ALs sie hineyn kommen/ vermochte sie jhr Seufftzen vnd weynen
wegen deß Poliarchus Vnglücks nicht zulassen. Dann wie sie nicht
zweyfelte an seiner Vnschuld/ also zweyfelte sie [33] gleichwol auch
nicht an deß Königes Zorne: weil der Diener/ welcher sehr
verschla-
gen war/ sich nicht würde vnterstanden haben etwas zu
berichten/
von dem er nicht gewissen Grundt eyngezogen. Ihre Person belan-
gendt/ so vbergab sie dem Poliarchus jhr Hauß/ Haab vnd Gut/ vnd
stünde jhm zu seiner
Rettung frey darmit zu thun vnd zu lassen.
Aber/ sagt sie/ was würde dieses
Hauß/ oder ewere Gesellschafft/
Herr Archombrotus/ wider den König dienstlich seyn? Wir werden
bald
außgerüstete Soldaten hier haben/ vnd steht das Hauß offen/
so wird es
verrahten; machen wir es zu/ so wird man es vns gar
auff den Halß werffen.
Dann daß bey so vielem Gesinde als wir ha-
ben gar keine Vntrew vorlauffen
solle/ vnd daß niemand von den
Knechten/ wann jhr allhier gedencket
verborgen zu bleiben/ vn-
sere Heimligkeit verrahten werde/ ist nicht zu
hoffen. Wisset jhr
aber/ was mir in der gehlingen Furchte ist eyngefallen?
Die so diß
Die augenscheinliche Gefahr/ vnd der Spott flüchtig zu werden
kränckte den jungen Herren heftig. Bin ich nicht wahnsinnig/ sagte
er/ Gelanor (diß war deß Dieners Nahmen) daß ich mein leben zu
eines andern Gewalt habe außgesetzt? Was ists von nöthen/ daß
ich
vnbekanter Weise mich vnter dieser Nation herumb blewe/
ohne das Außsehen
welcher meiner Hoheit gemässe ist? Was deu-
ten die Fabeln anders an/ welche tichten daß Lycaon seinem [36]
Gaste dem
Jupiter nach der Gurgel greiffe/ als daß Fürsten die vn-
vorsehener Weise hingerichtet werden/ in dem sie sich frembden
vertrawen/ jr Vnglück nicht so sehr bösen Leuten/ als jrer eygenen
Thorheit zuschreiben dörffen? Ich habe mir vnrecht zu thun fug
gelassen.
Wolan/ Gelanor/ ich verdiene es was ich jetzt ertrage. Wie
er
diß redet/ fällt jhm die Vrsache eyn/ welche jhn in Sicilien auff-
hielte; da er dann sich bedüncken ließ/ er
hette ein grosses verbro-
chen/ daß er sich vber entstandene Widerwärtigkeit
beklagete/ an-
gesehen die Glückseligkeit einer solchen Hoffnung/ derer wegen
er
alldar lebete. Gelanor/ so auß trewhertziger Furchte der Gefahr
seines
Herren gantz betrübet war/ meynete in seinem Sinne/ Poli-
archus solte ohn
längere Vmbschweiffe sein Geschlechte vnd Standt
entdecken. Dann wann er
sagen würde wer er sey/ vnd sich seiner
Hoheit nach halten/ würde Meleander gutwillig sich deß schärpffe-
ren Verfahrens wegen
entschüldigen/ vnd die Feinde jhn vmb Ver-
zeyhung bitten. Ihr
verstehet es nicht/ sagte Poliarchus. Nach dem
mir das vnrecht schon angethan ist/ so wil
höchlich von nöthen
seyn daß ich mich nit melde. Dann es dürffte geschehen/
daß sie
in Betrachtung meiner Würden noch mehr entbrennen möchten/
vnd
bedencken/ ich könte nach der Beleydigung nur einmal fort
gelassen
werden/ aber allzeit deß Vnrechts gedencken. Gelanor re-
dete nichts darwider/ als dem solche Meynung zu
hoch war; ruffte
a
Timoclee/ in dessen/ nach dem sie Thür vnd Thor fleissig gesper-
ret/ befahl jhren Leuten sämptlich sich zu Rhu zu legen mit Fürge-
ben/ sie möchte diese Nacht von dem Geschrey weiter nichts hören;
auff den
Tag könte man gewissern Vnterricht eynziehen. Hernach
gieng sie durch alle
Kammern jres Volckes/ als ob sie deß Hauses
halben Beysorge trüge; in Warheit
aber geschahe es/ damit nicht
etwan ein fürwitziger käme zu erfahren was sie
in geheim thun
wolte. Als sie sahe/ daß männiglich schlaffen war/ vnd
sich nichts
mehr zu fürchten were/ gieng sie mit dem Archombrotus in einen
kleinen Keller/ darinnen der künstliche
Bawmeister den heimlichen
Eingang zu der Hölen verborgen hatte. Der Ort war
mit Ziegeln ge-
pflastert/ deren Ende mit Nägeln zusammen gefüget waren/
zweene
außgenommen so vnverbunden blieben; daß man sie/ wann es von
nöthen thete/ von der Ordnung desto leichter außheben möchte.
Vber
diesen standt eine lange Tafel/ damit niemand drauff tretten
könte/ vnd wann
man etwan darüber gieng/ weil sie mit den andern
nicht verfasset waren/ jhnen
also Gewalt thete/ daß die Heimligkeit
verrathen würde. Timoclee ließ
jhrer wenig hineyn gehen; kam
auch selber nicht offt dahin. Zu diesem mal
aber hub sie die Ziegeln
wegk/ vnd öffnete den Eingang zu der Höle vnd
Staffeln so vnter
das Hauß leyteten: [38] bald schlug
sie auß einem Kieselsteine Fewer/
fieng es mit einem Schwefel/ vnd zündete
die Fackel an welche sie
zu diesem Ende mit sich genommen; gieng also
mit dem Liechte
voran. Archombrotus folgete mit blossem Degen in der Faust/ zu
seiner
vnd der Frawen besserer Sicherung. Es waren bey zwantzig
Staffeln hinunter in
die vntergrabene Grufft/ welche nach einer
zimlichen Länge sich bey
vnterschiedenen Hügeln endete/ daß
man/ wann gleich ein Feind ein Loch
eyngenommen/ dennoch an-
dere Mittel zu entfliehen hatte. Das Erdreich war zu
diesem
Wercke sehr bequem: dann es war so feste/ daß/ ob schon an einem
Orte gegraben ward/ das Stücke/ so stehen solte bleiben/ nicht her-
nach
fiel: hergegen war es auch den Arbeitern nicht strenge zu
hawen/ weil
es weder Steine hatte die den Streich auffhielten/ noch
Sand der allzeit
wieche vnd jhren Fleiß zu nichte machte. Dieser
Gang war einer grossen Länge/
vnd durchauß gewölbet: vnd wie-
wol die Aecker vnd das Gebäw deß Hauses vber
jhm lagen/ so war
er doch von so vielen Jahren her nichts verfallen. Fornen
zu hatten