Text

Eine Predigt wider das Interim (1548)
bearbeitet von Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]

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|| [A 1v:] Gottes Gnad vnnd mein willige dienste zuuorn. Besunder geliebter freundt,1 dieweil ich euch zuuorn eine vermanung zur bestendigkeit im heiligen Gtlichen wordt zugeschickt vnd darinnen ferner mich erbotten, vrsachen anzuzeygen, warumb niemandt das JNTERJM anzunehmen oder darein zu willigen sey, also vbersende ich euch hirmit einen Sermon, den ich gestern gethan vnd darnach auffs krtzte inn ein summa verfast vnnd auffs papir bracht habe; damit nehmet itzt inn eil vor gut, biß das ander hernach folge. Datum den 24. Septembris Anno 1548.2

|| [A 2r:] Sermon vber das Euangelium Luce xiiij. Von dem Wasserschtigen.3

Jch achte niemandt mehr zu vnsern zeiten so vnuerstendig, der da nicht wste, was fur eine spaltung jtzt in der Religion were vnd wie die widersacher vns solchs schult geben;4 darum sich auch viel leute hoch bemhen, dieselben auffzuheben. Vnnd seind jhr viel, die nicht wissen, wie sie sich darein schicken sollen,5 werden daruber geergert6 vnnd dencken, man knte hirinnen auff vnser seiten vmb friedes willen wol etwas nachgeben, vnnd haben sich auch sonderliche leute darinnen ein mittel vmb einigkeit willen zu treffen vnterstanden.7 Aber sie sind zu lange außgewesen vnnd hetten ehr kommen mssen.8 Denn diese spaltung ist nicht jtzund zu vnsern zeiten erst angefangen, besonder9 hat von der welt anfang bis auff Christum Vnd von Christo bis auff vns gewehret. Denn vmb dieser vrsach willen schlug Cain seinen bruder, den frommen, vnschldigen menschen Abel, todt.10 Vber dieser spaltung seind alle Propheten vmbkommen vnd erwrget worden.11 Jnn dieser spaltung stehet hie Christus mit den Phariseern auch im kampff vnnd

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gilt jhme seinen hals, leib vnnd leben.12 Wenn nun da ein Julius Pflug13 oder Eißlebe14 gewesen were, der den hader gericht hette, so mchte auch wol zu vnsern zeiten einigkeit ge- || [A 2v:] macht knnen werden. Weil es aber dazumall nicht geschehen vnd vorblieben vnd nu die sachen jhe lenger jhe weiter eingerissen, ist zu besorgen,15 es werde nhumehr auch nichts darauß, denn dieweil Christus, der Herr vnnd meister, ja der Sohn Gottes vnnd die ewige weißheit selbst, der sachen nicht hat raten knnen, so werden wir es auch nicht enden, denn ehr saget selbst, Luce. vj., der Jnger sey nicht mehr denn der meister.16 Darumb ist mhe vnnd arbeit verloren vnnd eitel thorheit, wer sich die sachen der Religion zu uorgleichen vnd zu uortragen vnterstehen will, denn hie17 sein zwo partey, die Phariseer vnnd Christus, die seind auch vber der Religion vnd sonderlich den Sabbath zu feiern vneins vnd wil keine der andern weichen, ist niemant, der sie scheiden wolt oder knte, denn es wil ein jglicher teil seiner sachen recht haben. Die Phariseer geben fr, sie seind fromme leute vnd halten den Sabbath, Christus aber breche denselben vnd sey ein Ketzer, dieweil ehr am Sabbath die leut gesunt macht, vnnd Christus weis sehr wol, das sie jhme den Wasserschtigen menschen derhalben dargestelt haben, ob sie jn vber demselben fahen vnnd vmb sein leben bringen mchten; da kert er sich aber gantz vnd gar nicht an, weicht jhnen auch nicht vmb ein har, besonder dieweil ehr weis, das sie das an jhm straffen, das er am Sabbath die krancken gesunt macht, fert ehr fort, thut es jhnen zu trotz nur Als deste ehr vnd lieber, doch also, das ehr sie zuuorn, dieweil sie one vrsachen auff jhn zornig waren, noch zorniger mache, indeme das ehr sie in jrer || [A 3r:] weißheit vnd anschlegen18 vor jderman zu spot vnd schanden machte. Denn er fraget sie erstlich selbst darumb, ob es sich auch zime oder nicht, am Sabbath die krancken zu heilen; darber die klugen Junckern19 gestrzt werden vnnd wissen nicht, was sie sagen sollen, schweigen schlechts20 stil darzu; das ist jhre hohe weisheit, die hat hie so balde ein ende, darber sie sich doch zuuor so lange bedacht vnd radt gehalten hatten. Dieweil sie denn nicht sagen oder beweisen knnen, das es vnrecht sey, den menschen gesunt zu machen, vnnd gleich eben auch am Sabbath, fehrt der Herr Christus fort vnd richt sein werck aus, antwort aber jhnen vnd beweist

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aus jhren eigen taten vnnd wercken, das ehr nicht, besondern vielmehr sie den Sabbath brachen, wenn jhn jemand vnter jhnen beiderseits brechen sol, denn ehr ist der Herr des Sabbaths, Matth. xij.21 Vnnd dieweil sie selbst am Sabbath jhr vihe, so in gefar seines lebens kumpt, erretten vnnd aus der gruben zihen vnd ist es aber nicht vnrecht, einem vihe am Sabbath zu helffen, so mssen jhe dis verstockte bse leute sein, die das als vnrecht verdammen, wenn man einem menschen, der weit edler vnnd mehr denn alle thier auff erden ist, hilfft vnd gesunt macht.22 Zu deme, wie ehr jhnen Matth. xij.23 auch auff diese disputation antwort, so die Priester im tempel nicht sndigen, wenn sie am Sabbath opffern, schlachten, siden, kochen vnd braten, dieweil es zum dienst Gottes gehort, wieviel weniger ists snde, so dem menschen, der zuuor kranck vnnd vngesunt gewesen vnd also Gott widder dienen, loben noch dancken || [A 3v:] hat knnen, seine gesuntheit wider gegeben wirt, auff das ehr darnach auch als deste frlicher Gott inn seinem thun, von dem er solche woltat entpfangen hat, dancken, loben vnd preisen vnd seinem negsten ntz sein, auch sein ampt vnd beruff deste besser vnd lustiger24 mit vleis ausrichten mge, gleich also Joan. am vij.25 wirfft Christus seinen feinden auch vber diesen streit der Religion fr, so sie am Sabbath den Menschen vmb des gesetz Mosi willen beschneiden, warumb solt man den nicht auch den gantzen menschen am Sabbath gesunt machen, so doch vmb des menschen willen (als solt er sagen) nicht allein das Gesetz gegeben ist, besonder auch der Son Gottes auff erden kommen, mensch worden vnd sein blut vergossen hat. Darum ist es eitel verstockt vnd blindt dingk mit den Phariseern, denen es wider vmb Gottes ehre, gesetze oder vmb des menschen wolfart, besonder allein vmb jhr eigen gewalt, gut, ehre, ja neidt vnd has zu thun ist, denn sie Christo Jhesu spinnenfeindt26 sein vnd jm der ehre nicht gnnen, das er der Son Gottes sey, wie er das mit seien Gtlichen wercken beweist, vnd das sie von jme vngestrafft sein wollen, seine lehre wieder27 hren, sehen noch leiden mgen; darumb suchen sie vrsachen, wie sie knnen, jhn vnd seine lehre vnderzudrcken vnd auszurotten. Wie sol jm aber nun Christus hirinne thun?28 Die Phariseer wollen jme inn nichte weichen, die doch mit eitel lgen vnd mordt vmbgehen vnnd wider nach Gottes ehre oder jres negsten heil fragen, besonder allein das jre

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suchen, darzu al- || [A 4r:] le jre tiraney, vngerechtigkeit vnnd bosheit mit dem Sabbath vnnd Gottes gesetze schmcken, darzu mit gewalt schtzen vnd verteidigen wollen. Christus aber ist von Gott, seinem Vater, gesandt, dem menschen zu helffen vnd denselben nicht allein gesundt, besonder auch selig zu machen. Thut ehr nun das vnd richtet sein Gtlich ampt vnd befehl aus, so wirt vneinigkeit inn der Religion, die hohen Potentaten, Phariseer vnnd schrifftgelerten, wie du sichst,29 werden erzrnet, vnd mus heissen, Christus breche den Sabbath, das ist: er sey ein ketzer vnd auffrrer, der vneinigkeit mache; thut er es denn nicht, so wirt ehr seinem Vatter vngehorsam, richt sein ampt nicht aus vnd lest die armen menschen, den sonst niemandt helffen kan noch wil, inn jrer angst, not vnd elendt stecken. Nun rathe hie zu, meister Eisleben vnnd Julius Pflug, welcher einer dem andern weichen sol, Christus oder die Phariseer, damit inn der Religion einigkeit gemacht werden mchte! Die Phariseer aber, wie du sichst, wollen es nicht thun, denn sie seint zu stoltz vnd gewaldig30 darzu; sol es denn Christus thun, so wirt er sein Ampt nicht recht ausrichten vnnd mus des menschen heil daruber verseumet, Gottes ehre vndergedrckt werden vnd seine Barmhertzigkeit vnerkant bleiben, alle Gtliche verheissung von des menschlichen geschlechts erlsung falsch sein vnd Christus seine ehre vnd namen, das er Gottes Son vnd der welt Heylant sey, verlieren. Darumb dorfft31 ehr hir wol kluger leut, die guten radt geben, damit die sache getroffen mcht werden. || [A 4v:] Dieweil aber jhene von jhren Lgen, Neydt vnnd hass nicht weichen noch abstehen32 wollen, lest sich Christus dncken, es wolle jme auch nicht zu weichen gebrn, trit derhalben frisch hinzu vnd greifft den wasserschtigen an,33 macht jhn gesundt vnnd lest jhn gehen,34 lest aber seyne feinde darber zrnen, so lange sie wollen, vnd slte auch nmmermehr kein einigkeyt oder vergleichung inn der Religion gemacht werden. Aber doch hetten die klugen leuthe wol ein mittel treffen knnen,35 wie die Jden zwar selbst traffen, Luce. xiij., da sie sagten: „Sein nicht sechs tage inn der wochen? Daran kombt vnd last euch heylen.“36 Also mcht man hie Christo geraten haben, das ehr den Krancken vff den nachfolgenden tag, der nicht Sabbath gewesen were, hette wiederkommen heissen vnd jhn alßdenn gesundt gemacht, denn were ehr so lange kranck gewesen, mcht ehr ja noch einen tag haben harren knnen, so hette es kein gefahr gehabt. Ja lieber, wenn die Phariseer damit hetten zufriden sein wollen, denn es war jhnen auch nicht vmb den Sabbath zu thun, welchen sie selbst nicht achten noch

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hielten, daran sie Frassen, Suffen, hielten radt, machten mrderische anschlege wieder Christum, den vnschldigen menschen vnd lebendigen Sohn Gottes, ja wucherten, Kaufften vnd verkaufften im Tempel auch am Sabbath, darumb sie denn Christus zwier37 bey den helsen heraussen gestossen vnd vber die kpff geschlagen hat. Es war jhnen aber vmb den grol, bittern neidt vnd haß zu thun, den sie wider Christum vnnd seine Lehre gefast hatten; dem || [B 1r:] waren sie, wie er Joan. xv.38 aus der schrifft bezeuget, vmbsonst vnd one alle vrsachen feint vnd trachten teglich darnach, wie sie vrsach zu jhm fnden39 vnd jhn vmb sein Ampt, Werck vnd Lehre vnderdrcken mchten. Dieweil es jnen denn darumb zu thun war, so wil Christo auch gar vmb kein har zu weichen gebrn, der wil auch wider wenig noch viel mit jhnen eins sein vnd seindt sie vor einmal zornig auff jhn, so macht ehr sie nhun dreymal mehr schelliger,40 denn ehr macht sie erstlich vber jrem anschlag zuschanden, hebet darnach eine predigt ahn, decket jhren hochmut vnd stoltz auff vnd macht sie ffentlich schamrot, gibt auch dem wirt sein Tranckgelt,41 lehret jhn, wenn er ein andermal geste laden wil, das ehr nicht solche vortzweifelte42 buben43 laden soll etc. Des hett ehr ja alles wol knnen vberhaben sein44 vnd vmb friede vnd einigkeit willen vnderlassen mgen, welchs aber meister Eisleben Christum hette lehren sollen, denn der hat nicht gewust, das solcher gestalt frid vnnd einigkeit erhalten werden knt. Ja wer wolte aber auch die Phariseer gelert haben, das sie nicht so gifftig vnnd bse vber Christum, den Herrn, das vnschuldige Lamb Gottes, gewesen weren vnnd jhren eigen falschen gefasten haß vnnd neidt hetten faren lassen? Denn wenn das gescheen were, so hett man leichtlich zur einigkeit kommen mgen, dieweil aber das nicht geschicht vnnd solchs die Phariseer weder Eislebe oder Michel Sidonius45 vberreden kan, so ist alles vmbsonst. Thu auch, was du wilt, vnd bleib wol beym spruch Chri- || [B 1v:] sti, Matt. xj.:46 „Klagen wir euch, so weinet jhr nicht. Pfeiffen wir euch, so tantzt jhr nicht“, denn diese art ist zu vngeschlacht,47 man kan nichts mit jhr ausrichten, es

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bleibt darbey, wie sie Johannes Math. iij.48 teufft: „jhr Otterngezichte“,49 vnd Christus das kindt nennet Math. xij.,50 „ein Ehebrecherische vnd verkerte art“, da wieder haut noch har gut an ist, die auch allein alles, so gut vnd recht ist, als da alle werck vnd wort Christi sein, verfelscht vnd gifftig verkert, auch damit vmbgeht,51 wie sie Got sein ehre stelen vnd den menschen jr heyl rauben mchte, derwegen weicht jhnen hie Christus in dem geringsten vnd allerwenigsten auch nicht. Wer nun zu diesen zeiten wissen wil, wie er sich inn der spaltung der Religion halten sol, der lerne es hie von Christo: Ein JNTERJM ist verhanden, das sol das mittel zur einigkeit sein vnd ist doch Christo, seinem wort vnd befehl stracks entkegen vnnd zuwieder gestelt. Das, spricht Eisleben, mustu annemen, wilt du anders nicht spaltung inn der Religion anrichten. Ja wer ist vns aber gut darfr, das darnach einigkeit werden mcht, dieweil der hadder so lange geweret vnd bißher nicht geschlicht hat mgen werden? Zudem aber, so sagt Christus nein darzu, denn er wil mit seinem wort nicht alleine nicht weichen, besunder52 wil auch, das es ewig bleiben sol.53 Aber wie, wenn dieses JNTERJM eben der falstrick were, damit, wie hie im Euangelio die Phariseer inn dem wasserschtigen Christo nach leib vnd leben stellen, auch zu vnsern zeiten die Jnterimisten Christo nach seiner Gtli- || [B 2r:] chen ehre vnd seiner armen Christenheit nach Leib, gut vnnd der Seelen seligkeit, heil stnden, dieweil es die reine, clare lehre des heiligen Euangelij also verfelschet vnnd vertunckelt, darzu gar vnnd gantz vnderdrcken vnnd alle falsche Abgtterey des Bapstumbs mit Meßhalten, anruffung der Heyligen vnd anderm, welchs alles Christo vnd seinem Wort stracks zuwieder ist, widerumb auffrichten vnd gehalten haben wil? Darumb so wil keinem Christen anders gebren, denn solch JNTERJM von sich zu weisen vnnd inn keinem weg54 anzunemen, auch das wenigste darinnen nicht zu bewilligen, solte auch nimmermehr kein einigkeit inn der Religion gemacht werden knnen, dieweil es Christi, des Herrn, ehre so gar mit fssen trit, jhm sein wordt felschet vnd des menschen heil seinen eigen wercken zuschreibet; vnnd es gilt hie nicht klug sein, besunder entweder bekennen oder verleugnen vnd nicht auff tzweien achseln tragen;55 „wer nicht mit mir ist,“ spricht Christus Math. xij.,56 „der ist wider mich,“ vnnd „wer mich bekent vor den menschen, den wil ich bekennen vor meinem

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Himmelischen Vatter,“ Math. x.57 Denn es kan vnd mag dieser hader vor dem Jngsten tage doch ia nicht gescheiden werden, so ist auch niemant Richter darber den Jhesus Christus, der Her, allein, welcher sitzt zur rechten Gottes vnd zukunftig ist, zu richten die lebendigen vnd die todten. aldar58 werden alsden inn seiner zukunft gar frlich erscheinen vnnd den hern mit freuden entgegenzihen, wie Paulus sagt,59 vnnd mit einem guten gewissen jhre heubter vnnd augen zu jhm auffheben,60 || [B 2v:] die itzt seinen namen bekennen, vber seiner Gtlichen ehre halten vnd bestendig inn seinem heiligen wort bleiben. Ob sie gleich JNTERJM61 inn diesem hader etwas erdulden vnnd erleiden msten, so wirdt doch jhre Ehre, Gloria vnnd freude dort ewiglich also viel dester herlicher vnd grosser sein, dargegen aber die andern, so itzt sein wort verfolgen, seine Gtliche ehre lestern oder seinen namen zu bekennen sich schemen vnd frchten, die werden sich auch hernachmal solcher jrer verleugnung inn ewigkeit schemen mssen vnd, wie Christus Luce xxiij.62 saget, schreien: „Jhr perge fallet vber vns vnnd bedeckt vns!“ Aber es wirt jhnen nicht so gut werden, besonder werden fr die person vnnd Gtliche Maiestat Christi, so sie itzt verleugnen vnd verlestern, auch fr seinem Richterstul inn gegenwertigkeit aller heiligen auserwelten, die sie itzt verfolgen, schenden vnd schmehen, herfrtretten vnd alda das Gericht jhrer werck entpfahen mssen, da sie den mit ewigen schanden von dem angesichte Gottes inn die eusserste finsternuß, daraus sie inn ewigkeit nymermehr kommen mgen, gestossen sollen werden, da sie alsdenn wol flen werden, was sie itzund gethan oder angericht haben, denn solche jre Gottslesterung lest sich also nicht vnter die banck stossen,63 vertuschen vnnd ausleschen, wie du hie im Euangelio sihest vnd hrest; denn das haben jhn die Phariseer ia nicht gedacht, das die ehre Christi so lang bleiben vnnd so weit ausgebreitet, jhre schand aber offentlich an den tag gebracht vnd in die gantze welt geschrieben vnd gepredigt werden solte, wie her64 gescheen || [B 3r:] vnd auff diesen heutigen tag geschicht. Also sollen auch alle die, so das JNTERJM gemacht haben, schtzen, hanthaben65 oder annehemen, wissen, das auch jhre schande, dieweil sie sich wider die Gttliche warheit aufflegen, dieselben verfolgen oder verleugnen, nymmermehr auffhren, auch kein ende haben wirt. Welche auch noch hie auff erden angehen vnnd, so lange die welt stehet, weren, inn der Heiligen

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Christlichen Kirchen mit Schreiben, Predigen, Singen66 vnd Lesen außgebreitet werden vnnd darnach inn ewigkeit bleiben wirdt; denn was Gottes ehr vnd wort anlangt, das muß ewig bleiben. Darumb auch dieselben Feinde ewig gestrafft werden vnnd nicht also das maul wischen67 vnnd darvon gehen knnen, wie sie meinen, als ob sie nye da gewesen; denn du hrest, das der Phariseer,68 des hohen Priester Caypha,69 des falschen Richters Pilati,70 Judae des vorreters71 schande vnnd straff noch weret vnnd inn fnffzehenhundert jaren auch hie auff erden nicht auffgehort hat - one was sie dort inn jenner welt leiden mssen, dieweil sie sich am Sohn Gottes, an seiner Ehre vnd dem Gttlichen wort also vergriffen haben. Dargegen aber weret auch das schne, herliche bekentnus Joseph von Arimathia vnd Nicodemi, die Christum den Hern mit ehrn zu der erden bestatet vnnd darber jhr leib vnd leben gewaget haben, auch noch72 vnd wirt in der heiligen Christlichen Kirchen gemalet, geschrieben, gepredigt vnd on vnterlaß hoch gerhmet vnd gepreiset, wie auch des Weibes werck, wel- || [B 3v:] che dem Hern das heubt salbet, davon der Herr selber Math. xxvj.73 saget, das man solchs jhr zu ehren gedencken sol, wo das Euangelium inn der gantzen welt geprediget werden wirt, dieweil es jhm zu ehren vnd trost inn seinem leiden gescheen ist, wie auch noch die malzeit Lasari vnd seiner Schwestern, so jhnen zu der zeit auffnamen, do ehr sonst von der gantzen welt verlassen vnd von den Jden bis inn den tod verfolget wardt,74 auch noch weret vnnd durch die predigt des heiligen Euangelij gelobet vnd gepreiset wirt, vnnd sol darzu solch lob vnnd ehre aller auserwelten inn ewigkeit nicht auffhren. Darumb so wisse nun ein jederman was er thu, sehe sich eben fr vnd nehme seiner sachen wol war, las jhme sein guth vnd ehre, zeitlichen nutz, Leben oder fride nicht zu hoch gelieben, auff das ehr solchs alles inn ewigkeit nicht gar vorliere, kere sich auch nicht an die klgling75 vnd naseweisen76 zu vnsern zeiten, die da frgeben, das sie fride vnd einigkeit inn der Religion machen wollen, denn die kunst wirt jhnen feilen,77 sie seint viel zu wenig vnd iung dartzu, auch zu lange aus gewesen, vnnd werden in ewigkeit zuschanden darber werden mssen.

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Es folge aber hie ein jederman vnnd sonderlich, wer selig werden wil, Christo Jhesu dem hern nach, halt vnd stehe im Glauben fest, bleibe bey der einmal erkanten warheit Jhesu Christi vnsers hern vnd seinem heiligen Gtlichen worte, so wirt auch vnser herr Jhesus Christus || [B 4r:] widderumb bey vns fest stehen vnd vns fr Got, seinem Hymelischen Vater, vnd der gantzen welt widerumb fr die seinen bekennen, das ist: bey ewigen ehren, heil vnd seligkeit vmb seins Heiligen Gtlichen namens willen erhalten vnd vns fr allen seinen vnnd vnsern Feinden zeitlich vnnd ewig verteidigen, schtzen vnnd handthaben.78 Amen. ♣

Kommentar
1  Zu der Anrede vgl. die Einleitung, oben S. 699 unten.
2  Montag nach dem 17. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest 1548.
3  Wassersucht bezeichnet mehrere, heute in der Medizin differenziert beurteilte Krankheitsformen, die mit abnormer Ansammlung von Körperflüssigkeit in bestimmten Regionen des menschlichen Körpers verbunden sind.
4  uns dafür verantwortlich machen. Vgl. Art, Schuld II.6.a), in: DWb 15, 1885.
5  wie sie sich dazu verhalten sollen, wie sie damit umgehen sollen. Vgl. Art. schicken 2.d), in: DWb 14, 2651f.
6  nehmen Anstoß daran. Vgl. Art. ergern, in: Götze, 67.
7  und haben es einzelne Leute unternommen, in den Streitfragen um der Einheit willen einen Kompromiss zu erreichen.
8  Die Gelegenheit für derartige Einigungsversuche ist längst verstrichen. Vgl. auch Ex 32,1.
9  sondern. Vgl. Art. besondern, in: DWb 1, 1633.
10  Vgl. Gen 4,8.
11  Vgl. Mt 5,12; 23,37.
13Julius von Pflug, der altgläubige Bischof von Naumburg-Zeitz, war einer der Mitverfasser des Entwurfs zum Interim. Vgl. Herbert Immenkötter, Art. Pflug, in: TRE 26 (1996), 449–453.
14Johann Agricola, aus Eisleben gebürtig, Generalsuperintendent der Kurmark, war als reformatorisch gesinnter Vertreter an der Abfassung des Interimsentwurfs beteiligt. Vgl. Joachim Rogge, Art. Agricola, in: TRE 2 (1978), 110–118.
15  steht zu befürchten. Vgl. Art. besorgen 2.a), in: DWb 1, 1635.
16  Vgl. Lk 6,40.
17  In der Perikope, die Medler in seiner Predigt auslegen will, Lk 14,1–14.
18  Vorhaben. Vgl. Art. Anschlag, in: Götze, 11.
19  eingebildeten Laffen (ironisch). Vgl. Art. Junker 5), in: DWb 10, 2401.
20  schlichtweg, einfach. Vgl. Art. schlechts 2), in: DWb 15, 545f.
21  Vgl. Mt 12,8.
22  Vgl. Mt 12,11f.
23  Vgl. Mt 12,5.
24  rühriger, munterer, mit größerer Freude. Vgl. Art. lustig 3), in: DWb 12, 1340.
25  Vgl. Joh 7,22f.
26  „todfeind, feindlich gesinnt wie eine spinne, so feind wie die spinnen untereinander sind, denn die gröszeren weibchen fallen die kleineren männchen an, töten sie und saugen sie aus“; vgl. Art spinnefeind, spinnenfeind, in: DWb 16, 2512–2514.
27  weder.
28  Wie soll sich aber nun Christus unter diesen Umständen verhalten?
29  siehst.
30  arrogant, anmaßend.
31  bedurfte.
32  Abstand nehmen.
33  berührt den Kranken.
34  Vgl. Lk 14,4.
35  einen Kompromiss finden können. Vgl. Art. Mittel 9), in: DWb 12, 2386.
37  zweimal. Vgl. Art. zwier, in: DWb 32, 1159–1162. Die Tempelreinigung steht im Evangelium nach Johannes am Anfang von Jesu öffentlichem Wirken (Joh 2,13–17), bei den Synoptikern folgt sie auf Jesu Einzug in Jerusalem am Beginn der Leidensgeschichte (Mt 21,12–17 par); eine harmonisierende Betrachtung der Evangelien führt dazu, zwei Tempelreinigungen anzunehmen.
38  Vgl. Joh 15,25 mit Bezug auf Ps 69,5.
39  wie sie einen Vorwand gegen ihn fänden.
40  wütender. Vgl. Art. schellig 2.b), in: DWb 14, 2502f.
41  Trinkgeld; hier metaphorisch: auch der Gastgeber erhält die ihm gebührende Zurechtweisung, Lk 14,12–14. Vgl. Art. Trankgeld 4.b), in: DWb 21, 1227.
42  verkommene. Vgl. Art. verzweifeln C.2.c.α), in: DWb 25, 2691f.
43  Schurken; vgl. Art. Bube 5), in: DWb 2, 460f.
44  Von all dem hätte er Abstand nehmen können. Vgl. Art. überheben I.B.6.a.β), in: DWb 23, 308.
45Michael Helding, als Mainzer Weihbischof Titularbischof von Sidon, einer der Mitverfasser des Interims. Vgl. Ernst Reiter, Art. Helding, in: TRE 15 (1986), 15f.
47  grob, roh. Vgl. Art. geschlacht 6.a), in: DWb 5, 3899.
48  Vgl. Mt 3,7.
49  Otterngezücht, Schlangenbrut.
50  Vgl. Mt 12,39.
51  darauf sinnt, danach strebt. Vgl. Art. umgehen B.8.c), in: DWb 23, 916.
52  sondern. Vgl. Art. besondern, in: DWb 1, 1633.
53  Vgl. I Petr 1,25.
54  auf keinen Fall, keineswegs. Vgl. Art. Weg II.C.3.b.δ), in: DWb 27, 2919f.
55  Vgl. Art. Achsel 1.4.6.8.9, in: Wander, 1 (1867), 20; vgl. ferner I Reg 18,21; Mt 6,24.
58  Dort. Vgl. Art. alldar, in: DWb 1, 216.
59  Vgl. I Thess 4,17.
60  Vgl. Lk 21,28.
61  zwischenzeitlich, unterdessen. ‚Interim‘ ist hier in seiner eigentlichen Funktion als Adverb gebraucht.
63  verheimlichen; vgl. Art. Bank 1), in: DWb 1, 1106–1108, bes. 1107.
64  bisher, seither. Vgl. Art. her II.1), in: DWb 10, 1003f.
65  durchführen. Vgl. Art. handhaben 3), in DWb 10, 394f.
66  Vgl. die Schmählieder gegen das Interim, etwa unsere Ausgabe Nr. 19: Erasmus Alber, Von Grickel Interim (1548).
67  den Mund abwischen (nach beendeter Mahlzeit); Medler nimmt die Metapher aus der Gastmahl-Szene, die im Predigttext geschildert wurde.
68  Vgl. Mt 23,1–36.
69  Vgl. Mt 26,57–59.
73  Vgl. Mt 26,13.
74  Vgl. Joh 12,1–11.
75  Besserwisser. Vgl. Art. Klügling, in: Götze, 137.
76  Vorwitzigen, Überklugen. Vgl. Art. nasenweis, naseweis 1), in: DWb 13, 417f.
77  misslingen. Vgl. Art. feilen 1.b), in: DWb 3, 1423f.
78  schirmen, beschützen. Vgl. Art. handhaben 6), in: DWb 10, 395f.
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