ALs diese eylends zu jhrer Verrichtung gegangen waren/ kehrte
Archombrotus zum Vfer vmb; da er dann nicht weit von deß Ra-
dirobanes Zelte den Eurymedes antraff/ vnd mit ver-[603]worrenem
Gesiche/ Ich fürchte/ sagte er/ das Glück habe vns einen newen Ly-
cogenes zugeschickt. Beynebenst erzehlte er jhm kürtzlich die an-
zeigungen der Verrätherey/ vber die er gerahten were; man hette
von deß Radirobanes Vorrhate die köstlichsten Sachen weg geführt/
deß
Virtiganes Bruder/ wie wol er kranck sey/ were fort/ vnd gienge
kein Sardinier vngewaffnet her. Eurymedes ließ jhn nicht alles auß-
reden/ vnd sagte/ er
verstünde es mit Frewden/ daß Archombrotus
eben mit seiner Meinung stimmete. Er hette diesen verdacht schon
längst gehabt/ were auch für den Sardiniern erschrocken/ welche
nicht
vmbsonst Rotten weise vmb das Zelt hergiengen. Nachdem
Archombrotus jhm dieses angezeiget hette/ trüge er wegen eines bö-
sen Anschlages keinen Zweiffel. Wo kömpt vns/ sagte er/ dieser Piri-
thous her? oder welcher Theseus hat jhn verwegen gemacht eine
Princessin weg
zurauben? Mann muß aber behüttsam gehen/ da-
mit sich Meleander von dieser Gefahr erlösen lasse. Er fürchtet
sich
dermassen den Radirobanes zubeleidigen/ daß er sich selber
nicht achtet.
Gehet jhr erstlich hin/ Archombrotus; vnd wann jhr
a
b
[606] Archombrotus vermahnete indessen alle deß Königes
Leute die er
antraff/ sie wolten von jhres Herren Seiten nicht wei-
chen. Es waren
auch allbereit die Rotten der Soldaten/ so er vnd
Eurymedes erfordert/ hin vnd wider im Felde/ als Argenis/ wie jhr
eingegeben worden/ das Häupt/ so jhr nieder sanck/ in die Handt
nam/ vnd
sich gegen der Selenissen wandte/ vnd mit gelinder
Stimme sagte: Mutter/ mir
ist sehr vbel: blieb also baldt darauff
stehen. Radirobanes/ so vber dem vnvorsehenen Fall erschrack/
schrie
embsiglich zu hülffe nach Wasser/ Wein vnd Balsam. Strack
vmbringte sie/
welche darnieder fiel/ ein vbermässiges zugeläuffe
von Leuten. Vnd Meleander/ der ein wenig vorhin gieng/ kehrete
mit ertichtetem
Schrecken zurücke. Argenis aber: Wer heist die
Senfftenträger kommen?
sprach sie. Als man sie auch wegen der
Kranckheit fragte/ gab sie nichts
gewisses zur Antwort/ als daß jhr
nebenst einer Ohnmacht die Augen tunckel
wurden/ vnd das Haupt
mit jhr vmbgienge. Radirobanes aber ruffte/ es were der Senffte
nicht vonnöthen/
sie köndte geschwinder auff einem Stule wider in
das Zelt getragen
werden. Meleander hergegen wandte ein/ die Statt
were beydes der
Artzney vnd der Ruhe wegen bequemer; vermahne-
te also etliche nach der
Senffte zulauffen/ vnd bedanckte sich zu-
gleich gegen dem Radirobanes/ daß er auß zu grosser Höffligkeit/
eines andern
halben jhm Vngemach thun wolte. Er/ der nicht allein
der Argenis/
sondern auch seiner V-[607]belthat Fortgangs halben
d
e
Als sie in solcher gleichsam noch freundtlicher vnd wolmeinen-
der Außredung waren/ bließ Virtiganes dem Radirobanes heimlich
ein/ der Anschlag seines Glückes sey nicht
eben an diesen Tag so
hoch gebunden/ daß die verhoffte Gelegenheit nicht
köndte wieder-
kommen. Er solte die Argenis fortlassen/ vnd sich
selbst mit jhr
nach Epeircte machen/ mit auffschiebung der verheissenen Spec-
tackel/ biß sie gesundt würde/ vnd der Vatter auß gleicher Einfalt
sie
zu hinwegraubung an das Vfer auffs newe führete. Er hette es
jhn fast
verredet/ wann deß Radirobanes Artzt/ welchen etzliche
herzu geholet/ nicht
kommen were. Dieser begrieff der Princessin
den Puls fast wieder jhren
Willen/ vnd sahe erstlich mit Verwunde-
rung auff jhre Augen vnnd Athem;
hernach sagte er/ daß er kein
Zeichen einiger Kranckheit spüren köndte.
Wandte sich also zum
Meleander/ vnnd versicherte jhn/ er möchte gäntzlich vnbesorget
seyn: es were was es wolte das die Argenis angestossen hette/ so
würde es nicht viel zu bedeuten haben. Radirobanes aber fiel in
hefftigern Argwohn/ vnnd merckte
endtlich [608] wol/ daß man
durch fürgebung der
Kranckheit die Flucht beschönen wolte. Er
wunderte sich wer hinter seinen
Anschlag kommen were/ wer Me-
leandern solchen offenbahret hette;
ergrimmete sich hefftig/ vnnd
war mit Gewaldt zuverfahren gesonnen/ schawete
vmb sich/ grieff
auch zum Degen/ sahe aber weniger Sardinier als Sicilier vmb sich;
so daß er sich keines Sieges vertrösten
kundte/ da gleich die Sache
zun Waffen geriehte. In dessen kam auch deß
Meleanders Artzt/
der vom Eurymedes angestifftet worden was er solle fürgeben;
dieser
sagte von der Argenis Schwachheit weit anders als deß Radi-
robanes Diener/
daß sie nemlich eine tödtliche Kranckheit ange-
stossen hette: solte man
derwegen mit jhr nach Hoffe eylen/ angese-
hen daß jhr weitere Säumung
hochschädtlich were. In dem er also
redete/ fieng der vorige Artz an/
sich mit jhm zu zancken/ vnd
wolte jhm seine wissenschafft nicht verachten
lassen/ fragte also:
was er für Zeichen der Vnpässligkeit befinde? Was jhr
Gesichte/
vnd die Farbe der Lippen anzeigete? Ob etwann ein kalter Schweiß
auff der Stirne stünde? Ob der Puls nicht richtig schlüge? Der
Sici
In dem nun diese mit Worten streiten/ fuhren
[609] die Sänff-
tenträger die Argenis in aller höhe davon.
Radirobanes aber/ wel-
cher wol wuste daß sie nicht würde
zurück kommen/ vermochte sich
nicht zuhalten; legte Hand an die Sänffte/ vnd
bate höchlich/ Arge-
nis möchte bleiben. Die Sardinier vnd Sicilier waren auch zu streite
gerhaten/ vnd Archombrotus trat herzu/ die bedrängte Sänffte
dem Radirobanes mit Gewalt außzureissen/ Meleander tratt in die
mitten. Sicilien solte das Glück dieses
Tages erkennen. Wie viel
stattlichen Geblütes hette diese Auffruhr vergiessen
sollen? Dieses
Vbel war weit genug Sicilien zuverschlingen/ vnd den auch
abwesen-
den Poliarchus hinzurichten. Aber Meleanders fürsichtigkeit rich-
tete das zuhangende Vnglück
auff besseren Weg. Er redete mit dem
Sardinischen Könige noch als ein
Freundt/ darumb sich der ander
schämete jhn zu beleydigen. Vnd als der Tumult
nur so vnd so ge-
stillet war/ setzte sich Meleander gleichsfals in die Sänffte/ vnd be-
gab sich
mit Begleitung der Seinen in die Statt.
[610: Kupfer Nr. 13]