ERistenes geriethe entweder durch sein nachforschen/ oder durch
das Glück/ welches dem Meleander noch nicht günstig war/ in die
Mutmassung/ daß
eine Absendung an den Poliarchus fortgehen
würde. Man hat dafür gehalten/ als sey
der Anfang solchen Arg-
wohns von seinem Weib herkommen/ welche stets mit
der Argenis
vnd Selenissen vmbzugehen hat pflegen/ vnd offtmals wegen deß
Arsidas von weitem allerley Reden sol auffge-[226]worffen haben;
wie sie dann ein verschlagenes Weib/ vnd
auff Art jhres Mannes ab-
gerichtet gewesen ist. Nach dem auch der König
bey solchem Man-
gel der Kammer das Armbandt zu kauffen befohlen hat/ ist
er in
seiner Meinung also gestärcket worden/ daß er dem Lycogenes
baldt zugeschrieben/ er befohre sich/ man würde durch solches Ge-
schencke den Poliarchus wieder zum Freunde machen wöllen. Er
aber/ der
vmb ein Schelmstücke vnbekümmert war/ nebenst dem
daß jhn Oloodemus/ der
sich damals bey jhm befandt/ auch ver-
mahnete/ antwortete jhm
Schrifftlich in solcher Meinung; Es sey
nichts rathsamer/ als daß
selbiges Armbandt/ weil es Eristenes in
Verwahrung hielte/ vergifftet
wurde. Wann es Poliarchus
emp-
a
b
c
Aber Eristenes/ der auff alles genawe Achtung gab/ wuste viel
Sachen/ vnd kam jm alles vordächtig für. Derhalben als er jhm
einbildete/ daß dieser auff den Poliarchus zu würde/ erdachte er
eine solche List.
Es war vnter seinen Leuten ein junger Mensch/
[229] der newlich vom Lande kommen/ vnd bey Hofe noch
nicht
bekandt war. Er hatte aber wol an jhm gespüret/ daß er listig vnd
zu allem was jhm befohlen würde vnverdrossen were. Diesem
schaffte
er/ daß er dem Timonides/ wann er verreisete/ auff der
Post solte
nachreiten/ vnd fürgeben/ als ob jhn der König schickte/
daß er jhn ja
fleissig warnen solte/ damit er in Sicilien keinem Men-
schen etwas von
dem Armbande eröffnete. In dem jhr aber redet/
sagte er/ so gebet auff
sein Gesichte fleissig Achtung. Wirdt er ewre
Worte annehmen/ oder auß
sehen als ob er zweiffelte/ so thut jhr
als jhr das ewerige
verrichtet hettet/ vnd kehret alßbaldt vmb.
Wirdt er nicht wissen wor von
jhr redet/ welches jhr leichtlich
werdet erkennen/ so fragt jhn/ gleichsam
als jhr im Zweiffel stün-
det/ wie er heisse. Wirdt er sagen/ Timonides/ so bittet jhn vmb
Verzeihung; dann jhr sollet
einen andern suchen: vnd machet euch/
wo jhr könnet/ also von jhm
hinweg/ daß er nicht wisse auff welche
seiten jhr zugeritten. Wirdt er mit
der Antwort jnne halten/ weil er
euch nicht kennet/ vnd fragen/ wer jhr
seyet/ so saget daß jhr der
Selenissen mit Blutfreundtschafft zugethan/ vnd erst newlich
nach
Hofe kommen weret; Ihr könnet euch aber den ersten Namen ge-
ben der euch einfält. Dieser kam seinem Befehl trewlich nach/
feh-
d
e
f
Als Timonides also herumb geführet/ vnd deß Königs Anschlag
außgeforschet worden/ schrieb Eristenes in eyll dem Lycogenes alles
zu/ damit jhm die Zeit/ entweder den
Timonides zu fangen/ oder
sonsten auff etwas zu
gedencken/ nicht entgienge. Lycogenes wußte
lang nicht was er thun solte/ weil er den
König nicht so verächtlich
hielte/ als zuvor/ in dem er sahe/ daß er nicht
mehr so nachlässig/
sondern auff allerley Rahtschläge bedacht were.
Letztlich befandt
er für nötig zuseyn/ daß er einen newen Betrug herfür
suchte/ damit
er alle Schuldt so von jhm verdienet auff den König
bringen möch-
te. Derowegen/ welches kein Mensch gedacht hette/ entschloß
er sich
deß Poliarchus Freundschafft zu begehren/ vnd jhm dieses Schrei-
ben zusenden. Lycogenes wündschet dem Poliarchus alle Wolfahrt.
Dieser Tag wirdt euch
offenbahren/ wie sehr jhr in Erwehlung
ewerer Freunde vnd Feinde
gejrret habet. Wolte Gott jhr hettet
mich nicht als einen Widersacher
verfolget/ vnd dem Meleander
mehr vertrawet als billich gewesen. Aber was geschehen ist/ mag
seinen weg haben. Dann es were vnfreundlich/ wann ich mich vber
euch
an jetzo/ da jhr vorhin [231] in Widerwärtigkeit
stehet/ be-
klagen wolte: vnd ich bin auch nicht in solchem
Zustande/ da ich
vonnöthen habe/ mich hoch zuentschuldigen. Ich wil lieber
daß jhr
es auß der That selber/ als auß den Worten erfahret/ auff welchem
vnter vns beyden die Vrsache der alten Verbitterung beruhe. Als
Meleander nach ewerer Vertreibung ewern Haß vnd Rache geförch-
tet/ hat er vnerbare Künste für die Hand genommen/ vnd ist auß
einem Könige ein Giffteingeber worden/ in dem er euch/ gleich-
samb
als zu bekennung seiner Busse/ vnd zu Widerruffung deß
Vnrechts/ ein
tödliches Armband vbersendet. Hütet euch daß jhr es
nicht traget: dann jhr
möchtet eweren Todt an statt deß Bandes
vmb die Hand machen. Ich
frage nichts nach/ ob jhr mir schon
nicht glaubet/ biß jhr solches
erfahret. Wann jhr einen leibeigenen
Vbelthäter habt/ oder/ welchs
barmhertziger gehandelt ist/ ein
g
h
Solchs verwegne Schreiben gab er einem seiner trewen Diener/
mit Befehl/ seine Reise also abzutheilen/ daß er nicht ehe als acht
Tage nach dem Timonides zum Poliarchus angelangete. Welches
dann nicht schwer
zuthun were. Er köndte zu Messine oder zu Rhe-
ge vnter anderer
beschönung/ in dem Hafen oder in der Statt von
deß Timonides Ankunfft Nachfrage halten. Die Vrsach solcher
schändlichen List war diese/ daß Poliarchus/ im Fall er diese Acht
Tage vber das Armbandt
getragen/ vnter dessen dadurch vmbkom-
men köndte. Wann nun die
Schreiben erst nach seinem Tode dahin
gebracht würden/ [233] was für einen bösen Namen solte Melean-
der hierdurch
bekommen? Hette aber Poliarchus sich deß Arm-
bandes noch nicht gebraucht/ so
würde er dem Lycogenes hoch ver-
bunden seyn/ der jhn für zustehendem
Vnglück gewarnet hette; vnd
hergegen wider den Meleander sich hefftig ergrimmen/ auff wel-
chem die
Schuldt dieses betrieglichen Trawerspieles fallen mußte.
i