ES waren allbereit zween Monat/ daß Enne die Belägerung außge-
standen hatte. Die Proviant war abgegangen/ so war auch kein
Hoffnung/ daß jhnen der König mit Entsatzung zu hülffe köndte
kommen.
Als sie derwegen nichts ohn jhre Trew vnd Redlichkeit
mehr vbrig
hatten/ schickten die Innwohner an den Lycogenes mit
erbietung sich zu ergeben. Er ward froh/ daß
er zugleich erweisen
kundte/ daß er nicht allein sieghafft/ sondern
auch [345] gütig were/
vnd gab zur Antwort; Er
wünschte nicht mehr/ als daß sie begeh-
ren möchten glückselig zu seyn. Er
hette auch zu keinem andern
Ende mit Gewalt an sie gesetzet. Sie
solten zu dem gantzen Cörper
Siciliens tretten/ von dessen einhelliger
Stimmung wieder den Mele-
ander sie sich vnfürsichtiger Weise getrant
hetten. Nichts desto-
weniger hielten jhrer viel an/ daß man sie sicher zu
dem königlichen
Läger wolte tretten lassen. Nach dem jhnen solches
vergünstiget
worden/ haben sie vnter deß Meleanders Soldaten grössere Furchte
als Beystandt
gebracht: weil sie zu entschüldigung der Ergebenen
Stadt jhr
außgestandenes Elendt vnd die Macht der Feinde mit
Worten vermehreten.
Durch Einnehmung Enne kriegte der Lycoge-
nes ein grösser Hertze/ vnd
versuchte Mittel vnd Wege/ wie er durch
das Wasser vnd Morast vber
welchem der König lag kommen
köndte/ Meleander trug Beysorge/ er möchte den Ort in die länge
nicht erhalten können/ ließ derwegen zu anfange der Nacht durch
das
gantze Läger Fewer machen/ damit der Feindt deß aufbrechens
nicht jnnen
würde/ vnd rückte ohn alles Trompetten blasen mit
seinem Läger
wiederumb auff das Feld vnterhalb Epeircte. Auff den
andern Tag folgete Lycogenes mit außgebreitetem Heer vber alle
Felder in
schrecklicher Gestalt/ vnd die Soldaten auß Barbarischer
Hoffart mehr mit
Vnsinnigkeit/ als menschlicher Vernunfft.
Der König brachte wegen so vieler sorgen keinen [346] Schlaff in die
Augen: bißweilen wolte er sich eine Schlacht
zuliefern vnterfangen:
bißweilen sich in den Mawren der Statt versichern:
vnd zu Zeiten
war er auch gesonnen in Africa zufliehen/ gleichsam als die Sache
schon
gäntzlich verloren were. Es trug sich ohngefehr zu/ daß er/
weil er nicht
ruhen kundte/ mit dem Tag auffgestanden war/ vnd
gantz allein in den
Garten spatzieren gieng. Der Ort lag hoch/ vnd
kundte man von dannen weit
vber die See hinauß sehen. Als er nun
daselbst hin vnd her gedachte/ was
in solcher eussersten Noth am
rühmlichsten were/ kam er auff die
behertzte Erklärung/ er wolte
schlagen: in Erwegung aber/ daß er ein Alter
Mann were/ vnd ein
Vatter darzu/ vermahnete jhn die Fürsorge für seine
Tochter auff
einen sicherern Rahtschlag zu gehen. Solte sein Kind ein Raub
deß
Vberwinders seyn? solte die/ welche zum Scepter geboren worden/
jre Freyheit verlieren? hergegen kam jhm auch die vnbequemigkeit
der Flucht in die Gedancken/ widerumb bald der Zorn der Götter/
vnd/
welches in einem vnverdienten Vnglück das elendeste ist/ die
Glückseligkeit in welcher er zuvor gewesen war. In dem er sich mit
solchen Gedancken schlug/ warff er plötzlich die Augen auff das
Meer/ vnd das Gewölcke/ welches sich von dem nechsten Gebirge
gesetzt
hatte/ vnd von der Sonne/ die ziemlich herauff kam/ zertri-
ben ward/ ließ
jhn allgemach eine seltzame Gestalt frembder Dinge/
vber denen er sich
entsetzte/ erblicken. Dann es schiene die See/ so
[347] nicht weit vom Hafen mit Schiffen vnd darauff
fligenden Fah-
nen bedeckt war/ einen newen Krieg/ vnd ein newes
Schrecken an-
zubringen. Ein mächtiger Schiffzeug/ mit vollen Segeln/ vber
diß
ein widerglentzung der Waffen/ vnd grosse menge deß Volcks. Als
sie dem Port so nahe waren/ daß man sie mit einem Wurffgeschoß
erreichen können/ liessen die Schiffer mit großem Geschrey Ancker
fallen/ vnd blieben behalten. Der König gedachte nit lang nach/ was
es für Leut weren/ oder wannher sie kämen; sondern/ weil er ohn
diß
schon zur Forcht geneigt war/ stieß er den Fuß etlich mal wider
die Erde/
vnd/ Ach/ sagte er/ ist mir dann nit nur so viel Glück be-
schert/ daß ich
fliehen möge können? Da hab ich deß Lycogenes
b
c
Bald führte man den Heroldt etwas zu ruhen. In
dessen ruffte der
König den Raht zusammen/ vnd [350] befragte sich/ ob er dem
Radirobanes selber entgegen solte/ oder etzliche von seinen Für-
nembsten Leuten schicken/ wegen mehrer Versicherung. Sie waren
vnterschiedener Meinung; weil sie einem solchen Glück weder miß-
trawen/ noch gäntzlich glauben wolten. Dann warumb solte Radi-
robanes so viel Vnkosten vnd Arbeit zu eines andern Nutzen an-
wenden? sonderlich vngebeten/ vnd da Meleander vnd er niemals
noch beysammen gewesen weren? Es
sey alle Gunst die zu groß
ist verdächtig; vnd were kaum zu glauben/ daß
er diesen Schiffzeug
mehr dem Meleander/ als jhm selber außgerüstet hette. Dann auch
mein
Vatter (sagte der König) mit deß Radirobanes Vattern/ wie
jhr wisset/ viel Widerwertigkeit
gehabt hat: biß sie miteinander/
mehr auß ermüdung vom Kriege/ als auß
beylegung deß hasses/ in
Bündtnus gerathen sindt. Auff diesesmal weiß ich
nicht waß ich
glauben sol; ob es Hülffe oder Betrug sey. Cleobulus aber fieng an:
der König solte zum Radirobanes zu gehen kein Bedencken tragen.
Dann wo er als
ein Freundt angelangete/ so käme gewiß die Hülffe
zu rechter Zeit; vnd
würde keine Ehre zu viel seyn/ die man jhm
erzeigte. Hergegen wo er den
König entweder von sich selber
an
Vnd zwar den Cleobulus betrogen seine Gedancken nicht. Dann
das Gerüchte
von der Argenis/ vnd die Begierde zu dem Königreiche
Sicilien/ welches an
die Princessin kommen solte/ hatten dem Radi-
robanes dieses zuthun
eingegeben. Er hatte diese Flotte in bereit-
schafft gehabt/ wegen eines
Zuges wider die Mauritanier/ welchen
er fürzunehmen gesonnen war. Das
Geschrey aber von dem Sicili-
schen Kriege machte/ daß er seinen Weg in
Africa verschub/ vnd
zu einem löblichern Ende dem
Meleander zuschiffete.
[352: Kupfer Nr. 8]