IN dem nun Dunalbius/ Antenor vnd Nicopompus entweder der
stoltzen Thorheit zu gedencken
vberdrüssig waren/ oder es für
einen Spott hielten/ daß Sicilien einem
solchen Beyständter solte
zudancken schüldig seyn/ lächelte Hieroleander/ vnd/ was würdet
jhr gesagt haben/ fieng er
an/ wann jhr den Menschen diesen
Mor-
a
[Seite 311]
gen
gesehen hettet? Er wardt durch eine Gottlose Heucheley
auff-
geblasen/ vnd lobete gegen den Seinigen ein Getichte so jhm zu
Ehren geschrieben worden/ wel-[513]
ches der Poet
nicht würde auff-
gesetzet haben/ wann jhn nicht entweder Apollo rasende
gemacht/
oder er geglaubet hette/ daß dieser dem er die Verß
schriebe nicht
bey Sinnen were. Er erzehlete jhnen etliche die jhm
einfielen/
welche die Götter aller jhrer Gewaldt vnd Herrligkeit
beraubeten/
vnd dieselbe dem Radirobanes zueigneten. Sie lachten sämptlich
vber der
Gotteslästerlichen Schrifft des Poeten. Wiewol Nicopom-
pus/ der
auch ein Poet/ jhn etlicher massen entschuldigen wolte:
Dann die Natur der
Poesis sey also beschaffen/ daß sie die Ohren zu
Vergnügen/ neben der
Warheit her spatziere/ vnd zwar vmb so viel
destomehr/ weil sie weiß daß
man jhr nicht glaubet/ vnd alles was
sie erdencket/ mehr ein Spiel ohne
Boßheit/ als eine vnvorschämte
Lüge zu nennen ist. So bringe es
auch die Zeit also mit sich/ daß die
Poeten in Erhebung der Könige gar
zuweit außschreitten. Dann es
würde dem Radirobanes nicht allein ein solcher Dunst für das Ge-
sichte gemacht. Wie offt würde auch der andere (vnd gab mit Ge-
sichte vnd Geberden zu verstehen/ daß er Meleandern meinete) mit
dergleichen Schmeichlerey
herumb geführet? Letztlich so würden
alle Fürsten vnter einer solchen
Versehung gebohren/ daß sie an
diesem Leime zum wenigsten etliche Federn
lassen musten. Aber/
sagte Dunalbius auß Trewhertzigkeit gegen das gemeine Wesen/ in
dem jhr vnvorsichtigen Vnterthanen mit ewerem vbermeßigen
Loben macht/ daß Könige jhre Laster [514]
lieb
gewinnen/ so
mercket jhr nicht/ daß jhr Vrsach seyd an ewerm vnd jhrem
Elendt. Dann mit was für ewerm grossen Schaden geschihet es/
wann jhr
Regenten dahin vberredet/ daß sie keine Schew tragen zu-
thun was sie
wöllen; sondern angewehnen sich nach Gefallen sel-
ber zu lieben
vnd vber sich zu verwundern; sonderlich wann jhr vor
langer Zeit her alle
jhre Zuneigungen auff Fuchsschwäntzerey vnd
Rühmen gerichtet habt? Sie
mögen jhnen Glückseligkeit einbil-
den wie sie wöllen/ so sindt sie doch
billich zu beweinen/ wann sie
b
c
d
e
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solcher jhrer Leute hinderlist nicht entgegen gehen/ vnd
dasselbe
zu ehren vnd zu billichen mit Fleisse anfangen/ nicht was andere
in
jhnen/ sondern was sie in andern loben. Dann die vbrigen hat der
Glantz jhres Purpurs dermassen verblendet/ daß sie auch dieses
nicht wissen/ was sonsten ein jeder weiß/ außgenommen sie alleine;
weder
was für Sitten/ noch für Befleissung/ noch Weise bey den
Menschen ansehen/
gute Kunst oder Haß zu bringen pflegen. Welch
ein böse Gewonheit! Es ist
ein listiges Thun die jnnerliche Bewe-
gungen der Könige erforschen/ wo
sie nämlich jhre Natur vnd Be-
gier hin leite; hernach aber/
vngeachtet der Götter vnd Menschen/
alles was sie lieben oder begeren/
herauß streichen; entweder damit
man jhnen wegen annemmung gleicher Sitten
vnd Reden gefalle;
oder daß man jhre Scham beyseit thue/ vnd sie jhm
verbinde/ weil
man jhnen den Weg zu leben gemacht [515]
vnd gebahnet habe/
welchen sie/ weil er zu Lastern
leitet/ vnd wenig rühmlich ist/
Schande halben zuvor nicht suchen dörffen.
Was ists dann Wun-
der/ wann Fürsten durch den hefftigen Sturm solcher
schmeichele-
rey dahin getrieben werden/ wozu sie genugsam von sich selbst
ge-
neiget sind/ daß sie hernachmals nur solchen Worten glauben wie
man jhnen fürbläwet? Weil sonderlich niemandt sich finden wil/
der sich wider solche vnbilliche Gewalt legte. Dann weise Leut
welche
sie zu jhren Angelegenheiten gebrauchen/ die tragen ent-
weder ein
Bedencken vergebliche Warnung zu thun/ oder wissen
daß eine Artzney so zur
Gesundheit dienet/ vnangenehm ist/ vnd
lassen also dem Wesen seinen
Lauff; oder machen ja einen Vnter-
scheidt zwischen denen Lastern die dem
König vbel anstehen/ vnd
denen die dem gemeinen Wesen zum Schaden
gereichen. Sindt also
zufrieden/ wann sie dem Regiment nur ein wenig zu
rechte helffen/
eröffnen aber dem Fürsten die Augen nicht wider/ damit er
seinem
vbelen Zustandt/ vnd dem Betrug der Heucheler begegnen
könne.
Wer hat Königen jemals mit verständigen Worten in das Gesichte
gesagt/ wann sie geitzig sindt/ wann sie auß vbermässiger Lust zur
Jagt sich vmb den gemeinen Nutzen vnbekümmert lassen/ oder die
Zeit
in der sie leben/ mit schädlichen Exempeln jhres ärgerlichen
Lebens
anstecken/ oder durch vnbesonnene annemmung allerhandt
Freundschafft jhnen
der [516]
Vnterthanen Wiederwillen auff den
Hals
laden? Wir befleissen vns auch die Nahmen der Tugenden
sel-
f
[Seite 313]
ber
mit solchen Lastern zu beflecken. Man heisset diese Sachen
eine Sorge für das zukünfftige/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine De-
muth/ eine Freygebigkeit. Vnd diese Laster wachsen durch solche
Lügen
nicht allein/ sondern auch geringere Sachen. Ja wann sie
etwan was
verstendiges fürbringen/ so erhebet sich ein solches
Frolocken/ welches
doch nur zum Scheine geschiehet/ daß mir in
Warheit/ welches andern nicht
wiederfahren ist/ die Augen vor
Scham offtmals gezittert haben. Ich sahe
daß sie keine Schew trü-
gen so greifflich zu schmeycheln/ vnd daß Fürsten
auch nur nicht
vnwillig worden/ wann man jhrer so leichtfertiger
weise spottete.
Was ist ein solch Spiel anders als eine Comedie/ da man
beyderseit
mit außdrücklicher Höhnerey dieselbigen lobet/ welche man bey
sich selber/ wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß-
lacht?
Wann die Götter den Königen nicht hetten grössern Ver-
stand vnd
Geist verliehen als gemeinen Leuten/ wie viel würden
jhrer wol auß disem
Garne entreissen/ welches die Gewonheit sel-
ber angenehm macht/ weil es
stracks vmb jhre Wiegen gestellet
wird/ vnd es jhnen vnwissend ist/ daß
man sie damit befleckt habe?
Aber Könige stehen nicht allein in dieser
Gefahr: viel von vns lie-
gen in vnserem Priuatzustande an
königlicher Kranckheit darnie-
der. Wir sind Könige gegen denen die für
vns zuthun haben/ [517]
ja gegen dem Könige
selber/ der doch das/ was wir begehren/ in sei-
nen Händen hat. Diesen
versuchen wir mit Heucheley vnd verder-
ben jhn mit Eitelkeit/ in dem er
selber Lust hat zu dem/ wormit
Könige betrogen werden. Den
Radirobanes belangend/ dessen hof-
fertiger Glauben vns
auff diese Klage geleitet hat/ so macht die Gü-
tigkeit deß andern/ daß
wir seine grobe Fehler zuentschüldigen nicht
Vrsache haben. Ihr seyd
elende Leute/ jhr Sicilier/ wann jhr die
Argenis zu seiner Heyraht
zwinget.
Diese Rede gefiel dem Poliarchus dermassen wol/ daß er sich kaum
erhalten kundte.
Er wündschte den Dunalbius zu vmbfangen/
weil er von dem Außgange deß
Radirobanes so auffrichtig gevrtheilt
hette/ vnd gedachte
jhn jhm zuverbinden/ daß er ins künfftig mehr
Lehren von solcher Freyheit
auß jhm bringen könte. Er nahm jhm
auch für/ alle diese Personen
der Argenis anzubefehlen/ vnd sich
jhrer Trew in allem was jhn angienge
zugebrauchen. Als die Gäste
hinweg waren/ kamen Nicopompus vnd Arsidas wieder zu jhm/
be-
g
[Seite 314]
gleiteten
jhn zum Bette/ vnd wolten nicht ehe von jhm gehen/ biß er
fürgab als ob jhn der Schlaff vberfiele; damit sie auch ruheten/ vnd
er mit seinen Sorgen allein sich destobesser vberwerffen könte.
Selenisse vnd Argenis (wer kan der Thorheit der Menschen ge-
nug nachsinnen?) giengen dieselbige Nacht auff einerley Betrug
vmb/ wie sich nemlich eine der andern/ so bald es Tag würde/
möchte [518] wegstellen. Dann Selenisse suchte
Gelegenheit/ wie
sie ohne Vermerckung der Argenis mit dem Radirobanes zu Rede
käme; vnd Argenis wündtschte Selenissen weg zubringen/ damit
sie nicht erführe
daß Poliarchus kommen were. Selenisse/ welche
darfür hielte/
daß jhre Vntrew nirgend besser als vnter dem Schat-
ten der Freyheit
köndte verborgen bleiben/ fieng selber vom Radiro-
banes an zu reden/ vnd
sagte/ wie er sehr gebeten hette/ daß sie sich
möchte auff folgenden Tag
eben an vorigem Orte vnter den Bäw-
men finden lassen/ er begehrete
jhr etwas wichtiges zu vertrawen/
vnd hernach von jhr zur Argenis geführt
zu werden. Argenis hub
stracks an: Gehet/ Mutter/ wohin es euch gefält.
Aber lasset mir
auch Zeit/ mich auff das jenige gefast zumachen/ was ich
jhm sa-
gen/ vnd wie ich Antwort geben sol/ wann er seiner Gewonheit
nach mich bitten wird. Darumb were mir lieb wann jhr gar früh zu
jhm gienget/ vnd jhn mit Worten so lange auffhieltet/ biß ich nach
gutem Bedencken selber in den Garten käme. Selenisse sagte/ sie
hette
nichts bessers erfinden können/ vnd lachte sie bey sich selber
auß/ daß
Argenis jhr Zeit vnd Gelegenheit sie zuverrahten gegeben
hette. Sie
wuste aber nicht/ daß sie auch betrogen würde/ vnd daß
sie nicht darumb so
sehr auß den Augen gehen möchte/ damit sie
zum Radirobanes käme/ sondern vielmehr daß sie den Poliar-[519]
chus nicht sehen solte. Es war frü/ vnd viel giengen
der Hitze deß
Tages für zukommen im Kühlen spatzieren. In Beschönung
solcher
Lust wartete auch Radirobanes im Garten auff die Fraw/ vnd be-
kümmerte sich
kaum so sehr vmb die Argenis/ als vmb Theocrinen.
Die Alte war auch fleissig/ vnd hatte sich mit
dem Tage auß dem
Bette gemacht. Ich gehe/ sagte sie/ den König von
Sardinien zusu-
chen. Wann er so verliebet ist wie er mich
berichtet hat/ so wird er
schon lange auß Vngedult der Ruhe hin vnd
wieder gehen. Wir Al-
ten aber (fieng sie was lachende an) müssen die Mühe
für die Ju-
gend ertragen/ welche jhre eigene Sorgen nicht erkennet/ vnd
nach
h
[Seite 315]
eines andern seinen nicht fraget. Da bate sie Argenis noch
einmal/
sie wolte vom Radirobanes eher nicht gehen/ biß sie selber in den
Garten
käme. Dann sie wolte lieber/ daselbst/ als in jhrem Zimmer
mit dem
Radirobanes reden. Dieses war Selenissen sehr ange-
nem/ in Meinung Argenis
begehrte nur die geringe Zeit noch für
jhre vorige Liebe/ welche sie zuvor
verlassen muste/ wann sie dem
Radirobanes rechtschaffen gefallen wolte.