, Vergrößerer. Seit Ludwig IV. im 14. Jahrhundert findet sich dieser Begriff als
Übersetzung des lateinischen „Augustus“ in der offiziellen römisch-deutschen Kaisertitulatur.
Vgl. Art. Mehrer, in: DWb 12, 1894.
2  Angebot. Vgl. Art. Erbieten, in: DWb 3, 724.
3  besonders verfolgen. Vgl. Art. nachsetzen 2), in: DWb 13, 124.
4  durchführen. Vgl. Art. richten II.B.7.a), in: DWb 14, 878.
5  gemäß. Vgl. Art. Vermöge, in: DWb 25, 881f.
6Karl V. bezieht sich auf das in der Vorrede des Interims enthaltene Verbot, gegen das Augsbur-
ger Interim zu lehren, zu schreiben oder zu predigen. Vgl. Augsburger Interim, Vorrede, 34f.
7  weitere. Vgl. Art. fern III, in: DWb 3, 1535.
8Brüssel war eine Residenz des habsburgischen Hauses Österreich-Burgund und damit häufiger
Aufenthaltsort Karls V. Vgl. Kohler, Karl V., 49–54.
9  „Auf persönlichen Befehl des Kaisers und der katholischen Majestät“. Der Ad-mandatum-
Vermerk leitet im Schlussprotokoll frühneuzeitlicher Kaiserurkunden die Unterschriften der
kontrasignierenden kaiserlichen Beamten ein. Vgl. Pauser, Quellenkunde, 232f.
11  Vorstellung, Illusion.
12  Die Grafen von Mansfeld beziehen sich mit ihrer Interpretation auf Augsburger Interim
IV–VII, 42–57.
13  anbelangt. Vgl. Art. anlangen, in: DWb 1, 391.
14  den Befehl. Vgl. Art. Verfügung 3.b), in: DWb 25, 358f.
15  Gemeint ist die vorreformatorische Ordnung.
16  Stellen. Vgl. Art. Ende II, in: DWb 3, 448.
17  Vgl. Augsburger Interim XXVI, 134–139.
18  Vgl. Augsburger Interim XX, 92–95.
19  Vgl. Augsburger Interim XXVI, 136f.
20  festem, beständigem. Vgl. Art. fest 4.h), in: DWb 3, 1561.
21  nicht berücksichtigt. Vgl. Art. hintan, in: DWb 10, 1482.
22  Vgl. Augsburger Interim XXVI, 138–143.
23  Vgl. Augsburger Interim XXIII–XXIV, 122–135.
24  Vgl. Augsburger Interim XXVI, 134–137.
25  Die Wiedereinführung des Kanons, d. h. des Hochgebets im römischen Messritus, in evange-
lischen Gottesdiensten war im Interim gefordert worden. Vgl. Augsburger Interim XXVI, 136f.
26  die Umstände. Vgl. Art. Gelegenheit 2.b.β), in: DWb 5, 2943f.
27  bestellt. Vgl. Art. gelegen 3.a), in: DWb 5, 3927f.
28  Der Abbau von silber- und kupferhaltigem Schiefer in der Grafschaft Mansfeld begann um
das Jahr 1200. Kaiser Karl IV. belehnte die Mansfelder Grafen im Jahre 1364 mit dem Bergregal.
Dies ermöglichte es, Abbaurechte am Bergbau an Einzelpersonen zu verleihen und Steuern ein-
zuziehen. Durch das Bergregal wurde die Ausbildung der Landesherrschaft befördert und die
Stellung der Grafen als Reichsfürsten gestärkt. Durch Innovationen im technischen Bereich und
dem damit verbundenen raschen Produktionsanstieg im 15./16. Jahrhundert erlebte die Grafschaft
Mansfeld einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung. Mit den Hüttenmeistern entstand eine
neue soziale Schicht von Kleinunternehmern. Die gute Konjunktur im Bergbau ermöglichte einen
raschen Aufstieg und zog viele Fremde aus benachbarten Gebieten an. Auch den Grafen kam
dieser Aufschwung finanziell sehr zugute. Die Mansfelder Grafen befürchteten, durch eine kon-
sequente Umsetzung des Interims, kulminierend in der Wiedereinführung des auf der Transsub-
stantiationslehre basierenden Messopfers, ihre wichtigste Einnahmequelle zu verlieren, da sie den

|| [726]

Fortzug der Hüttenmeister erwarteten. Von daher erklärt sich ihre strikte Opposition gegen die
Wiederreinführung des Canon Missae. Vgl. Wartenberg, Bergbau, in: Knape, Luther und der
Bergbau
, 29–41.
29  gegen uns gesinnt waren. Vgl. Art. liegen 5.c), in: DWb 12, 1929.
30  befürchten ist. Vgl. Art. befahren 1), in: DWb 1, 1246.
31  bekennen wir. Vgl. Art. erkennen 7.c), in: DWb 3, 869.
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