SIe war kaum zur Schwelle hinauß/ als Argenis zum Arsidas schick-
te/ vnd jhm entbieten ließ/ daß er vnverzüglich mit
seinem Gaste
kommen solte. Er war nicht saümig/ vnnd nam den Poliarchus/ der
das frembde Haar fürgebunden hatte/ nebenst
etlichen kleinen Ge-
mählden/ in Gestalt eines Kauffmannes mit sich. Poliarchus zitterte/
vnd dieser ritterliche Heldenmuth/ welchen
keine Gefahr noch Fein-
de bewegen kundten/ fieng an 〈zu〉 sincken
als er gedachte daß er zur
Argenis gienge. Ingleichen hatte die Princessin vnter
dem warten
alles Blut vnd Röthe verlohren/ vnd war gewar worden wann sie
re-
dete/ daß jhr viel Worte behalten blieben. Es war eine heimliche
Gallerie/ auff welche sie zu gehen pflag/ wenn sie alleine seyn/ vnd
jhren
Gedancken vnd Sorgen vnverhindert nachhengen wolte. Als
Poliarchus mit dem Arsidas daselbst hienein kommen/ vnd die auß-
gestreckte
Handt auff den Mundt geleget hatte/ als ob er für etwas
Göttliches seine
Ehrerbietung thete/ fiengen [521] sie für seufftzen
alle
beyde an vnter dem Gesichte bluthroth zuwerden. Baldt darauff
nam er die frembden
Haare hinweg/ vnd ließ sich in seiner eigent-
lichen Gestalt sehen/ grüsset also
die Argenis neben dem Arsidas
mit gewöhnlichen freundlichen Worten. Arsidas aber/ gleichsam als
er auff was anders gedächte/ entwieche
algemach gegen der Mawer/
daß sie destofreyer miteinander reden kundten. Alsdann
worden
jhre Reden durch die verwirreten Bewegungen wieder zurück ge-
halten/
biß Argenis nach einhaltung der Threnen anfieng: Ist es war/
a
b
Hernach als sie embsiglich nachgedachten/ was sie doch für einen
Anschlag ergreiffen solten/ befunden sie wegen der Vngewißheit
jhres
Gemütes/ nichts für gut/ was jhnen auch einkam. Solte Poli-
archus für den
Meleandern gehen? solt er sagen daß er König we-
re? solte er seine
erwiesene Gutthaten [524] anziehen? vnd die Ar-
genis
begehren? Argenis auch selber bekennen (welchem dann
nicht anders war) daß sie
sich mit dem Poliarchus versprochen
hette? Es were wol ein billiches vnd gutes
Mittel solchem Vbel zu
begegnen/ wann es seinen Fortgang erreichete. Aber
Argenis be-
sorgete sich/ Meleander were gegen dem Poliarchus zusehr verbit-
tert; weil sie aber diß nicht bekennen
wolte/ so hielte sie jhm nur
ein/ daß Radirobanes im Harnisch were. Poliarchus sache/ wann
er sich so plötzlich einen König nennete/
würde nur deß andern
seiner nicht gleiche seyn/ dessen königliche Güter
schon bekand
waren/ vnd der auch damals Sicilien mit Heereskrafft erfüllete. Sie
förchtete sich für allerley List vnd Verrätherey/ welche die Liebe/
vnd
Begier zu regieren mit Grausamkeit zu erfinden wissen. Poliar-
chus erkandte
alles war zu seyn; vnd satzte auch dieses hinzu/ man
hette sich auch für
deß Archombrotus Gnade beym Könige zube-
förchten; von welchem ich/
sagte er/ Gedancken habe/ daß er jhm
ewerer Heyrath halben gleichsfals Hoffnung
mache. Argenis
er-
d
Vber dem andern sunnen sie sehr lange; Daß sie/ weil das Glück
jhnen Sicilien versagte/ sich in deß [525] Poliarchus Land machen
wolten. Meleander würde alsdann von sich selber widerumb
Freundschafft
suchen: vnd wann Radirobanes nach solcher Be-
rückung etwas anfangen wolte/
so köndte man jhm mit Waffen
begegnen. Selenisse vnd Archombrotus würden jhnen nichts scha-
den. Was hette es Wunder/
wann eine Jungfraw mit jhrem Bräuti-
gam anheimb reisete? das Segel deß Schiffes
würde jhr an statt deß
Brautschleyers seyn/ welches sie bey jhrem Abreisen
bedeckte.
Die Sternen aber würden jhnen/ wann sie bey Nacht vom Vfer ab-
stiessen heller leuchten als fünff Hochzeit Fackeln. Ob nun wol Ar-
genis in
die Flucht willigte/ kundte sie doch jhr Gemüte/ welches
bey jhr widerstritte/
vnd solche Gewalt verdammete/ nicht wol
zähmen/ vnd wardt jhr Fürsatz zwischen
dem wegreisen vnd blei-
ben bald auff diese bald auff jene seitte gezogen.
Eins theils sahe sie
die Sache an/ welche zwar an jhr selber rechtmässig vnd gut
war;
anders Theils aber den guten Namen/ welchen man nicht allein mit
vnverletzter/ sondern auch mit fürsichtiger Scham vnd Ehre erhal-
ten muß.
In solchem Auffruhr deß Hertzens folgete sie dennoch
dem Poliarchus; nicht so sehr weil sie solches für das beste hielte/
sondern nur daß nichts were welches sie jhm zu versagen schiene.
Er war aber
auch selber vber solcher Entweichung nicht frölich;
dann er wußte daß dieses ein
gemeines Mittel/ vnd fast keine Fabel
von Liebhabenden zu finden were/ darinnen sich die Geliebte mit
jrem
Liebsten nicht [526] darvon machte. Als er spürete/ wie Arge-
nis in Gutheissung der Flucht sich zwingen muste: Wir sindt was
bessers
werth/ Princessin/ sagte er/ als daß wir im finstern vnd
stillschweigendt fort
sollen/ wie Rauber zuthun pflegen. Wie wann
wir ergriffen würden/ vnd vns gegen
dem Zorne ewres Vatters deß
Königes nicht schützen köndten? Wir verlassen
vns vergeblich auff
die Billigkeit/ wann wir der Billigkeit selber nicht zuvor
einen
Schutz verschaffen. Wann es euch geliebet/ vnnd gedencket ewer
Vbel/
dessen jhr nunmehr gewohnet seydt/ noch drey Monat zuer-
tragen/ so wil ich von
Hause mit einem Heer allhier ankommen/
Nachdem sie dessen sich entschlossen hatten/ fiengen sie beyde
an/ einander viel zuerzehlen/ vnd zuwarnen/ Poliarchus fragte
auch/ was sie in dessen beym Radirobanes vnd jhrem Vatter für-
bringen wolte. Sie aber/ damit er
gesetzte Zeit nicht fahren liesse/
versicherte jhn jhrenthalben mit Threnen vnnd
Worten/ vnnd was
mehr ist/ mit dem Fürhaben sich zu tödten/ im Fall er
aussenbliebe.
Poliarchus/ sagte sie/ ich habe viel Sachen an euch geliebet/ aber
vber alles ewere Trew/ vnnd solche Sittsamkeit die bey den wenig-
sten
Männern zufinden ist. Ihr wisset/ daß es nun lange Zeit sey/
seit ich
hindangesetzt (aber nicht verachtet) den Willen meines
Vatters/ euch mich gantz
versprochen habe. Ich vbergebe euch
nachmals/ so viel bey mir stehet/ meine
Güter/ mein Glück vnd
Freundschafft; vnd bezeuge bey vnserer beyden
vnvmbgenglichen
Verhängnisse/ daß mich keine Gewaldt diesen meinen Eydtschwur
zu brechen/ vberwältigen soll. Nimmer mehr/ sage ich/ soll Argenis
eines
andern seyn als deß Poliarchus. Werden die Götter verleihen/
daß wir durch Glückliches
Beylager zusammen [528] kommen/ so
wöllen wir der
vnvermeydenlichen Versehung alle Wolthat zu-
schreiben: wirdt aber ein böses
Glück vnsern Fürsatz vmbstossen/
so wil ich doch vnverändert in das Grab kommen/
vnd es wird zum
e
Sie stunden beyde in Sorgen/ Selenisse möchte vom
Radirobanes
zurück kommen: als sie nun beyde auff sie geflucht hatten/ riethe
doch
Poliarchus/ weil sie vmb so viel Geheimnüsse wüßte/ als
solte sie
dieselbe leichtlich nicht verstossen. Wann aber die Alte zu
jhrer Trennung
zugrosse Vrsache geben möchte/ so solte jhr die
Princessin ja die
Timocleen lassen anbefohlen seyn/ die ein verstän-
dige Fraw/ vnd dessen Orts
würdig were/ von dem jene fallen würde.
Timoclee/ welche den Poliarchus erhalten hatte/ war bey der Arge-
nis ohne das in
grossen Gnaden/ noch förchtete sich die Princessin/
sie würden gefehlet haben/
daß sie sich nicht bißher/ außgenommen
etliche schlechte Verehrungen/
freygebiger gegen jhr erzeiget hette.
Dann Selenisse war im Weg gestanden/ daß
sie nicht war in das
Frawenzimmer genommen worden/ vnd hatte jhr durch stethes
abmahnen nicht allein von der Gnade/ sondern auch von den be-
stimmeten
Geschencken viel entzogen. Wie hernach Poliarchus er-
zehlete/ wie jhm nicht allein
Du-[529]nalbius/ sondern auch Ante-
nor vnd Hieroleander liebeten/ frewete sie sich hierüber/ vnd/ ange-
sehen
daß sie vorneme Leute waren/ stundt sie in Hoffnung/ daß sie
derselben Hülffe in
heimlichen Geschäfften sich gebrauchen könd-
ten. Derhalben worden sie Rhates/
jhnen alle Wolthat zuerzeigen.
Ob auch zwar Dunalbius im Priesterstande so weit kommen war/
daß man jhn kaum
höher erheben kundte; jedoch sagten sie/ Kö-
nige hetten allzeit Mittel sich
danckbar zu erweisen. Hieroleander
aber (sagt Argenis) wirdt hierdurch einen Zugang zu grossen Eh-
ren
bekommen/ wann ich jhn zu meines Vattern Secretari mache.
Aber wie
belohnen wir den Antenor? Ich wil dem Apollo vnd sei-
nem Priester zum offtern
Geschencke senden. Was bedünckt euch
aber/ Poliarchus? Wann vnsere Sachen einen guten Außschlag ge-
winnen/ so
wöllen wir jhm vnsere Freundin Timocleen mit einer
stattlichen Morgengabe zur
Gemahlin geben.
Die Zeit zwang sie/ vnd hette ein jegliches gern
Abschiedt
genommen; aber es wolte keines eine so bittere Rede anfangen.
Darumb schwiegen sie mit trawrigem anschawen; biß Poliarchus
anhub jhr alles guts zu wündschen/ vnd zu scheiden; aber das
erste Wort
verstarrete jhm im Mundt. Damit er aber mit
notwen