IN dessen hatten sie den Weg vberstrebet/ vnd Timoclee zeigete
dem Archombrotus den Schlunt der Hölen der gar leichtlich auff-
zumachen were. Einwerts fasseten zween eiserne Rigel den Stein/
der für dem Außgange lag/ welche so feste in die Erden eingedrun-
gen waren/ daß sie keiner Gewalt so von aussen geschehen möchte/
nachgeben kundten. Innwendig aber vermochte man sie quer vber
den zweyen Gruben/ welche sie also widerhielten daß sie von der
Last deß Außganges so an ihnen ruhete nicht weichen durfften/
ohne mühe zubringen. Als sie derentwegen außgehaben/ vnd der
Stein beseite gerücket war/ daß Archombrotus die Höle auffmachte/
so gieng Timoclee hinauß/ vnd schwange die Fackel jhrem verlas-
sen mit dem Poliarchus nach; leschte aber das Fewer baldt auß/ daß
es nicht/ wann es zulange brennete/ andern/ als sie begehrte/ zu Ge-
sichte kommen/ vnd allerley Arg-
[48]wohn vervrsachen möchte.
Er/ so deß Wegs nicht vorfehlet hatte/ standt am Wasser/ vnd wart-
tete auff diß Zeichen; nach welchem er stracks zu der Frawen
kame. Sie zweifelten aber lange/ was sie mit jhren Pferden machen
solten; biß Gelanor anfieng: Gehet in die Höle/ vnd haltet Rhat mit-
einander; in dessen mögen sie/ biß jhr euch derenthalben beredet
habt/ an den Erlen gebunden bleiben die weit ausser dem stege an
dem Flusse stehen. In dem sie hinunter steigen/ vnd noch voller
Furchte nicht wissen wessen sie sich verhalten sollen/ hatte Gela-
nor die Pferde schon angeknüpffet/ vnd kam zur Hölen/ in welche
sie jhn liessen. Hernach lehneten sie den Stein wider den Eingang/
legten die Riegel für/ vnd huben an sich zu berhatschlagen. Poliar-
chus sahe es für gut an/ daß man seinen Diener fortlassen solte/ der
alles außkunschaffete/ was man jhm für Schuldt gebe/ wie der Kö-
nig auff solche newe Grawsamkeit gerhiete/ vnd ob seine Freunde
a b c d



in wehrender Widerwertigkeit jhn noch auffrichtig meineten. Diß ist
nicht böse erdacht/ sagte Timoclee/ wann man nicht wiste/ daß er
von den Leuten zu allererste gefraget würde werden/ in welchem
Ortte jhr verborgen leget. An seiner Trewe zweifele ich gar nicht;
aber wann er ewern Feinden in die Hände gerhiete/ so möchten sie
wol mit martern die Warheit auß jhm erzwingen. Gelanor hub auß
Vnwillen an/ daß in Sachen seines Herren Wolfart betreffendt keine
Pein noch Quaal etwas auß jhm
[49] bringen würde. So hette er
jhm auch schon außgesonnen/ wie er die Widersacher solte herumb-
führen. Er wolte fortreitten/ als ob er gantz bestürtzt vnd verwirret
were/ vnd wann ein vnbekandter oder verdächtiger nach dem Poliar-
chus fragte/ so wolte er/ jhm destoeher zu glauben/ mit trawriger
Stimme antworten: Er sey nicht mehr auff der Welt. So were es
auch nicht gäntzlich erlogen/ weil er vnter der Erden steckte/ da
jhn die Sonne nicht beschiene. Begehrten sie zuwissen wie er ge-
storben sey/ so wolte er fürschwatzen/ daß er im Wasser Himera
vom Pferde gefallen were. Dann als er auß Erschreckniß deß Königs
Befehls halben in der Flucht durch den Fluß setzen wollen/ hette er
deß Furtes verfehlet/ vnd were/ als das Pferdt vnter jhm wegkom-
men/ der schweren Rüstung halben vntergeschossen vnd ersoffen.
(Dieser Betrug war auch besser zubehelligen/ weil gleich damahls
der Himera vber Gewonheit hoch angelauffen.) Ferner/ sagte er/ wil
ich sprechen/ daß mir vnmöglich gewesen jhme beyzuspringen/ weil
jhn der Strom bald in das Meer gerissen hette. Durch diese Fabel
wird das Geschrey von ewerem Todte allenthalben außgebreittet
werden; welches vns dann wol zustatten mag kommen. Dann es
wird die Feinde ersättigen/ vnd ein Mitleiden erwecken bey denen/
welche die Tugendt zu loben pflegen/ wann sie nicht mehr vorhan-
den ist. Hernach könnet jhr viel freyer seyn; man wird auff die Ha-
fen vnd Schiffe nicht so scharpffe Achtung geben
[50] wie jetzt: vnd
wann man auffhören wirdt die Nachfrage zuhalten/ welche ewernt-
wegen angestellt worden/ so werdet jhr leichtlich entweder ver-
borgen bleiben/ oder fliehen können. Wir vermögen vnsere Lügen
nicht besser zubestättigen/ als durch eine solche Art deß Todes/
durch welche gar nichts von euch vbrig bleibt/ so wil ich auch ewer
e f

Roß frey lauffen lassen wohin es wil/ gleichsamb als ihm ewer Todt
solche Freyheit gegeben hette.

Sie lobten Gelanors Verschlagenheit sämptlich; Poliarchus befahl
jhm nur dieses noch/ wann jhm Arsidas auffstiesse/ welchem er
vnter allen Siciliern am meisten trawete/ so möchte er jhm den
gantzen Zustandt kühnlich offenbahren/ vnd jhn in seinem Namen
bitten/ daß er jhn in diesem vnverschuldeten Vnglück zu besuchen
nicht vnterliesse. Oder im fall es vnmöglich were/ daß er jhm doch
im Vertrawen zuwissen machen wolte/ wessen er sich zuverhalten
hette. Archombrotus vermeinete auch/ daß er nach vollbrachtem
Befehl so eylends zu der Hölen nicht zurück kehren solte/ weil
man jhn doch wann er anklopffete so eigentlich nicht vernehmen
köndte/ vnd der Ort/ da jemandt fürbey gienge/ verdächtig möchte
werden. Sondern er solte an der Timocleen Thor kommen/ vnd
eben gegen jhren Leuten wie gegen den andern sich solches Fundes
gebrauchen/ vnd seines Herren Todt mit Seufftzen
[51] beklagen:
darmit er also durch Timocleen Hülffe verborgener weise zum Poli-
archus köndte. Sie waren ferrner bekümmert/ was man mit seinen
fahrenden Gütern vnd Dienern thun solte. Dann er hatte ein Hauß
mit solchem Vorrathe/ welches der Gnaden vnd Freundschafft die er
bey dem König hatte nicht vngemässe war. Aber er trawete auch
seinen eigenen Leuten nicht. Auß seinem Lande war der einige Ge-
lanor; das ander waren Außländer/ vnd jhm mehrentheils vnbe-
kandt. Nach seinem Gute fragte er nicht viel/ vnd pflegte vnter sei-
nen Kleidern Edelgesteine hohen Werths/ vnd etwas von Golde zu-
führen/ damit jhm das Vnglück abwesendt nicht alles hinweg
raffen köndte. Derentwegen befahl er dem Gelanor nichts zu ver-
rücken/ wann schon Meleander seine als einer verurtheileten Per-
son Güter zu sich nemme/ oder es sein Gesinde vnd Knechte weg-
raubeten: vnd solte er sich nur für dem Einfall eines Hauses das
zerstöret würde hüten. Mit diesem Vnterricht liessen sie jhn fort-
ziehen. Archombrotus selber vnd Timoclee durfften sich nicht viel
länger bey dem Poliarchus verweilen. Dann es war sich zuhüten/
daß die Knechte nicht möchten früh auffstehen/ vnd ohngefehr
vleissiger weren/ als man damals gerne gesehen hette. Solten sie
nun der Frawen Hülffe gegen dem Poliarchus jnnen werden/ so
möchte es nicht wol ablauffen. Baten sie jhn derhalben/ daß
[52] er g



sich mit der Tugendt trösten wolte/ welche kein Creutz verschulden
kan/ noch vnterliegen/ wann es jhr ohn Verdienst angethan wird.
Sie weren erbötig/ so offte sie köndten jhn zubesuchen. Reichten
jhme also ein Küssen/ darauff er ruhen möchte/ vnd etliche Kertzen/
deren Trimoclee in zimblicher Menge mit sich genommen; namen
also jhren Weg vnter der Erden auff das Bette zu. Wie dem Poliar-
chus zu muthe gewesen/ was für Zorn vnd Klagen er in der Ein-
samkeit außgeschüttet/ ist dannher zuermessen/ daß er nicht so
sehr bekümmert war zuleben/ als mit Ehren zusterben/ vnd wußte
daß der jenigen Leben welche er höher als sich selbsten hielte/ an
dem seinigen hienge.


Fußnotenapparat

a vberstreben = zurücklegen
(emetiri)
b Schlunt] Aus Dkf Schunt ver-
bessert
c außgehaben: part. perf. von aus-
heben
d verlassen = Übereinkommen
(ut convenerat.)
e meineten = liebten (continuoi-
ent leur affection)
f behelligen] In diesem Sinne ist
das Wort sonst nicht belegt; weder

die lat. noch die frz. Vorlage bie-
tet eine genaue Entsprechung.
g abwesendt] ne fortunae omnia
in absentem licerent.
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_1/Buch_1/III_1_76_1_VII.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl