Meleander/ so von solchen Gedancken der Liebe frey war/ stundt
in
grössern Sorgen. Dann Syracuse/ Lilybee/ Agrigent/ vnd die an-
dere Städte von
Lycogenes seiten waren nicht eine geringe vber-
bleibung deß
Krieges. Darumb berhatschlagete er sich mit dem
Cleobulus/ ob es besser were/ damit man sie vberfallen köndte das
Heer zu zertheilen/ oder wieder eine jegliche mit gantzer Macht zu-
ziehen. Cleobulus trug wegen Ergebung dieser Städte keinen Zweif-
fel/ weil
niemandt von dessen Anhange noch vbrig were/ den sie für
jhr Haupt würden halten
wöllen. Herr sagt er/ es ist genug/ daß
jhr mit Betröwungen fortfahret/ vnd ewer
Volck noch ein wenig
sehen lasset; damit die Städte destogeschwinder zur
Berewung auß
Furchte getrieben werden. Wiewol ich vermeine/ daß jhr von jhnen
ehisten Tages werdet Gesandten haben. Dann nachdem sie wieder
jhre Art
rasendt gewesen sindt/ wirdt es jhnen angenehm seyn/
wieder in jhre Natur
zu-[419]tretten/ welche sie durch die Empö-
rung
verlohren zuhaben schienen. Seidt vnbesorget; der Krieg ist
a
b
fürüber/ welcher aber den Städten in Warheit nicht kan zugemes-
sen werden. Wann jhr aber in künfftig Rhue vnd Frieden liebet/ so
wisset/
daß weit andere Quellen dessen Vbels sind/ welche jhr ver-
stopffen müsset.
Meleander/ welchen die Vorbildung solchen erst
vorgangenen
Vnglücks wegen deß zukünfftigen sorgfeltig machte/
sagte zu jhm: Man muß Fleiß
ankehren/ daß dieser wiederge-
brachte Wohlstandt deß Königreiches auch möge
bestendig seyn.
Vnd wir können niemals besser die Macht der Streiche/ welche wir
bekommen haben/ erkennen/ vnd vns in künfftig dafür hüten ler-
nen/
als auß den frischen Narben der geschlagenen Wunden. Wann
jhr mir in schwebender
grosser Gefahr die Fehler/ welche ich began-
gen/ für Augen gestellet hettet/ so
würde es mehr einem Verweiß
als einer Warnung gleich gesehen haben. Wann jhr aber
an jetzo
alles herauß saget was jhr vermeinet/ dasselbe wirdt machen/ Cleo-
bulus/ daß wir vns in künfftig vor dergleichen jrrungen hüten. Er
fürchtete den König mit der Freyheit seiner Rede zu erzürnen/ wie-
wol er
jhn an zuhören begehrete/ vnd sagte/ er köndte jhm keine
Schuldt geben. Dann man
es der Zeit/ den Feinden vnd dem vnvmb-
gänglichen Verhengniße zuschreiben müste.
Nachdem er aber durch
solche Gelindigkeit deß Meleanders Gemüte derer Anschläge welche
er [420]
wuste/ fähig gemacht hatte; So lang man/ sagt er/ die Ge-
lindigkeit für eine Tugendt halten wirdt/ so lange wirdt man nicht
sagen/
daß Sicilien durch ewere Verursachung in solchen vbelen Zu-
standt gerahten sey.
Das Verhängniß hat ewerer Gelindigkeit/ sage
ich/ zu Verderbung ewerer vnd
ewers Landes mißgebraucht. Solche
Freundligkeit/ solche vbermässige Güte gegen
ewren fürnehmen
Leuten/ solche ewere vnd ewerer Vorfahren gar zu grosse Be-
schenckung/ welche jhnen geschehen/ hat die fürnemsten Kräfften
deß Reichs
verrahten/ vnd auß Gemeinemachung der königlichen
Hochheit euch in
Verachtung gebracht. Jetzt sind sie zwar gedämp-
ffet; jetzt werden die
Auffrührer zwar stille sitzen. Sollen sie sich
aber wider erholen/ so habt jhr
ein newes Vngewitter zu erwarten/
wann jhr die Winde nicht härter jnnenhaltet als
Eolus. Sie werden
mit Gewalt wöllen außreissen/ vnd so lang jhre Krafft groß seyn
wirdt/ werdet jhr König ewerer Gewalt niemals versichert seyn. Ich
begehre euch nicht zum Tyrannen zu machen: jhr sollt auch auff
jhr bestes
gedencken/ wann sie entweder durch Forchte/ oder durch
c
d
Eckel für jhrem Verbrechen gemach vnd gemach jhre vnruhige
Köpffe werden ablegen lernen. Meleander antwortet: Ich weiß wol/
daß auß diesen Wolcken solche
Vngestümmigkeit fürnämlich her-
gerühret. Aber die Kräfften derselben Leute sind
gewachsen/ vnd
durch die Zeit vnd der [421]
Könige
Guttwilligkeit fast nunmehr
eigenthümblich worden. Wann ich dieselbigen
beschneiden wolte/
so würde man entweder sagen daß ich vnrecht thete/ in dem ich
jhnen die Macht/ welche sie für mir gehabt/ abstrickete: oder ich
würde
durch die gar zu grosse Bemühung das Königliche Vermögen
sehen lassen/
welches bißher zusehr angegriffen ist worden/ vnd
wegen seiner Geringschätzigkeit
verborgen gehalten werden soll.
Ihr möget/ sagte Cleobulus/ von dem Fortgang besser hoffen/ wann
jhr dieser Leute
macht/ welche gar zu groß ist/ ordentlich einem
nach dem andern schmälern werdet.
So haltet auch nicht dafür/
daß es nicht Göttern vnd Menschen gefallen
wirdt/ wann jhr für
die Königliche Hoheit streiten/ vnd verhüten werdet/ daß sich
Sici-
lien mit seinem Toben mörderischer Weise nicht selber hinrichte.
Schawet zu wer sie sindt/ wannher sie kommen/ vnd durch was
für Mittel sie
solche Gewaldt erlanget haben. Sie mögen sich rüh-
men wie sie wollen/ so
haben sie auß Gutthat ewerer Vorfahren jhr
Reichthumb erlanget/ Verwaltungen
bekommen/ vnd von zulas-
sung Königlicher Freundtschafft solche Macht
auffgebawet/ auß
welcher entweder sie selber/ oder jhre Nachkommenen heutiges
Tages wieder die Könige streiten. Die Waffen mit denen sie euch
fodern sind ewer: alle diese Degen gehören euch zu/ mit welchen
die blinden
Hände deß Auffruhrs den/ der sie jhnen ge-[422]
geben
hat/
zubeschädigen gedencken. Wann sie es verdienen/ wann sie
jhre Glückseligkeit
nicht vertragen können/ so nehmet jhnen zum
wenigsten wieder was sie von euch
genommen haben. Gewiß jhr
werdet sie nackendt stehen lassen/ vnd jhren
Hochmuth/ welcher
sie jtzund auffbläset/ vertreiben/ wann sie ewer Reichthumb be-
trachten/ vnd jhren Zustand vergessen werden. Damit jhr aber
ewerer Krone
desto schleuniger rahten möget/ so sehet wie sich jhr
Ansehen wieder das ewrige
leget; wie offentlich vnd mit gefähr-
licher Vereinigung sie diese
Freyheit vbel zuthun/ als ein Recht be-
haupten. Wie sehr sie gegen einander
neidisch vnd gehässig seyn/
so können sie doch nicht leiden/ daß der König einen
von jhnen
vn-
e
terdrucke.
Es rebelliere nun einer von
jhnen welcher wölle/ so ste-
hen jhm die andern entweder offentlich oder heimlich
bey: Baldt
machen sie sich seiner Sachen theilhafftig/ baldt ersehen sie gele-
gene Zeit/ damit sie dem Könige Abbruch thun durch gesuchte Be-
schönung. Andere kommen nicht von ewerer seiten/ vnd auß ewe-
rem Läger: aber
sie schwechen vnd zerrütten mit langsamen vnd
vnvermerckten Grieffen den Fortgang
eweres oder ewrer Soldaten
Anschlages/ vnd wündtschen daß die Rebellion der
stärcke ewrer
Kron lange Zeit könne Wage halten; auß Furchte/ daß es nicht
scheine eine Gefahr zu seyn/ derer Könige nicht achten solten/ oder
die
sie [423]
nicht gleiche seyn köndten/ vnd daß also das Volck
solche Empörung fürchten vnd ertragen lerne. Also daß sie durch
dieses
Mittel jhnen ein Exempel für sich selber machen/ vnd jhnen
den Weg bereiten/ wann
es sich zutrüge/ daß sie mit dem Könige in
Vneinigkeit geriehten. Wann jhr
mit reiffem Rahte solcher Zusam-
menrottung nicht zuvor kompt/ wirdt es hier auch
anders ergehen
als in Merganien? Es war ein Landt welches einer allein behersche-
te; nunmehr ist es auß Trägheit oder Vbersehung der Regenten
vnter so viel
Fürsten zertrennet worden/ daß der so zuvor voll-
mächtiger Herr war/
jetzundt nichts mehr darvon hatt.
Wiewol euch im frischen Gedechtnüs ist/ was solche Empörungen
können/ so lasset jhr doch zu/ daß jhr Anfang vnd erste Erregung
allhier zu
Gesichte gebracht werde. Dann ich wündsche/ daß jhr
entweder möget
auffgefrischet/ oder zur Gedult/ deß noch einmal be-
vorstehenden Vnfals/
bereitet werden. Wann jhr jemanden be-
gnadiget/ jemanden erhebet/ ohne wissen
vnd willen der alten für-
nemen Häupter/ so thun sie als ob jhr von dem jhrigen
freygebig
waret/ machen sich von Hofe weg/ klagen man hette sie verachtet/
vnd fliehen auff die Schlösser vnd Festungen/ welche jhr jhnen ver-
trawet habet: schreyen hernach vber das Elendt deß gemeinen
Manns/ vnd geben
für/ man vnterhalte nichts als Egeln/ welche das
Blut deß erschöpffeten
[424] Königreiches außsaugen; es sey der-
selben Hoffart nicht
länger zuertragen/ welche deß Fürsten/ den sie
gleichsamb bezaubert hetten/
mißbrauchten/ vnd alle wolverdiente
Geschlechter hoffärtiger weise mit
jhrer newen Gewalt
vnterdruck-
f
g
h
ten.
Dieses/ Herr/ wie jhr wisset/ ist die gemeineste Art Auffruhr
zumachen/ vnd die Bürgerlichen Waffen zuergreiffen. Aber es
sind vber diß
auch andere Vrsachen/ welche selbigen Gemütern die
Kühnheit machen abzufallen.
Wann jhr nach langer Beschenckung
ein wenig jnnen haltet: jhnen/ die zwar
voll/ aber noch nicht satt
genug seyn/ Empter vnd Verwaltung versaget; nicht alle
Heimlig-
keiten vertrawet; mit anderen gemeiner lebet als mit jhnen: als-
bald meinen sie/ man verhalte sie nicht nach Würden/ vnd schlagen
Zorn auff/
als ob man sie mit Verschmähung beleydiget habe. Ande-
re/ damit sie jhnen
ein Ansehen machen/ vnd dem Könige zu er-
kennen geben was sie vermögen/ die
suchen Gelegenheit zum
Widerwillen/ vnd zerrütten mit Fleisse den allgemeinen
Frieden. Im
vbrigen/ sie haben gleich für Vrsach zum Auffstande was sie wöllen/
so bringen sie mit der Stärcke/ welche sie von euch Königen haben/
so
viel zu wege/ daß sich bald andere zu jhnen schlagen; vnd zwar
desto eher/ weil
solche Auffrührische Händel allzeit vngestraffet
bleiben/ auch bißweilen belohnet
werden. Wann sie dermassen
hochmütig gemacht/ vnd gleichsamb als in jhrem
Königreich [425]
versichert sind/ so pressen sie zu
widerbringung deß Friedens von
euch Königen hernachmals mehr herauß/ als
sie bekommen hetten/
wann sie im Gehorsamb vnd Trew gegen euch beständig
verblieben
weren. In dessen werden die Soldaten (wer wolte solches vertra-
gen?) von ewerem Gelde vnd ewerer Besoldung wider euch im Felde
gehalten.
Wann sie auß ewerer Schatzkammer trotzig gemacht sind
worden/ so fordern
sie entweder Rechnung ewerer Regierung von
euch/ oder schreiben euch für/ wie jhr
herrschen sollet. Es sind
ewere Inwohner/ ewere Vnderthanen/ welche in diesen
Kriegen
mehr als in frembden sich gebrauchen lassen. Was erfolgt dann
hierauff? Ihr Könige/ jhr erkaufft den Frieden; jhnen gereicht es
zum
Nutzen daß sie gesündiget haben. Ihr besitzet ein Königreich/
welches kein mal
dem Frieden trawen darff; jhr müsset allzeit sor-
gen auß welcher Aschen die
Flamme wider entspringe/ wer jhm
durch newen Auffstandt wölle einen Namen machen/
was für newe
Friedens Artickel man in die Bücher setzen solle; die ohne das schon
voll sind. Ich achte es für das geringste/ daß die Außländer solcher
Kriege vnd Friedens-Schlüsse spotten/ vnd daß zu Ruhe- oder Em-
pörungszeiten dem Wetter einmal wie das ander zutrawen ist. Es
i
sind grössere Schwere/ welche von disen schädlichen Sitten in
den
jnnersten Gliedmassen deß Vatterlandes verursacht worden. Dann
dieser
stethe vnd anfällige Wind verwüstet die Krafft dieser für-
treff-[426]
lichen Nation; welcher ausser diesen Vnfällen/ alle an-
dere
weichen würden. In welcher Provintz dieser Sturmwind ein-
bricht/ daselbst müssen
alle Dorffwirthschafften vnd Nahrungen der
Stätte vndergehen. Die stattlichsten
Gemühter werden müde ge-
macht/ vnd aller Fleiß verständiger weiser Leute/ an
welchen es
vns nicht mangelt/ vnd die nach der gantzen Welt trachten könd-
ten/ kan es kaum dahin richten/ daß die Einheimischen gestillet
werden.
So werden auch die Hertzen der Jugendt zur Verwegenheit/
vnd verachtung der
Majestät angewiesen/ vnd gewinnen eine Lust
zur Anmutigkeit deß Bürgerlichen
Kriegs/ in welchem das Toben
vnd die Begier ein gehlinges kämpffen vnd gewisse
Belohnungen
mit sich bringt. Also bleibt durch einheimische Thätligkeit
alles das
ersitzen/ was die Götter vnserm Sicilien zu Schreckung anderer
Völcker gegeben haben. Vnd gläubet nicht/ daß dieses diene zu
Auffweckung
hitziger Gemüter/ daß sie hernach auff solche Erler-
nung deß Kriegswesens/ jhren
grossen gefasten Muth gegen einen
frembden Feindt derstostärcker mögen
außlassen können. Wolten
die Götter/ daß man zum wenigsten diesen Trost auß dem
Bürger-
lichen Auffstandt erlangte? Aber gedencket nicht/ daß dieses zu
Auffmahnung der Stärcke/ vnd Vnterweisung der Kriegeskunst
diene: sondern
betrachtet/ daß solche Empörung mehr in Eytelkeit
vnd vergeblichen
Bedrawungen/ als in rechtschaf-[427]
fener Be-
mühung im
Läger bestehe. Solche Rotten kommen in Schlössern
vnd Festungen jhres Anhanges
zusammen/ vnd plündern vnverse-
hens Bürgere vnd Bawern. Dieses sindt jhre
grösseste Thaten. Sie
lassen sich selten in Kampff ein; wagen sich in keine/ oder
ja nur in
plötzliche Gefahr/ weil man sie forchtsamer weise bald
befriediget/
vnd jhr sie/ ehe man erfahren hat was hinder jhren Waffen stecket/
zu beschencken/ vnd freyzusagen pfleget. Ob auch gleich diese
j
k
l
m
n
Kriege tauren/ vnd von beyden Seitten der Ernst für die Hand ge-
nommen wirdt/ so bereichert sich doch in dessen der Soldat mit der
besten
Beuthe deß Vatterlands/ vnd befleisset sich in den Gütern
der armen Vnderthanen
mehr auff Rauberey/ als auff Standhafftig-
keit/ Stärcke vnd
Kriegeserfahrenheit; also daß er nachmals/ wann
er bey einem rechtschaffenen
woldisciplinirten Kriege/ in frembden/
vnd zuweilen vnfruchtbaren Ländern dienen
sol/ träg vnd faul
wirdt/ vnd mit seinem Exempel wol erweiset/ was für
Vnterscheidt
zwischen einem rechtschaffenen Kriegsmann vnd zwischen einem
Rauber sey.
Indessen/ Herr/ kommet jhr in Verachtung/ vnd im Fall jhr
schon
etwas wider die Benachbarten fürnehmen wöllet/ so verlas-
sen sie sich mehr auff
vnsere einheimische Vneinigkeit/ als auff
jhre Stärcke/ vnd geben auff euch nicht
zum wenigsten. Sie halten
darfür/ daß sie mit geringer Freygebigkeit
[428] etliche Sicilier er-
wecken wöllen/ welche euch mit Bürgerlicher Empörung
verwi-
ckeln können. Also vbergeben sie euch denen zubekriegen/ durch
welcher Vermittelung sie von euch hetten sollen gestürtzet werden.
Erweget
bey euch selber/ ob solches dieser edelen Nation mehr zum
Schimpffe oder
zuschaden gereiche. Letzlich/ wollet jhr daß ich
euch sagen sol/ worüber sich
ewre Vnterthanen zu beschweren ha-
ben? Vor Zeiten hatt das Volck wegen Stillung
solcher Tumulte
auff die Macht der Könige gesehen. Sie haben dem Könige Purpur/
Thron vnd Schwerdt einhelliglich gegeben/ daß die grossen Häupter
nicht solten auß Ehrgeitz an einander wachsen/ daß nicht in einem
Volcke
vnterschiedene Bündtnüsse entstünden/ vnd man sich des-
sen von den Vnterthanen
besorgen muste/ wessen man sich son-
sten von den Feinden zubefürchten pfleget.
Wann nun vnter dem
Königreiche das gemeine Wesen gleichwol angefochten wirdt/ was
hilfft es sie daß sie jhr Recht fahren lassen/ vnd das Regiement
einem allein haben hingeben? Entweder gebet jhnen jhre Frey-
heit wieder/
oder macht daß sie jhrer Ruhe geniessen können/ wel-
cher wegen sie die Freyheit
vberlassen haben.
Vber diesen Worten holete Meleander einen tieffen Seufftzer her-
auff/ vnd sagte/ daß
man diese Kranckheit leichter erkennen/ als
durch Artzney vertreiben könte. Er
hette sich nunmehr an dem
Eristenes vnd Oloodemus gerochen; so were Lycogenes [429] auch
fort. Wann nun allzeit
eine solche schärffe zu erhaltung deß ge-
meinen Wesens gehörte/ so würde eine
solche Macht/ welche man
mit dem Blute fürnemer Leute erhalten muste/ jhr endtlich selber
gram werden. Sie sindt/ sagte er/ von stattlicher Natur/ auffgewack-
tem
Gemüte/ vnd vielen Tugenden. Soll ich nun solche Sternen auß-
leschen/ oder
vertunckeln? Vnd zwar alle? Dieses were sehr graw-
sam/ vnd vielleicht vber
Königliche Kräfften. Welche dann? die
Verdächtigen. Es ist aber ein vnbilliches
Wesen/ wegen blossen Ver-
dachtes einen straffen. So hat man auch offtmals für
der Empörung
zum Verdachte keine Vrsache. Die geschwinde Vngestimmigkeit/
welche in lebhafftigen Gemütern ist/ pfleget gemeiniglich zugleich
auff solchen Auffruhr zusinnen/ vnd jhn ins Werck zurichten. Soll
ich mit
meinem scharffen Ernste machen/ daß mir ein jederer feindt
werde? Soll ich wie
ein vnuernünfftiges Thier in der Einsamkeit
wohnen/ oder den Hoff mit lauteren
newen Creaturen erfüllen? Ge-
wiß solche Mittel zu helffen sind schädlicher/ als
das Vbel selber.
Ich hoffe die Götter vnd jhr Verhengnis wird verleihen/
nach dem
wir diß vngestümme Gewitter geleget haben/ daß vnsere Leute/ nun
sie vnsere Kräfften kennen/ den gebührlichen Gehorsam gegen vns
jhren Zaum
werden seyn lassen. Zum wenigsten Cleobolus/ suchet
solchen Rhatschlag herfür/
der mehr Leutseligkeit hat als die vo-
rigen.
[430] Cleobulus antwortete: Herr/ ich meine es gut mit euch: Ich
wil die
fürnehmbsten Häupter/ eben wie jhr entschüldigen so viel
möglich ist. Es sindt
adeliche vnd grosse Gemüter vnter jhnen/ vnd
eben dieses worüber wir klagen/ ist
ein Kennezeichen sonderlicher
Hertzhafftigkeit; welche/ wann sie von den
Gesetzen angehalten
wirdt/ dem gemeinen Wesen auch nützlich ist. Weil jhr jhnen
aber
den Zaum zulang gelassen/ so muß ich euch Königen die Schuld
alles
dessen geben/ was sie gedencken vnd anfangen. Weil man aber
von Tugenden vnd
Lastern nach der Meinung deß Volcks/ vnd nicht
nach jhrem Verdienst zu
vrtheilen pflegt/ so ist es nicht Wunder/
daß die Gewonheit vnd die Würden derer
welche sündigen/ nebenst
jhrem guten Fortgang/ diesem Verbrechen ein Ansehen
gemacht
haben. Wo jhr nun solche Rebellion vnterdrucken vnd außrotten
wöllet/ so müsset jhr sie allgemach in die Schande jhres ersten Vr-
sprungs bringen. Dises aber kan also von euch geschehen/ daß jhr
dergleichen
That mit jhrem verschmählichen Namen erstlich nen-
net/ vnd sie eine beleydigung
der Majestät/ eine Zusammenrottung/
o
ein Meineyd/ nit aber/ wie gebräuchlich ist/ eine Großmütigkeit/
einen Verstand/ einen Bund/ eine Fürsorge wegen deß gemeinen
Wesens heisset.
Hernach/ daß die/ welche von euch abgefallen sindt/
sich zum wenigsten demütigen/
vnd vmb gnädige Verzeihung bit-
ten müssen; da jhr anjetzundt hergegen
(welches andern Nationen
sehr wunderlich für-[431]
kompt)
euch den Mangel selbsten zu-
messet/ vnd diese mit offentlichem Außschreiben für
vnschuldig er-
kennet. Dann im Fall diejenigen recht sindt welche die Waffen er-
grieffen haben/ so seidt jhr vnrecht/ wieder den sie von jhnen sindt
ergrieffen worden. Es ist erbärmlich zuhören. Schliesset diese letzte
Schlacht
auß/ darinnen jhr dann ohn alle Widerrede Vberwinder
seidt/ vnd betrachtet den
Auffruhr den man vnter euch vnd ewrem
Vatter erreget hat. Er ist allezeit
dermassen auffgehaben worden/
daß jhr die Verwüstung deß Landes/ die Annehmung
der Soldaten/
vnd andere Vbelthaten der Rebellion/ mit gar zu grosser
Nachge-
bung vnd Bekentnüsse/ daß das Königreich jhnen vnterthan sey/
auff
euch selber geleget habet. Es ist in offentlichen Schrifften
allenthalben
angeschlagen worden/ daß alles dieses auff ewrem Be-
fehl/ oder zum wenigsten
ewrentwegen geschehen sey.
Aber es ist eine schwere Sache/ solche Liechter vnd
Sternen zu-
vertunckeln: dann es gebühret sich nicht/ daß man sie verdrucke/
oder auch nur vnfreundlich mit jhnen vmbgehe. Sie mögen schei-
nen/ Herr;
allein daß sie gleichwol nicht in Vergessen stellen/ wel-
cher Sonnen sie jhren
Glantz zudancken haben/ vnd daß sie eweren
Himmel nicht verdunckeln. Es
schiene fast der Nohtwendigkeit zu-
seyn/ daß einer von jhnen solche Schuldt mit
der Haut vnd Blute
bezahlete. Eristenes vnd Oloodemus haben ewere Gütigkeit zu
sol-
chem scharffen Zwanges-[432]Mittel genötiget/ vnd
der vnglück-
selige Lycogenes wird mit seinem Exempel die andern eine zeitlang
im Gehorsam erhalten. Wirdt aber einer an diese Läuffte nicht ge-
dencken/ vnd
sich eben dessen Spiels vnterwinden/ so versichert
euch seiner ohn alles
Bedencken/ vnd setzt die Verfahrung nicht
erst auff vngewisse Berahtschlagung.
Macht euch bald selber zum
Feldobristen/ damit die Sache nicht etwan durch
Vbersehung ewrer
Befehlshaber gestillet/ vnd die Gelegenheit auß der Handt
gelassen
werde. Im Fall jhr also vnd zwar in eil verfahret/ so werden jhrer
p
q
viel in Betrachtung ewres Ansehens/ sich zu euch schlagen/ vnd
zweifeln was jhnen zuthun sey/ sonderlich wann jhr werdet in
Berahtung
zuseyn scheinen/ ob man euch auch vngestraffet belei-
digen könne. Alsdann müsset
jhr gäntzlich darob seyn/ daß es we-
gen furchtsamer Nachlessigkeit nicht
das Ansehen gewinne/ als
wann jhr jetziger Zeit vergessen hettet/ oder als ob jhr
vmb Ver-
zeihung betet deß hingerichteten Eristenes. Nemet euch dieser Ge-
walt an/ zuerweisen/ daß sie mehr von ewerem grossen Gemüte/ als
von dem
Glück herrühre. Höret keinen gewaffneten Rebellen nicht/
der euch von
Friedenshandlung/ Bedingungen/ vnd Verträgen sagen
wil. Das einige Mittel der
Versöhnung sey dieses/ daß er Gnade su-
che/ den Hochmuth fahren lasse/ sich vnd
seine Sache verdamme.
Alsdann werdet jhr einem solchen Gnade ertheilen vnd
vergeben
mögen/ es sey dann daß er gar [433]
zusehr sich
an euch vergrieffen/
oder seine Bekehrung so lange verschoben habe/ biß er
durch die
euserste Noht darzu gezwungen worden. Verzeihet jhm aber also/
daß
jhm etwas zur Straffe entzogen werde. Hat er von euch eine Pro-
vintz in
Verwaltung/ so nehmet jhm ein Theil darvon/ vnd vber-
gebet es einem andern.
Besitzet er entweder seine/ oder königliche
Schlösser/ so nemet eines zum
Pfande seiner künfftigen Trew vnd
Gehorsambs. Auff diese Art werden sich andere/
den Königlichen
Schatz mit jhrer Beute zubereichern/ fürchten/ welche hergegen
euch jetzund den Frieden vmb Geld/ Empter/ vnd Städte verkauffen
dörffen.
Hütet euch aber/ daß jhr solchen auß Fürbitte jhrer Freun-
de/ die auff
ewrer seiten sind/ vbersehet. Dann es ist kein Betrug ge-
meiner als dergleichen
fürnehmer Leute/ daß sie sich nicht auß Zu-
neigung/ sondern gleichsam durchs Loß
auff zwey wiederwertige
Theile wenden. Brüder/ Schwäger/ Vettern werden/ dieser
bey euch/
der andere bey den Rebellen stehen/ damit sie durch Sieg oder Gna-
de versichert seyn mögen/ die Sache erlange einen Außschlag wel-
chen
sie wölle. Diese/ Herr/ müsset jhr gantz für verdächtig halten/
vnd auch/ wo sie
wegen der jhrigen zu Vngestüm bitten/ fast für
Feinde.
In solchen Gedancken stehe ich wegen der Rebellion Häupter.
Aber was können sie ohne Soldaten verrichten? Sie seindt das Blut
vnd
die Adern solcher Empörung; vnd müssen auch ohngestrafft
r
s
t
[434]
nicht hingehen. Diese derhalben/ welche jhr bey Friedens-
zeit zur Besatzung oder zu Verwachung eweres Leibes geworben
habet/ wann sie
nach erregter Auffruhr jhren Obristen wieder den
König folgen/ die sollet jhr mit
Schanden vnd Benehmung jhres
Degens vnehrlich machen. Da muß kein Geschrey
der Berewung/
keine Fürbitte helffen/ sie komme von wem sie wölle. Also werden
sie nicht so sehr jhre Hauptleute/ als euch in jhnen ehren lernen: in
Betrachtung daß sie neben jhnen von euch erhalten/ vnd von euch
regieret
werden. Also wird das Volck/ welches jhr in Dienst nehmet/
vnd in Frieden
erziehet/ euch mit Trewen meinen/ vnd die Obristen
werden euch nicht verachten
wegen Anvertrawung deß Volckes das
euch geschworen hatt. Wann aber in wehrendem
Tumult etwan an-
dere/ so euch mit Dienste nicht verbunden sindt/ sich deß Anhan-
ges theilhafftig machten/ alsdann befinde ich nicht für Vbel/ daß
man
etwas gelinder mit jhnen verfahre; weil sie nur eines schlech-
ten Auffstandes
können beschüldiget werden. Behaltet gegen den-
selbigen/ wann es euch geliebet/
den Nahmen der Sanfftmütigkeit;
nur daß sie verstehen/ es sey jhnen nicht zwar
jhrer Vnschuldt/ son-
dern ewerer Güte wegen Gnade wiederfahren. Dieses haben wir
von
Straffe der Gebrechen geredet: man muß aber zuvor obsiegen; oder
(welches glimpfflicher ist) sie mit Vernunfft lencken/ damit man sie
nicht
vberwinden oder straffen dürffe. [435]
Zwey Ding sind/ Herr/
welche den fürnehmen Häuptern die Waffen wider euch in die Hand
geben/ vnd
sie zur Aufflehnung bewegen. Wann jhr nun mit weisen
Anschlägen jhnen
solche Kräfften werdet entziehen/ so weiß ich
nicht ob es mehr jhrer oder ewerer
Nutzen seyn wirdt. Es gibt aber
jetzt nicht Gelegenheit darvon zu reden/ weil der
König auß Sardi-
nien zu euch kompt.