IM Gehen berichtete Timoclee den Archombrotus auff seine Frage/
ob zwar Poliarchus ein frembder sey/ so were er dem Könige doch
für allen in gantz Sicilien lieb gewesen; vnd hetten jhm gute Leute
diß nicht
mißgönnet. Aber ich weiß nicht/ sagte sie/ was für ein
sonderliches
Verhängnuß sich heutiges Tages denen die bey Köni-
gen in Gnaden sind
widersetzet. Es ist wahr/ antwortete Archombro-
tus: hat dieses böse Gestirne
nicht jnnerhalb kurtzer Zeit viel Höfe
mit seiner schädlichen Wirckung
angesteckt? Gleichwol/ sagte Ti-
moclee/ die Vrsach daß andere gestürtzt sind
worden/ ist entweder
von jhnen kommen/ oder von jhren Herren. Aber was hat
diesen/
der selber so tugendhafftig ist/ vnd bey einem so frommen vnd
weisen Könige lebet/ für ein Fall gerühret? Wollet jhr zum Exem-
pel anziehen die [40] zwey Eheleute auß Lydien/ welche
nicht vn-
längst in der frembde jhre gar zu vnmässige Glückseligkeit zur
Straffe gebracht hat? in dem zwar er an der Schwelle deß königlichen
Hauses in seinem Blute gelegen/ vnd sie auß dem
Gefängnüsse???dar-
a
umb???
geführet ward/ daß jhr von dem Hencker jhr Recht gethan
würde? Dieses weiß ein jeder. Aber was kan man in selbiger Trage-
dien
mit dem Poliarchus vergleichen? Es mangelte jenen nichts
zum
Königreiche als der Nahme vnd die Krone; vnd war jhnen zu
verschmählich/ daß sie den eyngebornen deß Landes solte gleiche
gehen: Da
doch nicht eine einige Tugend in jhnen gewesen/ warumb
sie so hohe Eynbildung
schöpffen mögen. Die blinden zwey Leute
dorfften sich auch vnterstehen
desselben blüende Jugend vnter die
Füsse zu tretten/ der jhnen bey jhren
Gütern hette Schutz halten
können/ vnd sie hernachmals als er nur
anfieng sich seiner Macht
zu gebrauchen endlich außgerottet hat. Poliarchus aber hat den kö-
niglichen Schatz nicht berühret;
hat seine Kräfften weder mit Be-
satzung noch Festungen gestärcket. Ja es
schiene/ als solche seine
Tugendt Sicilien nicht anders erleuchtete/ als die Sonne den Erd-
boden. Diese meineydige Lydier hielten sich viel anders: wie auch
sonst ein par Eheleute auß Phrygien/ mit denen das Glück eben
ein solch
Spiel anfieng. Das werden diese seyn/ hub Archombrotus
darauff an/ die [41]
newlich auß dem Königlichen
Hofe/ an wel-
chem sie alles zuthun vermochten/ in den Galgen kommen weren
Zauberey wegen; wann nicht der König an seine alte Liebe gedacht/
vnd jhnen auß Gnaden das Gefängniß verehret hette. Es ist nicht
anderst/
sagte Timoclee/ jhr wisset wie jhr Verbrechen auß der wei-
se gewesen. Er
zwar hat jhm seinen vorigen Zustandt auß der Acht
gelassen/ vnd es jhm für
spöttlich gehalten/ daß er von vielen ge-
liebt würde; sie aber hat
sich an die Verbitterung der Leute/ vmb
daß sie der ersten Heyrath sich
entbrochen hette/ nicht gekehret:
also daß von beyden die grosse Juno ist
erzörnet worden/ vnd sie
nicht so nachdencklich gewesen sind/ daß die
Göttinnen auch jhren
Donner haben.
Fraw/ sagte Archombrotus/ man würde noch mehr bestürtzt wer-
den/ wann
nicht die Gewonheit dergleichen Spiel zusehen die Ver-
wunderung gemindert
hette. Schawet deß Aquilius/ schawet deß
Hippophilus Hoff an. Was hat es die grössesten Haupter nach dem
Lauffe jhrer vbermäßigen Gewalt geholffen/ daß sie auff die höch-
sten Würden deß Geistlichen Standes als auff eine freye stätte sind
zugeeylet? So viel/ daß jhre sterbende Hoheit desto scheinbarer be-
graben würde. Aber das hiesse gleichwol die Fürsten aller Gewalt
berauben/ wann sie nit Macht hetten jhre Freundschafft zuver-
wechseln
wie sie wolten. Meine Fraw/ verstatten wir doch dieses
Recht gemeinen Leuten. Ist es so beschaffen/ sagte Timoclee
her-
wider/ so werdet jhr in solcher Flucht [42]
deß
Glückes entweder
die Fürsten/ oder jhre Freunde so in Vngnade kommen/
schwerlich
entschuldigen. Dann solche Könige/ mag ich anders die Warheit
reden/ bey welchen allzeit etliche gar zuviel vermögen/ fallen durch
eine veränderliche Wollust zu lieben jetzt auff dieses/ jetzt auff
jenes. Sie fangen jhre Gunst mit einem Zufall an/ vnd enden sie
mit
einem Eckel: sie erfrischen jhr Gemüthe durch newe Freund-
schafft/ wann sie
der alten Gewonheit satt haben. Es gehet mit etz-
lichen auß jhnen zu
wie mit gewissen Krancken/ daß sie von einer
grossen Hitze in härtere Kälte
fallen/ vnd jhre Liebe mit Feindschafft
beschliessen. Sie sind jhrer
Begierden Gefangene/ in dem sie zu vn-
mässig begnadigen/ vnd zu grausam
hassen. Etwas glimpfflicher
sind diese/ welche an dem begnüget sind/ daß sie/
in dem sie newe
Freunde annemmen/ die Alten zwar nicht achten/ aber
doch auch
nicht beleydigen: vnd dannoch erfüllen sie jhre Höffe mit Widerwil-
len/ Ehrgeitze vnd Gezäncke. Endlich lieben zwar länger/ aber nicht
sicherer vnd trewer die jenigen/ die an jhnen wol befinden/ daß sie
wenig Erfahrung vnd Nachdenckens haben jhre Sachen fortzustel-
len/ vnd demselbigen alles anvertrawen/ welchen sie für den ge-
schicktesten halten/ auch jhm nicht weniger sich selbst als jhre ge-
schäffte vntergeben: welches offtmals einen trawrigen Außschlag
gewinnet. Dann Herren die sich selber nicht zuregieren wissen/ kön-
nen
schwerlich einen außlesen der sie regieren solle. Im vbrigen/ so
lie-[43]
ben sie diesen hernach nicht allein/ sondern
schmiegen vnd
biegen sich für jhm/ vnd erschrecken wann er jhnen einredet; so
lange biß er auß Vergeßligkeit daß er nur ein geliehenes Regiment
habe/
sich zu tyrannisiren vnterfänget; oder biß der/ von dem solch
Ansehen
herrühret/ auß schwachheit deß Verstandes der seine
Freyheit nicht
gebrauchen kan/ sich anfängt vber einem andern
zuverwundern. Ich zweifele
nicht/ Mein Herr/ jhr werdet meiner
lachen/ daß ich als ein Weib solche Wort
gegen euch außstosse:
aber glaubt es/ daß hiesiger Lande stethes Vnglücke
diesen Inhalt
zureden/ so gemeine gemacht hat/ daß ein Frawenzimmer jetzundt
gar weißlich darvon vrtheilen kan. Darauff sagte Archombrotus/ als
der auff der Fürsten seiten war/ also: Ich
gestehe es/ Könige fehlen
offt im vnterdrucken der Freunde: aber wie vielmal
geben die so
in Gnaden sind dem Glück selber Vrsach von jhnen zufliehen; wel-
ches sie nicht so bald verlassen würde/ wann sie bescheidener damit
vmbgiengen? Etzliche auß jhnen/ die auff jhres Herren Natur
nicht Achtung geben/ vnterlassen das jenige zuüben/ welches sie
in
Gnaden gebracht hat: oder vberfallen vnd dämpffen mit einer
Vngestümmigkeit
jhre newe Gunst/ die noch bey den Herren nicht
eingewurtzelt ist; wie
die menge der Speisen den Magen erstöcket/
der noch nicht zu kräfften ist
kommen. Andere haben sich ge-
stürtzt/ daß sie zu vnersättig gewesen sind/ ob
sie gleich die Gunst
deß Glückes gleichsamb vberschwemmet hat. Dann [44]
wann sie
jnnen werden/ daß jhr Herr zu Anreitzung einer
newen Freund-
schafft sich neiget/ ziehen sie jhn mit beyden Händen
zurück/ vnd
halten jhm ein die verheissung der beharrlichen Liebe gegen
jhnen.
Daß also die jenige/ welche sich solcher Gnaden entbrechen können/
vnd mit grossem Ansehen zu Ruhe begeben/ lieber wöllen fortge-
stossen
seyn/ als selber Vrlaub nemmen. Was sol ich von der Thor-
heit sagen/
wann solche Glückseligkeit leichten Gemütern auff-
stehet? Ihr wisset wie
Phaeton sich deß Wagens/ vnd Icarus der
Flügel gebrauchet haben: vnd dannoch
schelten wir nicht auff Ju-
pitern/ noch auff die Sonne/ von welchen sie
seynd gestrafft wor-
den. Aber/ wandte Timoclee ein/ es gerathe wie es wölle/
daß diese
Personen entweder sich erhalten oder stürtzen/ vnd wider in
den Zu-
standt gerahten/ in dem sie vorhin gewesen sind; so sehet nur was
den Königen/ derer Verderb oder Wolfahrt gemeiniglich einen
jedern
angeht/ auß solcher vbermasse der blinden Liebe entsprin-
get. Von mir
zusagen/ ich bin bey Hofe erzogen worden/ vnd hab
von erfahrnen Leuten
nichts öffterer gehöret/ als daß ein Fürst/ vnd
der sein Land zu regieren
nicht verdrossen ist/ keinem so weit ein-
räumen sol/ daß er sich einem Theil
anhängig mache/ vnd wider
das andere einlasse. Dann wann die jenigen/ welche
durch König-
liche Gnade zum höchsten gestiegen sind/ wegen vbriger Macht ge-
neydet/ vnd doch von jhrem Herrn also geschützet werden/ daß
man jhnen ohne seine Beleydigung nicht scha-[45]
den
kan/ so er-
heben sich allerley Spaltungen mit grösserer Freyheit; man tastet
den König selber mit Worten an/ vnd er muß vnter dem Namen
eines andern
destoärger herhalten/ je mehr die/ welche sich diß zu-
thun
vnterstehen/ der Meinung seynd/ daß er wegen Schwachheit
vbermässiger Liebe
das vnrecht so jhme geschicht/ wenig fühle.
Aber in betrachtung der
Vnwissenheit der Menschen ist nichts mehr
b
zubeklagen/ als daß Könige vermeinen/ sie werden jhrer
grossen Be-
schenckung halben trewlicher geliebet; da vielmehr/ wo zuvor in
denen welche sie also erheben/ eine auffrichtige Freundschafft ge-
wesen
ist/ dieselbe durch vnbedachtsame Freygebigkeit wider wirdt
außgeleschet. Dann solange solche der Könige Freunde ein behäg-
liches aber
doch mässiges Glück empfinden/ vnd gleichsam wie das
schwache Epphew eines
Bawmes bedörffen an dem sie auffsteigen;
so lange sindt sie sorgfeltig jhren
herren zuerhalten: entweder dar-
umb weil sie von jhm hangen: oder zum
wenigsten/ weil sie von
seinem Vntergange keinen Nutzen zugewarten
haben. Wann jhr
Stamm aber schon so starck gewachsen ist/ daß sie durch
eigene
Grösse standhafftig können bleiben/ so entziehen sie jhre Aeste ge-
mach vnd gemach von dem Baume an den sie sich gelehnet haben;
damit wann
er fiele/ es jhnen ohne schaden were. Sie trennen jhr
Thun von deß
Fürsten Wolfarth so baldt sie mögen: vnd die Freundt-
schafft welche sie jhm
schüldig sindt erweisen sie jhnen selber.
Dann sie wissen gar [46]
wol/ daß der Fürst/ wann er dermal eins
von solchem
vnbesonnenen begnadigen erlediget würde/ ein Ab-
schew für dergleichen seinen
Fehlern bekommen/ vnd der Gewalt
welche er gemacht hette selber nicht
trawen möchte. Sie bedencken
auch/ es müsse gleichsam so seyn/ daß/ wann der
König einen er-
hebet/ der ander falle. Derentwegen fangen sie stracks an
sich für
jhm zuhüten/ vnd kommen der künfftigen Veränderung mit ge-
genwärtiger List zuvor; wenden also die Sachen so sie in den Hän-
den haben/ nicht dahin/ wo deß Königes Ansehen vnnd der gemeine
Nutz
gestärcket würde/ sondern auff die seitte wo sie jhr Glück ver-
sichern/ vnd
den König verrahten können. Poliarchus bezeuget
gleichwol/ daß man zu weilen Tugendt
antreffen möge/ welche
durch solche Wolfahrt nicht verterbet wirdt: dann er
hat seine
Trew niemals vorendert/ vnd bey solchem Glück sich erhoben;
so
daß ich seiner jetzigen Gefahr keine andere Vrsache zumessen kan/
als
daß jhm auß sonderlichem Verhängnüß dergleichen begegnet.
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