Einleitung
1. Historische Einleitung
Nachdem
1 Christian III. in der sogenannten Grafenfehde den Sieg über seine Gegner davongetragen hatte, trieb er die lutherische Reformation
Dänemarks energisch voran; schon als
Herzog von
Schleswig und
Holstein hatte der Sohn
Friedrichs I. in seinem Lehen um
Hadersleben die Reformation
begünstigt. Unter maßgeblicher Mitwirkung
Johannes Bugenhagens2 wurde im August und September 1537 die offizielle Einführung der Reformation feierlich bekundet.
Bugenhagen krönte das Königspaar und
ordinierte sieben Superintendenten, unter denen
Peder Palladius als Bischof von
Seeland, königlicher Ratgeber und Professor an der wiedereröffneten Universität
Kopenhagen die Führung innehatte. Auch die neue Kirchenordnung wurde stark von
Bugenhagen beeinflusst, der insgesamt etwa zwei Jahre mit seiner Familie
in
Dänemark blieb, ehe er nach
Wittenberg zurückkehrte und seinen dortigen Dienst wieder aufnahm.
Christian III. war persönlich
sehr an theologischen Fragen interessiert und gilt als überzeugter Lutheraner, zugleich hatte er einen ausgeprägten Sinn für Realpolitik.
Dänemark war im April 1538 durch einen
Sondervertrag dem Schmalkaldischen Bund beigetreten. 1544 schloss
Christian III. mit Kaiser
Karl V. einen Freundschaftsvertrag und verhielt sich in
der Folge im Hinblick auf die kaiserliche Religionspolitik im Reich neutral.
3 Dabei trug zu
Christians III. vorsichtig taktierender Haltung gegenüber dem Kaiser bei grundsätzlicher Ablehnung des Augsburger Interims nicht unwesentlich auch der Umstand bei, dass
Christian III. mit
Karl V. zeitgleich wegen der Belehnung mit
Holstein in Verhandlungen stand .
Als am 25. Juni 1548 jenes Schreiben vom 30. Mai
4 in
Hamburg eintraf, in dem der Kaiser die Einführung des Interims verlangte, wandte sich der Hamburger Rat alsbald an den dänischen König.
5 Der Brief des Rates datiert vom
29. Juni 1548. Unter demselben Datum sandten die Hamburger Prediger das Interim an
Peder Palladius und dessen Kollegen, damit diese
auf den dänischen König Einfluss nähmen, der mutmaßlich den Text vom Kaiser gesandt bekommen habe.
6 Obgleich der Brief des Rates an den König im Schreiben der Hamburger Prediger mit keinem Wort erwähnt wird, ist gleichwohl davon auszugehen, dass das parallele Vorgehen beider Gruppen genau aufeinander abgestimmt und abgesprochen
war. Wenig später, am 8. Juli 1548, sandte Herzog
August von Sachsen, der jüngere Bruder des Kurfürsten
Moritz, ebenfalls eine Abschrift des
Interims an König
Christian III., seinen Schwiegervater in spe,
7 nebst einem Gutachten der Wittenberger Theologen,
8 am 12. Juli antworteten
Palladius und seine Kollegen ihren Hamburger Amtsbrüdern, der König habe vom Kaiser das Interim noch nicht erhalten, anscheinend kenne er es aber
schon,
9 denn er lehne es dezidiert ab.
10 Am 14. Juli antwortete der König dem Hamburger Rat hinhaltend, im Sinne seiner Politik der Zurückhaltung. Er empfahl dem Rat, sich dem Kaiser gegenüber als nicht ausreichend informiert darzustellen und zu behaupten,
man kenne das Interim nur in Teilen, da der Kaiser seinem Schreiben kein Exemplar des Interims hatte beilegen lassen.
11 Auf den Brief aus
Wittenberg hin hatte
Christian III. seine Theologen mit einem Gutachten beauftragt. Der Antwortbrief der Theologen an den König ist vom 11.
August datiert.
12 Peder Palladius und
Johannes Machabeus erarbeiteten ein ausführliches Gutachten zum
Interim, das sie dem Kanzler der Universität
Kopenhagen übergaben, und zusätzlich einen kurzen Auszug mit den wichtigsten Punkten zur Orientierung für den König.
13 Beide Gutachten blieben zunächst ungedruckt,
14 bestärkten aber den König in seiner weitgehenden Ablehnung des Interims und trugen dazu bei, dass das Interim in den dem Reich zugehörigen Gebieten unter dänischer Herrschaft nicht eingeführt wurde, geschweige dass man es für die Gebiete
außerhalb des Reiches freiwillig übernommen hätte. Auch
Gustav I. Wasa, nach Auflösung der Kalmarer Union zwischen
Dänemark,
Norwegen und
Schweden seit 1523 König von
Schweden, hatte
Christian III. um nähere Auskünfte zum kaiserlichen Religionsedikt und zu den
theologischen Stellungnahmen ersucht und vertrat daraufhin einen entschieden ablehnenden Standpunkt gegenüber dem Interim.
2. Die Autoren
Peder Palladius15 wurde im Jahre 1503 geboren. Nach einer Zeit als Rektor in
Odense, in die wohl auch die Heirat mit
Kristine Pedersdatter fällt, ging
Palladius 1531 nach
Wittenberg, wo er bis 1537 blieb. Er wurde von
Luther zum Doktor der
Theologie promoviert. Am 2. September 1537 wurde er mit sechs anderen neuen Bischöfen von
Johannes Bugenhagen, den König
Christian III.
zur Neuorganisation des dänischen Kirchenwesens ins Land gerufen hatte, zum Bischof von
Seeland mit Sitz in
Kopenhagen geweiht. Als solcher war er inoffizieller Primas der dänischen Kirche. Er
unternahm zahlreiche Visitationsreisen, war oberster Leiter des Unterrichts- und Sozialwesens, Theologieprofessor in Kopenhagen und theologischer Berater des Königs. Gemeinsam mit
Johannes Machabeus
schrieb er für den König unter anderem Gutachten über das Interim (1548) und über die Osiandrischen Streitigkeiten (1552); im Laufe seines Lebens veröffentlichte er mehr als 80 Schriften in dänischer, isländischer,
polnischer, deutscher, englischer und lateinischer Sprache. Im Jahre 1560 starb
Peder Palladius hoch geachtet in
Kopenhagen.
John MacAlpine16 entstammte dem schottischen Adel. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt, 1532–1534 war er Prior des Dominikanerklosters in
Perth, wurde der Häresie bezichtigt und musste
fliehen. Zunächst führte sein Weg nach
England, wo er 1537 das Bürgerrecht erhielt und sich mit
Agnes Macheson verheiratete.
17 Die Reaktion in
England 1539 ließ es geraten erscheinen, auch von dort fortzugehen.
MacAlpine kam zunächst nach
Köln, wo er
das theologische Baccalaureat erwarb, am 25. November 1540 immatrikulierte er sich schließlich an der Universität
Wittenberg, am selben Tag wie
John
Rogers.
18 Von
Melanchthon erhielt
MacAlpine den Gelehrtennamen Machabeus. Am 3. Februar 1542 wurde er Lizentiat, am
9. Februar 1542 Doktor der Theologie. Noch im selben Jahr erhielt er eine theologische Professur an der Universität
Kopenhagen.
Johannes Machabeus war
einer der Übersetzer der Lutherbibel ins Dänische. Auf Bitten König
Christians III. von Dänemark und Norwegen blieb
Machabeus in
Kopenhagen,
obwohl man ihn mehrfach in seine schottische Heimat zurückberief. Am 5. oder 6. Dezember 1557 starb er in
Kopenhagen.
3. Inhalt
Das ausführliche Gutachten behandelt der Reihe nach sämtliche Abschnitte des Augsburger Interims und untersucht sie auf ihre Vereinbarkeit mit reformatorischen Erkenntnissen, wobei neben der biblischen Überlieferung auch die kirchliche Tradition in Gestalt
der Schriften der Kirchenväter ausgiebig Berücksichtigung findet. Das kurzgefasste Gutachten übernimmt die einleitenden Sätze des ausführlichen Textes, formuliert dann aber eigenständig und fasst die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen, wobei
die Abschnitte zu den Themen Rechtfertigung, Ekklesiologie und Sakramentenlehre eine etwas ausführlichere Würdigung erfahren, alle übrigen werden äußerst summarisch abgehandelt. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass das Augsburger Interim
unannehmbar sei, weil es die Wiedereinführung der aus guten Gründen abgeschafften altgläubigen Irrtümer und Missbräuche vorsehe.