NAchdem das Nachtmahl/ so gut es das Meer vnd der Krieg zulies-
sen/ vollbracht worden: Es ist Zeit/ sagt Arsidas/ vberhalb deß
Rhodans alles zu durchsuchen/ vnd ewern Fürsten wider zufinden.
Gobrias fieng an: Wir thaten alles was vns möglich war; aber da-
mahls nur vergeblich. Wir beklagten seinen Verlust vier gantzer
Jahr. Auff das Fünffte mußten wir notwendig wider die Allobroger
Krieg führen der Gräntzen hal-
[715]ben/ vnd daß sie dem guten
Lande jhrer Nachbaren zunahe graseten. Es ist nicht der Notwen-
digkeit daß jhr den Verlauff deß Krieges wisset/ sonderlich was sich
ohngefehr vnd bey geringen Scharmützeln zugetragen. Doch war
sonderlich eine rechtschaffene Schlacht/ darinnen die Allobroger
vberwunden/ vnd auß dem Läger geschlagen worden. Vnser Volck
kriegte sehr reiche Beute; daß man auch mit den Gefangenen/ vnd
dem Raub nicht wohin wußte; so viel worden fürnämlich Ketten
vnd Armbänder gefunden/ wie die Gallier zutragen pflegen. Es
haben drey Allobrogische Könige in selbigem treffen eingebüsset/
von denen der fürnembste Aneroest hieß. Als die Sieger sein Zelt
plünderten/ sahe einer von den Soldaten im Eingang deß Zeltes
einen sehr schönen Jüngling stehen/ ließ also die andere Beuthe
hindan seyn/ vnd begehrte nur diesen zu haben. Er stellete sich
hertzhafftiger als ein solches Alter pfleget/ nam den Spieß zur Handt/
vnd wolte sich lebendig nicht fangen lassen. Der Soldat mochte jhn
auch nicht beschädigen/ sondern ruffte einem seiner Rottgesellen/
vnd vmbringte den Knaben/ der zu fechten gesonnen war/ von
hinden zu. Also ergriffen sie jhm die Arme/ vnd kundten jhm das
Gewehr kaum auß den Händen bringen. Sie schämten sich jhne zu
binden/ vnd wolten sich auch von einer so guten Natur keines Be-
trugs besorgen. Derhalben verhiessen sie/ wann er zusagte nicht
außzureissen/ daß sie jhn nicht binden/ sondern nicht so sehr wie
einen
[716] gefangenen als wie jhren Gefehrten mit sich führen
wolten. Er/ ohn Anzeigung einiger Trawrigkeit bey solchem Vn-
glück/ gab zur Antwort/ er wolte dem Willen der Götter die jhn zu
einem Gefangenen machten/ nicht wieder streben/ vnd an jetzo



seine Trew so wol erhalten/ als er zuvor seine Freyheit beschützen
wöllen.

Es ist nicht ohn sonderliche zulassung der Götter geschehen/ daß
der Knabe den Soldaten so sehr gefallen hat. Sie führten jhn also
mit seinem Willen fort/ vnd auß Furchte/ daß sie von andern dar-
umb möchten geneydet werden/ liessen sie jhn nicht viel sehen. Sie
waren nit weit von der Statt wo der König war/ als sie mich an-
traffen. Glaubet mir/ ich wardt bestürtzt so bald ich jhn sahe/ vnd
fragte sie mit grosser Begier/ dann ich kandte sie/ wannher sie mit
solcher Beute kämen/ vnd ob dieselbe zu kauffe stünde. Sie gaben
zur Antwort/ daß sie diesen stattlichen Gefangenen dem Commin-
dorix verehren wolten. Ich meine/ sie besorgten sich/ ich möchte
jhn begehren/ vnd haben also den Commindorix fürgewendet. Ihr
wisset daß der Gallier Kriegsröcke den gantzen Leib nicht bedecken.
Als ich derowegen jhn inständig ansahe/ vnd mir die Götter ich
weiß nicht was für ein vnverhofftes Wesen mehr vnd mehr ein-
gaben/ beugte er ohngefehr den Rücken/ vnd machte daß ich den
Augenblick für Frewden fast gestorben were. Dann wie sol ich
diese Glückseligkeit genugsamb außsprechen? Er verriethe die
Kennzeichen deß Kö-
[717]niglichen Geblüts; ich meine die Rothe
ähre/ welche die Götter der Königin Sohne/ wie vorhin gesagt/
auffgedruckt hatten. Ich kundte für vnmässiger Fröligkeit kaum
reden/ fieng mit zitterenden Gliedern an zu schwitzen/ vnd zweifelte
noch selber an dem was ich wünschte. Hernach hub ich das Hertz
zu den Schutzgöttern vnserer Nation auff/ vnd bate sie/ mir in sol-
cher meiner Hoffnung beyzustehen. Ihr habt/ sagte ich/ ein statt-
lich Geschencke für den Commindorix gefunden. Aber dencket
nach/ meine Freunde/ ob es nicht besser sey/ daß jhr es der Köni-
gin vbergebet. Er ist noch jung genug in das Frawenzimmer/ vnd
köndte euch dermal eins/ in Erinnerung wer jhn einer solchen
Frawen vbergeben/ vielleicht sehr beförderlich seyn. Dann ob jhr
jhn schon dem Commindorix verehret/ so wirdt jhn doch die Köni-
gin bekommen. Wann euch nun zu rahten ist/ so könnet jhr eben
die Gnade bey der Königin erlangen/ mit welcher euch dieser ge-
stalt Commindorix zuvor wirdt kommen. Die Soldaten bedanckten
sich nach kürtzlicher Vnterredung deß gegebenen Rahtschlages
halben/ mit Begehr/ daß ich jhnen für die Königin verhelffen wolte.
Ich nahm aber nicht allein dieses auff mich/ sondern lud sie auch
a



zum Abendessen; weil ich mich der liebsten Beute wegen besorgete/
vnd von dem Knaben mehr zu vernehmen begierig war.

Als wir nach Hause kamen/ redte ich den Jüng-[718]ling freundt-
lich an/ vnd fragte nach seinem Namen. Er gab mir zur Antwort/
das erstemal als er gefangen worden/ hette er Scordanes geheissen;
dieses jtzige mal wisse er nicht/ wie jhn seine Herren nennen möch-
ten. So seydt jhr/ sagte ich/ vor diesem auch gefangen gewesen?
Freylich/ hub er an. Wannher seyd jhr mein Sohn? vnd wie war
ewerer erster Namen? Ich weiß mich ein wenig zuerinnern/ sprach
er/ daß ich durch gerüstete Leute als ich noch kleine war/ auß mei-
nes Vattern Hause entführet wardt. Dessen bin ich noch ingedenck/
daß wir auff dem Lande gewohnet/ vnd die Mutter mich Astioristes
genennet habe. Nachmals hat mich der König Aneroest/ auß Ver-
ehrung derer die mich geraubet bekommen/ nebenst dessen Kindern
ich mit gleichmässiger Zier vnd grosser Gnaden etliche Jahre statt-
lich erzogen worden. Er hat auch gewolt/ daß ich zu Versuchung
im Kriegeswesen bey jetziger Gelegenheit seyn solte; darinnen ich/
ach/ nicht weiß wohin er kommen sey/ vnd selber in einen andern/
zweiffels ohn ärgerern/ Zustandt gerahten bin. Vnter diesen Worten
geriehte er in grosse Wehmuth. Ich aber/ der nunmehr aller Sa-
chen gewiß war/ danckte den Göttern; denen ich vielmehr als dem
Glück den Verlauff deß gantzen Wesens zuschrieb. Die Götter/
mein Sohn/ sagte ich/ haben euch nicht vbel gemeinet: Ihr sollet
auch dem Glück danckbar seyn/ daß euch durch so viel Zufälle in
der Königin Hauß hat bringen wöllen.
[719] Ihr werdet zu einer
grossen Glückseligkeit fürbehalten/ mein Knabe.


Fußnotenapparat

a führten] Aus Dkf fürchten
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_2/Buch_4/III_2_76_4_XII.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl