AVff den folgenden Morgen/ nach dem ein Theil deß andern Kräfften
versucht hatten/ waren jhre Anschläge etwas säumiger/ ohn daß
Poliarchus Lust zu kämpffen hatte. Dann jhm gefiel eine Schlacht
zuhalten auß Haß gegen dem Radirobanes/ vnnd auß Begiehr in Si-
cilien zukommen. Auff der Königin Bitte aber vnterließ er den
Feindt/ so ruhig war/ selbigen Tag zureitzen. Es war sich zuver-
wundern/ warumb Hyanisbe an dem Außgange deß Krieges so sehr
gezweiffelt/ vnd deß Radirobanes Verwegenheit in Sorge verwandelt
worden. Dann man hat jhrer beyder Gemüte auß dem grausamen
Opffer/ welches sie angeflohen/ abnehmen können. Die Königin
hieß einen schönen Knaben erlesen/ jhn dem Saturnus zuopffern.
Solcher Gebrauch war von den Tyriern her-
[820]kommen/ die jhn
in Africa jhre Mitwohner die Carthaginenser gelehret hatten; vnnd
die erschrockene Hyanisbe gebrauchte sich dieser frembden vnd
Barbarischen Andacht gegen die Götter; weil die Leute/ wann sie in
Elendt oder Kummer sindt/ solche schröckliche vnd vnbekandte
Mittel eine heimliche Gewalt zuhaben vermeinen. Es wardt die
Ordnung deß schmählichen Opffers angestellet/ vnd das Opffer mit
Bändern gezieret; wie dann auch der Priester zu dieser Gottlosen
Heiligkeit willig war. Als es aber Poliarchus erfuhr/ sprang er stracks
im Schrecken auff/ lieff zur Hyanisben/ vnd/ Königin/ sagte er/
wann jhr euch der Tyrannischen Hülffe wider den Feindt gebrau-
chen wöllet/ so lasset mich meiner Wege ziehen. Dann ich wil
meine Stärcke mit solchem Aberglauben nicht vermengen/ noch
zulassen/ daß es ein Ansehen soll haben/ als ob meiner Soldaten
Kräfften von einem Gott herrühreten/ der sich so schändlich ver-
söhnen liesse. Ich wil/ sagte er/ den Sieg von den Göttern vmb eine
so grausame Belohnung nicht erzwingen; sie sindt nicht auß der
jenigen Zahl die wir anbeten sollen/ vnd die für der betrogenen
Menschen Schmach eine Abschew tragen. Derwegen so erlöset
ent- a


wederdiesen Knaben seiner Bande/ oder laßt mich von hinnen.
Wiewol Hyanisbe den Saturnus förchtete/ so war jhr doch am Po-
liarchus mehr gelegen. Man lösete dem Knaben die Bänder/ vnd
dieses machte das Volck sonderlich behertzt/ daß
[821] Poliarchus
nicht die eussersten Mittel suchte. Dann solte ein solcher Obrister
die Vngewißheit deß Krieges nicht bedencken/ oder/ wann er des
Sieges nicht versichert were/ solte er jhn von dem Verhängnisse
mit dem Blut eines Kinds nicht erkauffen wöllen?

Eben zur selbigen Zeit/ als wann man sich beredt hette beyde Lä-
ger mit Aberglauben anzustecken/ kam ein Alter/ deß Namens
Sitalces/ der bey den Sardiniern in grossem Ansehen war/ vorhin
streittbar/ nunmehr verständig in Rahtschlägen/ zum Radiroba-
nes/ der ohngefehr mit seinen getrewen Leuten von vnterschiede-
nen Sachen/ den Krieg betreffend/ redte: Diesem trug er sein Haupt
an/ damit er von den Göttern vnter vns den Sieg erkauffte. Daran
ist nichts gelegen/ sagte er/ daß ich eine Privatperson bin. Es ist gar
genug/ Herr/ daß jhr als mein König mich darzu ernennet/ daß ich
mich für gemeine Wolfart hingeben soll. Wann ich mit rechtmäs-
sigem Gebrauch zu dem Todt werde bestimmet seyn/ so wil ich heute
die Feinde mit wenigem Volck reitzen/ vnd Schrecken vnd Ver-
fluchung vnter sie bringen/ auch also von jhnen/ die nicht wissen
werden/ daß es zu jhrem Verderben geschehe/ vmbkommen. Radi-
robanes hielte zu der Frewde deß angetragenen Sieges/ wie er ver-
meinete/ ein wenig stille/ vnd weil er wuste/ daß solche Krafft sein
Haupt darzubieten von den Italianischen Wahrsagern für wir-
ckende gehalten würde/ lobte er den Sitalces
[822] hefftig; Vnd/
demnach jhr/ sagte er/ vns durch eweren Todt den Sieg geben
wöllet/ die Belohnung aber so jhr verdienet nicht werdet empfinden
können/ als sollet jhr wissen/ daß ich den ewrigen mit Gnaden
jederzeit zugethan verbleiben wil/ so daß kein Sicilier seyn soll/
der nicht gleichfals seine Geschlechte zu solchen Ehren/ wie er in
dem ewrigen sehen wirdt/ wolte erhaben wissen. Bleibet bey dieser
Hertzhafften Entschliessung/ vnd erkauffet euch durch einen kurt-
zen Todt einen Namen/ den kein Todt wirdt verleschen können.
Also ließ man den obristen Priester kommen/ die Ceremonien sol-
chen Gelübds nach Hetrurischem Gebrauch zuerfüllen. Sitalces
ward alsbaldt mit einem langen Rock mit Purpur verbrämet/ beklei-
det/ tratt mit verhülletem Haupt auff seinen Spieß/ hielte die Handt
vnter das Kinn/ vnd redte dem Priester alle Worte nach/ welche



das feindliche Heer der Gallier vnd Mohren sampt jhm zum Todt
verbanneten. Als dieses geschehen: Es ist Zeit/ sagte er/ weil die
Andacht noch new ist/ daß ich Schrecken/ Flucht vnd Verderben
vnter die Feinde bringe. Gebet mir etliche Soldaten in leichter Rü-
stung zu/ welche vnter dem Schein eines Außfals mit mir zu der
Feinde Schantzen gehen. Wir wöllen nur dieselbigen zum Kampff
außfordern/ so für dem Lager Wacht halten/ vnd wann die vnsern
auß angestellter List fliehen werden/ wil ich mit meiner Halsstar-
rigkeit den Todt von jhnen erzwingen.
[823] Also wirdt mein Todt
jhre Stürtzung seyn/ vnd jhr werdet sie nach solcher Verfluchung
ewerem belieben nach schlagen können.

Den Sardiniern wie seltzam also auch warhafftig kam diese deß
Sitalces Rede für. Man gab jhm stracks eine Anzahl von Schützen
zu/ mit welchen er den Feindt zum Kampffe reitzen köndte. Sitalces
aber hatte einen Diener/ der allezeit wol war gehalten worden/ vnd
seinen Herren mehr liebete als das Vatterlandt. Dieser/ in Meinung
als ob sein Herr wegen so plötzlicher Darbietung deß Lebens rasete/
weil er es nicht wiederrhaten können/ kam er heimlich in deß Po-
liarchus Läger/ vnd wie er für jhn geführet worden; Ich komme zu
euch/ sagte er/ als ein Verrähter meines Vatterlandes/ vnd wil von
demselbten seinen Wolstandt/ von euch aber vnd den ewerigen Vn-
heil abwenden. Ich begehre hierumb keine andere Vergeltung/ als
das jhr denjenigen leben lasset/ dessen Todt zu ewerem Verderben
bestimmet ist. Hernach erzehlte er vberhin deß Sitalces Anschlag;
welches als Poliarchus hörete/ erschrack er nicht so sehr vber dieser
Höllischen Krafft (dann er glaubte nichts/ daß durch eines einigen
verzweiffelnden oder rasenden Menschens gutwilligen Todt ein
gantzes Heer erleget würde) als er zwar diesem Schrecken be-
gehrte
[824] fürzukommen/ der die seinigen nach Gebrauche deß
Aberwitzes leichte möchte einnehmen. Derhalben sagte er dem
Anmelder/ wann sich die Sache also verhielte/ eine Belohnung zu/
ließ jhn nach Art der Gallier bekleiden vnd außrüsten/ darnebenst
gleichwol auch binden/ vnd schickte jhn sampt den Schützen for-
nen an das Lager/ damit sie/ wann sich die Sardinier/ nach Anzei-
gung deß Dieners naheten/ jhnen Wiederstandt thun köndten. Es
wardt aber befohlen/ daß sie mehr mit Schrecken vnd Dräwen als
Beschädigung kämpffeten/ damit man sich nicht an dem Sitalces/
b c



den er lebendig haben wollte/ vergrieffe. Dem Diener wardt seine
eigene vnd seines Herren Freyheit verheissen/ wann er jhn in Zei-
ten meldete. Poliarchus hatte dieses kaum außgeredet/ als die Sardi-
nier so vom Sitalces geführet worden ein Scharmützel anfiengen.
Baldt fielen die jenigen welche Poliarchus bestimmet auß/ vnd die
Sardinier gegen vber säumeten sich mit jhrem Geschütze nicht/
sondern verliessen vnter dem Scheine der Flucht den Sitalces/ der
zusterben begierig war/ vnd auß Hoffnung deß Todes mehr begieng
als seine Kräfften mit sich brachten. Aber sein Diener schrie/ dieses
sey derjenige/ welchen Poliarchus zuerhalten befohlen hette. Die
Soldaten vmbringeten jhn allenthalben/ fiengen mit den Waffen
seine Streiche auff/ vnd machten jhn wehrloß. Als er sich nicht geben
wolte/ vnd die Feinde mit Scheltworten reitzete/ ries-
[825]sen sie
jhn doch mit Gewalt in das Lager/ Poliarchus/ wie er jhn sahe; Ihr
werdet/ sagte er/ bessere Nachtmalzeit bey vns als bey den Göttern
der verstorbenen Seelen halten. Fluchet vns nur nicht/ als ob wir
grausam weren die wir euch zuleben zwingen. Dann so baldt die
Götter diesem Kriege einen Außschlag werden gegeben haben/ so
baldt wöllen wir euch/ im Fall jhr noch Lust darzu haben werdet/ an
ewrem Tod nicht hindern. Ich wil aber nicht/ daß jhr euch bey den
abgeleibten Seelen rühmen sollet/ als ob die Götter zu ewerer Beloh-
nung vnserer aller Leben hingelassen hetten.

Hernach forderte er einen von den Gefangenen/ vnd ließ jhn mit
dieser Bedingung von sich/ daß er dem Radirobanes anmelden solte/
Sitalces befinde sich in der Gallier Lager gar wol: Derhalben köndte
er wegen deß guten Zustandes seines Freundes vnbesorget seyn; er
würde zum wenigsten biß zu Außgange deß Krieges leben. Dann
die Erde vnd Höllische Götter hetten die Belohnung deß Siegs/ wel-
chen sie nit geben könten/ auch nicht wollen annehmen. Als der Ge-
fangene dieses angekündiget hatte/ ward Radirobanes durch die
Mißrahtung deß Anschlages/ vnd die Höhnerey deß Poliarchus der
jhm seinen Aberwitz auffruckte/ ergrimmet. Wiewol er nun noch
nicht wuste/ ob es eben dieser Poliarchus were den Argenis liebete/
doch sagte es jhm sein Hertze vnd Feindtschafft. Derhalben wolte
er hinter die Warheit kommen
[826] mit einem vnverständtlichen
Schreiben/ welches Meinung Poliarchus nicht fassen würde/ wann
d e f



er vielleicht mit der Argenis kein Bündtniß gemacht hette; were es
aber dieser welchen Selenisse jhm verrahten/ so würde er ausser
Zweiffel ein Zeichen deß Zornes vnd Eyfers von sich geben. Baldt
gab er gleichfals einem gefangnen Gallier an den Poliarchus ein
schreiben/ so dieser zu jhm trug/ vnwissendt was für Schmach-
reden darinnen zubefinden weren. Dann Radirobanes hatte weder
der Argenis/ noch Hyanisben verschonet. Er sagte/ es nehme jhn
wunder/ daß Theocrine nach Beywohnung einer jungen Princessin
an der Hyanisbe hangen verbliebe. Wie er eine Jungfraw betrogen
hette/ also würde er nun hergegen durch einen gerechten Pfeil deß
Cupido von einer Alten wiederumb betrogen. Er aber sey zur Stelle
Sicilien zu rechen/ welchem er den Kopff der erdichteten Pallas be-
stimmet hette. Poliarchus der vom Zorn entzündet war/ vnd nun-
mehr nicht allein Hyanisben/ sondern viel lieber seinentwegen den
Krieg zuvollführen begehrete/ sagte zwar vom Schreiben kein
Wort; er veränderte sich aber denselbigen Abendt dermassen im
Gesichte/ daß man wol mercken kundte/ er hette was grosses im
Hertzen. Ohn die Ehrenrürige Worte wardt er sonderlich bestürtzt
vber den Nahmen der Theocrine vnd Pallas/ vnd bekümmerte sich
bey sich selbst/ wer dieses Geheimniß dem Radirobanes muste geof-
fenbahret haben: biß er sich erinnerte/ daß Ar-
[827]genis bey jhrer
letzten Vnterredung von dem Meineyde der Selenissen geklaget
habe. Dannher muthmassete er/ daß alles muste kommen seyn; ent-
brante also mit gleichmässigem Zorne vber den Radirobanes vnd
die Alte/ vnd nahm jhm für beyde nach Verdienst zustraffen.

[828: Kupfer Nr. 17]


Fußnotenapparat

a dieser] Aus Dkf diesen
b nach schlagen] Aus nachschla-
gen
c vberhin = flüchtig (raptim;
sommairement)
d hingelassen = verschwendet
(prodegerint; prodigué)
e Krieges leben] Aus Dkf Krieges-
leben
f wollen] Aus wolten
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_2/Buch_4/III_2_76_4_XXIII.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl