Poliarchus hatte gleichsfals keine bessere Nacht wegen Ruhe vnd
sicherheit/ weil in Timocleen hauß sonderlich ein newe Empörung
a
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sich erregte. Dann als Gelanor vom Arsidas wegkommen/ ist er
auff [80]
Timocleen gerade zugezogen: da er dann bey jhren Dienern
seines Herren Todt
listig beklaget hat. Timoclee halff die Comedien
artlich vollführen/ vnd
fragte vor jhren Leuten was Poliarchus für
ein Ende gehabt. Er aber log bey jhr
destofreyer/ weil jhr alles be-
kand war. Zu diesem wuste auch Archombrotus mit ertichteter
Trawrigkeit sein Gesichte vnnd
Stimme wol zuverändern. In dessen
kam Arsidas; welchem Timoclee/ wie sie seiner Ankunfft berichtet
worden/ biß an das Thor entgegen gieng. Vnd als er sich entschüldi-
get/ daß er in Zuversicht alter Kundschafft jhr zu zusprechen ausser
dem Wege gereiset were/ die Fraw sich auch bedancket/ vnd es für
eine
sonderliche Freundtschafft angezogen/ giengen sie in das
Hauß/ vnd gaben sich
in Archombrotus Gesellschaft/ welchen Arsi-
das/ als einen
Frembden/ erstlich begrüssete. Es war Zeit das
Mittagsmahl zunehmen/
mit dessen Kostbarkeit die Sicilier andere
Griechen vbertraffen. Als dieses verbracht/ vnd
das Gesinde zum
Essen gieng/ so das Timoclee Archombrotus vnd Arsidas allein vor-
blieben; Ich weiß/ Arsidas/ (fieng sie an) daß jhr guten Dienst zu
leisten hieher
kommen seynd/ vnd den Poliarchus/ wiewol er in
Vnglück stecket/ suchet vnd
liebet. Er ist alhier/ wie euch Gelanor
sonder Zweiffel berichtet hat. Ich frage an jetzo nicht was für Vr-
sachen jhn in solche Noth setzen/ vnd hoffe solches von euch zuver-
nehmen in seiner Gegenwart. Die Götter/ sagte Arsidas/ wöllen vns
die Gnade ver-[81]
leihen alles in geheimb zuhalten: im vbrigen
wirdt das was wir
anjetzt verborgener Weise angeben allen Zeiten
nachmals offenbar werden. Aber
der Zustandt eweres Hauses ist in
Vngewißheit. Wirdt es Glauben halten/ vnd
wann es die Sicher-
heit wirdt zulassen/ dieses werthe Pfandt welches jhme
anvertra-
wet ist der gantzen Welte vnvorletzet wiedergeben/ so wirdt es der
Lateiner Landt/ darinnen Saturnus verborgen gelegen/ an Ruhm
bey den Nachkommenen
vbertreffen. Wo hergegen dieser Ortt vnter
der Erden auff das Grab des
Poliarchus deutet/ so wird er befleckt
seyn/ vnd die
offentliche Schmach wirdt in dieser Hölen vnd Hellen-
grufft alles das
finden/ was man in Sicilien von den Furien erzehlet.
Es war schon eine Fackel beyhanden/ welche als sie
angezündet/
gienge Timoclee darmit für jhnen her auff den Poliarchus zu. Nach
dem sie nun nicht lange gegangen waren/
sehen sie jhn von dem
Küssen auffstehen/ weil jhn das Liecht welches sie
brachten er-
weckt hatte. So bald er Arsiden erblickt/ vnd die andern
gegrüsset/
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fiel er jhm vmb den Halß: Lobte nachmals höchlich solche
Trewe
Freundtschaffdt/ vnd fragte ob er den verbrochnen vnd zum Tode
verdammten Poliarchus auch kennete. Sehet jhr/ fieng er weiter
an/ diese
Fraw? Wo es eine Schande ist mich zu verbergen/ so kan
sie sich nicht
entschuldigen; wann aber diese Entweichung zuer-
haltung meines Hauptes
dienet/ so habe ich jhr mein Leben zu [82]
dancken.
Sie hat mich bezwungen/ in solchem Vngewitter mich bey
jhr jnnen zuhalten.
Aber sagt mir/ Arsidas/ was für Vbelthat hab
ich begangen/ daß ich gantz
Sicilien so verhaßt bin? Ist der König nit
mehr Meleander? ist er ein Cercyon oder Busiris worden?
oder habt
jhr andern Sicilier das Bildnuß der Taurischen
Dianen/ vnd versöhnet dieser Göttin grimmigkeit mit
dem
Blut ewerer Gäste? Worauff Arsidas nach weitläufftiger Bekla-
gung deß Meleanders Zustands/ jhm zuverstehen gab/ was für
Auffruhr deß Lycogenes Gesandten in dem Königlichen Läger
erregt hetten/ vnd
nebenst jhnen etliche vntrewe Räthe deß Köni-
ges. Daß der König/ von solchem
Vnglück vberwunden/ weil
sich die Sache zu einem Auffstand angelassen/ vnd
gesagt worden/
Poliarchus wolte auß der Insel fliehen/ der offentlichen Fewer wegen
letztlich hette einwilligen müssen. Poliarchus hörete dem Arsidas
nicht ohne Entrüstung zu/ vnd wolte jhm gantz zitternde auß Vnge-
dult
allzeit in die Rede fallen. So bald er nun auffgehört/ kriegte er
Timocleen
bey der Hand: Ich ruffe euch/ sagt er/ zu Zeugen an/
(dann obwol die Götter
allenthalben zugegen sind/ jedoch straffen
sie nicht stracks die so zu
Vnrecht bey jhnen schweren/ noch helffen
denen alsbald die sie zu rechte
anruffen) euch/ sage ich/ nemme ich
zu Zeugen. Ihr seyd bey dem Verlauff
gewesen. Ihr habt mich ge-
sehen streitten. Hab ich jhnen fürgewartet? hab
ich jemandt ge-
sucht mit dem ich schlagen wolte? hab ich sie angefallen
als [83]
sie
auff vns kommen sind? Sie haben
mich angerennt ehe ich mich
besorget. Muste ich derentwegen mir das Leben von
jhnen nehmen
lassen/ oder/ da ich obsiegte/ gantz Sicilien wider mich in den
Harnisch bringen? Worauß kan man mutmassen/ daß ich sie mit
fleiß
angetastet? Ich war alleine; ich hatt eine Fraw bey mir/ wel-
che mir
zu streitt wenig helffen mochte. Ihr Gesind vnd mein Die-
ner waren/ in
Meinung man hett sich in diesem Wald nichts
???
zube-
b
c
[Seite 60]
fahren???
/
so weit
vorhergereiset/ daß auch kein Geschrey von vnserm
kämpffen jnen zu Ohren
kommen. Woran hat aber das böse Glück
den König geleitet/ die jenigen/ so von
seinen Rebellen vnd an belei-
digung der Majestät schuldigen Leuten zu jhm
abgeordnet worden/
gleichsam als rechtmässige Gesanden zu ehren/ auch
das Blut der
seinigen der Feinde böser Begier auffzuopffern/ vnd seine Ehr
jrem
vnzimlichen Ansuchen nach zu setzen?
Sein Schmertzen vnd Gewissen trieben jhn noch mehr zu sagen/
als jhn Arsidas versicherte/ daß er bey allen Leuten in gutem Ge-
rüchte were/ vnd die gantze Welt/ ohne allein die so Lycogenes be-
stochen/ sagen mußte/ es sey dieses ein solche
That/ so wenig jhres
gleichen habe/ daß ein einiger Reisender/ vnd der zum
streitten
nichts außgerüstet/ so vielen Räubern siegende auß den Händen
kommen: vnd daß die Soldaten sie hefftig außlachten/ in dem sie
klagten/ daß jhrer Fünffe oder mehr von einem allein geschlagen
worden.
Aber wir haben jetzt von etwas anders zu reden/ Poliar-
chus. Sicilien/
wie [84] es heutiges Tags damit beschaffen/ ist ewerer
Tugend nicht werth. Entäusert euch eine zeitlang darvon/ vnd
machet daß
der König nicht gezwungen werde/ euch entweder mit
jhm vnd dem Reich
nachtheiliger Gerechtigkeit zuschützen/ oder
den Feinden mit seiner höchsten
Schande zuüberlassen. Er hat
euch bißher noch so beleydiget/ daß er kan
entschuldiget werden.
Dann die Straffe deß Todschlags zu leyden/ oder
denselbigen recht-
mässiger weise vnd persönlich entschuldigen ist dermassen
bräuch-
lich/ daß man sagt/ als Mars den Halirrhothius erwürget/ hab er
seine Sache im
Areopagus selber außgeführet. Wann jhr nun wegen
Geleits vnd billicher Verhör
gesichert weret/ so riethe ich/ daß jhr
euch ewerm Gegentheil gestellen
woltet; dann es ist bißher weiters
nichts geschlossen worden/ als daß jhr
soltet fürkommen; vnd jhr
habt so gute Sach/ daß euch auch die
vngerechtesten Leut recht ge-
ben müssen. Aber der Haß vnd Grimm ewerer
Feinde würde deß
Außspruchs nicht erwarten/ vnd das Werck mit List oder
Gewalt
treiben. Ich kan es ohn Schrecken kaum sagen: Mein Poliarchus/
machet euch auß dem Staub/ vnd gebt zu/ daß diese
Insel nicht gar
d
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müsse verflucht seyn. Poliarchus sagte/ da es jhm möglich were/
so wolt er weichen:
vnd daß dieses vndanckbare Land nach solcher
Gutthat jhm weniger nicht
erweisen köndte/ als wann es jhm einen
sichern Abzug gestattete. Auff den
König/ wiewol er jhm vbel loh-
nete/ were er darumb destoweniger
zornig/ daß er spü-[85]
rete/ wie
jhn das Vnglück
selber mit Ergetzung seiner Feinde zum genügen
straffete.