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05 - Magdeburger Bekenntnis - Einleitung
bearbeitet von Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]
Einleitung 1. Historische Einleitung Magdeburg, nächst Köln wohl die bevölkerungsstärkste Stadt des Reiches, hatte seit 1524 die Einführung der Reformation forciert, gegen den Wider-stand von Erzbischof und Domkapitel.1 Früh war sie dem Schmalkaldischen Bund beigetreten. Nach der Schlacht bei Mühlberg hatte die Stadt die Kapitulation gegenüber dem Kaiser verweigert und sich stattdessen mit Braunschweig und Hamburg am Entsatz der von Kaiserlichen belagerten Hansestadt Bremen beteiligt. Daraufhin wurde Magdeburg durch ein kaiserliches Mandat vom 27. Juli 1547 in die Reichsacht erklärt2 und verlor seine Freiheiten und Privilegien, insbesondere das einträgliche Stapelrecht und den einflussreichen Schöppenstuhl. Hatte man dem Kaiser schon hinsichtlich des Schmalkaldischen Kriegs unterstellt, es gehe ihm letztlich um eine Unterwerfung der Protestanten und die Ausrottung des evangelischen Bekennt-nisses,3 so verfestigte sich dieser Eindruck mit dem Erlass des Augsburger Interims. Dementsprechend interpretierten auch die Magdeburger ihren Widerstand primär religiös. Die Stadt, in der als einziger noch Schriften gegen das Interim gedruckt werden konnten, avancierte zu „unsers Herrgotts Kanzlei“.4 Der Kaiser forderte mehrfach zur Vollstreckung der Acht auf, doch Kurfürst Moritz von Sachsen verhinderte zunächst ein militärisches Vorgehen gegen die Stadt und propagierte stattdessen ein Embargo. Dennoch wurde die Situation Magdeburgs zusehends schwieriger, und je länger die Acht anhielt, desto wahrscheinlicher wurde ihre militärische Vollstreckung, zumal nirgends sonst sich offener Widerstand gegen den Kaiser formierte. Es mehr-ten sich Gerüchte, „als solt damit vmbgangen vnnd mit grosser gefahr practicirt werden, vns vnd andere, die bißher auß Gottes genaden vber seinem waren Goͤttlichen wordt gehalten, mit vielem volck zu vbertziehen, vberfallen vnd an Leibe, guth vnd der Seele zu uorterben“.5 Anscheinend besann man sich in dieser Lage seitens des Rates und der Geist-lichkeit der Stadt darauf, dass die bislang zum Kampf gegen das Augsburger und das Leipziger Interim eingesetzten publizistischen Mittel auch zur Verteidigung der Stadt selbst genutzt werden konnten: Wenn es gelang, eine möglichst breite Öffentlichkeit im Reich davon zu überzeugen, dass Magdeburg

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aus lauteren Motiven und zur Verteidigung der christlichen Wahrheit legitimen Widerstand leistete, durfte die Stadt auf ideelle und womöglich auch ganz praktische Unterstützung hoffen, während der Rückhalt ihrer Gegner schwinden musste.6 Dass damit überdies im Innern eine Bestätigung und Fe-stigung des Widerstandswillens der Bevölkerung erreicht werden konnte, war eine gewiss nicht unerwünschte Begleiterscheinung. Besondere Bedeutung im Rahmen dieser publizistischen Defensivstrategie kommt dem „Magdeburger Bekenntnis“ zu, das parallel in einer deutschen und einer lateinischen Version veröffentlicht wurde, so dass ein denkbar großer Kreis von Rezipienten erreicht werden konnte. Es ist datiert auf den 13. April 1550, den Sterbetag des offenbar allseits hoch geachteten Diakons an der Ulrichskirche Stefan Tucher.7 Präludiert wurde das Bekenntnis vom dritten Ratsausschreiben8 vom 24. März 1550, das enge Bezüge zum Bekenntnis der Pfarrer aufweist.9 Daraus ist zu schließen, dass der Inhalt des Bekenntnisses zu dieser Zeit bereits in seinen wesentlichen Zügen feststand. Vermutlich war auch der Druck am 13. April bereits weitgehend abgeschlossen und wurde nur noch um den Nachruf auf Tucher ergänzt. Das Zusammenspiel von Ratsausschreiben und theologischem Bekenntnis illustriert die von Flacius in seiner Schrift „De veris et falsis Adiaphoris“ vertretene Auf-fassung, die gute Ordnung eines Gemeinwesens erfordere notwendig eine Vorrangstellung der Theologie.10 Wohl nicht von ungefähr wurde die deutsche Übersetzung ebendieser Flacius-Schrift um dieselbe Zeit im Druck veröffentlicht.11

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Der Vergleich zwischen lateinischer und deutscher Fassung des Magdeburger Bekenntnisses zeigt, dass beide Texte wohl nicht in einem einfachen Verhältnis von Urtext und Übersetzung zueinander stehen, auch wenn Argumente für eine größere Ursprünglichkeit des lateinischen Textes beigebracht werden können.12 Beide Fassungen weisen erhebliche Abweichungen voneinander auf, die vor allem auf die Absicht zurückzuführen sein dürften, unterschiedlichen Adressatenkreisen gerechtzuwerden. Der deutsche Text ist in der Regel sehr viel ausführlicher gestaltet als der lateinische, gelegentlich übergeht er aber auch Details, die bei Lesern ohne gelehrte Ausbildung auf Unverständ-nis hätten stoßen können. Da beide Versionen wohl nahezu gleichzeitig veröffentlicht wurden, steht zu vermuten, dass sie parallel ausgearbeitet wurden und wechselseitige Beeinflussungen vorgekommen sind. Der Titel der deutschen Fassung spiegelt den dreiteiligen Aufbau der Schrift wider, während der lateinische Titel an die Augsburger Konfession und ihre Apologie erinnert, als deren kurzgefasste Wiederholung der erste Teil der Ausarbeitung, das eigentliche Bekenntnis, ja verstanden sein will.13 Die Darlegungen zur berechtigten Notwehr einer unteren gegenüber einer höheren Obrigkeit spiegeln den Erkenntnisstand der Wittenberger Theologie seit etwa 1530 wider;14 sie nehmen insbesondere Impulse aus Luthers Thesen zur Zirkulardisputation von 1539,15 aus Georg Majors „Deklaration gegen Kaiser Karl V. und Papst Paul III.“16 von 1546 und aus der Schrift des Justus Menius „Von der Notwehr“17 von 1547 auf.18 Die spätere Diskussion zum Widerstandsrecht im mitteleuropäischen Raum hat insbesondere der zweite Teil des Magdeburger Bekenntnisses konfessionenübergreifend stark beein

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flusst, wobei dessen lateinische Fassung für die weitreichende Wirkung verantwortlich sein dürfte.19 Am 22. September 1550 begann die Belagerung der Stadt durch Truppen unter Herzog Georg von Mecklenburg.20 Ende des Jahres ernannte Karl V. Kurfürst Moritz von Sachsen zum Obersten Feldhauptmann der Belagerungstruppen vor Magdeburg. Dieser nutzte die Belagerung der Stadt, um Truppen zu sammeln und die kaiserliche Kriegskasse zu leeren, in Vorbereitung auf seinen Überraschungsangriff auf den Kaiser im Frühling 1552.21 Auch wenn die Stadt schließlich im November 1551 nach mehr als dreizehn-monatiger Belagerung dem Kurfürsten Moritz von Sachsen ihre Tore öffnete,22 war ihre Unbeugsamkeit inzwischen sprichwörtlich geworden.23 2. Die Autoren Das Bekenntnis ist – seinem offiziellen Charakter entsprechend – unterzeichnet von den Oberpfarrern sämtlicher Magdeburger Kirchen,24 ausdrück-lich auch im Namen der übrigen amtierenden Geistlichen der Stadt. An erster Stelle der Unterzeichner jedoch steht Nikolaus von Amsdorf, der in der Stadt zur Zeit der Abfassung des Bekenntnisses kein öffentliches Amt bekleidete. Allerdings genoss er hohes Ansehen, denn er hatte in den Jahren 1524–1541/42 als Pfarrer an St. Ulrich und Superintendent die Durchsetzung der Reforma-tion vorangetrieben. Seine Unterschrift enthält kein Epitheton, das über die Funktion Aufschluss gäbe, in der Amsdorf unterzeichnete, doch spricht sie für die Vorrangstellung, die man ihm einräumte – dem engen Vertrauten Luthers, dem aus seiner Diözese Naumburg-Zeitz vertriebenen evangelischen Bischof, dem Reformator und langjährigen Superintendenten Magdeburgs. Federführend bei der Abfassung scheint allerdings der erst im November 1549 als Oberpfarrer an St. Ulrich nach Magdeburg gekommene Nikolaus Gallus

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gewesen zu sein, der nach Einführung des Interims in seiner Regensburger Gemeinde nicht mehr hatte bleiben können.25 Als ausdrücklicher Unterstützer des Bekenntnisvorhabens, an dem er bis zuletzt intensiv Anteil genommen habe, wird in einer Nachbemerkung der Diakon Stefan Tucher genannt, der kurz vor bzw. während der Drucklegung starb.26 3. Inhalt Obrigkeiten niedereren Ranges seien verpflichtet, ihre Untertanen gegen ungerechtfertigte Übergriffe von Obrigkeiten höheren Ranges zu verteidigen und zu schützen, wenn sie gegen göttliches Recht oder Naturrecht, reine Lehre oder Gottesdienst gerichtet sind. Die Maßnahmen des Kaisers gegen die Stadt Magdeburg seien in der Absicht begründet, die christliche Religion zu unterdrücken und das Papsttum wieder einzuführen, darum müsse der städtische Rat Widerstand leisten. Diese beiden Grundthesen stehen am Anfang der Ausführungen, gefolgt von einer knappen Übersicht über den Aufbau der Schrift, die – nach einer Vorrede – drei Hauptteile umfasst: Der erste bietet eine kurze Zusammenfassung der christlichen Lehre, die die Rechtgläubigkeit der Magdeburger erweisen soll. Sieben „Hauptartikel christlicher Lehre“ werden darin knapp erörtert: 1. Von Gott und vom Unterschied der Personen – 2. Von der Schöpfung und von der Sünde – 3. Vom Gesetz und von guten Werken – 4. Vom Evangelium und von der Rechtfertigung – 5. Von den heiligen Sakramenten (Taufe, Abend

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mahl, Absolution) – 6. Von der Kirche und Kirchendienern – 7. Von weltlichem und Hausregiment und von deren Machtbefugnissen. Dabei wird in jedem Abschnitt zunächst die positive Lehre dargestellt, anschließend werden Irrtümer benannt, insbesondere solche der Papisten, der Interimisten und Adiaphoristen. Der zweite Hauptteil handelt „Von der Notwehr“ und enthält einen offenen Brief an den Kaiser, in dem dieser zur Umkehr gerufen wird. Drei Argumente für eine berechtigte Notwehr werden angeführt: 1. Der göttliche Auftrag an die Obrigkeit geht gemäß Röm 13 dahin, die Bösen zu strafen und die Guten zu schützen. Vier Grade des Machtmissbrauchs werden unterschieden, die teils leidend hingenommen werden sollen, teils zum aktiven Widerstand berechtigen. 2. Aus Stellen wie Mt 22,21 und Act 5,29 ergibt sich, dass man der Obrigkeit nicht mehr geben soll, als was ihr gebührt, also nichts, was Gott oder auch dem Nächsten gebührt. 3. Gott stützt nicht das Böse, das täte er aber, wenn er es verböte, einer dem Teufel verfallenen Obrigkeit zu widerstehen. Der dritte Hauptteil enthält eine ausführliche „Vermahnung“, in der dargelegt wird, dass Christen verpflichtet seien, den Gegnern der Magdeburger jede Unterstützung zu verweigern, dass sie die Einwohner in ihrem Wider-stand, den sie stellvertretend für alle Evangelischen im Reich führen, vielmehr durch Gebete und durch öffentliche Kundgebungen unterstützen sollten, selbst um die Gefahr eigenen Leidens. Die Schrift schließt mit Psalm 93. 4. Ausgaben Nachgewiesen werden können folgende Ausgaben: deutsch: A: Bekentnis, Vnter= || richt vnd vermanung / der Pfarr= || hern vnd Prediger / der Christlichen || Kirchen zu Magdeburgk. || Anno 1550. Den 13. Aprilis. || Psalm. 119. || Jch rede von deinen zeugnissen fuͤr Koͤnigen / vnd sche= || me mich derselben nicht. || Roma. 13. || Die Gewaltigen sind von Gott nicht den guten wer= || cken / sondern den boͤsen zufuͤrchten verordnet. || Acto. 9. || Saul / Saul / was verfolgestu MJCH? Es wird dir || schwer werden / wider den stachel lecken. || [Holzschnitt: Stadtwappen von Magedeburg, getragen von zwei Putten] || [64] Bl. 4° [im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk durch Michel Lotther.]27 (VD 16 A 2333)

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Vorhanden: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 11 in: Dg 1; Te 7768, Nr. 9 R Braunschweig, Stadtbibliothek: C 667(5).4; I 23/251 Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 2494 Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 1 an: 8 MULERT 260(4) Gotha, Forschungsbibliothek: Th 713/136R; Theol. 4 333-334(46)R Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: If 4390 (16); Ung VI 199(12); Yd 796,QK Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Ded.54(10); 4 Bud.Theol. 183(1); 4 Bud.Var.250 Leipzig, Universitätsbibliothek: Symb.248 Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 289 i; Kn A 175/1121 München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 336 [benutztes Exemplar] Neuburg an der Donau, Staatliche Bibliothek: 4 Theol.281 New Haven (Connecticut), Yale University Beinecke Rare Book and Manuscript Library: Call Number Mzt20 G2 A7 1550 New York, Union Theological Seminary: D 557 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek: Theol.qt.645 Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.IV(24) Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.1024; 39.G.48 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 183.28 Theol.(2); 184.10 Theol.(7); 230.34 Theol.(3); F 1367 Helmst.(6); G 672.4 Helmst.(7); G 730.4 Helmst.(12); H 112.4 Helmst.(4); H 122.4 Helmst.(4); H 411.4 Helmst.(3); H 465.4 Helmst.(14); S 8.4 Helmst.(6); T 733.4 Helmst.(3); Ts 393(1); YT 5.4 Helmst.(21) lateinisch: B: CONFESSIO || ET APOLOGIA PASTO= || rum & reliquorum ministro= || rum Ecclesiæ Magde= || burgensis. || Anno 1550. Idibus || Aprilis. || Psal: 18. || Loquebar de testimonijs tuis in conspectu regum, || & non confundebar. || Rom: 13. || Principes non sunt timori bono operi, sed malo. || Act: 9. || Saule, Saule, quid me persequeris? Durum est ti- || bi contra stimulum calcitrare. || [Holzschnitt: Stadtwappen von Magdeburg, getragen von zwei Putten]28 || Impressum Magdeburgi per Micha- || elem Lottherum. || [40] Bl. 4° (VD 16 A 2332)

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Vorhanden: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 1 an: Dg 4636 Gotha, Forschungsbibliothek: Theol. 4 333-334(45)R Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Var.427 München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Conc. 326#Beibd.1 [benutztes Exemplar] Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 289.5 Quod.(1); 455.3 Theol.(18); 522 Theol.(3); Alv De 82(3); H 112.4 Helmst.(6) C: CONFESSIO || ET APOLOGIA PASTO= || rum & reliquorum ministro= || rum Ecclesiæ Magde= || burgensis. || Anno 1550. Idibus || Aprilis. || Psal: 18. || Loquebar de testimonijs tuis in conspectu regum, || & non confundebar. || Rom: 13. || Principes non sunt timori bono operi, sed || malo. || Act: 9.|| Saule, Saule, quid me persequeris? Durum est tibi || contra stimulum calcitrare. || [Holzschnitt: Stadtwappen von Magde-burg, getragen von zwei Engeln]29 || Impressum Magdeburgi per Micha || elem Lottherum. || [40] Bl. 4° (VD 16 A 2331)

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Vorhanden: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 4 an: Dk 4260 Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.Sax.C652,misc.8 Erfurt: Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: Th 423 Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507(10) Gotha, Forschungsbibliothek: Th 2723(1); Theol. 4 322 l-m(8)R Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 53 352(5); Yd 795,QK Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Var.55(3); 4 Theol.XXVII,11(1) Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Kn A 238/1467 Lutherstadt Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar: LC491/9 München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 H.ref. 209 Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.IV(25) Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 77.Dd.213 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 183.28 Theol.(1) [benutztes Exemplar]30 ; 231.2 Theol.(1); 502.3 Theol.(1); H 122.4 Helmst.(5); S 210.4 Helmst.(2) Zwickau, Ratsschulbibliothek: 20.7.25.(3)

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Die Drucke B und C unterscheiden sich nur wenig voneinander: Die Titelseite von B ist ausgeglichener gestaltet als bei C, ansonsten sind beide Ausgaben über weite Strecken bis hin zum Zeilenfall nahezu identisch. Da der Gebrauch von Kürzungszeichen aber gelegentlich abweicht, so steht fest, dass die Lagen A–I neu gesetzt wurden. Hingegen hat es den Anschein, als sei die letzte Lage, K, aus dem stehenden Satz von C für den Druck von B übernommen worden, nur leicht ergänzt und verbessert. Der Haupttext zeigt in Lage K bei beiden Ausgaben nahezu identischen Satz, bis hin zu charakteristischer Schrägstellung einzelner Buchstaben und identischen Spatien. Außerdem findet sich hier die Blattangabe jeweils an exakt gleicher Stelle in C wie in B, während sie in den übrigen Lagen auch bei fast identischem Druckbild mehr oder weniger verschoben erscheint. Für die Priorität von C spricht, dass in Lage K zwei Zeilen in C normale Laufweite aufweisen, in B aber eine sehr enge, was durch das Ersetzen kürzerer durch längere Worte leicht erklärbar ist,31 umgekehrt aber kaum nachvollziehbar wäre. Überdies kann man einen äußeren Grund geltend machen: Nikolaus Gallus hat ein Exemplar des Druckes C an Johannes Wigand nach Mansfeld gesandt, und es steht zu vermuten, dass er damit nicht erst bis zur zweiten Ausgabe gewartet hat, auch wenn beide wahrscheinlich in sehr geringem zeitlichem Abstand erschienen sind. Unsere Ausgabe folgt dem (gegenüber C nachgebesserten) Text von B und verzeichnet Abweichungen im textkritischen Apparat.32 Vom beigegebenen dritten Ratsausschreiben vom 24. März 1550 sind zwei Ausgaben nachweisbar: A: Der Von Magde= || burgk Ausschreiben || an alle Christen. || Anno M. D. L. den || XXIIII. Marcij. || [Holzschnitt: Stadtwappen von Magdeburg, getragen von zwei Engeln, wie oben Ausgabe C] || Gedruckt zu Magdeburgk durch || Michel Lotther. (VD 16 M 126) 11 Bl. 4° Vorhanden: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Flugschr. 1550/7; Flugschr. 1550-7/1; Te 7768, Nr. 8 R Braunschweig, Stadtbibliothek: I 23/174(2)

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Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.Sax.C625,misc.10; Hist.urb.Germ.847,6 Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 260(3) Gotha, Forschungsbibliothek: Theol. 4 333-334(44)R Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: If 4390(20); Ii 3907m Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.177(10); 4 Hist.eccl.IV,2(12) Lüneburg, Ratsbücherei: Th 878(2) Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 289h Lutherstadt Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar: LC480/9; LC 504/4 München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 H.ref. 70 Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.III(107) Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.1022; 39.G.40 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 231.161.1 Theol.(2); 455.3 Theol.(17); Alv Dc 28(2); F 1435 Helmst.(2) [benutztes Exemplar]; G 672.4 Helmst.(6); H 122.4 Helmst.(3); H 175e.4 Helmst.(4); L 1001.4 Helmst.(12); T 731.4 Helmst.(2); YT 5.4 Helmst.(20) B: DEr Von Magde= || burgk Ausschreiben || an alle Christen. || Anno M. D. L. den || XXIIII. Marcij. || [Holzschnitt: Das Magdeburger Stadtwappen, gehalten von zwei Engeln, die in zwei Arkadenbögen stehen.] || Gedruckt zu Magdeburgk || Durch Hans Walther.33 (VD 16 M 127) 8 Bl. 4° (letzte Seite leer). Vorhanden: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Flugschr. 1550/7A Braunschweig, Stadtbibliothek: C 667(4).4 Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 4113(1) Hannover, Stadtbibliothek: 3 an: Bibl. S. Crucis 4 Nr. 188 Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.254(3) München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 H.ref. 71 [benutztes Exemplar] Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut. III(106) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: T 584.4 Helmst.(7)

Kommentar
1  Dabei genoß die Altstadt aufgrund alter Privilegien eine Sonderstellung, während die Vorstädte dem Zugriff des bischöflichen Stadtherrn stärker ausgesetzt waren. Zur Stadtgeschichte bis 1551 vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 13–38; PKMS 4, 30–32; PKMS 5, 23–26; Moritz, Interim und Apokalypse, 149–208.
2  Vgl. Moritz, Interim und Apokalypse, 174. Zu den Folgen der Acht aaO 174–176. Schon in den Jahren 1527 und 1537 war Magdeburg jeweils in die Acht erklärt worden, ohne dass jedoch die Mandate vollstreckt worden wären; vgl. aaO 165.
4  Zum Begriff vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 1–12, bes. 11, und 157f mit Anm. 1, außerdem unten Bl. O 2v: „Cantzeley vnsers herrn Jhesu Christi“.
5  Ratsausschreiben vom 24. März 1550, Bl. A 2r, siehe unten S. 633, Z. 25–28.
6  So zielt das Ausschreiben auch deutlich darauf ab, Landsknechte und Offiziere anhand des Beispiels des Heiligen Mauritius und der Thebäischen Legion dazu zu bewegen, nicht gegen die Stadt und ihre Bewohner vorzugehen (vgl. unten S. 638).
7  Zu Tucher siehe unten S. 624–627. Zum Magdeburger Bekenntnis vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 176–198 (im Kontext des Kapitels III, S. 157–207).
8  Insgesamt veröffentlichte der Magdeburger Rat in den Jahren 1548–1550 fünf Ausschreiben, das erste datiert vom 1. August 1548 (VD 16 M 128 und M 129), das zweite vom Jahresbeginn 1549 (VD 16 M 134 und M 135), das vierte von Anfang Oktober 1550 (VD 16 M 152), das fünfte von Mitte Dezember 1550 (VD 16 M 148 und M 149), zum dritten vom 24. März 1550 siehe unten; vgl. zu den Ratsausschreiben Kaufmann, Ende der Reformation, 133–155.
9  So verweist es z. B. auf Bl. B 4r darauf, dass die Schrift der Theologen manches noch ausführlicher darlegen werde. Es ist unten als Beilage abgedruckt, siehe S. 630–641.
10  Vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 184f. Entsprechendes findet sich auch im Magdeburger Bekenntnis selbst und im Ratsausschreiben, vgl. unten S. 636.
11  Hingegen scheint erst 1551 das „Klag Lied: | Deren von Magdeburgk / zu Got | vnd allen Frommen Christen. | Jm Thon des zwelfften Psal= | ms: Ach Gott vom Himel | sihe darein / Vnd las | dich das Erbarmen.“ (VD 16 ZV 8973, s. l. 1551; vgl. VD 16 K 1213, Coburg [Cyriakus Schnauß] 1551) veröffentlicht worden zu sein. Es nimmt allerdings ausdrücklich auf das dritte Ratsausschreiben vom 24. März 1550 und auf die Notwehr-Lehre Bezug: „[6.] So wir dann nyemant leyd gethan / Was thut man vns bekrigen. Ein jeder sehe das Schreiben an / Zum dritten mal on ligen. Das wir von Magdebuͤrgk on neith / Vor vnd in der engstlichen zeit. Clerlich frey Außgeschrieben. [7.] Wer sich darinnen wol ergruͤndt / Dem wird fuͤrwar sein Hertze. Gegen vns alln mit Lieb entzuͤndt / Das gleuben wir on schertze. Druͤmb biten wir in Demut gleich / Auß Hertzen grundt beyd Arm vnd reich. Vnnd sonderlich groß Herren. [8.] O lieben Christen alle sampt / Bedenckt in Hohen stenden. Ewer von Got befolhen Ampt / Thut euch zur Warheyt wenden. Bedencket vnser schreiben wol / Dann es ist aller Demut vol. So wird euch Got erleuchten. [... 22.] Ja wer vns nuͤhn wol gleuben wil / Dem sagen wirs mit schmertzen. Das vns solches betruͤbet viel / Ja krenckt vns Leib vnnd Hertzen. Gott weyß wir han keyn schuldt daran / Ein Nothweer haben wir gethan. Keyn Freud wir daran haben. [...]“ Das Lied umfasst 24 Strophen, die das Akrostichon „Gottes Wort bleibt ewiglich“ bilden; die Anfangsbuchstaben der Verse auf dem Titelblatt ergeben „Magdeburgk“. – Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung des Flacius-Textes vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 118, Z. 10–21.
12  Vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 179, Anm. 60.
15  Vgl. Luther, Zirkulardisputation über das Recht des Widerstands gegen den Kaiser (Matth. 19,21). 9. Mai 1539, in: WA 39/II, (34)39–91.
16  [Georg Major:] Ewiger / Goͤttlicher / | Allmechtiger Mayestat | Declaration. | [Holzschnitt: Heiliger Geist in Gestalt einer Taube schwebt über dem Haupt Gottes des Vaters, der Gott den Sohn nach Art einer Pietà auf dem Schoß hält, umringt von Wolken, aus denen Engelsköpfe blicken.] | Wider | Kayser Carl / Künig zu Hispanien etc. Vnd | Bapst Paulum den dritten. | Act. 4. | Richtet jr selbs / obs vor Gott recht sey / das wir Menschen | meer gehorchen dann Gott. [Augsburg: Valentin Otmar, 1546 (VD 16 M 2033); vgl. auch VD 16 M 2034 und M 2035]
17  Von der Notwehr | vnterricht: | Nützlich zu | lesen. | Durch Justum Menium. | Witteberg. | M. D. XLVII. [Veit Creutzer (VD 16 M 4592 und M 4593)]. Vgl. dazu Peterson, Unterricht.
18  Auf mittelalterliche Wurzeln der Widerstandstheorie geht bes. Shoenberger, Confession, ein.
19  Für den reformierten Bereich war wohl die Rezeption bei Theodor Beza in seiner Schrift „Du droits des Magistrats sur leurs subiets“ (Geneva 1574) / „De iure magistratuum in subditos“ (Francofurti 1608) von besonderer Bedeutung. Allgemein vgl. Hildebrandt, Possible Link; Wolgast, Religionsfrage; Leppin, Beitrag; Leeb, Widerstand; Whitford, Tyranny and Resistance; ; ders., Magdeburger Argumentationen; Rein, Chancery.
20  Zur Belagerung vgl. Ißleib, Magdeburgs Belagerung.
21  Zum Feldzug gegen den Kaiser und den Verhandlungen, die schließlich zum Passauer Vertrag vom August 1552 führten, vgl. PKMS 5, 30–37; PKMS 6, XIX–XIV; Rabe, Deutsche Geschichte 1500–1600, 431–439; Ißleib, Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552; Drecoll, Passauer Vertrag.
22 Zu den Verhandlungen zwischen Moritz und der Stadt Magdeburg vgl. PKMS 5, 25f und bes. 459–461 (Nr. 240, 4.–6. November 1551, Verhandlung mit den Gesandten der Alten Stadt Magdeburg), 465–469 (Nr. 243, 9. November 1551, Bericht über die Ergebung der Alten Stadt Magdeburg an Kurfürst Moritz), 554f (Nr. 299, 9. Nov./31. Dez. 1551, Geheimvertrag von Kurfürst Moritz mit der Alten Stadt Magdeburg).
23  So sagt man noch heute mundartlich im Hessischen, um etwas als unverrückbar und unerschütterlich zu charakterisieren: „Das steht wie Magdeburg.“
24  Zu ihren Viten vgl. die Anmerkungen zu den Unterschriften im Haupttext.
25 Zum Lebensweg des Gallus vgl. unsere Ausgabe Nr. 4. Gallus war mit dem Magdeburger Stadtsekretär Merckel verschwägert. Nach Voit, Gallus, 120 mit Anm. 1, übernahm er mit der Pfarrstelle an St. Ulrich nicht die damit üblicherweise verbundene Superintendentur; dafür spricht, dass er das Bekenntnis nicht als Suprintendent unterzeichnet. De facto ruhte wohl das Amt des Superintendenten, doch war Gallus als Pfarrer an St. Ulrich princeps inter pares, und Amsdorf dürfte eine Art Ehrenprimat zugestanden worden sein (vgl. Voit, Gallus, 141f). Dass Gallus bei der Abfassung des Bekenntnisses zu den treibenden Kräften gehörte und federführend tätig war, legen einige Umstände nahe, wenn sie auch nicht seine alleinige Verfasserschaft beweisen: Wigand vermerkte auf seinem Exemplar, das er von Gallus erhalten hatte [HAB: 183.28 Theol.(1)]: „Authore M. Nicolao Gallo per omnia“. Bereits zur Jahreswende 1549/50 schrieb Gallus, der mit Gewaltmaßnahmen gegen Magdeburg rechnete, es sei nun an der Zeit, Bekenntnis abzulegen und für den Glauben etwas zu wagen und zu leiden (Voit, Gallus, 138 mit Anm. 5). Gallus sandte zudem mehrere Exemplare der Texte nach Regensburg und an Fürst Wolfgang von Anhalt (Voit, Gallus, 141, Anm. 2). Vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 157f mit Anm. 1, der zu bedenken gibt: „... Freilich ist nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar sehr wahrscheinlich, daß der entstehende Text der Magdeburger Confessio Gegenstand intensiverer Beratungen im Kreis der Magdeburger Theologen gewesen ist: Auch mit der beratenden Teilnahme derjenigen Exulanten, die, wie Flacius oder Alber, nicht zu den Unterzeichnern der Confessio gehörten – wohl weil sie kein Magdeburger Amt innehatten –, ist zu rechnen. Auch wenn Gallus als Superintendent die redaktionelle Führung bei der Abfassung des Bekenntnisses gehabt haben dürfte, so ist die Confessio als Gemeinschaftstext der Prediger zu würdigen und zu interpretieren ...“ Vgl. auch unten die Anm. 53 zum lateinischen Text.
26  Er wird als Unterstützer und Motivator auch von Flacius in der „Protestation“ genannt, mit der er die deutsche Übersetzung von „De veris et falsis Adiaphoris“ (unsere Ausgabe Nr. 3, oben S. 347–353, bes. 349,4f) schließt.
28  Derselbe Holzschnitt wie beim deutschen Druck A, er füllt die gesamte Breite des Satzspiegels, während bei dem lateinischen Druck C der Text über die Ränder des Holzschnitts mit dem Stadtwappen hinausreicht.
29  Abgebildet bei Kaufmann, Ende der Reformation, 574. Derselbe Holzschnitt wurde auch für das Titelblatt von „Der Von Magdeburgk Ausschreiben an alle Christen. Anno M. D. L. den XXIIII. Marcij.“ (Magdeburg, Michel Lotther) verwendet (VD 16 M 126).
30Köhler II-130 (Nr. 258).
31  Vgl. unten im textkritischen Apparat zum lateinischen Text die Anmerkungen o (S. 618,8: tum/tamen) und p (S. 624,17: actiones/praestigias).
32  Text wieder bei Hortleder II, cap. VI, S. 1053–1091 (Angabe nach Kaufmann, Ende der Reformation, 157, Anm. 1).
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