DEn andern Tage/ als Hieroleander seine andächtige verrichtung
glücklich vollbracht
hatte/ ließ er den Nicopompus so länger ver-
warten muste/ sampt dem Antenorius im Tempel; Er aber name
seine Reiß in Gesellschafft deß
Gelanors auff Epeircte zu. Als er der
Argenis mit Frewden angemeldet/ wie
Apollo auff alles gutes ge-
deutet/ vnd die Eingeweyde deß Opffers sich gantz
recht befunden
hetten/ sagte er beyneben/ daß jhm deß Poliarchus Diener im Ein-
gang deß Tempels begegnet/ vnd an jetzt
in der Statt were; vnwis-
send/ daß er durch solche [297] Zeitung der Princessin Gemühte also
sehr erregen würde. Sie muthmassete
stracks/ daß die Götter durch
den glücklichen Abgang deß Opffers deß Gelanors Ankunfft gebil-
lichet hetten/ zitterte für Frewden/ vnd
fieng an zu zweiffeln; Ob
Gelanor ohn den Poliarchus angelanget were; oder ob er sich ver-
borgen hielte/
damit er heimlicher Weise mit jhr zu rede kommen
möchte. Zum wenigsten
hoffte sie von dem Gelanor zu hören wo er
were/ wie es jhm gienge/ was er jhr zu thun
zuentbieten liesse/ vnd
was er selber im Willen hette. Gelanor war nicht weniger begierig
die Princessin an zusprechen.
Als er aber dem Eurimedes ohngefehr
zu Gesichte kommen/ vnd es nicht verbergen
kundte/ daß er zum
Könige geschickt worden/ ward er stracks für jhn
geführet; da er
dann/ wie sich auch gebührete/ weder mit erschrockenem noch
trewhertzigen Gesichte diese wenige Worte sagte: Herr/ Poliarchus
küsset euch in aller Vnterthänigkeit die Hände/ vnd vbersändt euch
dieses
Schreiben welches Lycogenes an jhn abgehen lassen/ damit
jr nicht vermeynen
sollet daß er nicht wisse/ oder daß er gläube das
jenige/ was jm von ewren
Anschlägen wider ihn zugebracht wird.
Zugleich vberantwortete er das Schreiben.
Der König/ als er solches
gelesen hatte/ ward er vber dem frembden Wesen
bestürtzet/ fo-
derte den Cleobulus vnd Eurimedes/ vnd gab es jhnen zu vbersehen.
Sie
ertheileten nichts anders zur Antwort/ als daß es eine verdäch-
tige vnd
gefährliche Sache were. Es [298] war jhnen sämptlichen
[Seite 184]
niemals etwas verwirreters fürkommen; weil auch Gelanor weder
mit bitten/ noch fast mit drewen etwas sagte (wiewol
er nichts
kundte sagen) dadurch man hinter des Lycogenes Betrug kommen
mögen. Er erzehlete/ wie jhm dann nicht
anders war/ daß dieser
Brieff vnter eines entleibeten Sachen/ gelegen
hette; mehr were
weder jhm noch dem Poliarchus bewust. Der König fieng an: Gela-
nor/ ich kan gleichs
fals auß diesem tunckelen Wesen nichts neh-
men. Argenis hat dem Poliarchus auff meinen Befehl ein Arm-
bandt zugeschickt: welches
Timonides jhm vberantworten sollen.
Aber von dem Giffte weiß
ich nichts/ vnd kan mir auch nicht einbil-
den/ wie Lycogenes vom Armbande gewust habe. Lasset es nur bey
euch bleiben/
damit niemandt jnnen werde/ wannenher ich solches
erfahren habe. Die Götter vnd
ich wöllen Sorge tragen/ wie der
Feinde vnehrliche Stücke mögen herfür gebracht
werden. Als er
nachmals fragte/ wo er dann den Poliarchus vnd Timonides ge-
lassen/ sagte Gelanor/ Poliarchus hette weder Timonides noch das
Armbandt gesehen: er aber were nach seiner
Abreisung von Rhege
lange Zeit des Vngewitters wegen auff der See weit vnd breit
her-
umb zu jrren gezwungen worden.
Als jhn der König nachmals abtretten lassen/ gieng er
zur Sele-
nissen/ vnd vbergab der Argenis bey vorfallender Gelegenheit das
Schreiben/ nebenst Erzehlung vbriger Sachen/ wie jhm Poliar-
chus [299]
mit gegeben; daß er nemlich in Africa sey/ vnd alda
erwartete/ biß sie jhm zu entbieten liesse/
waß sie vermeinete/
daß jhm von jhrer beyder wegen zu thun von nötten sey.
Wann
es Gewaldt bedürffte/ wolte er sich baldt/ nicht nur allein/ vnd
als
eine Priuat person/ wie zuvor/ einstellen. Oder wo sie etwas
für besser hielte/
solte sie jhm ohne schew befehlen; er thete
nichts anders als was sie begehrete.
Im vbrigen vermahnete er
sie deß getroffenen Bündtnisses in seiner
Abwesenheit nicht zu-
vergessen/ noch dasselbe jemals bey zulegen. Er wolte es
aber nicht
für ein geringes Pfandt jhrer Liebe achten/ wann sie jhm offen-
bahrte/ ob Lycogenes jhn auffrichtig gewarnet hette. Argenis er-
schrack vber
solcher Furchte deß Poliarchus/ vnd der schändtlichen
Aufflage welcher man jhren
Vatter beschuldigte; mit einem thewren
a
b
c
[Seite 185]
Schwur daß solche böse That vom Könige nicht herrührete. Poliar-
chus thete auch fast vnrecht/ daß er jhm einbilden köndte/ wann
ja jhr
Vatter auff etwas dergleichen vmbgieng/ daß sie solches auß
zuforschen vnd jhm an
zu melden säumiger sein würde als Lycoge-
nes. Wie Gelanor ferrner erzehlete/ in was für Gefahr Poliarchus
gestanden/ wie er nach Vntergange deß Schiffes sich auff einem
Steinfelsen
erhalten/ vnd hernach grössere Lebens Gefahr bey der
Räuber Hülffe als in
wehrendem Schiffbruche außgestanden hette/
kundte sie die Abmahlung solcher
schröcklichen Gefahr nicht er-
dulden/ hieß den Gela-[300]
nor bald schweygen/ bald weiter sagen/
vnd zitterte dermassen zu
allen Worten/ gleich als ob sie es selber
anschawete/ oder dasselbe was sie
hörete noch nicht fürüber were.
Der König war in grossem Kümmernüß/ hatte auch das Arm-
bandt/
den Lycogenes/ vnd das Gifft allzeit im Gemühte vnd Augen/
vnd
hielte zweene Tage darvon Nachfragung; gleich als Arsidas vnd
Timonides nach Hofe kamen/ deß Poliarchus Schiffbruch/ wie sie
darfür hielten/ anzumelden. Weil
sie derhalben vermeyneten/ Gela-
nor were mit dem Poliarchus blieben/ erschracken sie als sie seiner
ansichtig
worden. Als baldt musten sie zum Könige kommen/ daß
sie gehöret würden/
wann sie vmb deß Lycogenes Schreiben etwan
Wissenschafft trügen. Argenis war dazumal
entgegen; wie auch
Cleobulus vnd Eurimedes. Wie sie jhre Sache anbrachten/ zohen sie
für allen Dingen die Schachtel herfür/ vnd auß derselben das Arm-
bandt/
welches so viel Verwirrung gemacht hatte. Sie berichteten/
Poliarchus were vom Arsidas schon hinweg gewesen/ für deß Timo-
nides Ankunfft; vnd/
wir sind/ sagten sie/ durch erhebliche Anzey-
gungen bewegt worden/ daß wir/ in
Meynung er sey durch Schiff-
bruch vntergegangen/ jhn schon betrawret haben:
hernach hat vns
hier Gelanor widerumb Hoffnung gemacht/ der vns gesaget hat/
daß
sein Herr nicht allein noch lebe/ sondern frisch vnd gesundt sey.
Nach diesem/
zeygete er jhnen deß [301] Lycogenes Schreiben an
den Poliarchus; vber welchem als sie bestürtzt waren/ gedachte
Cleobulus den Sachen scharpffsinniger nach/ Laßt schawen/ sagte
er/
ob das Armbandt noch vnverletzet sey/ vnd ob der gewürckten
Seyden daran
nichts mangele/ daß also diese Lügen hier bald
offen-
d
e
[Seite 186]
bar
werde: oder ob es vergifftet sey/ vnd zu solcher Verleumbdung
Anlaß gegeben habe. Als sie damit vmbgehen/ vnd die Glieder auß
einander
wickeln/ werden sie in dem seydenen Zindel/ an welchen
die Steine mit silbernen
Faden gefast waren/ deß grünlechten Gifftes
jnnen/ so dem andern/ wegen der
kleinen Flecke die hin vnd wider
stunden/ an Farbe nicht ähnlich sahe. Als
Cleobulus solches er-
blickete: Was ist dieses anders/ sagte er/
als das Gifft dessen Lycoge-
nes erwehnet? Aber wir wollen zuschawen/ wer das
Geschencke so
schöne muß eyngeschmieret haben. Herr/ jhr sollet meiner Muht-
massung nimmermehr weiter glauben/ wann Lycogenes vnd sein
Anhang hieran nicht schuldt haben. Dann
Eristenes/ der gewesene
Schatzmeister welchen jhr gefänglich haltet/ hat diß
Armbandt vn-
ter seinen Händen gehabt. Vnd warumb wollet jhr nicht glauben/
daß sie durch jhre List oder Verrähterey der ewrigen erfahren ha-
ben/ daß dieses Geschencke dem Poliarchus solte zugeschickt wer-
den; vnd also auß boßhafftigem
Neyde durch solche Vergifftung jhn
das Leben/ vnd euch vmb ewer gutes Gerüchte zu
bringen willens
gewesen seyn? Aber durch glückselige Anzeygung der [302]
Götter
ist alles wol hienauß gelauffen: diß Schelmstück sol den
Anfängern
gewiß den Hals brechen/ jhr haltet den Oloodemus vnd Eristenes
(welche ohn alle Widerrede sterben müssen) zwar wegen verborge-
ner
verbrechen für straffwürdig; man hat sie aber offentlich von
nichts wegen vber
weisen/ vnd für dem Volcke zu schanden ma-
chen können. Wirdt man nun dahinter
kommen daß sie an dieser
That schuldt tragen/ so wird sie jederman
einhellig verdammen. Der
König befahl dem Cleobulus/ sich dessen/ was er jhm so weißlich
eingebildet hette/
besser zu erkündigen/ vnd die Malefitz personen
fürzunemen. Er aber deutete an/
daß es durch den Eurimedes am
besten könde geschehen/ vnd gab kürtzlich rhat/ wie
man mit der
sachen verfahren solt.
Eurimedes begehrte sich solchen Befehlichs nicht zuentbrechen/
sondern gieng hin zu dem Orte/ wo der Eristenes verwahret gehalten
wardt/
vnd fieng stracks im hinein schreiten (wie Cleobulus jhm
recht eingegeben hatte) mit anmeldung grosser
Traurigkeit an:
Ihr habt ja endtlich noch getriumphiret vber den Poliarchus/
Eri-
f
g
h
[Seite 187]
stenes.
Er ist von dem Armbande gestorben/
das jhr vergifftet habet.
Wöllet jhr es euch dann/ wie zwar Oloodemus thut/ für
eine Ehre
vnd Ruhm halten/ daß jhr zu solchem Bubenstück rhat vnd that ge-
geben habt? Eristenes erschrack nicht anders als ob jhn plötzlich
ein
Vngewitter vberfiele/ vnd vermochte kein Wort zumachen. Er
hörete daß Poliarchus todt were/ wie [303]
dann sein
täglicher
wundsch gewesen. So vberzeugete jhn sein gewissen wegen einhal-
tung solcher Vbelthat. Was solte er ferner viel aufs leugnen tretten/
weil
Oloodemus (dann also hatte Eurimedes fürgegeben) der Ver-
gifftung
allbereit geständig gewesen? Man ließ jhm auch nicht Zeit
bey sich raht zuhalten/
oder sein Gemüte wieder zuerholen. Derent-
wegen hielte er/ als in Sachen mit
denen es aufs euserste kommen/
darfür/ es were am besten daß er nicht vergebliche
Vmbschweiffe
machte/ vnd die That hinterhielte; denn hierdurch würde er sich nur
an den Tag geben/ daß er dieses beginnen selber für strafffällig er-
kennete. Als derentwegen Eurimedes auff jhn drang: Es sey wol/
sagte er; Die
Götter mögen mit mir machen was sie wöllen. Mir be-
gnüget/ daß ich den Feind
Siciliens den Poliarchus vberlebet habe.
Auff dieses grübelte Eurimedes/
gleichsam als ob jhm alles wol be-
wust were/ weiter nach/ damit er hinter
jhren Anschlag käme; vnd
hielte jhm letzlich deß Lycogenes meineidt ein/ in dem er durch das
Schreiben an den
Poliarchus deß Königes vnschuldt verdächtig
machte/ wegen eines
vnehrlichen verbrechens das er selber began-
gen hette. Dessen Eristenes mit
lächeln geständig war. Gieng also
Eurimedes von jhm zum Könige/ vnd zeigte
jhm nicht ohn entset-
zung an/ wessen er geständig gewesen: nunmehr were nichts
vbrig/
als daß sich Oloodemus durch ebenmässiges bekentnüs verdammete.
[304] Meleander erfrewte sich/ daß die That so glücklich were her-
auß
gebracht worden/ lobete den Eurimedes/ vnd schickte jhn zum
Oloodemus. Er
aber/ als der sich geschwinder entschliessen kundte/
wolte von der Vergifftung
nichts wissen; sondern als man jhn dar-
umb befragte/ so begehrte er mehr zu
hören/ vnd machte jhm das
Wesen gantz frembde. Wie jm auch gesagt ward/ daß
Eristenes die
That allbereyt bekandt hette/ meynete er es were nur ein Betrug/
vnd sagte/ er glaubete nicht/ daß sich Eristenes/ eines solchen
Bu-
i
j
k
[Seite 188]
benstückes
vnterwinden köndte: da er es auch je gethan hette/ so
were
es ihm nicht wissendt. Endlich vberwand Eurimedes seine
Halßstarrigkeit mit
solchem Anschlage. Er ließ den Oloodemus
auff einen heimlichen Ort tretten/ auß
dem er den Eristenes ver-
nehmen kundte: mit dem er die vormals gepflogenen
Reden wider-
holete. Eristenes/ seine Beständigkeit zu bezeugen/ wolte weder
sein/ noch seiner Mitgehülffen Verbrechen laugnen: biß Oloodemus
dermassen
vngedultig darüber ward/ daß er anfieng zu schreyen: O
Eristenes/ welch ein Narr
seydt jhr entweder: oder ein Verrhäter
der ewrigen? Darauff möchte er
nicht weiter Vmbschweiffe brau-
chen/ vnd sagte/ er were alle der seinigen
Vntergang/ vnd allein
deß Vnglücks werth/ in welches er so viel stürtzete.
Eristenes ward
zu langsam jnnen/ daß jhn Eurimedes betrogen/ vnd Oloodemus
nichts von jhrem allgemeinen Verbrechen geoffenbahret hette. Er
wolte [305]
seinen Fehler/ so viel es die Zeit vnd der
Schmertzen
zugaben/ gegen dem Oloodemus mit Worten entschüldigen. Aber/
weil
die Sache in Beyseyn gnugsamer Zeugen klar war/ worden sie
in vnterschiedene
Gefängnüß gesetzt/ vnd auff den andern Tag für
offentliches Gerichte geführet:
damit nit die Außfragung/ wann sie
nicht für jedermänniglich geheget
wurde/ hernachmals von der
Thäter Anhange vnd Leuten als vntüchtig vnd vnrecht
freuentlicher
Weise möchte geschmähet werden. Wiewol aber der König wegen
der Bürger zu Epeircte wol versichert war; jedoch ließ er zu Ver-
wahrung der
Vbelthäter seine Leibwache auff den Platz stellen. Sie
musten auch auß
einem solchen Orte Rede vnd Antwort geben/ von
da man sie/ wann Entpörung vnter
dem Pöfel entstanden were/
leichtlich widerumb auff das Schloß/ vnd in jhre
Gewahrsam bringen
kundte. Das Volck/ so durch offentliches Außschreyen auff den
Marckt beruffen worden/ kam hauffen weise zusammen; vnd der so
für
allgemeinem Gerichtstul deß Königs Sachen fürzubringen pfle-
get redete auff
solche Meynung: Das Volck wisse/ wie mit grossen
Gnaden der König jhm beygethan
sey/ so trage der König hergegen
auch keinen Zweiffel/ er habe an jhnen getrewe
Vnterthanen. Der-
halben/ ob er gleich den Eristenes vnd Oloodemus/ weil sie sich
mit
vielfaltiger Vbelthat an jhm vergriffen/ von Rechtes wegen eygen-
thümlich verdammen können; jedoch hette er die Sache [306]
für
l
[Seite 189]
offentliches gehegtes Gerichte verschieben wöllen/ damit seine
ge-
horsame Leute selber vber sie sprechen möchten. Sie solten jhr
Verthädigung anhören/ vnd den Richtern mit jhrer Stimmung an
die Handt
geben/ wie mit jhnen zuverfahren were. Es sassen drei-
ßig Malefitzrichter/
welchen Eristenes vnd Oloodemus fürgestellet
worden. Darauff sie der Kläger mit
kurtzer Verfassung beschül-
digte/ wie sie sich vieler bösen Thaten gegen dem
Könige vnter-
standen/ den Frieden offtmals gebrochen/ vnd mit den Feinden
Verständtnus gehabt hetten. Hernach kam die harte Beklagung we-
gen
deß Giftes/ vnd Aufflage der Vnredligkeit/ darmit sie den König
beschüldigen
wöllen. Als hierüber jhre eigen Bekentnüs/ die Zeu-
gen vnd die Schreiben zum
Beweiß herfür gebracht worden/ wurden
die Inwohner zu Epeircte dermassen beweget/ daß viel sie vnver-
vrtheilet
zusteinigen gesonnen waren. Der Kläger aber bate jnn-
ständig/ sie wolten
zufrieden seyn/ biß die Richter würden erkandt
haben. Dann es sey höchlich daran
gelegen/ daß den beklagten eine
offentliche Verantwortung zugelassen würde. Es
solte sie jhre
eigene Rede vnd der Vberweiß jhres erschrockenen Gewissens
schwerer ankommen/ als die Worte deß Klägers. Im fall sie es auch
begehrten/ so wolte jhnen der König zwey Stunden zu jhrer Verthä-
digung frist
lassen. Vnd zugleich hieß er die Beklagten/ jhre Ent-
schüldigung anzubringen/
fürtretten. Aber sie/ wie er jhm schon
[307]
eingebildet hatte/ wusten wegen Vngerechtigkeit jhrer
Sache
nichts zu machen. Dann der That kundten sie nicht in Abrede
seyn/ vnd das Volck in gleichen nicht versöhnen. Derenthalben
sagten sie
furchtsam gar wenig; vnd dasselbe war mehr eine Ankla-
gung deß Königes als eine
Beschützung jhrer selber. Letzlich
stimmeten die Richter sämptlich/ vnd
erkandten/ daß sie Leib vnd
Leben verfallen hetten.
Sie wurden alsbaldt in das Gefengnüs geleget/ damit sie/
als die
einen andern durch Vergifftung hinrichten wöllen/ selber mit Giffte
getödtet würden/ wie sie verdienet hatten. Daselbsten gebrauchten
sie sich
jhrer trawrigen vnd letzten Freyheit/ welches denen so auff
solche weise sterben/
von den Gesetzen zugelassen worden. Sie
fien-
m
n
o
p
[Seite 190]
gen
an den König zuverfluchen/ den Lycogenes vmb Rache anzu-
ruffen/ vnd die Hellischen Götter
zubitten/ daß jhre Feinde noch ein
schrecklicher Ende als sie haben/ vnd es jhnen
zu einem solchen
Tode nicht kommen möchte. In dessen war der Todbecher schon
vorhanden/ welchen Oloodemus dem Hencker zum ersten auß der
Handt rieß/
vnd/ wolan/ sagte er/ wir wollen es dem Meleander zu-
trincken. Vns belangendt/ so kommen wir dem Elende
ab/ damit wir
jhn ärger darnieder reissen nun wir todt seyn werden/ als er sich
dessen befahret hatt weil wir noch lebeten. Als er diß gesagt/ machte
er jhn mit einem Truncke auß. [308]
Wie er widerumb voll
gefüllet
worden/ reichte man jhn dem Eristenes/ der die Stirne runtzelte/
vnd sich starck vmbsahe/ mit den Worten: wer wil es meinen Freun-
den zu
wissen thun/ was sie dem Meleander schüldig sindt? Als sie
außgetruncken hatten/ warnete sie
der Hencker/ damit das Gifft
desto leichter die Adern durchtringen/ vnd
sie ohn wenigern
Schmertzen sterben köndten/ als solten sie so weit sich das
Gefäng-
nüß erstreckte herumb spatzieren; biß jhnen die Schenckel schwer
würden/ vnd sie fühleten/ daß sie allgemach von vnten auff ver-
starreten.
Als sie jhm folgeten/ vnd jhnen die Füsse kalt worden/
fielen sie in die
Bette: daselbst nam sie der Nebel deß Gifftes wie mit
einem Schlaffe eyn/ daß sie
nichts empfunden; biß sie nach Tödtung
der Hüfften/ gleichsam als ob sie mit
etwas gestochen würden/ eine
Anzeygung von sich gaben/ daß die Gewalt deß Gifftes
die edelsten
Glieder schon eyngenommen hette; vnd storben also kurtz hernach.
Die Poeten säumeten sich nicht Verß hiervon außzustrewen; von
denen
etliche die verurtheileten mit verächtlicher Freyheit mehr
als billich war
angriffen; etliche aber sie warneten/ gleich als sie
nach jhrem Tode Busse thun
köndten; vnd jhnen von jhrem Ende
weissagten/ wie sie schon wegk waren. Man
hielte die jenigen für
die besten/ welche mehr den Ehrgeitz als die
verdampten schmä-
heten.
q
[Seite 191]