OBgleich Archombrotus an dieser deß Arsidas Rede ein Gefallen
trug/ doch thete es jhm wehe/ daß
solches Gespräche so lange weh-
rete; weil er lieber von jhm erfahren wollen/
was die Sicilier für Sit-
ten hetten/ vnd was für Vbungen an jhrem Hofe
am meisten im
schwange giengen. Dann er erinnerte sich/ daß er vom Poliarchus
die jenigen daran nennen gehöret/ welche jhrer Tugend vnd Laster
halben in Beruff weren; von derer einem vnd dem andern wolte er
Bericht
eynziehen. Derowegen so bald Arsidas den Ibburanes ge-
nant/ nam er die Gelegenheit in acht/ vnd/ wer
ist aber/ sagte er/
dieser Mann? was hat er für Tugend an sich/ welche jhn
bey euch so
angenem macht? Er ist/ antwortete Arsidas/ ein Lydier von Nation/
vnd vns anders nicht beygethan
als mit Freundschafft/ welche die
Leutseligkeit Meleanders mit grosser Fürsorge erhalten hatt: im
vbrigen
verdienet er/ daß jhn alle Völcker zu jhrem Eynwohner zu
haben wünschen
solten. Seines Standes nach ist er auß [102] einem
vhralten edelen Lydischen Geschlechte: sonst lebendigen Geistes
vnd
reiffen Verstandes/ bey wichtigen Geschäfften erzogen/ voll
Wissenschafft vnd
Fleisses: als auch grosses Reichthumb darzu
kommen/ welchs alle Würden zieren
können/ hat er bald in der Ju-
gend angefangen heyligen Geschäfften ob
zuligen. Doch ist er et-
was längsamer in den geistlichen hohen Orden
getretten als seine
Freunde zwar gehoffet hetten; weil jhrer viel gemeynet/
daß er den-
selben noch in der ersten Blüte deß Alters annehmen würde. Es ist
jm aber rühmlich gewesen/ solche Hoheit zuvor verdienen als er-
langen.
Nachmals hatt er sich im Recht sitzen/ Absendungen/ Ver-
waltung der
Prouintzen/ vnd anderen Geschäfften also verhalten/
daß man darvon nicht erst
fragen darff. Er hat nit weniger Ehr
eyngeleget wegen seiner Barmhertzigkeit
vnd Sanfftmuth/ als we-
gen der Gerechtigkeit. Vnd wiewol er sich dermassen
stattlich ge-
halten/ auch gegen dürfftigen Leuten sehr freygebig gewesen/
daß
a
Sie hatten jhre Reden der Liebligkeit deß Gespräches
halben biß
in die Nacht vollzogen/ vnd worden nun zum Abendessen/ welches
die Fraw sehr köstlich angerichtet/ gefodert/ da sie dann vnter der
Malzeit jhre Sorgen mit Fröligkeit (in dem sie verhoffeten/ daß Poli-
archus ohn allen Schaden könne fortgefüret werden) [104] dermas-
sen linderten/ als ob jhnen von keinem Vnglück
etwas bewust were.
Man war aber kaum im besten Essen/ da ein grosser hauffen
Baw-
ren mit hefftigem Vngestüm sich für dem Thore hören ließ. Der
Wächter bate die wütenden Leute/ welche mit Gewalt wolten eyn-
gelassen
werden/ daß er solches zuvor der Frawen möchte anzey-
gen. Sie aber
huben trutziglich an/ daß sie mit Macht zu verfahren
Fug vnd Recht hetten.
Mit diesen Worten lieffen sie die Thür zu
stücken/ vnd drungen vnbedachtsam
hineyn: huben auch jhr
???Ge-
b
[106] Die Menge hatte einander hitzig gemacht/ vnd den Marckt
mit einer gehlingen Vereinigung erfüllet/ dem jenigen der am
???küh-
c
d
Die wütende Leute hörten mit murren auff/ als Arsidas anfieng
zufragen/ auß was für Vrsachen ein solch menge
Volcks zur Wehr
gegriffen? darauff jhr Führer antwortete/ sie weren kommen
den
Poliarchus anzufassen. Darauff bethewerte Arsidas hoch/ Poliar-
chus sey nicht zugegen/ were auch nicht
mehr zufinden/ so viel jhm
bewußt. Sie solten jhre Gemühter befriedigen;
welche zwar gehor-
samlich/ aber doch auch gar zu blindt vnd vngestümm deß
Königs
Gebott nachsetzten. Fragte ingleichem/ ob dann keiner von jhnen
den Poliarchus kennete? es weren ja Stirne/ Mund vnd Augen dieses
Gastes dem den sie suchten gantz nicht ähnlich. Die sittsammesten
von
den groben Leuten verhöhnten solche Rede; die andern er-
grimmeten sich auffs
newe/ vnd schryen/ man müßte diesen Feindt
deß Königs auff Stücken reissen.
Letztlich wurden sie kaum wider
gestillet/ nachdem Arsidas lang gewincket/ daß sie jhn hören möch-
ten: Darauff er
eben diesen jhren Führer ansahe/ vnd sagte: Schawet
zu/ daß jhr nicht zu der
Vbelthat der erste seydt. Es laufft wider
Recht vnd Ehrligkeit/ im fall man
sich an diesem Außländer ver-
greiffet. Wann jhr aber ja so sehr befliessen
seydt/ durch Vnrecht
an einem Vnschuldigen ewer Trew [109] zuerweisen/ so nemmet jhn
derentwegen in ewere Verwahrung/ mit
dem Bedinge/ daß jhr jhn
mit Händen vnd Füssen vnangefässelt lasset. Sobaldt
der Tag ange-
brochen könnet jhr jhn zum Könige führen: die der Sachen kün-
dig sindt/ werden hierüber Vrtheil sprechen/ vnd zweiffelt nicht/ er
wird vngestrafft nicht bleiben/ hat ers anders verdienet. Die Fraw
belangendt/ kan dieselbe mit Nottwendiger Wache/ damit sie nicht
entfliehe/ so lange allhier verwahret bleiben/ biß jhre Vnschuldt an
den
Tag wirdt kommen. Ihr/ die jhr so viel Macht habet/ haltet die
Leute darzu/
daß sie an diesem Hause keine Gewaldt verüben; wann
jhr anders dem
Könige trew/ vnd verstendig seidt. In dem sie Rath-
schlag hielten/ liesse
sich Archombrotus den Arsidas nicht mehr
bendigen/ vnd wolte nicht einwilligen sich
zu ergeben. Dann was
hette es für ein Ansehen/ daß er den Vnsinnigen Bawren
gehorchen
solte? was für Versicherung köndte er haben bey der wütenden
Nach dem diese Sache eine zeitlang vnter jhnen
gehandelt wor-
den/ fienge die Auffruhr an stille zu werden/ wie ein
Vngewitter das
sich legete. Dann beydes folgete Archombrotus deß Arsidas seiner
Warnung/ vnd der Pöfel wardt ingleichem
besänftiget/ nicht allein/
daß man jhn nicht verachtet hette/ sondern auch
daß er meinete er
hette vberwunden. Hierauff vnterhielte Timoclee
diese Eintracht
mit einer wircklichen Freygebigkeit/ ließ deß besten alten
Weins
bringen/ vnnd trug den Bawern die fülle für. Sie theileten sich vn-
tereinander auß/ vnd hielten vmbzechig Schildtwache. In deß
Archombrotus Schlaffgemache lagen Achte vmb sein Bette auff
dem Stro: so viel auch an der Timocleen Kammerthür/ darinnen sie
ruhete. Die andern gaben entweder in der Taffelstube/ oder an dem
Hofethore gute Auffacht/ es were dann daß sie auß Trunckenheit
entschlieffen: welches so offte widerfuhre/ daß jhre Gefangene sie
leichtlich zu betriegen fug gehabt/ da sie jhnen mit Betrug oder
Schaden begegnen wollen. Aber wann Archombrotus die Flucht
gegeben hette/ so were es vber
Timocleen hinauß gegangen: weil
alle darfür hetten gehalten/ daß Poliarchus jhnen entriessen were.