Flacius Gallus Bedencken
verfasst von Flacius Gallus
[Inhaltsverzeichnis]

Vorrede.


[A 2r:]

Es haben vns viel fromer Christlicher Leute sehr offt vermanet vnd angehal-
ten, das wir doch das Leiptzigsche Jnterim offentlichen wolten in Druck
geben vnnd ausgehen lassen, auff das der rechte grundt vnd vrsprung jtziger
(5) handelung an tag keme vnd menniglich1 daraus die not vnd vrsachen selbs
sehen moͤchte, warumb wir so hefftig widder die Adiaphora odder mittel-
dinge bißher gestritten haben.

Sintemal2 viel leute sich duͤncken liessen, sagten auch etliche, das wir on alle
billiche3 vrsach viel schreien vnd fechteten, so doch nirgendts kein4 feindt
(10) vorhanden ist. Ja sie achtens dafur, das wir vnns vieleicht treumen liessen,
als weren etwan Adiaphoristen vorhanden, die der Religion abbruch thun
wolten, welcher doch nirgendts keiner nicht5 sey. Vnd darumb vnser schrei-
ben vnnuͤtz vnnd vergeblich, ja auch schedtlich achten, das wir also die
kirche Christi one vrsache vnrugig6 machen vnnd frome, ehrliche Leute (die
(15) doch jhrer vorigen Kirchen ordnung vnnd Lere halben, die sie biß daher
behalten, offentlich entschuͤldiget sein) beruͤchtigen.7

Vnd wiewol wir vermercketen, das solchs [A 2v:] jhr begeren seine grosse,
wichtige vrsache hette, that vns auch nicht vnbillich sehr wehe, das wir in so
einer Christlichen sachen, da wir on allen eigen nuͤtz mit vnser grossen muͤhe,
(20) schaden vnd gefahr gegenwertigen verfelschungen vnser christlichen Religion
widderstrebeten, also einen boͤsen lohn auch von vnsern Mitbruͤdern in Chri-
sto empfingen, jedoch war diß vnser antwort gegen Gott, vnser eigen gewis-
sen vnd gegen denselben guten Leuten:

Weil vnser meinung8 eigentlich nie were gewesen, jrgendts einen Menschen
(25) zu beruͤchtigen, sondern nur den jtzigen gottlosen Adiaphoristischen hande-
lungen an jhnen selbs zu widderstehen vnd zu wehren, welchs so wir mit
vnserm schreiben etlichermassen9 ausrichten moͤchten, so hetten wir vnserm
wunsch vnd begeren gleich gnuͤge gnug than; hetten derhalben mit dem Text
des Leiptzigschen Jnterims bisher noch gern inne gehalten, damit die grossen
(30) Leute, so dasselbige geschrieben vnd gefordert10 haben, vnd wir noch jmer
besserung von jhnen hoffeten, nicht vberzeuget, offentlich fur allen fromen,
bestendigen Christen zuschanden wurden.

Hieneben hatten wir auch diß bedencken, das es der Kirchen nicht nuͤtze
were, das alle Leute wissen solten, das solche Hochgelarte Menner hetten
also boͤse stuͤcke bewilliget vnd in die Kirche wollen bringen, fuͤrnemlich zu

|| [368]

der zeit, da der handel von mitteldingen noch [A 3r:] nicht gar erkleret, die
Jnterimistischen verenderungen in vollem schwang gingen, das ansehen der
Adiaphoristen noch alzu gros vnnd die Leute dawidder vngeruͤstet waren.
Zudem besorgten wir vnns auch,11 wo die Adiaphoristen, offentlich vberwei-
(5)set,12 die that nu mehr nicht leugnen koͤndten, das sie, dadurch bewegt,
anfangen wuͤrden, dieselbige vnuerschampt13 zu uertedigen, vnd moͤchten
also viel arme Leut durch jhre schrifft verfuͤret vnd zu den Jnterimistischen
verenderungen gereitzet worden sein. Achteten derhalben der Kirchen vnd
jnen selbs nuͤtzlicher zu sein, das sie, durch Gottes wort inn vnsern Schrifften
(10) vorher vberzeugt, sich des Adiaphoristischen handels schemen, jhn verleug-
nen vnnd etlichermassen verdammen moͤchten.

Diß sindt die vrsachen, vmb welcher willen wir widder vieler fromer, christ-
licher vnd verstendiger Leute beger vnd willen das Leiptzigsche Jnterim
bißher nicht haben woͤllen ausgehen vnd vns vmb derselben willen viel lieber
(15) haben von den Adiaphoristen verunglimpffen lassen, als hetten wir sie
felschlich angegeben vnd weren die, welche in Landen empoͤrung, in Kir-
chen vnruhe vnnd spaltung anrichteten.

Vnnd hetten zwar solche schmach noch ferner wol dulden vnnd leiden koͤn-
nen, denn wir ja wissen, das vnser ehre nicht von dieser Welt ist, da14 wir
(20) nicht daneben mercklich spuͤ-[A 3v:]reten, das diese vnsere schmach vnnd
schendung, so zwar nicht allein vns, sondern auch andern mehr gelerten
Leuten, die gleicherweise mit vns solchen jtzigen verenderungen widder-
sprechen vnd zur bestendigkeit vermanen, zum grossen nachteil vnd merckli-
chen schaden der waren vnd reinen Religion selbs gereichten.

(25) Denn also Argumentiren die Adiaphoristen:

Erstlich, wir haben in vnsern Kirchen nichts geendert, haben auch kein Jnte-
rim geschrieben noch vnns einigem vnterschrieben. So ist auch nirgendt kein
new Jnterim. Darumb so sein wir gar rein vnd entschuͤldigt.

Zum andern, sein wir denn nu des vnschuͤldig, so beschuͤldigen vns Jllyricus
(30)15 vnd die andern freuentlich, felschlich vnnd boͤßlich. Vnd solte derhalben sol-
cher Leute vnnuͤtze geschrey vnnd vnnoͤtige vermanung zur bestendigkeit
nicht allein verachtet, sondern auch auffs eusserste verfluchet wer­den.

Zum letsten, weil die luͤgen Jllyrici vnd anderer boͤser Leute, so es mit jhm
halten vnd vermanen zur bestendigkeit, auch alle confutationes oder widder-
(35)legungen der Adiaphoren nichts zu achten sindt, so sol man sich derhalben
auch widder die jtzigen kleinen verenderungen nicht setzen, als nemlich die
nicht so boͤse sindt, wie die Buben16 plaudern duͤrffen.


|| [369]

Diß krumme, weitleufftige,17 sophistische18 argument vnd Teuffelische luͤgen
haben wir alzu spet (fuͤrnemlich aber aus des Pfeffingers [A 4r:] Buch)19
vermercket. Denn wer hette sich des jmmer mehr versehen, das aus solchem
geringen grundt vnd auff vnser Christlich einfeltiges bedencken vnd wolmei-
(5)nung20 so vbel vnnd schedtlich solte gefolgert odder geschlossen werden?
Derhalben solchem betrug des Teuffels zu begegenen, haben wir numahls
den Text des Leiptzigsche Jnterims selbs mit der Glose21 druͤcken vnd aus-
gehen lassen wollen, auff das jederman grundt vnd vrsach dieses handels
wissen vnnd den reissenden Wolff, so inwendig im Schaffstal verborgen, die
(10) gantze herde Christi des Herrn auff ein hauffen zu verschlingen willens,
doch sehen vnd erkennen muͤge, auch daneben vrteilen, das die nicht durch
geringe, wie die Adiaphoristen vorgeben, sondern durch groswichtige vrsa-
chen getrieben werden, die den jtzigen zerruͤttungen vnserer Kirchen widder-
stehen, dawidder rathen vnd helffen.

(15) Vnd das sey nu gesagt von den vrsachen, warumb das Leiptzigsche Jnterim
jtzundt allererst vnnd nicht ehe durch vnns im Druck ausgegangen ist.

Damit aber menniglich zu sehen habe, das wir inn dieser sachen nichts vnbe-
dachtsam handeln vnd gnugsame wichtige vrsachen haben, so wollen wir
derselben hie noch zwo in sonderheit hinzu setzen: Die erste ist, das auch vn-
(20)sere nachkomen (sol die Welt anders lenger stehen) doch sehen, wie der
Teuffel mit [A 4v:] so wuͤnderlichen practicken,22 listigen rencken vnd mit
alle seinem hoͤchsten vermuͤgen an die liebe Kirche zu dieser zeit gesetzet
hatt, wie kaum es verblieben,23 wo Gott solchem boͤsen anschlag24 vnnd vor-
haben des Teuffels nicht aus sonderlichen gnaden gewehret hette, das es vmb
(25) die gantze Religion geschehen were, die jtzt also leichtlich auff ein mahl
verfelscht vnd vnterdruͤckt hette muͤgen werden, vnnd lassen jhnen eben
diese vnsere jtzige zeiten ein Exempel sein, wie sie sich fortan auch fur den
stricken des Sathans huͤtten vnnd bey reiner Christlichen Religion bestendig-
lich bleiben muͤgen, jr vertrawen auff Menschen odder einige Person (sie sey
(30) auch so gelert, from vnnd hoch, wie sie woͤlle) alzu sehr nicht stellen, darne-
ben gleichwol auch an der gnedigen huͤlffe Gottes, wie fehrlich die zeit jmer
sey, dennest25 nicht verzagen. Denn wir ja fuͤrwar, wie wirs gewißlich erfah-
ren, zeugen26 muͤssen, das Gott eben inn diesen vnsern gefehrlichsten zeiten

|| [370]

neher bey vns gewesen, mehr bey vns gethan hat, denn wir jmer hetten hof-
fen odder auch noch begreiffen koͤnnen.

Die ander vrsache ist die, das Gott in der Christlichen Kirchen wil, das man
die Exempel derjhenigen erfuͤrziehe, die sich bey der waren Religion recht,
(5) wol, auffrichtig vnd bestendig gehalten haben, auff das furs erste er, Gott
selbst, fur solche herliche gaben des heiligen Geistes gepreiset vnd darnach
auch [B 1r:] andere Christen durch jhr Exempel zu gleicher bestendigkeit
angereitzt werden.

So nu jemandt der sachen recht nachdencket, wirdt er befinden, das sich
(10) beide, der Adel vnnd die Stedte, auff dem Landtage zu Leiptzig christlich
vnd wol gnug gehalten haben, vnangesehen das sie das newe Jnterim, so jh-
nen dazumal fuͤrgelegt worden, nicht gar verworffen vnd etwas zuuiel darin
eingereumet haben. Aber des mag sie etwas entschuͤldigen, das zu derselben
zeit der listige schein vnd betrug der Adiaphoren noch nicht entdeckt ist
(15) gewesen, dazu sie neben des Keisers vnd jhres Landesfuͤrsten ernstlichen
willen vnd befehl fuͤrnemlich auch das grosse ansehen jrer Theologen inn
dieser sachen leichtlich hat betriegen koͤnnen, welche zugleich neben jenen
mit ernst auff sie gedrungen haben, solchem Jnterim beyzufallen27 vnd darin
zu uerwilligen.28

(20) Auch sindt sie vnuersehens vnnd vnuerwarneter sachen29 zu diesem handel
komen, ehe sie von solchem newen Abgoͤttischen grewel je etwas gewust
noch erfaren haben. Jch wil geschweigen, das es zu mehrern teil gute, frome
Leute, die nicht am gelartsten gewesen, als die mit Weltlichem regiment
odder sonst mit haushaltung vnnd andern Weltlichen geschefften mehr denn
(20) mit der Schrifft vmbgehen vnnd beladen sein.

Derhalben so diese vnd dergleichen vmbstende mit fleiß bewogen werden,
muß man [B 1v:] sagen vnnd bekennen, das es eine sonderliche schickung
Gottes vnd werck des heiligen Geistes gewesen sey, das leien (wie man sie
nennet)30 weder des Keisers, Fuͤrsten vnnd Bischoffe drewen noch solcher
(30) grossen Theologen ansehen sich haben lassen bewegen, odder die meuch-
linge, listige tuͤcke fangen, sondern widder solches alles jhren armen Chri-
stum frey vnerschrocken bekennet vnd des Teuffels betrug damit gehindert.
Das also alle frome hertzen, welche gern bey Christo rein vnnd allein bleiben
vnd jhn fur dieser argen Welt bekennen woͤllen, an diesen stenden der Meis-
(35)nischen Landtschafft ein Exempel haben, jre bekentnis gleicher gestalt fur

|| [371]

den Achitofeln31 vnd Tyrannen, so offt es von noͤten, zu fuͤren odder auch,
wema es Gott gibt, zu uerbessern.

Es bezeugete vnser etlichen Philippus32 selbs, da er von Leiptzig widder
heimen33 kam: „Warlich,“ sprach er, „die von der Ritterschafft vnnd Stedten
(5) haben sich in dieser handelung jtzt wol gehalten, vnnd ich bins fro, das der
Fuͤrst sampt seinen Hoffredten doch gesehen hat, das nicht an vnns gelegen
gewesen, warumb die Artickel nicht angenomen sein, sondern an der Landt-
schafft.“34 Warlich ein schoͤne ehre wirdts solchen Theologen sein an jenem
tage, wenn jhnen fur dem Richterstul Christi sol fuͤrgehalten werden: „Jhr
(10) hochgelarten von Wittemberg vnnd Leiptzig, welche ich mit so schoͤnen
, hohen Gaben fur andern gezieret, [B 2r] habt euch nicht woͤllen widdersetzen der tuͤckmeusserischen35 verfelschungen meines heiligen Worts, damit jr des
Fuͤrsten vnd Keisers vngnad nicht auff euch ludet, ja habt sie deshalben
helffen treulich fordern.36 So haben sich diese geringuerstendige leien mir
(15) zuthun muͤssen, widdersetzen vnd die vngnade auff sich nemen.“

Aber hie moͤchte vns jemandt fuͤrwerffen, wie vns gebuͤre, ander Leut Buͤ-
cher hinter jhrem wissen vnd willen37 druͤcken zu lassen, sonderlich die vor-
hin nicht publicirt sein vnnd noch hetten von jhnen selbs gebessert muͤgen
werden.38 Hierauff ist dis vnser bestendige ware antwort: Es ist solch jhr
(20) newes Jnterim mehr denn gnug publicirt vnnd als ein volkomene geburt gar
herlich getaufft worden. Denn es ja zu Leiptzig in einem offentlichen gemei
nen Landtage nicht allein vorgelesen ist, sondern auch anzunemen vnd die
Kirchen aller derselben Lande darnach anzurichten vnnd zu bestellen ernst-
lich begert worden. Zudem wirdt es auch in einem offentlichen druck vnd
(25) Mandat des Fuͤrsten, Auszugs deshalben ausgegangen, schlecht39 ein Beschluß
desselben Landtages genennet.40 Aus welchen vrsachen man nu billich mit

|| [372]

solcher schrifft handeln kan als die von jhren Meistern gantz verfertigt vnnd
mehr denn ein mahl von jhnen publicirt vnd ratificirt ist.

Nu wollen wir auch ein wenig etwas von der Historien, wie ein Jnterim nach
dem an-[B 2v:]dern auff die bahn komen41 ist, was wir dauon wares berichts
(5) empfangen, kuͤrtzlich erzelen:

Erstlich, so hat das Augspurgisch groß Jnterim gewiß seinen anfang odder
verursachung aus der Adiaphoristen wancken vnd furchtsamheit, wie solchs
in die lenge weiter dargethan wirdt in meiner (Jllyrici) Apologia an die hohe
Schule zu Wittemberg.42 Nachdem nu solch Augspurgische Jnterim zu Meis-
(10)sen
dem versamleten ausschus von der Landtschafft auch ernstlich ist fuͤr-
gehalten worden,43 so haben doch dieselbigen des ausschusses solchs fur
sich odder fur die abwesenden zu bewilligen bestendiglich abgeschlagen
vnnd demuͤtiglich gebeten, das man sie bey der Augspurgischen Confession
woͤlle bleiben lassen, wie jhnen denn solchs von jhrem Fuͤrsten vnd dem Kei-
(15)ser ausdruͤcklichen zugesagt were;44 wiewol vns daneben vnuerborgen ist,
wie der Beschluß desselbigen Landtages durch die Hoffkunst45 hernach auch
ist gelindert worden.


|| [373]

Da nu die Landtstende aus gutem grunde sich des Jnterims gewegert,46 da-
durch man jhnen frey offentlich nicht hat weiter zukoͤnnen,47 da haben als-
bald etliche Achitopheles den betrug an die hand genomen vnd etliche „ ge-
ringe verenderungen“, wie sie es genennet vnd noch nennen, in Ceremonien
(5) vnd mitteldingen anzunemen fuͤrgeschlagen, damit, weil die Landtstende
sich auff die klare zusage des Fuͤrsten vnd Keisers der Augspurgischen Con-
fession hal
[B 3r:]ben so steiff legten,48 sie dauon moͤchten gebracht werden,
nur etwas dawidder einzureumen.

Hiezu war nu der aller negste49 vnnd beste weg, das sie die Theologen an
(10) sich zoͤgen als die das ansehen bey jederman hetten, das sie nichts vnrechts
nachgeben vnnd einreumen wuͤrden. Es war auch die gewisse hoffnung,
wenn solche Leute jhren betrug wurden helffen fordern,50 welche Ampts
halben die ersten vnnd fuͤrnemesten solten sein, demselben zu widderstehen,
das darnach niemandt wuͤrde sein, der jhnen koͤndte odder doͤrffte widder-
(15)sprechen, vnd wuͤrde jhnen das spiel also fein geraten. Vnd ist diese jhre
hoffnung warlich nicht vmbsonst gewesen. Denn die Theologi nach jhrem
jtzigen grossen eiuer, die reine Lere zu erhalten, sich nicht vngern dazu
haben brauchen lassen vnd die Landschafft eingefuͤret,51 das sie jnen billich
dafur zu dancken hat als den fuͤrnemesten verursachren, das sie aus der ob-
(20)gemelten zusagen jhres Fuͤrsten vnd des Keisers nu geschritten sindt.

Solchen radtschlag fortzutreiben, sindt nach dem gehaltenen Landtage zu
Meissen viel andere kleine versamlungen gehalten vnd mancherley schrifften
hin vnd her gestellet, fuͤrnemlich doch so hat diß heilige, koͤstliche werck
einen guten anfang zu Begau genomen,52 denn daselbs sindt Christus vnd der
(25) Antichrist in diesen Artickeln etwas verglichen worden, nemlich in dem aller
fuͤrnemesten Artickel der rechtfer-[B 3v]tigung des glaubens vnd guten
werck, also das er den Bischouen auch geschmeckt hat. Bey solcher verglei-
chung sindt gewesen Fuͤrst Jorg von Anhalt,53 Philippus,54 D. Foͤrster55 vnd
zwen Bischoue, Pflug56 sampt dem von Meissen.57

(30) Vnd ist inn dieser vergleichung der Haubtspruch dieses Artickels von der
rechtfertigung (nemlich das wir allein durch den Glauben gerecht vnd selig
werden) also gestummelt58 vnd verderbt, das sie mit den worten nu fast

|| [374]

souiel reden: „Wir werden wol fuͤrnemlich vnnd am meisten gerecht vnnd
selig durch Christum, doch auch etlichermassen mit durch die guten werck.“
Auff diesen guten anfang ist hernach der handel zur Celle weiter getrieben;59
alda sindt vollends die vbrigen Artickel auch verglichen odder, wie mans
(5) billicher nennen sol, verblichen vnnd zerrissen, als nemlich die Lere von der
Busse, von den 7 Sacramenten, von der Bepstischen spectakelmesse,60 von
vnterscheidt der speise vnd verbott fleisch zu essen, von festen vnd feierta-
gen, vom gewalt der Bischoue vnnd des Roͤmi. Antichrists uͤber die Christli-
che Kirche vnnd von der Kirchen gewalt uͤber das wort Gottes.61 Hiebey
(10) sindt gewesen von Theologen der von Anhalt,62 Philippus, Pomer,63 Maior,64 Pfeffinger65 vnnd vnsers wissens Foͤrster.66 Haben von aller wegen zwen
vnterschrieben, welche wir auch wol wissen, aber fur andern ehrenhalben
nicht nennen woͤllen.67

Nach dieser versamlung zur Celle ist die zu [B 4r:] Juterbock gehalten,68 da
(15) sich denn der Marggraff69 erkleret hat, das der Theologen vergleichung der-
massen gemacht sein, das sie jhm wolgefallen. Jst auch des orts etlich ander
ding mehr geschrieben worden, welchs zu seiner zeit sol an tag geben wer-
den,70 vnnd ist auff diese schoͤne Regel daselbs beschlossen worden, welche
allein schier gnug were vns das gantze Bapstumb in vnser Kirchen widder
(20) einzufuͤhren; dieselbige Regel lautet in jren eigen worten also: „Vnd in mit-
teldingen sol mans alles halten, wie es die heiligen Veter gehalten haben vnd
ihenes teil noch helt.“71 Haben also Fuͤrsten, Bisschoue, Eisleben,72 Camera-

||
[375]
-
rius73 sampt den Theologen sich da gantz verglichen vnd eintrechtig gewilligt,
das sie Christum den Roͤmern vberantworten vnd den Roͤmischen Barrabam
widderumb in Tempel Gottes einsetzen wolten.74

Zu diesen zweien gerichten, welche zu Begaw vnd zur Cellen von den Theo-
(5)logen gekocht sind, haben die Achitopheles zu Hoffe, wie sich des die Theo-
logen beklagen, jren Brey auch mit vntergemenget75 vnd also miteinander
aus diesem allem zusamen ein gantze malzeit verfertigt vnd dieselbige der
Landtschafft zu Leiptzig angerichtet. Das ist nu dasjenige, dauon wir fuͤr-
nemlich reden vnd dawidder streiten, welchs wir daher das Leiptzigsche
(10) Jnterim genennet haben. Aber da mercke nu abermals, wer da kan oder wil,
wie behende vnd artig man damit vmbgangen ist:

[B 4v:] Erstlich hat der Fuͤrst von wegen des Keisers an die Landtschafft be-
gert, das Augspurgische Jnterim zu bewilligen vnnd anzunemen.76 Die ge-
sandten von der Ritterschafft vnnd Stedten als vernunfftige, frome Leute
(15) wolten jhn77 inn dieser hochwichtigen sachen nicht selbs zuuiel trawen, ba-
ten derhalben einfeltiger Christlicher meinung die Theologen, jhnen hierin
jhr bedencken vnd rath mitzuteilen. Die Theologen, als die nu mehr des Fuͤr-
sten denn Christi diener waren, zeigen frey an, das sie jhnen on des Fuͤrsten
verguͤnstigung vnd befehl nichts hierin rathen doͤrfften oder woͤlten. Der-
(20)halben die Landtschafft gedrungen worden, wolten sie anders der Theologen
gemuͤt vnd meinung wissen, dem Fuͤrsten vmb solche verguͤnstigung zu sup-
plicirn, das er den fromen Herrn vnd trewen Hirten Christi doch erlauben
wolte, jren armen Schefflein trewen radt zu geben, welchen weg zu rechter
Goͤttlicher weide sie gehen moͤchten.78

(25) Der Fuͤrst gibt zu antwort, er hab vom Keiser befehl, nicht mit den Theolo-
gen, sondern mit der Landtschafft zu handeln, doch wolle er aus sondern
gnaden den Theologen vergoͤnnen, jhr bedencken vnnd radt anzuzeigen.
Denn er wuste wol aus den vorgehenden etlichen besondern mit jhnen ge-
pflogenen handlungen, wie bestendig vnd feste sie weren, als die jmer eins
(30) nach dem andern einreumeten, dem Keiser auch in Religionsachen [C 1r:]
gehorsam zu leisten vnnd gegenwertige spaltung helffen auffzuheben jtzt
gantz geneigt weren. Auff solch des Fuͤrsten erlaubnis haben die Theologen
die sachen noch ein tag odder zwen in bedencken genomen vnd sich der-
massen gestelt, als musten sie, die guten Herrn, sich noch erst etwas drauff
(35) entschliessen vnnd mit grosser muͤhe vnd arbeit in schrifft verfassen, was sie
fur einen Christlichen, seligen radt geben wolten; vngezweiuelt alles dar-

|| [376]
-
umb, das man nicht mercken solt, wie vorhin alles abgedroschen were,79
vnnd die sach etwas mit einem Hoffgeprenge80 zuginge, die fromen Leute
(5) durch solches alles auch begiriger wurden, den newen Alcoran81 zu bekomen
odder nur zu sehen. Endtlich nach diesem allen treten die heiligen Leute
erfuͤr gleich als Moises aus der wolcken Gottes82 vnd vberreichen den Christ-
lichen Leuten dasselbig jhr new Gesetzbuch vnd Euangelion, was sie forthin
anders denn zuuorn in jren Kirchen halten vnd gleuben solten.

Als nu die versamleten von der Ritterschafft vnd Stedten dasselbige Buch
inn gemein vnd ein jeder vor sich vorlesen83 – Wiewol sie in verstentnis der
(10) Schrifft den Theologen in keinen weg zu uergleichen gewesen, als jhrer
profession gemeine84 Christen vnd nicht offentliche Lerer, desgleichen vn-
uersehens on sondern vorbedacht zu dem handel komen – So haben sie doch
etliche grobe jrtumb vnd betrug nach der gemeinen einfeltigen85 richtschnur
[C 1v:] Goͤttlichs worts vnd des glaubens baldt ersehen, bestendiglichen
(15) gestrafft86 vnnd schrifftlich gebeten, solche verdechtige stuͤck widderumb
hinwegzuthun. Da solchs geschehen, haben die Theologen baldt ein andere
schrifft widder solch der Landschafft bitten odder beger eingelegt, sich darin
dermassen erkleret, wie hernach zu sehen,87 das sie jhr voriges bedencken
odder Jnterim vngetaddelt als ein Christlich, selig, zu friede, guter zucht vnd
(20) disciplin gantz noͤtig vnnd dienstlich Buch schlecht88 wolten durchaus gehal-
ten haben vnnd darin nichts vberal89 gedechten zu uerendern, als solten sie
sagen: „wens auch der gantzen Landtschafft, allen Christen vnnd Gott im
Himel leidt were“.90

Hie dencke abermals ein jeder Christ, was dis gleichwol fur ein grewliche
(25) suͤnde sey, zu verfelschung vnd vnterdruͤckung reiner christlicher Lere fur
ein stoß geben haben vnd noch gibt, das solche grosse Theologen vnd eben
zu solcher zeit, da verfelschung vnd vnterdruͤckung reiner Lere vom widder-
teil zum hoͤchsten gesucht wirdt, denselben auch gleich zugefallen,91 ein

|| [377]

solch fehrlich, vnreine Buch fuͤrlegen vnd auffdringen fromen, einfeltigen92
Schefflein Christi, die sich nicht allein nichts dergleichen, sondern nur das
aller beste zu jnen als jhren trewen Hirten versehen. Vnd das eben die Theo-
logen die sein sollen (sie muͤgens fur sich meinen, wie sie koͤnnen odder woͤl-
(5)len), welche [C 2r:] am ersten den Christen den strick vmb den hals werffen,
daran sie der Bapst, Bisschoffe mit jhren Gesellen hernach entweder gar vn-
ter sich widder ziehen odder daran ersticken, wenn gleich sie vnd die Theo-
logen selbs nicht mehr wollen vnnd sprechen: „Ja das ist vnser meinung
nicht gewesen“, koͤnnens aber nachmals nimer wenden. Vnd das gleichwol
(10) gar zu uiel ist von den guͤtigen Hirten, so hetten sie doch die guten Leute der
Landtschafft nach geschehener demuͤtigen bitt vnnd widderung93 nicht trei-
ben vnd noͤtigen sollen, jhr gantz geschwurm94 der Papistischen Ceremonien,
wenn gleich etliche gut drunter gewesen weren, als sie nicht sein, widder jhr
gewissen anzunemen.

(15) Nachdem Gott nu also durch sein sondere schickung das Leiptzigsche Jnte-
rim zuruͤcke getrieben vnnd beschemet hat, beide95 durch standthafftigkeit
der Landtschafft vnnd hernach durch etliche dawidder ausgangene schrifften,
das es nicht hat gantz dasmhal koͤnnen erhalten werden, haben sie sich bald
auff ein andern weg gelegt vnd ein kleins, gelinders Jnterim aus dem vorigen
(20) geschmidet. Damit aber das vorige noch nicht vmbsunst were vnnd durch
andere gelegenheit in tempel Gottes einschleichen moͤchte, haben sie es her-
nach getaufft vnnd jhm vnuerschemt96 den namen geben, das es ein Beschluß
desselben Landtages heissen mus, vnnd das andere, kleine, sein Auszug.97
Welchen namen es war-[C 2v:]lich nicht dauon hat noch haben kan, das die
(25) Landtschafft darauff beschlossen odder gewilligt habe, sondern so man in
bekandten sachen rathen darff, das jhrer etliche lengs wol vor funff Jaren vn-
ter sich also etwas beschlossen vnnd auch dem Keiser versprochen haben das
Bapstumb all gemhelich98 vnd bequemlich99 widder anzurichten.100

Letzlich, da es mit dem Auszug auch noch nicht gar wol von statten wil, ne-
(30)men sie den armen, elenden Chorrock101 an die hand, damit doch nur ein an-

|| [378]
-
fang zur enderung moͤchte werden vnnd man sich des Roͤm. Antichrists begin-
nete nur in einem kleinen, auch dem aller geringsten, teilhafftig zu machen.
Durffen aber frey vnuerschemt dabey fuͤrgeben, wenn man doch nur das
weisse Himelische badhemd 102 der zuͤchtigen Babylonischen huren103 vnserm
(5) lieben Herrn Christo anzoͤge, das alsdenn von stundt an alles gut werden soͤlte. So nu etliche Stoische104 Pfarrher vnd Prediger sich wegern, dasselbige Him-
lische kleidt105 anzunemen, dieselben setzen sie nur ab als schedtliche, boͤse
Leut, die vmb eins losen,106 geringen mitteldinges willen der Kirchen friede
vnd selige wolfart hindern, befehlen dagegen die Schefflein Christi den Woͤlf-
(10)fen zu weiden107 oder Bauchknechten,108 welche gern folgen inn allem, was
man jhnen fuͤrschreibt. Solchs haben wir von der Historia des alten, jungen
vnd aber109 des juͤngern Jnterims kuͤrtzlich woͤllen erzelen, auff das ein je-
[C 3r:]der Christ dennoch etwas wisse vom herkomen vnd vrsprung des hel-
lischen Drachens mit seinen vielen Koͤpffen,110 dawidder wir streiten.

(15) Ehe wir aber noch den Text des Leiptzigschen Jnterims setzen, wollen wir
noch eins dabey sagen, nemlich das dasselbige Leiptzigsche Jnterim der
rechte Heubt-Adiaphorist odder verfelscher vnser reinen Christlichen lere,
des Bapsts vnd aller seiner Abgoͤtterey vorleuffer ist, mit dem wir jtzundt al-
so zu thun haben vnd mit dem schwerdt des mundes Christi widder jhn fech-

|| [379]
-
ten.111 So wir hieneben etliche Gelerten ein wenig mit angreiffen, muͤssen
wir deshalben thun widder vnsern willen vnd mit schmertzen, das dasselbige
gifft sampt seinem Auszug112 durch jhren namen, ansehen vnd schriffte in113
die leute bracht vnd getrieben wirdt.

(5) So nu die Theologen solcher beschuͤldigung vnnd billicher, gerechten auff-
lage114 begeren abzusein,115 gemeiner not vnserer Kirchen vnd jhren selbs
eigen gewissen noch etwas rathen woͤllen (welchs wir mit Gott zeugen, das
wir von hertzen wuͤnschen), so thun sie jhm noch nur allein also, weil sie
wissen, das das Leiptzigsche Jnterim sampt seinem Auszug in jhrem namen
(10) fuͤrgelegt ist, das auch D. Kling116 auff dem Mansfeldischen Landtage117 her-
nach sie ausgeschrien hat, sie sein diejenigen, welche dasselbige Jnterim ge-
macht haben, desgleichen weil M. Eisleben118 nicht allein durch heimliche
Brieue, sondern auch offentlich ab119 [C 3v:] der Cantzel von jhnen ausge-
ruffen hat, das die Wittembergischen vnd Meisnischen Theologen des Jnte-
(15)rims halben mit jhm eins weren, des er auch jhr eigen handschrifft hette. So
lassen120 sie nur dawidder etwa ein kleine entschuͤldigung ausgehen, vnd so
sie ja schew haben, zu sagen entweder: das sie es nicht gemacht, odder: das
sie geirret haben (welchs wir jhnen auch wol koͤnnen zu gut halten), so
bezeugen121 sie nur, welchs gleichwol die notturfft122 der Kirchen vnd jhrer
(20) gewissen mit ist, das das Leiptzigsche Jnterim nicht gut, sondern verfuͤhrisch
ist. Rathen derhalben dagegen allen Christen, das sie inn der empfangenen

|| [380]

reinen Lere des Euangelij fortan bestendig verharren vnd dieser zeit vnd
gelegenheit auch keine enderung inn Kirchen Ceremonien einreumen.

Wir zwar haben sie nicht erst in das Register der Adiaphoristen bracht, koͤn-
nen sie auch nicht herausthun, sondern sie haben sich selbs fuͤrsetzlich drein
(5) geschrieben damit, das sie hin vnd her in jhren heimlichen oder sonder-
barn123 versamlungen ein Jnterim nach dem andern124 gebrewet125 haben vnd
das letzte in jhrem namen lassen fuͤrbringen oder selbs fuͤrbracht, daruͤber
noch also hart gehalten,126 das sie es denen von der Ritterschaft vnd Stedten
nach jrer Christlichen wegerung haben gleichwol per fortz127 wollen auff-
(10)dringen. Desgleichen lassen sie Eisleben frey offentlichen von jh-[C 4r:]nen
rhuͤmen, das sie mit jhm vnd er mit jnen ob dem Jnterim eins sein vnd wid-
dersprechens nicht. Wollen sie nu derhalben vnter die Adiaphoristen nicht ge-
rechnet sein, so moͤgen sie sich selbs erausthun durch offentliche schrifft vnd
bekentnis, das entweder nie jhre meinung gewesen, was im Leiptzigschen
(15) Jnterim stehet, oder zum wenigsten jtzundt nicht sey, vnd dagegen ernstlich
vermanen jederman in erkandter warheit vnser heiligen Religion bestendig-
lich on alle dieser zeit verenderungen zu uerharren, wie solchs vor diesen ge-
genwertigen handlungen von jhnen vielmahls geschehen ist.

Wenn sie nur so viel theten, wolten wir gern mit jhnen zufrieden sein vnd gern
(20) nicht wissen, was wir doch inn etlichen dingen wol anders wissen. Man lasse
sie nu sich frey offentlich absondern von dem Leiptzigschen Jnterim, seinem
Auszug vnnd andern dergleichen verdechtlichen128 newerungen, dagegen bey
den Leuten zu rechter bestendigkeit anhalten, so wollen wir jn noch dazu gern
vmb alles, was bisher geschehen, zu fussen fallen. Was sollen wir vns mehr
(25) gegen sie erbieten odder was koͤnnen sie billich mehr von vns fordern? Weil
sie aber solchs nicht thun odder zu thun begeren, so sein vnd bleiben sie Adia-
phoristen, des Antichrists Gesellen vnnd Diener, welche die ware Religion vn-
sers Herrn Christi jtzt am allermeisten helffen verraten vnd vnterdrucken.

[C 4v:] Solchs alles haben wir also kuͤrtzlich vorher schreiben wollen von
(30) vrsachen, warumb wir dis Leiptzigsche Jnterim sonderlich jtzt allererst in
druck geben haben, wie es auch seinen anfang vnd fortgang genomen. Vnd
dis alles darumb, menniglichen zu uermelden den hellischen Wolff, welcher
vnter dem weissen Chorhembde der Adiaphoristen verborgen ligt,129 dawid-
der wir denn auch fuͤrnemlich schreiben. Auch das wir gern haben woͤllen
(35) mittel vnd wege zeigen, womit jnen die Theologen des boͤsen namens bey allen bestendigen Christen, den sie jhn selbs gemacht, widderumb moͤchten
abhelffen vnnd den grossen, vnermeßlichen schaden, den sie jtzt der Kirchen

|| [381]

gethan, doch etlichermassen widder einbringen,130 wie sie denn solchs auch
zu thun fur Gott vnnd jhren eigen gewissen schuͤldig sein.

Damit aber auch niemandt zu zweiffeln habe, das diß Leiptzigsche Jnterim, so
hernach volget, das rechte sey vnd vnuerfelschet, so bezeugen wir fur Gott auff
(5) vnser gewissen, das wir etliche in zimlicher anzal Exemplaria desselbigen
haben, welche, wie sie von glaubwirdigen vnd von mancherley oͤrten vnd Per-
sonen vns zukomen sein, gleichwol alle eintrechtiglich zusamenstimmen. Vnter derselben Exemplaren ist auch eins, welchs mit

Philippi Melanthonis eigener

hand an vielen oͤrten

(10) corrigirt ist.



[D 1r:] Sendbrieff einer Christlichen Person, welche mit auff dem
Landtage zu Leiptzig bey den Handlungen gewesen, deshalben an einen
(15) guten Freundt geschrieben.

Meinen gantz willigen dienst zuuorn, Erwirdiger vnd Achtbar lieber Herr
vnnd Freundt inn Christo. E. E.131 schreiben vnnd beger nach sende ich E. E.
bey jrem Diener132 die gantze Handelung des Leiptzigschen Landtags, so
Weinnachten im 49. Jar133 gehalten vnd so viel als da von der Religion ge-
(20)handelt worden ist.

Daraus E. E. wol befinden werden, wie trewlich die arme Kirche in diesen
Landen nicht allein von den Feinden, sondern auch von jren fuͤrnemsten Hir-
ten ist gemeint134 worden. Denn so ferne ist es von dem gewesen, das man bey
der Augspurgischen Confession nicht hat bleiben muͤgen, (A) das auch ein
(25) fuͤrnemlicher vom Adel, welcher auch ein Doctor vnd des jtzigen Churfuͤr-
sten Moritz von Sachsen
. radt ist,135 widder einen andern gesagt (welcher bat, das die newe Kir-
[D 1v:]chenordenung der Augspurgischen Confession gemeß gestellet wuͤrde),
der Keiser koͤndte das wort ‚Augspurgische Confession‘ nicht hoͤren nennen.136

(A) Hierauff moͤcht man die Theologen nicht vnbillich fragen, obs auch jhr ernst sey
(30) vnnd wie lange sie es treiben woͤllen, das sie ein mahl widder angefangen haben, der
Augspurgischen Confession ein wenig zu gedencken, vnd doch gleichwol indes dawid-
der rathen vnd helffen durch jhre Adiaphora.

Jtem da ein ander bat, man solte inn der antwort, so dem Churfuͤrsten geben
wardt, vormelden, das nicht vnter den newen gesetzen vnd ordnungen in der

|| [382]

Kirchen die Bepstischen misbreuche widderumb eingefuͤhrt wuͤrden, kondte
solchs auch nicht geschehen. Daruͤber auch derselbige vom Adel aus dem
Radt dauon ging vnd wolte nicht mehr dazu rathen.

So ist auch nicht genug dauon zu sagen, wie hart man vns damit geplaget,
(5) das wir ja nicht kluͤger sein wuͤrden weder137 vnsere gelerten, (B) von wel-
chen wir die Lahr empfangen hetten. Jtem man wuͤrde vns ja nicht gestatten,
Kirchenordnung zu machen etc.

(B) Sihe da, ob die Theologen mit dem Fuͤrsten vnnd Hoffrethen dieses Handels nicht
eins sind? vnd was sie fromen Christen mit jrem bedencken fur schaden zur bestendig-
(10)keit gethan haben vnd noch thun?

Wie auch die Bischoͤffe diese in vnsern Kirchen vorgenomene verenderunge
verstanden vnd angenomen haben wolten, des haben sie sich in jrer der
Landtschafft gegebene schrifft-[D 2r:]liche antwort138 genugsam erkleret mit
diesen worten, wie volget:

(15) „Was die Artickel (nemlich der Theologen Bedencken), so ihr vns vber-
geben, in sonderheit betrifft, achten wir dieselbigen dahin gemeint, das sie
sich mit der Keiserlichen ausgegangenen Ordnunge des Jnterims im vorstan-
de vergleichen sollen, wie wir denn der Theologen vnnd ewer gemuͤth dahin
gericht verstehen.“ (C)

(20) (C) Die Theologen vnterwerffen in jrem Bedencken die Kirchen Christi widderumb diesen
Antichristischen Bischouen vnd haben in vielen hohen, noͤtigen stuͤcken, wie hernach zu
sehen, jhre wort auff schrauffen gesetzt139 das sie damit gegen beiden theilen notturfftig-
lich bestehen muͤgen. Aber die Bischoffe handeln hierin auffrichtiger, denn sie erkleren
deutlich, was solche tunckele, schlupffrige reden fur ein verstandt haben sollen. Sagen jhn
(25) derhalben frey eraus vnter die augen, das sie beide, jhre wort im selben bedencken vnd jr
gemuͤth, dahin gerichtet verstehen, das sichs dem Augspurgischen Jnterim im verstande
vergleichen sol. Darauff sie auch (die Woͤlffe) das Hirtenampt uͤber die Schefflein Christi
widder annemen wollen. Das mag wol ein starcke vnd gewisse Glosa‌140 sein vber das
Leiptzigsche Jnterim, weils die Theologen dazumahl vnd hernach nicht allein vnuerant-
(30)wortet lassen hingehen, sondern auch noch darauff dringen, man sol jhr bedencken vnd
mit demselben die Bischoffe vnd den Bapst annehmen. Heist das nicht die Kirchen [D 2v:]
Christi dem Antichrist gnugsam verrathen? Es kans warlich kein vernunfftiger Mensch
anders vrteilen, vnd das werck beweiset sich darauff an etlichen orten bereit nicht anders.

Jch habe aber damals noch seinther141 keinen Theologen gemercket, der wid-
(35)der diesen der Bischoͤffe verstandt142 geredt odder geschrieben hette.

So ist auch dasselbe junge Jnterim, nemlich der Theologen bedencken, nicht
zu Leiptzig, sondern zu Celle geboren,143 aber zu Leiptzig getaufft worden,

|| [383]

wie E. E. befinden aus der andern antwort,144 so die Theologen der Landt-
schafft gaben, als sie vmb erklerung baten vnd sie anzeigeten, sie hetten das
bedencken nicht alleine gestalt, so sie doch das mahl allein fuͤrhanden vnd
befragt wurden.

(5) Was auch weiter erfolget were, solte jtzundt genugsam am tage vnd im
werck sein, wo die Landtschafft nicht dem Churfuͤrsten abgeschlagen hette,
ein Ausschus zu geben, mit den Bischoͤffen vnnd den Theologen weiter von
der Religion zu handelen.145

(D)


(D) Sihe, die Theologen sind mit den Bischouen vber diesem jhrem Jnterim so gar
(10) eins146 (welchs, wie oben gehoͤrt, sich im verstandt mit dem Augspurgischen verglei-
chen sol), das sie mit den Bischouen semptlich die arme Landtschafft vberreden helffen
sollen vnd woͤllen, dasselbige jr Jnterim ja fluchs147 zu bewilligen vnd anzunemen.
Gehet nu hin, lieben Herrn, vnd saget, jhr seidt aller dinge vnschuͤldig vnd habt nie kein
Wasser betruͤbt.148

(15) [D 3r:] Vnnd hat vnns also Gott, der Vater aller gnaden vnd barmhertzigkeit,
zu der zeit vnnd noch bis daher bey der bekandten warheit gnediglich erhal-
ten. Dem wir auch billich danck vnd lob sagen. Wollen auch seine Veterliche
guͤte von hertzen bitten vnnd anruffen, er woͤlle vmb seines lieben Sons,
vnsers lieben Herrn Jhesu Christi, willen seine arme, betruͤbte Kirche in
(20) diesen Landen vnd an allen oͤrtern hinfort in reiner vnnd bestendiger erkent-
nis seines alleinseligmachenden Wortes biß ans Ende gnediglich erhalten, zu
seiner Maiestet lob vnd ehr.

Diß habe ich euch, Ehrwirdiger Herr, auff ewer schreiben zu antwort hinwid-
der nicht bergen wollen vnnd thu E. E. hiemit sampt allen geliebten vnd
(25) bestendigen Christen inn schutz vnd schirm des almechtigen befehlen.

Bittet fur vnns, das wollen wir fur euch widder thun, vnd E. E. freundtlichen
zu dienen, thu ich nach vermuͤgen vngespartes fleis allezeit willig.

Datum. N.149 19. Augusti. Anno 49.150




|| [384]


Textapparat
a  sic, evtl. rectius: ‚wenn‘.


Kommentar
3  angemessene, gerechte. Vgl. Art. billich, in: DWb 2, 27.

4  doppelte Verneinung hat verstärkenden Sinn: überhaupt kein.

5  dreifache Verneinung hat verstärkenden Sinn: ganz und gar keiner.

6  unruhig.

7  verunglimpfen, ins Gerede bringen, beschuldigen, verleumden. Vgl. Art. berüchtigen, in: DWb
1, 1528f.


9  einigermaßen, irgendwie. Vgl. Art. etlichermaszen, in: DWb 3, 1177.

10  ‚unterstützt, gefördert‘ und ‚verlangt‘ sind beides mögliche Interpretationen von ‚gefordert‘.

11  hatten wir Sorge. Vgl. Art. besorgen 2.d), in: DWb 1, 1636f.

15 Matthias Flacius Illyricus, einer der Kommentatoren und Herausgeber des Landtagsentwurfs.

17 weithergeholte, abwegige. Vgl. Art. weitläufig 2.b), in: DWb 28, 1302f.

18 haarspalterische, wortverdreherische. Der antiken Philosophenschule der Sophisten haftete der
Ruf an, nach Interessenlage und ohne Rücksicht auf die Wahrheit zu argumentieren. Vgl. Lepp,
Schlagwörter, 83f.


19 Es ist wohl an Pfeffingers Buch „Von den Traditionibus“ (VD 16 P 2357) gedacht; dessen
Vorwort ist datiert auf „Conversionis Pauli Anno M.D.L.“ (A 5v) = 25. Januar 1550. Vgl. Einleitung, Anm. 10.

20  wohlwollende, sachliche Äußerung. Vgl. Art. Wohlmeinung 1), in: DWb 30, 1171.

21  Glosse, Erläuterung. Vgl. Art. Glosse 1.c), in: DWb 8, 211f.

23  wie es kaum hätte ausbleiben können / unterblieben wäre.

24  Absicht, Vorhaben, Plan. Vgl. Art. Anschlag, in: DWb 1, 440f.

29  ohne Vorwarnung. Vgl. Art. verwarnen 2), in: DWb 25, 2133.

30  Im eigentlichen Sinne kann nach evangelischem Verständnis von einer Unterscheidung der
Gemeindeglieder nach Klerus und Laien nicht die Rede sein, es gilt gemäß I Petr 2,9 das Priester-
tum aller Getauften. Vgl. Martin Luther, WA 6, 407,10–408,35 (An den christlichen Adel, 1520).

31  Vgl. II Sam 16,23 und Kontext; man darf vermuten, dass die Verfasser hier auch eine gewisse
Parallele zwischen dem verratenen David und dem ehemaligen Kurfürsten Johann Friedrich
einerseits und dem Usurpator Absalom und Kurfürst Moritz andererseits sahen. Ahitofel, der
hochgeschätzte Berater Davids, schlägt sich auf die Seite des revoltierenden Absalom.

34  an den Vertretern der Landstände. Vgl. Art. Landschaft 6), in: DWb 12, 132f.

35  hinterhältigen. Vgl. Art. Duckmäuser, in: DWb 2, 1495f.

36  Ja ihr habt die Verfälschung meines Wortes sogar noch unterstützt! habt geholfen, sie voran-
zubringen.

37  ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung. Vgl. Art. hinter II.1.f), in: DWb 10, 1490.

38  Dieser Vorwurf traf etwa für das Bedenken aufs Interim vom 16. Juni 1548 zu, das unautori-
siert unter Melanchthons Namen in Magdeburg veröffentlicht worden war. Vgl. unsere Ausgabe
Band 1, Nr. 1: Melanchthon, Bedenken aufs Interim (1548), Einleitung, S. 43–45.


40  Ausstzugk aus dem Beschlus || des Jüngst gehaltenen Landtags || zu Leiptzigk in Weynachten /
des Neun- || vnd viertzigsten Jars. Zur Jahresangabe vgl. unten Anm. 133. Den Text bietet Chaly-
baeus, Durchführung, 73–76 (Beilage I); Flacius veröffentlichte den Auszug mit kommentieren-
den Glossen, vgl. unten XXXXXX und unsere Ausgabe Nr. 1. Vgl. Chalybaeus, Durchführung,
9: „Dieser ‚Auszug‘ war also die gesetzliche Norm für die Einführung des Leipziger Interims. Er
war nicht etwa auf dem Leipziger Landtag beschlossen worden, sondern ein selbständiger Erlass
des Kurfürsten, allerdings in seinem Inhalte den Leipziger Beschlüssen entsprechend.“ Das Ein-
führungsmandat s. unten XXXXX und bei Chalybaeus, Durchführung, 77f (Beilage II). „Die
Veröffentlichung des ‚Auszugs‘ nebst Einführungsmandat geschah [...] im allgemeinen erst Ende
September [1549], somit 3 Monate später als sie verfasst worden waren. Diese Verzögerung war
nicht unabsichtlich. Man hoffte, dass sich die Gemüter, die über die beabsichtigten Neuerungen
in Sachsen aufs höchste erregt waren, erst allmählich wieder beruhigen sollten. Es erfolgte auch
dies wieder auf Melanchthons Veranlassung, wenigstens war diese Verzögerung sein Wunsch, da
er von der Veröffentlichung schlimme Folgen befürchtete [...]“ (Chalybaeus, Durchführung, 12).

41  zustandegekommen. Vgl. Art. Bahn 5), in: DWb 1, 1077.

42  Vgl. APOLO= || GIA MATTHIAE FLA= || cij Illyrici ad Scholam Viteber= || gensem in Adia-
phoro= || rum causa. || Eiusdem Epistola de eadem mate= || ria ad Philip. Melantho. || Item quae-
dam alia eiusdem || generis. || [...] || Anno 1549. (VD 16 F 1264).

44  Vgl. den Vorschlag für eine Antwort an Kaiser Karl V. zum Interim vom 8. Juli 1548, PKMS
4, 85f (Nr. 38f)
. Die beratenden Theologen waren Georg von Anhalt, Philipp Melanchthon, Cas-
par Cruciger
, Johannes Pfeffinger, Daniel Greser, Georg Major, Johannes Forster, vgl. Herrmann,
55, Anm. 4.
Zu den Verhandlungen in Meißen vgl. allg. Herrmann, 54–63, ferner den „Bericht
vo || INTERIM || der Theologen zu Meissen versam= || let. Anno M.D.xlviij.“ [s. l. s. a., Mag
deburg
: Christian Rödinger, 1548 (?)] (VD 16 B 1846, vgl. auch B 1847), den Flacius anonym
und gegen den Willen der Beteiligten veröffentlicht hat (das geht hervor aus „Gruͤnd­liche verle=
|| gung aller Sophisterey / so D. || Pfeffinger mit den andern Adiaphoristen / das || Leiptzigsche
Jnterim zubesch=nen / || gebraucht. || Durch Matth. Fla. Jllyricum“ [Magdeburg: Christian
Rödinger
, 1551] (VD 16 F 1411), Bl. C 1v (in der erweiterten Fassung VD 16 F 1410: Bl. C 2r).

45  höfische Diplomatie, höfisches Intrigenspiel. Vgl. Art. Hofkunst, in: DWb 10, 1687.

46  dem Interim ihre Zustimmung verweigert haben. Vgl. Art. weigern 1) und III.B.2.a), in: DWb
28, 635, 641.


47  beikommen können. Vgl. Art. zukönnen, in: DWb 32, 475.

48  weil sie darauf so unnachgiebig beharrten. Vgl. Art. steif II.8.d.ζ), in: DWb 18, 1813.

49  nächste.

50  fördern.

51  angeführt, betrogen, verleitet. Vgl. Art. einführen 4.c) und 5), in: DWb 3, 182.

52  Zu der Versammlung zu Pegau vom 23. bis 25. August 1548 vgl. PKMS 4, 115–122 (Nr. 74)
und Kontexte, außerdem Herrmann, 64–73.

55Johannes Forster, 1548 Superintendent von Merseburg, 1549 Professor für Hebräisch in Wit-
tenberg
.

56Julius v. Pflug, der gewählte Bischof von Naumburg-Zeitz.

60  Messfeier, die lediglich darauf abzielt, äußerlich zu beeindrucken, ohne wirklichen theologi-
schen Gehalt. Vgl. Art. Spektakel 1.a), in: DWb 16, 2131f.

62  Siehe oben Anm. 53.

66  Siehe oben Anm. 55.

67  Für die Theologen haben Georg von Anhalt und Johannes Bugenhagen unterzeichnet, für die
Räte Dr. Melchior Ossa und Christoph von Karlowitz; vgl. Herrmann, 100.

68  Zu den Verhandlungen in Jüterbog am 16. und 17. Dezember 1548 vgl. Herrmann, 101–104.

70  Für die Verhandlungen in Jüterbog hatte Melanchthon eine Schrift zum Abendmahl vorberei-
tet, vgl. CR 7, 234–247 (Nr. 4425: Scriptum Theologorum in conventu Iuterbocensi, 16. Dec.
1548, Sp. 235 bietet folgende Überschrift: „Refutatio et explicatio Sophismatum recentiorum,
quibus privatarum Missarum, et Canonis blasphemiae idololatricae pinguntur. Scripta a Philippo
Melanthone
in Conventu Iuterbocensi“).

71  Vgl. Hertzogs Moritzen || zG Sachsen / vnd des Marggrafen || zG Brandenburg / beyder Chur-
fuͤr- || sten vereinigung || des JNTERJMS || halben, [Regensburg: Heinrich Geißler 1558] (VD 16
S 830) [Köhler II, Nr. 554, vgl. CR 7, 248f (Nr. 4426: Decretum Iuterbocense, 17. Dec. 1548)],
Bl. A2v–A3r: „Desgleichen sol man auch halten von den Adiaphoris / das ist / in Mitteldingen /
was die alten Christlichen Lehrer gehalten / vnd bey dem andern theil noch im gebrauch blieben ist.“

74 Vgl. Mt 27,15–26; Mk 15,6–15; Lk 23,16–25; Joh 18,39f. - Kawerau, Agricola, 280, nennt als
Teilnehmer an der Zusammenkunft in Jüterbog die beiden Kurfürsten, Georg von Anhalt, Julius
v. Pflug
, Melanchthon, Daniel Greser und Agricola.

75  Vgl. das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“; Art. Koch 73, in: Wander 2, 1447.

76  Zu den Unterhandlungen beim Landtag in Leipzig vom 21. Dezember 1548 bis zum 1. Januar
1549 vgl. PKMS 4, 252–277 (Nr. 210–236); Herrmann, 105–118; zum Text der Landtagsvorlage
vgl. Herrmann, 119–129

77  ihnen = sich.

78  Vgl. Ps 23; Ez 34; Joh 10.

79  dass alles von langer Hand vorbereitet war, ein abgekartetes Spiel. Vgl. Art. abdreschen, in:
DWb 1, 20.

80  Schein von Wichtigkeit. Vgl. Art. Hofgepränge, in: DWb 10, 1679.

81  Koran. Ein Buch, das beansprucht, wortwörtlich göttliche Offenbarung zu sein (hier ironisch
gebraucht).

82  Vgl. Ex 18,9.

83  durchgelesen hatte. Vgl. Art. verlesen 2), in: DWb 25, 377.

84  einfache, theologisch nicht vorgebildete. Vgl. Art. gemein 2.d.α) und 6.c.γ) und 7.a), in: DWb
5, 3171, 3206, 3209.


85  allgemein bekannten und gültigen, unzweideutigen. Vgl. Art. gemein 2.e.γ), in: DWb 5, 3172;
Art. einfältig 1), in: DWb 3, 173.

86  beharrlich getadelt. Vgl. Art. strafen C.5.a), in: DWb 19, 712f.

87  Vgl. unten S. J 3r.

88  schlichtweg, schlechterdings. Vgl. Art. schlecht 13.c), in: DWb 15, 530f.

89  nichts überall = nirgends etwas, überhaupt nichts. Vgl. Art. überall 5), in: DWb 23, 128.

90  Vgl. das Regest in PKMS 4, 266 (Nr. 224, Leipzig, nach 25. Dezember 1548, Antwort der
Theologen an die Ritterschaft und Städte).

91  Interpretation nicht ganz eindeutig: denselben auch gleich zugefallen = sie haben sich auch
sogleich ihrer Meinung angeschlossen; denselben auch gleich zu Gefallen = weil sie denselben
gewissermaßen/unverzüglich einen Gefallen tun wollten.

93  Weigerung, Sträuben. Vgl. Art. Widerung 1), in: DWb 29, 1354.

94  schwirrendes Gebrumm (von lästigem Insektengeschmeiß). Vgl. Art. Geschwürm, in: DWb 5,
4013f.


95  sowohl (durch ...) als auch (durch ...).

96  bedenkenlos, skrupellos. Vgl. Art. unverschämt d.γ), in: DWb 24, 2083.

97 Auszug vgl. unten M 4v–N 3v.

98  allgemach, allmählich. Vgl. Art. allgemählich, in: DWb 1, 234.

99  bei Gelegenheit. Vgl. Art. bequem 1), in: DWb 1, 1481f.

100  Die Verfasser rechnen demnach mit einer Verschwörung bzw. mit kaiserlichen Plänen seit
wenigstens 1545, dem Jahr der Braunschweigischen Händel.

101  Das Chorhemd bzw. der Chorrock entwickelte sich aus der Albe, einer ursprünglich knöchellan-
gen weißen Tunika. Im Unterschied zur Albe war er sehr weit geschnitten und in Längsrichtung
gefältelt, damit man ihn über der Pelzkleidung tragen konnte, daher die Bezeichnung ‚ super-
pelliceum‘. Auch die Ärmel waren weiter und länger als bei der Albe, bisweilen auch aufge-
schnitten, so dass sie als breite Streifen herabhingen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde zwi-
schen Chorhemd und Albe meist nicht streng unterschieden (Piepkorn, S. 8f, mit Anm. 6). Vgl.
die Abbildung auf dem Einblattdruck (mit aufgeklebtem, beweglichem Chorrock) „Der vnschuͤl-
digen Adiaphoristen Chorrock / daruͤber sich die vnrugige vnd Stoͤrrische Stoici mit jhnen zan-
cken“ (Magdeburg: Pancratius Kempff, um 1550 [nach unserer Ausgabe Nr. 10, S. 930 bei Anm.
696, auf 1558/9 zu datieren]; siehe Strauss, Single-Leaf Woodcut 1550–1600, Bd. 2, S. 507 [dort
ist unter der oberen Abbildung das Namenskürzel M(atthias) FL(acius) ILL(yricus) zu erkennen,
von ihm rührt der Text und wohl auch die Idee zur Darstellung]; Olson, Flacius, 136–138;
Kaufmann, Ende der Reformation, 585 [Abb. 18], vgl. dort auch 418–422; ähnliche Abbildung
bei Drews, Der evangelische Geistliche, 39 [Abb. 31]).

102 Badehemden waren wadenlang, aus leichtem, hellem Stoff gefertigt, und man trug sie vor-
nehmlich zur Bedeckung der Nacktheit im (öffentlichen) Bad, insbesondere außerhalb des Was-
sers. Die Bademägde, die für das Wohlbefinden der Gäste im Bad sorgten und nicht selten in
zweifelhaftem moralischem Ruf standen, trugen Badehemden gleichsam als Dienstkleidung. Die
Verfasser nutzen die Ähnlichkeit von Badehemd und Chorrock, um gegen letzteren zu polemisie-
ren und nahezulegen, wer den Chorrock anlege, kostümiere sich als Bademagd. Vgl. Art. Bade-
kleidung, in: Loschek, 114–116, bes. 115; Timm, Badehemd, 8f.

103 Vgl. Apk 17. Dabei steht schon in der Apokalypse Babylon als Chiffre für die Stadt Rom;
vgl. Müller, Offenbarung, 284–297; Böcher, Johannesapokalypse, 87–96; Randglosse zu Apk
17,1 in Luthers Biblia Germanica von 1545: „Hie zeiget er die Römische Kirche in jrer gestalt
vnd wesen / die verdampt sol werden.“

104  Wohl als Gegensatz zu den „epikurischen“ Bauchdienern gebraucht, die um eigener Vorteile
willen die reine Lehre verraten. Ein tieferer inhaltlicher Bezug zur Stoa oder zur Wiederentdeckung
stoischer Philosophie im Zusammenhang der verstärkten Cicero-Rezeption der Renaissance liegt
anscheinend nicht vor.

105  Ironischer Bezug auf Apk 7,9.13–17; 19,8; Mt 22,11.

110  Vgl. Apk 12,17. Das Interim erscheint in zeitgenössischen illustrierten Flugblättern öfters
als dreiköpfige Chimäre mit Drachenleib, wobei die drei Köpfe einen Engel (nach II Kor 11,14), den
Papst und einen Türken oder Mamelucken darstellen; vgl. unsere Ausgabe Band 1, S. 878, 884 mit Anm. 17.

112  Gemeint ist der Auszug des Leipziger Interims bzw. der Landtagsvorlage; es wäre zu überle-
gen, ob weitere Konnotationen mitschwingen: Auszug kann im 16. Jahrhundert auch im Sinne
von Ausrede, Ausflucht gebraucht werden, vgl. Art. Auszug 5), in: DWb 1, 1042f. Im Zusam-
menhang mit Gift wäre auch an eine medizinisch-pharmazeutische bzw. alchimistische Bedeu-
tung zu denken: wäßriger bzw. alkoholischer Auszug, Extrakt, besonders wirksame Essenz, vgl.
Art. auszug, in: Baufeld, 20[b].

114  Anschuldigung, Vorwurfes. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680.

115  loszusein, davon frei zu kommen. Vgl. Art. absein, in: DWb 1, 115.

116Dr. iur. Melchior Kling (1504–1571), Professor an der Universität Wittenberg, 1546/47 kur-
fürstlicher Gesandter in Dänemark, Rat in ernestinischen und mansfeldischen Diensten, Rechts-
konsulent in Halle/S. Zu seiner Vita vgl. Hiram Kümper, Art. Kling, Melchior, in: BBKL 24
(2005), 940–942
. Kling trat auf einer Synode am 15. Januar 1549 in Eisleben als „Interims-
Advocat“ in Erscheinung, als Propagandist für die Annahme und Einführung der Leipziger Land-
tagsvorlage bzw. des Auszugs daraus; der Mansfelder Dekan Michael Coelius setzte ihm aller-
dings heftigen Widerstand entgegen. Vgl. Reichert, Amsdorff und das Interim, B116 mit Anm. 4;
Berndorff, Prediger, 52; Waran es der Leiptzigschen Ordnung (so man das kleyn Interim genen-
net) mangele / Kurtze erjnnerung Michael Coelij, in: Cyriakus Spangenberg [Hg.], Des ehrwirdi-
gen Herrn Michaelis Coelij / seligen etwan predigers / Decani vnd Pfarherrn zu Mansfeldt /
Christliche vnd nützliche Auslegungen / Predigten vnd Schrifften, Straßburg 1565 [VD 16 C
1819], Bl. 322r.

117  Vgl. die vorangehende Anmerkung.

119  von ... herab. Vgl. Art. ab, in: DWb 1, 6–9.

120  mögen (sie) lassen.

121  mögen (sie) bezeugen.

122  Not, Bedrängnis. Vgl. Art. Nothdurft f. 4), in: DWb 13, 927.

123  besonderen, abgesonderten. Vgl. Art. sonderbar 1.a), in: DWb 16, 1576f.

124  Vgl. die verschiedenen Stadien der Textentstehung der Leipziger Landtagsvorlage (‚ Leipzi-
ger Interim‘), die in der Polemik teilweise als je eigenes ‚Interim‘ erscheinen, wie oben Anm. 61.

125  gebraut, zusammengebraut. Vgl. Art. brauen 3), in: DWb 2, 323.

126  sie haben auch so hartnäckig darauf bestanden. Vgl. Art. halten B.I.2.b.γ), in: DWb 10, 277.

127  par force = gewaltsam.

128 Verdacht erregend, verdächtig. Vgl. Art. verdächtlich, in: DWb 25, 189.

129  Vgl. Mt 7,15.

131  Euer Ehrwürden. Anrede für einen Geistlichen. Vgl. Art. Ehrwürde, in: DWb 3, 72.

132  mit ihrem Diener als Boten.

133  Dezember 1548, der Jahresbeginn lag auf dem Ersten Weihnachtsfeiertag (25.12.), so dass
das Jahresende 1548 bereits zum neuen Jahr 1549 gezählt wurde. Vgl. Grotefend, Taschenbuch, 12.

134 behütet, mit Sorgfalt behandelt (hier ironisch gebraucht). Vgl. Art. meinen 5.d), in: DWb 12, 1930.

135 Es wäre am ehesten an Dr. iur. Georg von Komerstadt zu denken, evtl auch an Dr. Melchior
von Ossa
.

136 Vgl. eine entsprechende Bemerkung auch bei Nikolaus von Amsdorf, Bedengken auff der
fursten vbergebene Artikel, Reichert B126 und A142.

138  Vgl. PKMS 4, 269f (Nr. 227, Bedenken der Bischöfe Johann VIII. von Meißen und Julius Pflug
von Naumburg-Zeitz
, Leipzig Ende Dezember 1548), zur zitierten Passage S. 269 bei Anm. 5.

139 absichtlich mehrdeutig geredet. Vgl. Art. Schraube 4), in: DWb 15, 1651.

140 Glosse, Erläuterung, Auslegung. Vgl. Art. Glosse 1), in: DWb 8, 210–213´.

141  weder damals noch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Vgl. Art. sinther, in: DWb 16, 1218.

142  Auffassung, Interpretation. Vgl. Art. Verstand B.5.a), in: DWb 25, 1542–1544.

143 Zum Tag von Altzella siehe oben Anm. 59.

144 Vgl. PKMS 4, 266 (Nr. 224), außerdem 267 (Nr. 225, erster Absatz), MBW Nr. 5389, CR 7, 267–270 (Nr. 4436f).

145  Vgl. PKMS 4, 273 (Nr. 232 [Antwort der Ritterschaft und Landstände auf das 4. Vortragen des Kurfürsten und das Bedenken der Bischöfe, Leipzig 31. Dezember 1548], erster Absatz), CR 7, 282–284 (Nr. 4446).

146 so sehr einer Meinung, so einig. Vgl. Art. eins 5.b), in: DWb 3, 254.

147 flugs, schleunigst. Vgl. Art. flugs, in: DWb 3, 1847f.

148 Ihr seid Unschuldslämmer, unschuldig wie das Lamm in der aesopischen Fabel vom Wolf
und Lämmlein, in der der Wolf einen Vorwand sucht, um das Lamm gleichsam rechtmäßig fres-
sen zu können. Unter anderem wirft er dem Lamm vor, ihm das Wasser getrübt zu haben, ob-
gleich er weiter oben am Bach steht; vgl. unten bei Anm. 310.

149  ungenannter Ortsname.

150  Der 19. August fiel im Jahr 1549 auf einen Monta


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