Radirobanes/ wiewol er auff Selenissen zornig war/ weil jhre Zu-
sag keinen Fortgang
erreichet/ jedannoch begehrte er sie zu hören.
Dann er wußte daß sie
mühsam/ vnd nun gantz auff seiner seiten
were/ nachdem sie jhrer
Princessin Heimlichkeiten verrahten hatt.
Sonsten hatte er dem
einzigen Virti-[567]ganes entdecket/ wie er
diese
an sich erkauffet; vnd linderte seinen Schmertzen mit vnge-
schewten
Klagen gegen jhm/ nebenst vielen Bedröwungen gegen
Meleandern vnd die Argenis. Ich förchte/ sagte er/ mein Freundt
Virtiganes/ man möchte einen Argwohn deß Betrugs halben ge-
winnen/ wann ich mit Selenissen so offt vmbgehe. Ihr könnet
sicherlich an statt
meiner die Sach fördern. Wann ich zur Argenis
gehe/ so werdet jhr
leichtlich zu der Alten kommen/ vnd jhr diesen
Zettel vberantworten/
darinnen ich mich wegen verlohrner Hoff-
nung/ die sie mir gemacht hatte/
vnd daß Argenis mich nur höhne/
beklage. Vber diß schreibe ich/ sie
solle euch alles vertrawen/ was
sie bey so wichtiger Sache zuthun
vonnöthen zuseyn vermeinet.
Dann ich mich ewers Raths in allem/ sonderlich
aber in dieser An-
gelegenheit gebrauchte. Nach annehmung dieser
Verrichtung be-
suchte Radirobanes die Argenis zum schleunigsten/ vnd Virtiganes
vberantwortete Selenissen heimlich voriges Schreiben; welches als
sie mit
abtrettung auff eine Seitte gelesen hatte/ kam sie wider zu
jhm; wol
wissendt/ wann die Heyrath jhren Fortgang nicht erlan-
gete/ daß es auff
einer wie auff der andern Seiten vmb sie würde ge-
schehen seyn/ vnd/
meldet dem Könige an/ sagte sie/ daß sich meine
Verheissung in
Warheit also verhalte; aber es wolte die Zeit nun-
mehr keinen langsamen
vnnd trägen Liebhaber nicht leyden. Er
ist ein König; ist gewaffnet;
[568] hat eine grosse Schiffmacht; vnd
die Götter selbst
haben jhre Weiber entführet. Die Liebe entschul-
diget gewalsame
Anschläge/ vnd der würdige Name deß Mannes
vertilget das Vnrecht.
Ich bin auch dißfalls gegen die/ welche ich
erzogen habe/ nicht grausam.
Argenis wündschet gezwungen
zu-
a
b
Virtiganes/ der vber solchen kühnen Reden hefftig bestürtzet
wardt/ brachte die Sache bey seinem [569] Herrn/
der wie er ange-
wehnet vbel zufrieden von der Argenis zurück kam/ an. Er/
wel-
cher sich vber dem newen Anschlage nicht weniger wunderte/ So
wöllen wir derhalben machen/ sagte er/ daß Argenis ohne jhre
Schuldt
den Poliarchus verwerffe/ vnd mich lieben könne vnd
möge. Mich
belangend/ beym Jupiter/ Selenisse mag euch dieses so
trewlich gesagt haben
als sie wölle/ so wil ich es besten Vermögens
hinauß führen/ vnd
nicht zugeben/ daß Meleander meiner spotte.
Aber damit die Alte vns nicht
lasse/ vnd eben den Anschlag ver-
rahte/ auff welchen sie vns leitet/ als
muß sie nicht wissen/ daß ich
mir dieses Mittel gefallen lasse. Wo sie
noch die vnserige ist/ so
wirdt es jhr selber lieb seyn/ daß man sie
nebenst der Argenis vn-
vorsehens hinweg raube. Virtiganes durffte es nicht wiederrahten;
wiewol er die
Gefahr/ vnd den bösen Nachklang wegen beleidigter
Beherbrigung für Augen
sahe. Also ward durch Selenissen List vnd
Boßheit der Argenis/ vnnd zwar/ welches
noch elender war/ gleich-
sam mit jhrem Wündtschen vnnd Willen/ eine
klägliche Gewalt
zu-
c
d
e
f
In Meinung nun/ daß diese Krafft zu der List vnnd Endtführung
gar genug were/ bedachte er sich lange/ auff was für Art er diesen
Raub am besten fortbringen möchte. Nach langen besinnen hielte er
diesen Betrug für den tauglichsten. Als er in dem Hafen bey
Epeircte angelendet/ hatte das Königliche Hauptschiff auß
vnfür-
sichtigkeit deß Schiffmannes an einem verborgenen Stein ange-
stossen: also daß die seiten/ vnnd alles was vnter dem Fördertheil
gewesen zerschmettert worden. Doch hat man es mit Rudern/
Stangen vnnd Seilern so von den fürherlauffenden kleinen Schiffen
vnd
dem nechsten Vfer daran giengen/ noch auß der Tieffe gebracht.
Als es auß
der Gefahr entkommen/ hat man es nahe an dem Lande
mit Anckern
eingepflantzet/ vnnd hernach gleichsam mit einer
Brücke von grossen
Balcken als einem eingebogenen Roste ge-
stützet. Wie es so von
beyden seiten verwahret stundt/ wardt es von
den Bawleuten wiederumb
beständig zugerichtet. Sie waren auch
nicht vergnüget das verstossen
außzubessern; sondern wie[571] man
gemeiniglich
mit Häusern vnd Städten thut/ sie wolten es nach sei-
nem Schaden
köstlicher als zuvor außziehren. Dann die Corinthier/
von welchen die Galleren zum ersten
gebawet worden/ hatten jhre
Mitwohner im Schiffwesen sonderlich wol
vnterwiesen: dannher
haben stracks die von Corcyra/ vnd die Syracusaner auff der See sich
mit grosser Gewaldt erzeiget.
Meleander hatte auff dieselbige Art
ein sehr schönes
Schiff; nach welchem Radirobanes das seinige
durch Künstler verbessern/
vnnd fast gantz von newem machen
ließ. So pfleget nicht allein Radirobanes/ sondern auch Meleander
selbst das Werck mehrmals anzuschawen. Darumb richtete er die
Ordnung
seiner Hinterlist auff solche Weise. Er heiligte das
ver-
g
h
Meleander vernahm sehr gern/ daß Radirobanes solche könig-
liche Frewdenspiel anrichtete/
vnd denselben Tag mit sonderbahren
Ehren begehen wolte. Dann alles das/
was die Abgesandten von
Syracuse vnd den andern Städten kurtz zuvor
gebeten/ hatte er jhm
auff diesem Gepränge/ gleichsam der Argenis zu
Ehren/ jhnen zu-
bewilligen fürgenommen. Die fürnemsten Artickel waren
diese;
[573] daß die Erkäuffer der Zölle von denjenigen nichts
fodern
dürffen/ welche die Obrigkeit nicht/ jhrer Nachlässigkeit wegen/
für Arm erkläret hette/ vnd zu Erbawung der Ecker köndten ge-
brauchet werden; vber diß/ daß allen gemeinen Leuten vnd Hand-
werckern solte verbotten seyn nach Art der Reichen nichts
fürzu-
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