DIe Welt hatte Rom noch nicht angebetet/ vnd das Meer war der
Tiber noch nicht gehorsamb/ als eines Tages an dem Strande Sici-
liens/ da der Fluß Gelas sich in die See außgeust/ ein frembdes Schiff
anländete/
auß welchem ein edeler Jüngling/ von ansehlicher Ge-
stalt/ an den Port
stiege. Seine Leute trugen/ mit hülffe der Schiffer/
die Rüstung vnd Waffen
auß/ vnd liessen die Pferdte [2] an einem
Gurtte vmb
den Leib herunter an das Vfer. Er/ als welcher der Vn-
bequemigkeit
deß schiffens nicht gewohnet war/ hatte sich in den
Sandt gestrecket/ vnd
versuchte/ ob er das Hauptwehe/ so jhme die
stethe bewegung deß Wassers
verursacht hatte/ durch den Schlaff
vertreiben möchte; als sich vnverhofft
ein hefftiges Geschrey er-
hube/ vnd jhme im ersten Schlaff mit einem
verdrießlichen Traume
beschwerlich war; biß es näher vnd näher kam/
daß er mit Schrecken
vom Schlaff aufffuhre. Es war nicht ferrn von dannen ein
Wald/ da
zwar die grossen Bäume nicht vbrig dicke/ aber doch weit außgebrei-
tet stunden/ vnter denen die Hügel/ Gestrütticht vnd finstern Stau-
den/
den Ort zum rauben nicht vnbequem machten. Auß denselben
kompt
plötzlich herfür eine Fraw/ zwar von schönem Gesichte/
welche aber jhre Augen
mit den Thränen verstellet hatte/ vnd we-
gen der außgebreiteten Haare/ so
jhr wie denen welche zu Grabe
gehen/ vmb den Kopff flogen/ scheußlich
anzusehen war. Sie triebe
das Pferd auff dem sie sasse mit Schlägen fort/
weil es so sehr nicht
Als sie an den Wald kommen waren/ dessen Eingang sich in etz-
liche Scheidewege trannte/ vermochte die Fraw sich nicht zube-
sinnen/
wo man den Poliarchus finden solte/ vnd fienge auffs new
ein
jämmerliches Weheklagen an. Der frembde Jüngling erschrack
für solchem
heulen/ vnd zweiffelte/ ob er weiter rucken/ oder still-
halten solte; als
gehling der Wald von Geschrey vnd gethöne der
Waffen vnd Pferdte
widerschallete; so daß er innstehende Gefahr
wol abnemmen kundte. Dann es
kamen drey gewaffnete mit
ver
Zwischen solcher Rede vmbfiengen sie einander/ vnd waren/
nach so freundlicher Begrüssung/ in Gedancken/ nicht allein was/
sondern
auch mit wem sie beyderseits redeten. Es stallte jhm einer
deß andern Gestalt
für Augen/ vnd stunden als bestürtzt vber solcher
jhrer Beschawung. Der
eine sahe in dem andern mit Verwunderung
an/ das/ worüber sich der ander in
diesem nicht minder verwunder-
te: die Jugend/ das freye Gesichte/ die
Tracht/ vnd die sonderliche
Lebhafftigkeit/ welche auß jhren Augen leuchtete.
Sie waren in
einem Alter/ vnd auß vnterschiedenen Gesichtern blickete
einerley
Mayestät vnd Ansehen. Es war einem Wunder gleiche/ daß sich
die
Stärcke mit solcher Schönheit vereiniget hette. Timoclee preisete
das Glück nicht weniger/ von welchem durch diß seltzame Abend-
thewr/
ein so vollkommenes Paar zusammen gefüget worden. Sie
that auch ein Gelübd/
daß sie/ wann es mit jhrem Willen were/ eine
Tafel/ darauff beyder
Bildnüß stünde/ in der Erycinischen Venus
Tempel auffhencken wolte. Wiewol sie aber/ vieler Zufälle halben/
jhren
Vorsatz nachmals verschieben mußte/ hat sie sich doch end-
lich dessen
Gelübdes entlediget/ vnd diese Verß vnter benannte Ta-
fel setzen
lassen:
Poliarchus/ als er wider zu sich selbst kommen/ vnd die Schönheit
deß Frembden nach gnügen betrachtet hatte/ sahe er die Timoclee
an/ als
eine/ mit der er wol bekandt ware/ vnd lachte jhres erschro-
ckenen bleichen
Gesichtes; fürnämlich aber/ daß jhr die Haare auff
die Seiten vnd hindersich
zerstrewet vnd verworren hiengen. Er
fragte sie auch schertzweise/ ob
sie von den Satyren were ange-
griffen worden? Timoclee lächelte vnd sagte:
Mein Poliarchus/
glaubet nicht/ daß ich sie auß Verzweifflung so loß
gerissen habe.
Als ich vber ewerer Gefahr erschrocken mich durch die Flucht
zu-
retten eilete/ haben mich die Este bey der Scheitel auffgehalten/
vnd mir das Haar so außgeflochten. In dem sie also Sprache halten/
Die zween junge Herren hatten allbereit gute
Freundschafft zu-
sammen gemacht/ vnd Poliarchus berichtete den Frembden/ wie
jhm/ als er mit dem
Tage/ auß dem Königlichen Läger seiner Ge-
schäffte halben auff Agrigent
reisen wöllen/ diese stattliche Fraw/
so man bey Hoffe wol kennete/ vnd jetzo
von deß Königs Tochter
käme/ vnterweges auffgestossen. Wie ferrner
jhre Diener durch ein
vbeles Versehen/ deß Wegs verfehlet vnd in den Wald
gerathen we-
ren. Wie auch Timoclee allein mit einer Alten Dienerin/ eben die
Strasse/ welche er/ jnne gehalten hette/ als von der Seiten her fünff
Räuber/ mit jhren [9] Pferden jhn allein angerannt.
Vnd wie diese
Fraw/ auß eygener Forcht/ vnd Schew jhres Rosses/ sich
fortge-
macht/ vnd durch glückselige Verirrung so einen höfflichen Edel-
mann hette angetroffen. Im vbrigen/ sagte er/ hat das gute Glück vnd
die
Leichtfertigkeit der Räuber gemacht/ daß jhr erster Angrieff an
mich/ gantz
leer ist abgegangen/ vnd hatte der erste an dem Schäffe-
lin genug/
mit welchem ich jhm das Leben abfertigte. Nachmals als
sie alle beysammen
hielten/ hatt mir der eine den rechten Schenckel/
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b