Predigt 2 - Einleitung

1. Überlieferung

1.1 Herangezogene Handschriften

Die 1870 verbrannte Straßburger Tauler-Handschrift A 88, die Anfang des 15., vielleicht auch noch Ende des 14. Jahrhunderts entstand, enthielt in einem Anhang offenbar die vorliegende Predigt zusammen mit den Predigten sechs, acht und neun des Basler Taulerducks. Da Carl Schmidt erkannte, dass diese vier Predigten, die den sogenannten Gottesgeburt-Zyklus bilden, nicht von Tauler stammen,1 schrieb er sie nicht ab. Die vorliegende Predigt kann daher ebenso wie die Predigten sechs, acht und neun nicht aus frühen Tauler-Handschriften wiedergegeben werden.

Als Textgrundlage dient die älteste bekannte Handschrift, die wie die verbrannte Tauler-Handschrift A 88 alle Predigten des Gottesgeburt-Zyklus überliefert, nämlich die aus dem 14. Jahrhundert stammende Handschrift St 2 (E).2 Da diese Handschrift den Text der vorliegenden Predigt aufgrund von Blattverlust nicht mehr vollständig tradiert, wird der fehlende Abschnitt nach der Handschrift Mz 1 (E) wiedergegeben, die eine ziemlich frühe Textstufe bietet3 und von einer Vorlage abstammt, die noch alle vier Predigten enthielt.4 Im Apparat des Handschriftentextes werden abweichende Lesarten der kritischen Edition in Eckhart, DW IV,1, S. 334-336 verzeichnet.

Eine Auflistung aller gegenwärtig bekannten Handschriften, die die vorliegende Predigt überliefern, findet sich in Eckhart, DW IV,1, S. 279-289.

1.2 Frühe Drucke

  • BT, Bl. 2vb-5va.
  • LT, Bl. *-*.
  • AT, Bl. *-*.

2. Edition

3. Neuhochdeutsche Übersetzungen

Weitere ältere Übersetzungen sind verzeichnet in Eckhart, DW IV,1, S. 318.

4. Autorschaft

Nach heutigem Forschungsstand stammt die vorliegende Predigt ebenso wie die drei anderen Predigten des Gottesgeburt-Zyklus von Meister Eckhart. Dafür sprechen neben der Zuweisung an Eckhart in der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Handschrift St 2 (E)5 inhaltliche Übereinstimmungen mit anderen Werken Eckharts, insbesondere mit dessen Sapientiakommentar.6

Prägend für die Rezeptionsgeschichte der vorliegenden Predigt wurde ihre Überlieferung unter dem Namen Taulers. Bereits in der Tauler-Handschrift A 88, die Anfang des 15., vielleicht auch noch Ende des 14. Jahrhunderts entstand, ist die vorliegende Predigt zusammen mit den drei anderen Predigten des Gottesgeburt-Zyklus als Anhang in das Korpus der Tauler-Predigten integriert worden.7 Die vier überwiegend anonym überlieferten8 Eckhart-Predigten erachtete man offenbar, wohl aufgrund von inhaltlichen Bezügen, als passende Ergänzung zum Tauler-Korpus.9 In der 1486/87 entstandenen Handschrift Le 1 ist die vorliegende Predigt entsprechend der Abfolge im Kirchenjahr an zweiter Stelle in das Tauler-Korpus eingeordnet.10 Eine Vorstufe von Le 1 diente als Vorlage für den Leipziger Taulerdruck (LT) von 1498,11 der die Predigt ebenfalls als zweite innerhalb des Tauler-Korpus tradiert.12 Als solche wurde sie auch durch den Augsburger Taulerdruck von 1508 (AT) und den Basler Taulerdruck von 1521 und 1522 (BT) verbreitet. Im Kölner Taulerdruck von 1543 (KT) folgt sie ebenfalls auf die erste Predigt nach der Zählung des BT, vor der dort allerdings noch sechs Adventspredigten eingefügt wurden.13

5. Datierung

Liturgischer Anlass der vorliegenden Predigt ist der Sonntag der Weihnachtsoktav, also der Sonntag nach dem Weihnachtsfest.

Da die Predigt mit großer Sicherheit Meister Eckhart zugewiesen werden kann, muss sie zu dessen Wirkungszeit entstanden sein, die sich von etwa 1290 bis 1328 erstreckt. Steer vermutet aufgrund von Bezügen zu den "Reden der Unterweisung", den "Quaestiones Parisienses", den "Sermones et lectiones super Ecclesiastici" sowie zum Sapientiakommentar, dass die Predigten des Gottesgeburt-Zyklus nach den "Reden der Unterweisung" und vor Abschluss des Sapientiakommentars zu datieren sind, also etwa zwischen 1298 und 1305.14


Anmerkungen

1 Vgl. Schmidt, Tauler, S. 65f.
2 Einen Überblick über die gegenwärtig bekannten Handschriften, die alle Predigten des Gottesgeburt-Zyklus enthalten, bietet Franzke, Überlieferungskontext, S. 42-55, 59-61.
3 Vgl. Eckhart, DW IV,1, S. 317.
6 Vgl. Eckhart, DW IV,1, S. 318-329. Zu den Übereinstimmungen mit dem Sapientiakommentar vgl. Eckhart, Expositio libri Sapientiae n. 279-285 (LW II, S. 611,1-619,4).
7 Vgl. oben 1.1.
8 Vgl. Eckhart, DW IV,1, S. 334, 407, 474, 565. Zur generell überwiegend anonymen Überlieferung der Predigten Eckharts vgl. auch Weigand/Schiewer, Problematik, bes. S. 14-16.
9 Vgl. auch Mösch, Geburt, S. 42.
10 Vgl. Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms 559; vgl. auch http://pik.ku-eichstaett.de/1083/.
11 Vgl. Mayer, Vulgata-Fassung, S. 34; Eckhart, DW IV,1, S. 316. Zum Verhältnis zwischen dem Leipziger Taulerdruck und der Handschrift B5 (Tauler-Sigle) / B35 (Eckhart-Sigle) vgl. auch zusammenfassend Franzke, Überlieferungskontext, S. 53-54.
13 Zur Stellung der vorliegenden Predigt im KT vgl. auch die Übersicht in Weigand/Benzinger, Sprösslinge, S. 65, 70f.
14 Vgl. Steer, Predigtzyklus; vgl. auch Mösch, Geburt, S. 50f.
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Eckhart, Meister
Anm.: Dominikaner; Theologe, Philosoph und Mystiker
weiterführende Informationen
Schmidt, Carl, Johannes Tauler von Straßburg. Beitrag zur Geschichte der Mystik und des religiösen Lebens im vierzehnten Jahrhundert, Hamburg 1841 [Digitalisat]Franzke, Janina, Der Überlieferungskontext des Predigtzyklus "Von der ewigen Geburt" (Meister Eckhart), Masterarbeit Augsburg 2013 [Digitalisat]Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke, Bd. 4,1: Meister Eckharts Predigten, Bd. 4,1, hg. und übersetzt von Georg Steer unter Mitarbeit von Wolfgang Klimanek und Freimut Löser, Stuttgart 2003Quint, Josef (Hg.), Meister Eckehart. Predigten und Traktate, Zürich 1979 (Diogenes Taschenbuch 20642)Steer, Georg, Predigt 101. "Dum medium silentium tenerent omnia", in: Steer, Georg / Sturlese, Loris (Hg.), Lectura Eckhardi. Predigten Meister Eckharts von Fachgelehrten gelesen und gedeutet, Bd. 1, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, S. 247-288Gnädinger, Louise (Hg.), Meister Eckhart. Deutsche Predigten. Vierzig der schönsten deutschen Predigten, Zürich 1999 (Manesse Bibliothek der Weltliteratur)Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke, Bd. 4,2: Meister Eckharts Predigten, Bd. 4,2, hg. und übersetzt von Georg Steer unter Mitarbeit von Wolfgang Klimanek und Heidemarie Vogl, Lieferung 1-10, Stuttgart 2019Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die lateinischen Werke, Bd. 2: Expositio libri Exodi [...], hg. und übersetzt von Konrad Weiß u. a., Stuttgart 1964Schiewer, Regina Dorothea / Weigand, Rudolf Kilian, Ich glaube vestiglich, das dise predigen entweder Meister Eckhards oder Taulers sind, dan sich durch auss ire worte gleich lautent. Zur Problematik der Rezeption und Authentizität der Predigten Johannes Taulers und Meister Eckharts, in: Ons Geestelijk Erf 84 (2013), S. 7-19Mösch, Caroline F., Daz disiu geburt geschehe. Meister Eckharts Predigtzyklus Von der êwigen geburt und Johannes Taulers Predigten zum Weihnachtsfestkreis, Freiburg i. Ue. 2006 (Dokimion 31)Mayer, Johannes Gottfried, Die "Vulgata"-Fassung der Predigten Johannes Taulers. Von der handschriftlichen Überlieferung des 14. Jahrhunderts bis zu den ersten Drucken, Würzburg 1999 (Text und Wissen 1)Weigand, Rudolf Kilian / Benzinger, Tobias, Sprösslinge aus dem Wurzelwerk der Mystik: Zur frühneuzeitlichen Verbreitung der Tauler- und Eckhartpredigten im Druck, in: Quero-Sánchez, Andrés (Hg.), Mystik und Idealismus: Eine Lichtung des deutschen Waldes. Akten der vom 19. bis 21. Mai 2016 im Kapitelsaal des Predigerklosters in Erfurt stattgefundenen internationalen interdisziplinären Tagung (Meister-Eckhart-Forschungsstelle am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt), Leiden/Boston 2020 (Studies in Mysticism, Idealism, and Phenomenology 1), S. 57-118Steer, Georg, Meister Eckharts Predigtzyklus von der êwigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: Haug, Walter / Schneider-Lastin, Wolfram (Hg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 253-281
Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. brev. 88
Literatur: http://pik.ku-eichstaett.de/4066/
Digitalisat: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz500430624
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Literatur: http://pik.ku-eichstaett.de/3969/
Digitalisat: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0128-3-854
Tauler, Johannes, Joannis Tau||leri des ſeligen lerers || Pꝛedig / faſt frucht||bar ʒů eim recht || chꝛistlichen || leben.|| Deren Predigen || garnah hie in diſem Bůch des halb=|| theyls meer sind deñ in andern vorge||truckten buͤcherẽ die man ſidhar mit || der hilff gottes funden hat / Der ſeyn || woꝛt yetzt wider erwecket vnnd aller || welt verkündet.||
Basel: Petri, Adam 1522, 2° (VD16 J 785)
Digitalisat: http://diglib.hab.de/drucke/ed000745/start.htm
Tauler, Johannes, Sermon des groß||gelarten in gnadẽ erlauchtẽ docto||ris Johannis Thauleri pꝛedigerr || oꝛdens. weiſende auff den neheſtẽ || waren wegk. yn geiſte cʒu wãdern || durch vberſchwebẽden ſyn. vnuoꝛ||acht võ geiſtes ynnigẽ voꝛwãdelt || ĩ deutſch mãchẽ mẽſchẽ ʒu ſelikeit.||
Leipzig: Kachelofen, Konrad 1498, 4° (GW M45246)
Digitalisat: http://diglib.hab.de/inkunabeln/65-2-theol/start.htm
Tauler, Johannes, Sermones: des hoch||geleerten in gnaden erleüchten do||ctoꝛis Johannis Thaulerii ſannt || dominici oꝛdens die da weißend || auff den naͤcheſten waren weg im || gaiſt ʒů wanderen durch überſwe||bendenn ſyn. von latein in teütſch || gewendt manchem menſchen ʒů || ſaͤliger fruchtbarkaitt:||
Augsburg: Otmar, Johann 1508, 2° (VD16 J 783)
Digitalisat: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10813511-4
Tauler, Johannes, Des erleuchten D. Johan||nis Tauleꝛi / von eym waren Euangeliſ=||chen leben / Goͤtliche || Pꝛedig /|| Leren /|| Epiſtolen /|| Cantilenen /|| Pꝛophetien /|| [...] nů erſtmals ins liecht kommen.|| Auch ſeynd hier bey die [...] Pꝛedigen Thauleri / woͤlche [...] || gekurtʒt / gelẽgt vnd ver||dunckelt waren [...] || treüwlich gebeſſert.||
Köln: Gennep, Jaspar von 1543, 2° (VD16 J 777)
Digitalisat: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10149255-0