NAchdem Lycogenes den Poliarchus auß Sicilien gebracht/ hielte er
darfür/ als
hette er hierdurch einen stattlichen Sieg wider den Mele-
ander erlangt.
Weil diser junger wackerer vnd im rathgeben ver-
ständiger Mensch
mit seiner hohen Natur deß Königes Theil nicht
wenig geholffen/ vnd die
Auffwiegler durch seinen Todt/ oder zum
wenigsten durch sein Abwesen/
böses zuverüben bessern fug be-
kommen. Die Meinung welche man seines
Todtes [184] halben
hatte/ werete nicht lang;
sondern/ es sey nur auß blossem Verdacht/
oder von denen die
hierumb gewußt/ hergerührt/ so ward nur vnver-
holen gesagt/ daß jhn
Arsidas in einem Schiff geflüchtet hette. Vnd
dieses war
deß Lycogenes erste Lästerung wider den König; in dem
er Leute
bestellte/ welche bey dem Volck ein Geschrey außbringen
solten/ Meleandern were weniger zu trawen als einem Könige zu-
stünde. Dann Poliarchus hette auff seinen Befehl die Gesandten
vmbgebracht/ jhm dem Beklagten heimlich Fürschub gethan; wel-
cher
nun sicher in Italien lebte/ vnd vielleicht bereitet were derglei-
chen
Verbrechen mehr zuverüben. Solches sagte Lycogenes mit ge-
nugsamer Sittsamkeit/ vnd nur bey denen
welche dem Meleander
feind waren: aber die andern seine Creaturen schmäheten den Kö-
nig vngeschewet. Dann sie suchten alle gelegenheit zu newem Auff-
stande: es waren auch etliche/ welche dem Meleander den Vrsprung
solcher Empörung zumessen dörfften.
Aber er nam sich mit fleiß
der Gestalt seiner alten Lindigkeit an/ auff
daß der Schein der vn-
achtsamkeit/ welcher jhm zuvorhin geschadt/
an jetzo seine Feinde
[Seite 118]
betriegen möchte. So ward auch seine Hertzhafftigkeit/
vber der
Boßheit deß Lycogenes/ vnd die Gefahr deß allgemeinen Wesens/
durch die
mannliche Beständigkeit der Argenis nicht wenig ent-
zündet: bey welcher
er sich beklagte/ daß sie die Opfferung verlas-
sen/ vnd durch
gegebenen Argwohn den Lycogenes zu newer Auff-
ruhr geleitet; Wann [185]
hierinnen/ gab sie zur Antwort/ etwas
gesündiget ist
worden/ so habt jhr euch vber die Götter allein zube-
klagen. Diesen jhren
gewaltigen Antrieb/ Herr/ habe ich weder
außschlagen noch verbergen
können. Im vbrigen so verwundern
sich jhrer mehr daß jhr den
Frieden eingegangen seid/ als daß ich
vnd die Götter vns davon entäussert
haben. Verzeihet meiner Frey-
heit zu reden/ welche ewre Gütigkeit mir
gibet: vielleicht were es
besser mit ritterlichen Thaten ein mal sterben/
als so vielen Schimpff
erdulden/ vnd nur auß Vergunst eines andern
regieren. Der König
ward vber dem mehr als weiblichen grossen
Gemüte beweget/ vnd
entschloß sich hierüber den längst bey sich
fürgesetzten Rath seines
Ernstes für die Handt zu nehmen. Derentwegen
befandt er für
nötig/ sein Hofflager zu Epeircte zuhalten/ welche zum Kriege vnd
zur Flucht wol
gelegen war/ vnd darein er schon vorlängst/ vnter
dem Schein
anderer Notwendigkeit/ alles das was zu gesagten bey-
den Sachen gehörig/
verschaffet hatte. Epeircte ist ein Berg an den
Palermischen Grentzen/
etliche Meil wegs im Vmkreiß: dessen Fuß
mit scharffen vnd abgehawenen
Felsen erhaben ist: Nachmals wann
der Berg mit den vnwegsamen Klippen
etwas höher worden/ seyn
die seiten gemach vnd gemach flächer/ biß
man auff die Spitze
kompt/ welche ein zimbliche breitte/ vnd zugleich
einen bequemen
Hügel hat/ der scheinet als sey er von der Natur ein Schloß
darauff
zu bawen gemacht worden. Diese Höhe hatten die [186]
Könige be-
festiget: der vbrige Platz wardt von einer
schönen Statt/ vnd an-
deren lustigen Gebäwen eingenommen. Auff der
seiten des Berges
gegen der See zu/ war ein Port jnner den Felsen/ darein
aller Art
Schiffe einlauffen möchten; weit im Eingange/ tieff vnd wegen
vmb-
ringung deß Gebirges vor Vngewitter gantz befreyet. Diesem Ha-
fen lag die Stadt dermassen wol gegen vber/ daß weder den Schiffen
ohne der Innwohner Willen an zu lencken/ noch denen so auff den
engen Weg/ der vom Meer auff die Höhe deß Berges gieng/ steigen
a
b
[Seite 119]
wolten/ fort zukommen möglich war. Die andere seite deß
Berges
belangendt/ so gegen der Insel zu von der See nicht vmbringet
wirdt/
kan man nur auff zweyen Wegen/ welche gleichsfals sehr vbel zu
gehen sindt/ hienauff gelangen. Es kömpt auch denen zu Epeircte
sehr zustatten/ daß allenthalben wo es vngebawet ist fruchtbare vnd
feiste Weide für das Vieh wächset. Vber diß machen die Menge der
Brunnen vnd der gesunde Lufft in welchem keine gifftige Thiere
leben
können/ daß dieser Ort für eine sonderliche Wolthat der Göt-
ter mag
gehalten werden. Auff dem Eingange der Strassen welche
von dem
Hafen gieng war der Ceres Bildnüß mit jhrem Krantze von
Aehren/ vnd dem
Wagen sampt den geflügelten Schlangen/ welche
die hinauff steigenden zur
Andacht leitete/ damit sie die Göttinn vn-
geehret/ vnd den Felsen
vnbegrüsset nicht liessen.
[187] Meleander hatte längst zuvor im Gebrauch sich daselbst zu-
erlustigen/ gleichsam als ob er solches wegen Anmutigkeit deß Orts/
vnd auß Liebe zu der Jagt/ welche er in der Nachbarschafft haben
kundte/ zuthun pflegte. Die Statt war mit seinen trewesten Soldaten
besetzet. Vber diß/ wann ja das Glück zu rück schlüge/ daß die Ge-
legenheit zu fliehen doch nicht abgeschnitten wurde/ so ließ man
vnter allerhandt scheine die Königlichen Galeren in den Port setzen.
Man ersahe auch Gelegenheit allen Schatz/ den voriger Zeit Könige
gesamblet/ auff die Burgk zu bringen. Es fandt sich eine grosse
menge
Perlen/ vnd mancherley Corallenäste/ welche sie auß der
benachbarten See
geholet: item sehr viel Purpur auß frembden
Ländern/ der von langen
Zeiten her der Gütigkeit halben den le-
bendigen Glantz seiner Farben
behalten: gülden vnd silbern Ge-
schirr/ von denen kaum etzliche newlich
mit sonderer Kunst auß-
gearbeitet/ die meisten aber/ so schlecht vnd
rawe/ wegen Ehrerbie-
tung gegen vergangenen Zeiten sonderlich auffgehaben
waren. Deß
geprägten Geldes war nicht vbrig viel; weil die Kammer
durch Frey-
gebigkeit deß Königes/ welche er erst nun auß Betrachtung
künffti-
ger Dinge abstellete/ erschöpffet worden.
Der König eröffnete seinen Fürsatz niemanden als der Argenis:
daß er nämblich gesonnen were/ die Ehr seines Königreichs zu
rechen; vnd den Lycogenes sampt seinem fürnämsten Anhang/
wann er sie
vnter [188] dem Scheine allerhand Angelegenheiten
nach Hofe bringen köndte (dann sie hatten sich schon an vnter-
schiedene Oerter begeben) für Gerichte/ vnd zur Straffe zuziehen.
Epeircte sey hierzu am bequemesten; als darauß man das
vmbliegen
[Seite 120]
de
Land bezwingen/ vnd das Meer in Gehorsam halten könne. Es
kan wol kommen/ sagte er/ daß solcher Ernst den andern/ welche
auß
mißbrauchung meiner Güte sündigen/ jren Muth brechen
möchte. Im fall sich
aber der Krieg hefftiger entzünden/ vnd der
außgang dem Rahtschlage
nicht zusagen wirdt/ so wil ich das vn-
danckbare Land verlassen/ vnd mit
euch sampt dem Schatze auff
Africa zu segeln/ da ich Leute genugsam weiß/ die mich Flüch-
tigen werden auff- vnd annemmen. Vnd auff solche weiß werden
wir das
Glück besänfftigen/ ich wegen meines hohen Alters vnd jhr
wegen der
Blume ewrer Jugend/ welche solche Widerwärtigkeit
noch nicht verdienet
hat. Wo selbiger vbeler Zustandt sich bege-
ben wirdt/ wil ich bloß den
Eurimedes zu Epeircte lassen; die er mit
den besten Soldaten auff das
eusserste beschützen mag. Auff solche
weiß/ meine Tochter/ werden wir an
Sicilien/ welches voll schwerer
Verbitterung vnter den Auffrührern
seyn wird/ wol gerochen wer-
den/ vnd der gemeine Pöfel wirdt nach
ablegung deß Irrthumbs mit
trawrigen Gedancken erwegen/ wer diese seynd/
vnd wer wir ge-
wesen. Dann sie werden sich wegen Außtheilung deß Lohnes
für
jhre Vbelthat in ewigkeit nicht vergleichen/ vnd nicht alle auff des
Lycoge-[189]
nes seiten verbleiben: dann
jhrer viel begehren zwar
meiner Gefahr/ aber nicht meines Vntergangs. So
daß bey solcher
Trennung das eine Theil alle zeit auff vns wirdt sehen:
Vnd möch-
ten wir wol vnsere Zurückkunfft nachmals eben denen zu dancken
haben/ deren Vntrew vns flüchtig zu werden verursacht hette. In
dessen/ Argenis/ begebt jhr euch in diese Festung: dann ich befahre
mich/ daß wir nicht eher als wir meinen vns zubeschützen/ oder
den
Feind anzugreiffen/ möchten gezwungen werden. Dieses seidt
beynebenst
erinnert/ daß jhr mit vielem Frawen Zimmer/ derer
Trew jhr nicht
vorsichert seidt/ Gemeinschafft nicht machet. Es ist
genug/ meine
Tochter/ daß die Männer vns betriegen.
Argenis wundtschte dem Vatter zu solchem großmütigen Rhat-
schlage Glück/ vnd vermahnete mit newem Kriege sein Heil zu
versuchen. Vber dis/ sagte sie/ daß sie sich allezeit bißher für Wei-
bern/ vmb die sie nicht gewust/ fürgesehen hette. Als sie aber von
einander kommen/ gedachte sie hefftig nach/ für welchem Weibe
sie der König doch gewarnet habe/ vnd welche vmb sie were die
jhm
nicht gefiele. Alß baldt darauff gieng sie zu der Selenisse/ vnd
fragte
hierumb; vnwissendt/ daß sie die jenige were/ durch welche
die Timoclee
mit heimlichem Betruge dem Könige verdächtig
ge
[Seite 121]
macht
worden. Damals gab die listige Alte/ wiewol sie sich
frewete
daß jhre Anschläge von statten giengen/ dannoch für/ als ob sie es
Wunder nehme/ wie der Meleander auff sol-[190]
chen Argwohn
gerahten. Die Vrsach aber/ warumb sie der Timocleen tückischer
weise nachgestellet/ war diese: Sie war jnnen worden/ daß Argenis
auff
Timocleen/ wegen der Wolthat die sie dem Poliarchus erwie-
sen/ sonderbare Gnade geworffen/ vnd
stundt in forchten/ daß nicht
diese Fraw/ wegen der Newigkeit der
Freundschafft/ welche allzeit
eine sonderliche Annehmligkeit in sich hat/
jhrer alten Vertrew-
ligkeit möchte vorgezogen werden. Als sie
derentwegen im Neydt er-
soffen/ legte sie sich auff Verleumbdung vnd
Feindschafft/ wie bey
Höfen bräuchlich ist. Doch sagte sie offentlich
wider die Timoclee
nichts: dann sie hette mit jhrer List vnd Sache wenig
gerichtet/ im
Fall Argenis hinder den Betrug gerahten were. Vber diß wußte
sie
auch/ daß sie dem Weibe mehr Schaden zufügen kundte/ wann sie
jhre Feindschafft in geheim hielte. Derentwegen wußte sie viel ein-
zuwenden/ warumb Argenis die Gutthaten gegen jhr entweder vn-
derlassen/ oder ja verschieben solte. Wöllet jhr/ sagte sie/ daß
Timoclee wisse/ solche Wolthat widerfahre jhr/ weil sie den Poliar-
chus verborgen habe? Wöllet jhr/ daß die Vnterpfande der heim-
lichen Trew zwischen jhm vnd euch sollen offenbahr werden? Ihr
könnet
warlich viel sicherer gehen/ wann jhr sie gleichsamb auß
eigener Bewegnüß
in acht nemmet; damit sie glaube/ solche Gnade
sey mehr ein Geschenck/ als
eine Vergeltung. Sie mag aber in jhrem
Hauß verblei-[191]
ben. Es würde ohne Argwohn nicht ablauffen/
wann jhr sie in
das Frawenzimmer nemmet. Dann gesetzt (welches
die Götter auch fügen
wöllen) daß es niemals außkommen werde/
daß Poliarchus von jhr sey erhalten worden: was wirdt jhm aber
der fromme Archombrotus gedencken? Dieser weiß/ wie wol sie
sich vmb jhn verdienet habe; vnd solte es nicht mercken/ wann
jhr jhre
Trew so geschwinde belohnet?
Mit diesen vnd dergleichen Außflüchten sorgte Selenisse nicht
so
sehr für die Argenis als für sich selber/ in meinung es were vmb die
hohe Gnade darinnen sie war geschehen/ wann neben jhr noch ein
andere were welcher alles vertrawet würde. Sie wußte aber jhre
Falschheit so artig vnd mit solchen Vmbschweiffen zu treiben/ daß
c
d
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es schiene/ als ob sie einig vnd allein der Argenis Sorg
trüge. Wel-
ches dann ein stehtiges vnd hochschädliches Vbel der Fürsten
ist/
bey denen/ die so in Gnaden sindt ihren Neyd/ vnter dem Schein zu
helffen oder zu warnen/ sättigen/ vnd offtermahls jhre Widersacher
loben/ damit man jhnen hernach destoleichter glaube/ wann sie
dieselben vbel angiessen. Derentwegen hatte auch Selenisse in ge-
heym allerley Verdacht die Timocleen betreffendt außgesprenget/
welche dem Könige zu Ohren kommen: daß sie nämlich für diesem
dem
Lycogenes beygepflichtet/ vnd jhr auch noch jetzundt nicht zu
trawen were; vnnd dannoch von der Argenis vnbehütsamb geliebet
wür-[192]
de. Hergegen sagte sie bey der Argenis
alles gutes von die-
ser Matron/ lobte sie/ vnd stalte beynebenst die
Gefahr für Augen/
welcher man sich zubefürchten hette/ wann sie dieselbte
höher
erhübe. Weil sie auch zum theil war redete/ brachte sie es darzu/
daß Timoclee von der Argenis wenig besser gehalten wardt/ außge-
nommen daß sie zuweilen/ wann sie jhrem Gebrauch nach sie zu
besuchen
kam/ etwas freundlicher mit jhr vmbgieng/ vnd sie/ durch
allzeit bequem
gesuchte Gelegenheit zur Freygebigkeit/ bey jhrem
Abschiede mit etwas
beschenckete.