ALs vnter der Malzeit viel lustige Sachen fürlieffen/ vnd man bey
Gelegenheit deß Methes von den Bienen redte/ hub ein junger Edel-
man/ deß
Lycogenes Nifftel/ mit Namen Anaximander/ entweder
seines Vattern Bruder zugefallen/
welchen er der Königlichen Ge-
walt feind zuseyn wußte/ oder daß er seine
Erfahrung in der Welt-
[135]weißheit an den Tag gebe/ anzuläugnen was man von den Bie-
nen sagt/ daß sie einen König haben solten: Es were nur eine Er-
tichtung
der Alten/ die leichtlich geglaubet/ vnd sich auch vberreden
lassen/ daß
die Schwanen singen/ vnd die Löwen als furchtsamb
beschuldigt/ gleichsam ob sie
für dem Hanengeschrey sich in die
Flucht zumachen pflegten. Zu diesem satzte er
noch andere
???derglei-
a
[Seite 90]
chen???
Sachen/ welches das vnerkündigte Ansehen der Vorfahren für
warhafftig außgegeben. Im vbrigen so litten alle andere Thier kei-
nen König
noch sonsten Gewalt vber sich; sondern sie folgten von
Natur jhrer eigenen
Freyheit. Als er solches gesagt/ fiengen die Gä-
ste diese gemeine Frag an:
Welchs vnter den Menschen die
billichste Art zu regieren were? Anaximander hatt kein Bedencken
deß Volcks seine/ oder der
Fürnembsten vnter demselben andern
fürzusetzen. Dann warumb solte alles bey dem
belieben eines eini-
gen Menschens stehen/ welcher im Fall er mit Lastern
behafftet
keine Forcht noch Schand köndte zurück halten/ der mit Tyranney
vnd bösem Exempel dem gemeinen Zustande tieffe Wunden zu-
schlagen pflegte/
vnd endlich deß Vatterlands vnd der Inwohner
sich also gebrauchte/ gleichsamb als
die Natur nur bloß seinetwegen
dieses alles herfür gebracht hette? wie viel
williger auch gibt das
Volck seine Gefälle vnd Geschoß in den gemeinen
Kasten/ wann
selbiges Geldt durch vieler Rath vnd Trew hernachmals also
[136]
angelegt wird/ daß ein jegliche Privatperson es noch für
das seinige
halten kan: als wann es nach eines Fürstens Gefallen vnter die so
bey jhm in Gnaden/ dessen auch offtmals nicht werth sindt/ mit vn-
vorsichtiger vnd vngerechter Freygebigkeit verschwendet wirdt?
Ich geschweige/
daß jhrer mehr hernach sich dem gemeinen Nutzen
wol fürzustehen befleissen/ jhren
natürlichen Verstand außüben/
das Kriegeswesen oder die Beredsamkeit gründlicher
erlernen/ vnd
jhren Mitwohnern in allem genug thun werden/ wann sie sehen
werden/ daß durch jhre vberstimmung die Tugend nicht vnbelohnet
bleibe/
vnd nur die so es verdienen zu den höchsten Würden deß ge-
meinen Nutzens
gelangen/ vielmehr als wann dieselben von einem
einigen Hause auß Ehrgeitz also
werden außgetheilet/ daß gute vnd
mühsame Leut selten nach Verdienste/ oder wie
es das allgemeine
Gerücht für gut spricht/ darzu gelangen. Vber diß/ ist
es wol glaub-
lich/ daß ein König allein so viel Verstandts vnd Hertzens habe/
als
viel außerlesene Männer/ die man in freyen Stätten zu offentlichem
Rath
zufordern pfleget? sie würden ja/ sagte er/ von tüchtigem Al-
ter vnd
augenscheinlicher Tugendt erwehlet; erdächten auch vnd
b
c
d
e
[Seite 91]
thäten gleichsamb als auß einem Streitte der Tugendt/ vnd wegen
Forcht der Schande/ dem gemeinen Nutzen alles zum besten. Köni-
gen aber
stünde die Liebkosung mehrmals am Wege/ vnd liesse sie
zum öfftern jhre Natur
guter Warnung nicht gehorchen: jhre Ge-
[137]
müther auch/ ob sie gleich herrlich vnd gut weren/
würden
eben durch dieses verderbt/ daß sie wann sie Tugendt an sich het-
ten/ kein grössere Belohnung sehen köndten nach der sie streben
möchten:
noch wann sie jrreten/ einen Richterstuel fürchteten/ für
dem sie Redt vnd
Antwort geben müßten. Letzlich/ sprach er/ sey
nichts süssers/ vnd das der
Natur mehr gemässe sey als die Freyheit.
Dieser aber köndten die jenigen Völcker
geniessen/ welche nach
jhren eigenen Gesetzen leben/ vnd Obrigkeit erwehlen vnd
absetzen
möchten. Ob er auch dieses zwar sagte/ so were jhm doch vnverges-
sen/ wer entweder er selber/ oder in welchem Land er sey. Er wisse
daß Sicilien vnter einem König were; vnd daß einem jeglichen sel-
bige Art zu
regieren am liebsten seyn solle/ vnter der er geboren
ist. Aber wie die so nicht
wol auff sind/ jhre schwache Leiber zwar
notwendig lieben vnd beschützen/ aber
doch gleichwol anderer Leu-
te/ die mit beständiger Gesundheit begabet/ vnd ohne
Kranckheit
sindt/ Glückseligkeit betrachten dörffen: also ehre er
gleichsfals die
Königliche Hochheit/ welcher er als ein Eingebohrner verpflichtet
seye/ vnd stellete jhm doch deren Völcker Freyheit für Augen/ die
jhrer
selbst mächtig seynd. Er hoffete auch nicht/ daß er den Mele-
ander hierdurch
beleydigte/ mit dessen Tugenden wann sich andere
Könige vergleicheten/ so
wolte er darfür halten/ daß nichts Gött-
lichers als die Könige/ nichts
[138]
nützlichers vnter den Menschen
als die Königreiche
were.
Nicopompus kundte diese freche Reden länger nicht vertragen.
Er war
ein Mann der zur Geschickligkeit von Kindtheit auff Lust ge-
habt; aber
doch bloß vnd allein an den Büchern nicht hat kleben
mögen. Er ist noch ein
Jüngling gewesen als er die Lehrmeister ver-
lassen/ damit er in Königlichen vnd
Fürstlichen Höfen/ welches
die wahren vnd freyen Schulen sindt/ den rechten
Vnterricht mit
Leuten vmbzugehen erlernen möchte. So ist er beyderseits am
studieren vnd verrichtung der Geschäffte zugleich gewachsen/ wie
jhn
dann sein Geschlechte vnd Sitten zu solchem Leben getragen/
vnd hat bey vielen
Fürsten/ grosse Gunst vnd Gnade erlanget;
???son-
f
[Seite 92]
derlich???
beym Meleander/ dessen/ wie auch anderer König Recht
zuverfechten. Was
würdet jhr/ sagte er/ thun/ Anaximander/ wann
jhr bey dem allgemeinen Regiment deß Volckes
leben soltet/ der jhr
euch hier einer solchen Freyheit im Reden gebrauchet?
Warlich jhr
würdet vnter der Regierung deß Volckes die Königreiche so
offent-
lich nicht loben dürffen/ als jhr jetzundt der Gemeine oder derselben
Außschusses Gewaldt gepriessen habet: so daß jhr auß diesem wol
abnehmen
könnet/ daß allhier die wahrhafftigste/ dort aber nur
eine ertichtete Freyheit
sey. Dann daß jhr euch auff die Natur be-
ruffet/ welche den Thieren die
Liebe der Freyheit einpflantzet/ so
vermöget jhr auff diese Meinung [139]
zu erweysen/ daß man eine
jegliche Art zu regieren verwerffen
solle: weil in gemeinem Regi-
mente nicht minder Gesetze sind die euch verbinden
als in König-
reichen. Welches alles auff einerley Weise mit der Natur Freyheit
entweder vbereynstimmet oder streitet. Wann das menschliche ge-
schlechte von eygenem Willen jnner den Gräntzen der Gerechtig-
keit könte
behalten werden/ so weren bey allgemeinem auffrichti-
gen Wandel die Regimenter
nicht allein vberflüssig/ sondern auch
vnrecht/ weil sie die Leute so ohne diß
der Billigkeit sich gemässe
hielten zu einer vnnützen Dienstbarkeit
trieben. Angesehen aber/
daß wegen vielfaltiger Laster der Welt solches nicht zu
hoffen ist/
so kömpt dieselbige Art zu regieren der Natur am nechsten/ welche
macht daß die Menschen ausser den Gesetzen der Tugend vnd der
Natur selbst
nicht jrren: so daß es nichts zu bedeuten hatt ob viel
oder wenig
regieren/ sondern vnter welchem Regiment die Leute am
heyligsten vnd ehrbarsten
leben. Vber diß so habt jhr euch belusti-
get die Gewalt deß Volckes vnd der
fürnembsten zu vermengen/ wel-
che doch einander gantz vnd gar zu wider ist. Das
volck habt jhr an-
gezogen zum Scheine vnd Ansehen der Freyheit; den Fleiß aber
der
Obristen Häupter/ zur Fürbildung deß Nutzens. Wo jhr nun den ge-
meinen Nutzen eine dergleichen Verfassung nennet/ da das grös-
seste Ansehen
bey dem Volcke stehet/ was kan an solchem Orte die
Weißheit der fürnembsten
[140]
Haupter helffen? weil die
???
Leicht-
g
h
i
j
[Seite 93]
sinnigkeit???
deß Pöfels offtermals vnerfahrenen vnd trägen Leuten
die
Macht zu regieren an die Hand gibet; weil auch deß gemeinen
Mannes Gemühte zu
Auffruhr/ Neid/ vnd geschwinder Verfahrung
geneiget ist/ vnd offtermals für ein
Exempel einer grossen Tugend
gehalten worden/ wann die vnerfahrene Menge
das Vbel gestraffet
hat. Wollet jhr euch aber auff die andere Seite legen/ wo die
für-
nemesten alles zu thun vermögen/ so schämet euch/ Anaximander/
daß jhr ein Reich einem solchen Rathe nachsetzet/ vnd
durch Ver-
mehrung der Herren die Verächtligkeit deß Dienens häuffet. Dann
an statt eines einigen Königes machet jhr so viel Beherrscher/ als
viel
Personen einen Rath bestellen. Aber/ wendet jhr eyn/ die all-
gemeinen Sachen
werden von vielen reiffer erwogen/ als von einem
Könige alleine. Gleichsam als
Könige sich weiser Leute Gutachten
nicht gebraucheten/ vnd dieser Raht der
Obristen Haupter/ den jr
so sehr lobet/ nicht offtermals vnrecht thete/ in
dem ein jeglicher
seinen eygenen Nutz/ oder die Gunst gegen die seinigen/ oder
auch
den Neid wider seines gleichen in acht nimbt. Weiter/ sprechet jhr/
bey
einem solchen freyen Regimente wird der Jugend Fleiß zum
studieren vnd Arbeit mit
grösserer Belohnung auffgeweckt; Da her-
gegen solche in Königreichen/
welche der Geschickligkeit vnd Tu-
gend zuwider sind/ dahinden verbleiben. Bey
welchem freyen Regi-
mente? Bey dem allge-[141]
meinen deß
Pöfels? Darinnen ruchlose
vnd auffrührische Gemühter sich auff Tumult/ wüten/
Rathschläge
das Volck an sich zu ziehen vnd zu betriegen mit heuchlen/ gehor-
chen vnd schmeichelhafftiger Redner Kunst legen/ vnd darinnen es
kaum
leer abgehet/ daß stattliche Köpffe/ die der Ehrgeitz entzün-
det/ nicht nur zum
Schaden deß gemeinen Wesens empor kommen?
Vnter den fürnembsten Hauptern aber/
was haben mühsame Leute
für Hoffnung/ welche sich bey Königen nicht grösser
eräuget? Die-
se Häupter/ wie jhr wisset/ theilen die Amptsgeschäffte vnd
Gewalt
vnter gewisse Stämme eyn/ so das die Hoheit mehr den Geschlech-
tern
als der Tugend fürbehalten wird/ außgenommen geringe Aemp-
ter/ welche einen von
der Verachtung deß Adels nicht befreyen.
Vnd eben diese Aempter zu welchen man
gelangen kan/ ver-
meynet jhr daß sie andern gegeben werden als den
fürnembsten
jhren Creaturen? Bildet euch nicht eyn/ daß allhier die Beredsam-
keit vnd andere Vbungen der Tugend bessern Platz haben als vnter
k
l
[Seite 94]
einem Königreiche; aber Gunst/ Freunde vnd absonderliche Wil-
färtigkeit gegen einem vnd dem andern wol. Gesetzt auch/ daß bey-
des eine
solche freye Regierung vnd ein Königreich sich vbel befin-
de wegen Gebrechen
derer die jhnen fürgesetzt sind; wo vermey-
net jhr wol daß man zu
allgemeinem Wolstande am leichtesten
könne Mittel finden? Alle Laster eines
Königes werden auffge-
haben durch seinen [142]
Todt; vnd
die Natur deß Nachfolgers kan
etwas bessers hoffen lassen. Aber die Seuche eines
angesteckten
Rathes verleuret sich nicht ob gleich einer oder der andere stirbet;
sondern wann die Sitten schon ein mal verderbet sind/ so werden sie
von Tage zu Tage ärger/ biß sie das gemeine Wesen vnter jhrem
Fall
erdrucken.
Wie Nicopompus also redete/ besorgete sich Lycogenes eines Vn-
willens gegen sich/ daß seines Brudern Sohn
wider die königliche
Hoheit Obstat gehalten/ weil dieses seinem Fürsatze
nicht zuträg-
lich war/ als der das Königreich nicht abzuschaffen/ sondern an
sich zu reissen vermeynete. Es gedachte jhn aber bequemer zu seyn/
weil sie
in solches Gespräche gerahten/ daß er derer Völcker Gewon-
heit widerlegete/ die
sich einem einigen Stamme zur Erbschafft vn-
tergeben; vnd hergegen die
andern erhübe/ welche nach Absterben
eines jeglichen Königes durch die Wahl vnd
Stimmen giengen. Vnd
zwar hatte Lycogenes hierzu ein Belieben/ theils weil er dem
Mele-
ander nach der Krone trachtete/ die er durch vnversehene Erweh-
lung
deß Volckes zu erlangen verhoffte/ vnd theils weil Dunalbius
anwesendt/ welchen er auff seine Seiten zu kriegen meynete/ ange-
sehen daß er in der Gemeinschafft derselben fürnembsten geist-
lichen war/
so zu dem höchsten Priesterthumb nichts anders als
durch Stimmen gelangen.
Derentwegen fiel er dem Nicopompus
[143] in die Rede/ vnd sagte: Der Tag würde zu kurtz werden/
Nico-
pompus/ ehe jhr alles erzehlen köntet/ was auff beyden Theilen zu
sagen ist. Dann welchen gelehrten in Weltweißheit hat man ge-
funden/ der
nicht viel von Königen oder freyen Regierungen herfür
gebracht hette? Gewiß ich
bin ewerer Meynung/ daß das gemeine
Wesen durch eines einigen Beherrschung am
besten versorget sey.
Aber das ist noch mehr zweyffelhafftig/ ob man ein
Volck vnter
eines einigen geschlechtes Dienstbarkeit bringen/ oder jhm das
Recht lassen solle auß allen angesessenen den besten zu erwehlen.
Dann im
Fall das Volck solche Freyheit hat/ so legen sich die welche
von königlichem
Geblüte entspringen desto fleissiger auff gute
[Seite 95]
Künste vnd Wandel/ weil sie wissen/ daß sie im Fall jhnen das
Scep-
ter der Vorfahren heimfallen sol/ auch derselben Tugenden/ vmb
welcher
willen man sie zu Regenten gemacht/ zuvor an sich neh-
men müssen. Es würde vber
diß ein jeglicher König auch dem Volcke
danckbar seyn/ vnd weil er durch
dasselbige zu solcher Hoheit
kommen/ sich der anvertrawten Gewalt mit besserem
Glimpffe
gebrauchen. Jetzund aber im Fall wir vns der Regierung vnter-
werffen/ so sind wir verachtet als geborene leibeygene; thun wir es
nit/ so
helt man es für ein Verbrechen. Wann es sich nachmals zu-
träget/ daß
gleichsam durch ein Spiel der Vorsehung diese Hoheit
auff ein Kind oder Knaben/
oder einen Menschen [144]
von blödem
Verstande fället/
ist auch wol etwas erbärmlichers als eine solche
elende Nachfolgung im Regimente?
Der Vnterthanen Mutwille
wartet so lange nicht biß ein solcher König zu
vollkommenen Jah-
ren gereichet; sondern/ in dem das einfältige vnd
vnerfahrene Alter
verachtet wird/ so erregen sich solche allgemeine Vbel/ daß
her-
nach der Schaden durch langer Zeit Wolstand kaum ersetzet wer-
den kan.
Dann es regieret damals ein jedweder: ein jedweder berau-
bet die Vnterthanen; so
das ob sie gleich nicht nur von den Königen
vnterdruckt werden/ sie
dennoch sich trösten können vnter dem
Ansehen der jenigen die jhnen Verdrang
thun: Lassen wir eines nur
etwas erfahrenen Schiffmannes Sohn der keinen Bescheid
weiß an
deß Vattern Stelle nicht kommen/ auß Furchte daß dieser die/
welche
jener erhalten hat/ möchte vmbstürtzen; vnd wird in der
Schulen der Welt
Weißheit nach Absterben deß Lehrmeisters nicht
der genommen der jhm am nechsten/
sondern der jhm an Geschick-
ligkeit am ähnlichsten ist: warumb gehen wir mit der
Kunst zu re-
gieren/ welche voller Lehren stecket/ vnd an derer Mängel einen all-
gemeinen Schaden vervrsachen/ anders vmb/ vnd vbergeben sie
Knaben/
welche wann sie die Kron durch das Recht der Erbschafft
erlangen/ so erlangen wir
eben durch dasselbe Recht vnsern end-
lichen Vntergang? Ich wolt diesen Gebrauch
entschüldigen/ wann
wir darfür hielten daß gantze Völcker vnd Stätte der Könige
we-
[145]
gen erschaffen weren. Dann sie möchten verheeren was jhnen
eygenthümblich gehörte; vnd die Völcker musten das Glück ertra-
gen/ welches jhnen die Götter aufferleget. Wann wir aber erken-
nen/ daß
solche Hoheit zu Beschützung Land vnd Leute erfunden
ist/ so wundere ich mich daß
vnsere Vorfahren sich nicht haben für-
gesehen/ damit nicht das Mittel welches
dem Vbel stewren sol selbst
[Seite 96]
ein grösser Vbel vervrsache. Aber jhr/ Dunalbius/ möget diese
Meynung weiter außführen: jhr als ein
geistlicher Mann könnet den
Gebrauch Fürsten zu erwehlen am besten mit ewerem
Ansehen
bestettigen; sonderlich weil er auch in ewerer heyligen Versam-
lung mit Billigkeit von euch gehalten wird.
Dunalbius der jhm allzeit ein Gewissen machte offentlich wider
eine
Sache zu reden/ ersahe keine andere Außflucht als daß er dem
Lycogenes beyfallen/ oder ja jhn widerlegen muste. Vber diß spüre-
te er/ daß allesampt/ Nicopompus aber sonderlich/ die Augen auff
jhn gewendet.
Derentwegen gab er gantz sittsam ein Zeichen von
sich/ daß er mit dem Lycogenes hierinnen nicht stimmete; als jhn
aber das tieffe
Stillschweygen der andern zu reden gleichsam an-
mahnete/ fieng er an solches
Inhalts zu antworten: Ich zweyfele
nicht/ Herr Lycogenes/ daß dieses was jhr erwehnet habet vielmehr
geschehen sey eweren stattlichen Verstandt sehen zu lassen/ [146]
als daß jhr in Warheit also glaubet: es were dann daß euch eine son-
derliche Zuneygung zu vnserm Orden daran geleytet/ so daß jhr/
weil wir vns
einen König der Geistlichkeit mit vielen Stimmen er-
wehlen/ diese Gewonheit
allenthalben eynzuführen rathen wollet.
Damit aber das Recht deß
Priesterthumbs vnd deß Königreiches
nicht vermenget werde/ so betrachtet nur/ wie
es sich mit dem einen
weit anders verhelt als mit dem andern. Was vns belangt/
weil wir
nach dem Gesetze der vhralten Keuschheit vnverheyrathet bleiben/
wie können wir vnsere priesterliche Hoheit den Kindern verlassen/
da
wir keine haben? Vber diß so hat es in den heyligen Geheimnüs-
sen viel Sachen/
welche wir selber thun sollen/ vnd nicht erst an-
dern befehlen. Wann nun solche
Aempter durch das Recht der
Nachfolgung auff Knaben fielen/ worzu weren Altare/
Kirchen vnd
Gottesdienst/ welche man weltlichen/ vnd denen so zu Göttlichen
Sachen nicht geweyhet/ nicht vertrawen darff? Wir sind auch fer-
ner
verbunden vnser Hertze auff Reichthumb vnd andere sterbliche
Sorgen nicht zu
wenden/ sondern kein ander Hauß/ noch Leute/
noch nachkommenen zu haben als den
Himmel. Wir müssen die
Sachen die wir besitzen nicht für das vnsere/ sondern für
der Götter
Eygenthumb halten/ vnd wissen daß wir nur Verwalter solcher
Dinge sind die an die Erben nicht sterben mögen. Wann man diese
Würde vnd
höch-[147]stes Priesterthumb auch nur einem einigen
m
[Seite 97]
Stamme geben solte/ wie lange meynet jhr wol daß derselbe Be-
dencken würde/ es gebüre solche Ehre den Göttern/ vnd er herrsche
jhnen/
nicht jhme selber? Glaubet jhr/ daß Könige vnd Völcker
eines solchen Geschlechtes
Hoffart in die Länge vertragen könten?
Sie vnterwerffen sich jetzund ohne
Neidt vnd Verdacht deß Nutzens
keinem Stamme/ ja auch fast keinem Menschen/
sondern allein der
Heyligkeit deß Ordens. In Weltlichen Regimentern aber/ welche
in
Reichthumb vnd Kräfften bestehen/ welche dem Volcke Schutz hal-
ten/ vnd
die Widerspänstigkeit ruchloser Leute mit gewaffneten
Gesetzen brechen
sollen/ sind viel Sachen derer wegen die erbliche
Nachfolgung nütze vnd
ersprößlich ist: vnter denen vielleichte zu
förderst angezogen kan werden den
Ehrgeitz der grossen Häupter
zu zähmen/ damit sie nicht auß Hoffnung die Kron zu
erlangen
den König zu beleydigen sich vnterstehen dörffen.
Bildet euch eyn/ daß die edlen vnd rühigen Völcker
welche vnter
einem Erbkönigreiche begrieffen sind/ diese Art zu erwehlen welche
jhr lobet für die Hand nehmen solten/ was meynet jhr wol daß die
Obristen
Häupter darunter anfangen würden/ welche auch jetzund
jhre Könige kaum leyden
können? Sie machten jhnen Hoffnung
daß sie gleichfalls die Krone noch
erlangen könten/ dürfften den
König verächtlich halten/ weil er eben [148]
auß jhrem Mittel ge-
wesen/ vnd Kinder verliesse die nicht
höher als sie weren. Aber wo
das Glück zu regieren in einem Stamme verblieben
ist/ da lebet der
verstorbenen Könige Ansehen in den nachkommenen dermassen/
daß auch die Wiegen derer Kinder die zum Reiche geboren sind vns
mit
einem heimlichen Bekänntnuß vnseres Standes eine Ehrerbie-
tung eyniagen/ vnd wir
denen zugehorchen nicht abschlagen/ wel-
che wir wissen daß sie geboren werden
vns zu beherrschen ehe sie
an das Liecht kommen. Man darff auch gar nicht
zweyffeln/ daß nicht
etwas sonderliches vnd grosses solchen Gemühtern
eyngegossen
werde/ welche man von Kindheit auff zum regieren vnterweyset; es
sey daß es durch jhre Natur geschehe/ oder durch gute Vnterrichtung/
oder
viel mehr durch sonderliche Fürsorge der Götter. Gewiß wird
der Geschmack vnd
gleichsam die Schärpffe der Hoffart stumpff
vber der Gewonheit der
Ehrerbietung so man jhnen anthut/ vnd die
gewaltige Sicherheit zu befehlen/
welche kaum kan verachtet/ vnd
nicht gehasset werden/ wird in jhnen allezeit
grösser: weil
???gemei-
n
[Seite 98]
niglich???
jhr gütiges Gemühte vnd das vertrewliche Vornehmen mit
jhren fürnembsten Leuten/ daß sich der vormals gebrauchten De-
mut nicht
schämet darzu kömpt. Nachmals fangen sie an auff hö-
here Sachen zu gedencken/
vnd dem Reiche als jhrer Kinder Vatter
Theile mit Trewen ob zu ligen. Wer
aber durch Stimmen [149]
auff
diese Spitze zeitlicher
Sachen erhaben wirdt/ dem ist sein voriger
Zustandt noch vnvorgessen/ in welchen
seine Erben widerumb ge-
rathen können. Derhalben lässet er viel nach von der
Fürsorge/ die
er dem gemeinen Wesen zum besten tragen solte/ vnd gedencket
wie er seinem Sohne oder nechsten Bludts-Freunde dieselben könne
anhängig machen/ bey welchen die Wahl stehet; oder zum minsten
sein
Geschlechte also bereichere/ damit hernach jederman wisse daß
einer auß demselben
regieret habe. So wirdt der fürnembste König-
liche Schmuck/ vnd gemeine Güter
bey aller Gelegenheit zu einer
Priuat verwandtschafft gezogen vnd die
Sachen welche von den Vor-
fahren zur Zier vnd samptlichen Nutzbarkeit bestimmet
worden
durch bösen Irrthumb ich weiß nicht in was für Heuser zerstrewet/
vnd
dienen andern sich herfür zu brechen. So leidet ferner das ge-
meine Wesen nicht
nur durch solcher Könige Laster alleine Scha-
den; sondern auch durch
Irrungen fürnehmer Häupter/ welche sie
ihnen mit nachtheiliger Vbersehung darumb
vorbinden/ damit sie
die beherrschung auff jhre Nachkommen bringen/ oder ohne
alle
masse was sie wollen verschencken mögen/ oder den folgenden Kö-
nig
nicht beleidigen (dann es vngewiß ist/ wer es auß so vielen Her-
ren
werden möchte) welcher seines Vorfahren im Regiment vn-
recht an seinem
Geschlechte rechen möchte. Ihr möget nun sagen
von Fürsichtigkeit der Wahl/
durch [150]
welche zum offtern newe
Stämme eyngeschoben
werden/ die man mit allgemeinem Verlust
hernach mästen muß. Die Aquilier selbst so man auß vnterschiede-
nen Geschlechtern
erlesen/ wie offte haben sie die Kräfften jhrer
Majestät mit solchen Sorgen
geschwächet? Vnter andern dieser/
welcher die Satzungen gemacht hat/ so man die
güldenen nennet/
wie thewer hat er die Stimmen erkauffen müssen/ damit er seinen
Sohn zum Reiche brächte? mit was für Vngelegenheit der Krone
hat er
jhnen nachmals als er nicht zahlen kundte/ die offentlichen
Zölle zugelassen/
welche sie erstlichen Pfandsweise jnnen behalten/
nachmals auß Schwachheit oder
Irrthumb der regierenden eine
Erbschafft darauß gemacht haben? So sind vber diß/
wie jhr wisset
viel Stifftungen vnd Rathschläge/ die nicht als baldt wann man
sie
[Seite 99]
außgesonnen dem gemeinen Wesen zustatten kommen/ sondern jhre
Weile haben muß; vnd bringen doch nachmals wie die trächtigen
Bäume zu
rechter Zeit jhre Früchte. Auß diesen Rathschlägen von
so langwiriger Hoffnung
erwächset gemeiniglich der Regimenter
vollkommene Wolfarth. Sie werden aber
zum offtersten von einem
Könige/ der das Scepter nicht durch Erbrecht sondern von
den
Stimmen erlanget hat/ verachtet oder hindan gelassen. Dann solche
Verfassungen an zu fangen gehören grosse vnd mühsame Vnkosten
darzu/ welche
darumb denen die sie stifften vnan-[151]
genemer
ist/ weil sie die Blüte/ viel weniger die Erndte davon nicht sehen/
derer erst
die nachfolgende Könige geniessen sollen. Wer werden
aber diese Könige seyn?
Meine Kinder? Meine Bekandten? Meine
Freunde? Vielleicht wol frembde Leute/ oder
die mir feindt sind.
Soll ich denselben mit grossen Sorgen/ vnd Verlust der
Einkom-
men/ welche ich jetzund besser auff die Meinigen wenden kan/
den Grund zur Sicherheit/ Frewden vnd Reichthumb legen? Ge-
setzt daß ich es
im Willen habe; es möchten diese meine Nachfolger
meine Mühe durch jhren Neyd
zunichte machen/ vnd die Wercke so
in Hoffnung langer Nutzbarkeit angefangen
worden/ verachten oder
abbrechen/ weil es mir vnd der Zeit meiner
Regierung würde eine
Ehr seyn daß ich sie erfunden hette/ sie aber/ als nur
Erhalter vnd
Verwahrer meiner Vorsichtigkeit/ mußten Vnkosten ohne erlan-
gung eines Lobs auffwenden. Diese Sachen pflegen solcher Könige
Gemüther
nicht mit vergebener Forcht/ aber auch nicht ohne Ver-
derb deß gemeinen
Nutzens/ von vnterfangung fürnehmer Wercke
abzulencken.
Doch ist die Regierung solcher erwehleten Könige nicht so schäd-
lich/ als jhre Erwehlung. Dann glaubet jhr/ daß vnter den muhtigen
Völckern/
die mit einem hitzigen vnd augenscheinlichen Verlangen
deß Ehrgeitzes
brennen/ eine solche Wahlversamblung geruhig
fürgehen kan? daß hier nichts durch
Geschencke vnd Waffen ver-
richtet werde/ [152] wie jhrer
viel die ein ander an Gütern/ Ge-
schlecht vnd Gemüte gleich sind/ da keiner dem
andern nicht wei-
chen wil/ vnd alle regieren nicht können? Wie gehet es
nachmals/
wann die Zuneigungen auff zweene fallen/ vnd beyde jhnen das
Reich zueigenen/ daß man nicht weiß welcher verworffen sey?
was für
Auffstandt/ was für blutige vnd langwirige Kriege pflegen
o
[Seite 100]
hierauß zuerfolgen? Zugeschweigen daß die Völcker welche ange-
wehnet sindt einen König zu machen mit Billigkeit/ jhn offtmals
mit
Vnbilligkeit verwerffen. Damit ich nicht erst alte Sachen herfür
suche/ betrachte
den Aquilius/ welcher vnlängst auff zweyen Wah-
len zwey Kronen
vberkommen hat; kurtz aber hernach durch eben
derselbigen Leute Rew die jhn
erkohren haben/ widerumb davon ist
kommen. Sie läugneten daß er rechtmässig
erwehlet worden. De-
rentwegen haben sie mit Fewer/ Schwerdte vnd Verwüstung die
Sa-
chen hier auff den Peranhyleus/ der das eine Reich begehrte; da
aber auff den
Bereficus gewendt/ der das ander schon zu sich geris-
sen/ vnd an
statt der Speisen/ welche er auff deß Aquilius Tafel hette
tragen sollen/ fast
Vorrath vnd Tisch miteinander hat weggenom-
men. Haltet jhr dann solches nicht
für die höchste Gefahr/ so viel
ärger ist als die jenige/ in welche wir zu Zeiten
durch vnserer Kö-
nige jugendt gerathen? Ich läugne gar nicht/ daß
entweder der
Regenten zu vnzeitiges Alter/ oder jhr geringer Verstand/ der sich
in
Geschäffte nicht zu finden weiß/ dem gemeinen [153]
Wesen offter-
mals schaden. (dann was ist so vollkommen/ daß es den Menschen
zu jhrem Nutze allerseits könne ersprießlich seyn?) Aber eben die-
ses betrifft vns mit einem viel geringern Vngewitter/ als die Wellen
welche auß
dem Meer der Wahl empor schlagen.
Glaubet auch nur nicht/ daß allzeit der beste/ oder der so zum
regieren am geschicksten ist zum Reich erkohren werde. Wie viel
Verbündnüsse
finden sich? Wie offt mangelt es dem/ der von
Standt vnd Gewalt
fürtrefflich ist/ an den Gütern deß Gemüthes/
gleichsamb als die ewige Vorsehung
sich förchtete/ daß sie nicht/
wann sie einem Menschen zugleich das grösseste
Glück vnd die
höchste Weißheit gebe/ jhn auß einem Sterblichen zu einem Gott
machen möchte? Derentwegen ist der so zu einem Fürsten erweh-
let
wirdt nicht allzeit der würdigste/ sondern entweder der mächtig-
ste/ oder der
glückseligste; ohn welches alles beydes die Kunst zu
regieren bey einem gar wol
seyn kan. Dieser wirdt durch das Mittel
seiner Stärcke jhm die Stimmen entweder
erschnarchen oder er-
kauffen; jener wegen seiner Trägheit Gunst bey denen
finden/ die
jhnen vnter einem solchen Fürsten selber hoffen zu regieren.
Dann
wann jhr saget/ daß die Zuneigung oder der Wille derer die erweh-
len
so auffrichtig sind/ daß sie bloß auff dessen Tugendt sehen/ den
p
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sie erwehlen wöllen; Vnd wann jhr vber diß euch versichert/ daß
die
Sittsamkeit derer die auch hoffen zum Regiment zugelangen/ vnd
die
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einhellige stimmung deß Volcks also beschaffen sey/ daß
sie sich ohn Widerrede diesem zum Gehorsamb vntergeben der also
zum
Scepter kommen ist; vnd die vollkommene Güte deß newen
Königs hinzu setzet/
welche bey der reitzung deß anfangenden
Glücks dermassen vnschuldig bleibt/ daß
sie nichts vngebürliches für-
nimbt: so wil ich hertzlich gern auff ewere Meinung
tretten/ vnd
darfür halten/ daß die Völcker von den Göttern sonderlich müssen
geliebet werden/ welchen solche Glückseligkeit widerfährt. Aber
es ist
auch nur nicht zu hoffen. Die Boßheit der Menschen/ vnd die
Erfahrung im
Gegentheil erweiset gantz das Widerspiel/ so daß man
derselben Völcker
Fürsichtigkeit zu vnrechte tadelt/ die sich einem
gewissen Stamm vntergeben
haben/ durch dessen Vermittelung
die Regiment gerühiger vnd rühmlicher
gemacht werden.