ALs Lycogenes in das Läger kam/ vnd es von wegen der entlauffe-
nen Soldaten so geraum sahe/ wardt er vber solchem Vbel gantz er-
bittert: die
Noth machte jhn auch nachdencklicher/ daß er jhm in
seinem Gemüte das euserste
fürsatzte: angesehen daß seiner Sachen
sonsten nicht könne geholffen werden/ wann
er nicht in eyl ver-
führe. Solte er den Soldaten die Nacht vber Ruhe lassen
nachzuge-
dencken/ so möchten sie den sichersten Weg gehen. [388] Aber was
mehr? wie wann sie nicht vergnüget weren mit jhrem
blossen Ab-
fall/ vnd beym Meleander eine Vergeltung zu erhalten/ jhn den
Feldtherren selber
vberlieferten? Es sey doch vnglückseligen Leu-
ten jederman feindt. So hette er
sich nunmehr keiner newen Hülffe
zu getrösten/ vnd mit offener Gewalt/
würde er den Königen auch
nicht gewachsen seyn. Derhalben muste man auff eine
Kriegeslist
gehen/ weil er noch Knechte hette/ denen er befehlen könde/ vnd in
Meleanders Läger alles voll Frewden were. Vieleicht köndte er sie
vnvorsehens vberfallen/ sonderlich weil er die Nacht zum Vortheil
hette/ welche den Tumult seines Volckes noch sogroß machen wür-
de. Zum
wenigsten würde sein geschwinder Todt helffen/ daß er nit
jmmer was ärgers
förchten dürffte. Als er dieses bey sich erwogen/
ruffte er seine fürnembste
Freunde/ zeigte auff der Feinde Läger/ vnd/
Als es derwegen hoch in die Nacht war/ theileten sie sich in zween
Hauffen/ dem Feind desto grössers Schrecken einzujagen. Es war
ein ebener
Weg durch die flachen Felder/ vnd trug gerichts auff die
königliche Zelte der
Feinde. Denselben wolte Lycogenes jnne halten.
Der ander war enger/ aber näher/ vnd
war mit Hecken vnd Ge-
sträuche bedecket. Auff diesen machte sich Menocritus mit einem
Theile deß Volcks; welchem langsam
fortzurücken befohlen war/
vnd nicht eher einzubrechen/ biß er auß dem Getümmel
hören
köndte/ daß Lycogenes mit der Wache schlüge. Alsdann solten sie
mit
grossem Geschrey auff den Wall dringen: dann weil dieselbige
Wache sich auff den
Lycogenes würde gewendet haben/ so kündte
sie dieselbige blosse
Seitte ein-[390]nehmen; oder zum wenigsten
ein Theil deß
Volcks von jhme zurück halten. Es waren mehr als
Zehen Tausendt gerüsteter
Männer/ die auff diesen zweyen Wegen
wider den Meleander giengen; vnd kundten/ solcher Menge wegen/
jnen Hoffnung
deß Sieges wol machen/ sonderlich weil sie die abge-
zwungene Stärcke vnd
Mannheit verwegner machte. Sie ruckten in
der stille fort/ biß sie plötzlich im
Lauffe auff die Wache traffen: da sie
a
b
Als die Schildtwache abgetrieben wardt/ ergreiffen die in
den
nechsten Zelten/ im erschrecken/ jhre Waffen. Aber weil ein groß
Getümel
im gantzen Läger war/ vnd etliche erst vom Schlaffe oder
vom Weine auffstunden/
so lieffen sie selber vnordentlich wieder
einander/ wusten nicht was sie theten/
waren kaum halb bewehret/
vnd wolte einer da der ander dort hienauß/ ohn
allen Befehl vnd
Vernunfft. Wannher kömpt das vnversehene Vnglück/ gedachten
sie? Wer macht solchen Auffruhr im Läger? Wirdt von aussen ein-
gebrochen/
oder ist es einheimische Verrhäterey? Etliche suchten
jhr Gewehr/ mehr aber
gedachten zufliehen. Sie mochten auch
vnter die Fahnen nicht wol gebracht
werden/ weil sie in dieser Em-
pörung gantz verwirret/ vnd [391] im Finsterniß/ da man es jnen
nicht verweisen kundte/ forchtsamer
als sonsten waren. Die Könige
erfuhren solches vbel/ weil sie noch im Bancket
waren/ durch das
Geschrey vnd anmeldung etlicher Soldaten. Doch wardt auch
nichts gewisses gesagt/ als daß im Eingange deß Lägers ein Treffen
fürlieffe. Radirobanes wardt von den seinigen eilendt in das Zelte
gebracht/
vnd gerüstet. Mit Meleandern geschahe deßgleichen/ wel-
chen Archombrotus auff die seite führete/ vnd mit bestendiger Ver-
sicherung wieder jhn sagte: Wann jhr mir verlauben wollet/ Aller-
gnädigster König/ so wil ich euch diese Nacht der Gefahr vberhe-
ben. Was
sollet jhr euch dem Finsterniß vnd der Schlacht vertrawen/
da wir noch nicht
wissen/ wannher sie komme/ oder wo sie sey?
Entziehet ewer Alter/ an welchem so
vieler Menschen Wolfarth ge-
legen von diser Schlacht oder hinterlist. Wo es euch
gut zuseyn be-
düncket/ so wil ich vnter ewerer Beschönung auff seyn/ vnd
mit
meiner Gefahr das jenige aufffangen/ welches vielleicht auff ewere
Person möchte gemeinet werden. Vergönnet mir ewere Rüstung vnd
Wapenrock;
vnd jhr machet euch sampt einem Theile außerlesener
Soldaten zu dem Thore hienauß
welches der Feindt nicht jnnen hat/
biß etwan die Gefahr ewer nothwendig
erfordert. Der Anschlag
ge-
c
d
Auff der einen seiten hielte Archombrotus den Lycogenes auff/
der schon in das Läger gedrungen war; auff der
andern trieb Radiro-
banes den Menocritus zurück. Die Nacht war beyden Theilen ver-
hinderlich/
vnd wußte fast niemand was er fürnämlich bestreiten
oder beschützen solte/
biß Lycogenes auff das nechste Zelt ein
Fackel warff/ vnd die seinigen
vermahnete das Läger allenthalben
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f
[394] Meleander kundte es nicht länger vertragen/ daß er die
seinigen in solcher Gefahr lassen solte. Derhalben wolte er das
euserste wagen/
vnd ließ den Archombrotus berichten/ er were im
fortrücken. Dieser aber sagte
zum Eurimedes: Wo der König kömpt/
Eurimedes/ so können wir nit fort/ wegen der
grossen Menge. Wird
es doch wol besser seyn/ daß man von dem Volcke/ welches
allbe-
reit hier ist/ ein Theil abführe/ daß es durch vnvorsehenen Vmb-
schweiff/ den Feind von hinden zu angreiffe. Dann warumb thun die
zu Rosse
nichts? was können die Schützen in der enge deß Lägers
verrichten? Eurimedes
hielte es leichtlich mit dem Archombrotus/
machte sich zum König/ vnd sagte was zuthun von nöten
were; füh-
rete also ein theil der Soldaten hinden durch das Läger/ vnd
begab
sich sampt jhm den Feind zu vmbringen.
Als Lycogenes der Gefahr jnnen worden/ dann er hatte gehöret/
daß sein
letzter Hauffen schon vmbgeben were/ wolte er doch die
Feinde nicht lassen/
welche er vor sich hatte/ vnd auff den Melean-
der ziehen/ damit es nicht
ein Ansehen der Flucht hette. Sondern
ließ dem Menocritus befehlen/ daß er auffs geschwindeste die seini-
gen
dahin anführete. Als er gehorchte vnd fortwieche/ folgete jhm
Radirobanes nach/ vnd nam ein Theil deß Volckes mit sich. Es war
ein grosse Fläche/ vnd sehr gelegen die Hauffen außzubreiten. Da-
selbst ward Menocritus von Meleander vnd Radirobanes vmbringt/
vnd von beyden seiten in die Enge getrieben;
weil sonderlich die
Balearischen [395] Schützen/ vnd
Sicilische Reuterey in geraumer
g
Auff dise Wort riß er auff das theil der Schantzen zu/ wo Lycoge-
nes durchgebrochen hatte/ vnd der helle Hauffen folgete mit Fro-
locken seinem Obristen nach. Es kundte nichts schröcklichers seyn
als
derselbige Kampff. Bald wichen die Scharen/ bald jagten sie
wider; die Fahnen
waren zerstrewet: es war kein gewisser vor-noch
nachzug/ keine seiten/ noch
[396] Spitzen. Die Cörper häuffe-
ten sich vber einander; vnd
die Lebendigen wehreten sich durch der
Todten Wunden. Meleander machte sich behertzter als solch Alter
sonsten pfleget/
vndt wagte sich mehr wie ein mutiger Kriegesmann/
als wie ein Feldtherr. Nebenst
jhm hielten Eurimedes vnd Arsidas/
mit grosser Rittermessigkeit auff die Schlacht/ vnd
getrewer Für-
sorge auff den König. Radirobanes aber; welchen seine eigene Ver-
wegenheit/ vnd
die verhoffte Belohnung reitzete/ vnterfieng sich
aller Sachen. Baldt zertrennete
er die Ordnung der Feinde/ baldt
ließ er sich an gemeiner Gefahr nicht vergnügen/
vnd rante allent-
halben hinzu/ wo er sahe da etwas zuthun vonnöhten were. Jeden-
noch wiechen die Feinde nicht. Ihr wüten/ vnd das Gewissen/ wel-
ches
sie vberzeugete/ was sie deß Königes wegen verdienet hetten/
machte daß sie desto
gehertzter vnd ehrlicher fechten vnd sterben
wolten. Lycogenes/ welchen man auß der Rüstung sehr wol kandte/
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