DIeses königliche Kindt/ so zwar nicht nach Standes
Würden/ je-
doch/ wie es die Zeit damals mit sich brachte/
glücklich erhalten
wardt/ als es hat gehen vnd reden können/ hat es
gar ein andere
Gestalt von sich gegeben/ als sonsten die Kinder so
von solchen
Leuten erzogen werden. Er war von lebhafftiger Natur/
die mit
seinem schönen [699] Leibe vberein
stimmete. Es liebte jhn ein
jeglicher; sonderlich aber
Cerovist vnd Sicambre/ die auß Reitzung
dessen das sie von jhm
wusten/ sich vber alles an jhm verwunder-
ten/ vnd jhn nach dem
Namen/ den jhm die Königin aufferleget/
vnd viel Könige gehabt
hatten/ Astioristes hiessen. Der Königin
aber kundte man
nicht wol sicher Zeitung von jhm zubringen/
welche die
Sicambre/ wann sie zu meiner Frawen kam/ deß Monats
kaum einmal sahe/ vnd sich mit jhrer verstolenen Vnterredung
ergetzete. Dann es war sich zubesorgen/ man möchte auff diese
Dorffleute Achtung geben/ wann sie wieder Gewonheit so offt
nach Hofe giengen; vnd die Frawen/ welche vmb diese Sachen
Es war im siebenden Jahr/ als die Königin/ auß
vnleidlicher begier
jren Sohn zusehen/ mich/ der ich jhr
Hoffmeister war/ mit solchen
Worten anredte: Gobrias/ jhr habt nit verdienet/ daß ich ewre
Trew
geringer achte als die Trew der Weiber. Es ist lange Zeit/ daß
ich
ewerer Frawen mein höchstes Geheimniß vertrawet habe/ vnd
die erste
Sache damit ich sie wegen jhrer Verschwiegenheit beloh-
nen wil/
sol diese seyn/ daß ich euch ingleichen ein theil meiner Sor-
gen aufflege/ vnd etwas hohes offenbare/ an dessen Verbergung
meine vnd deß Lands Wolfart gelegen ist. Wisset jhr Gobrias/ was
ich euch sagen wil? Hat euch ewre Fraw
von disen dingen nichts
entdeckt? [700] Ich/ wiewol ich verlangen trug solches zu erfah-
ren/ jedoch
stellte ich mich noch begieriger/ damit die Königin
glauben
solte/ daß ich jhr allein wegen offenbarung dieser Heimlig-
keit
würde zu dancken haben; vnd vber diß jhr meiner Frawen Trew
zu
erkennen gebe/ die in Warheit mir nichts davon gesagt hatte: ob
sie
mich schon nicht gäntzlich betrogen; angesehen daß ich wol
mutmassen kundte/ es müßte was wichtiges vnterhanden seyn. Da
fieng die Königin nicht allein mit grösserer Freyheit/
sondern auch
mit mehrer Lust 〈an〉 den gantzen
Verlauff zu erzehlen; worauff ich/
der ich mich einer so wichtigen
Sache nicht versehen/ gantz erzit-
terte/ vnd als vnter jhrem Reden
mein Geist allgemach wider zu
sich selber kam/ lobte ich die
hertzliche Mutterliebe/ vnd jhre Er-
findung/ die dem
Königreich/ nach welchem der Tyrann stundt/ so
nützlich war. An
jetzo/ sagte sie/ wisset jhr wie es vmb mich stehe.
Wiewol ich mit
solchen Ehren vnd Gütern vmbgeben bin/ so hab ich
dennoch das
genügen/ welches geringern Stands Mütter erlangen/
noch nicht haben
können. Weil es den Göttern so gefällt/ Gobrias/
so wöllen wir diesen Trost vnserm
Alter/ diesen Vntergang dem Mör-
der Commindorix erhalten. Die Götter helffen nur/ daß er
mehr dem
Großvatter/ als dem Vatter nachschlage. Ich höre/ daß
nichts an-
mutigers seyn kan als seine Sitten. Zwar von Gesichte
hab ich jhn
etlich mal gesehen/ wann jhn seine Wärterin der Abrede
nach durch
die Tempel getragen hat. Was bedünckt es
euch [701] aber für ein
Elend zuseyn/ daß
ich mein einiges Kind kaum sicher ansehen/ vnd
durchauß mit jhm
nicht reden darff? Ich bitte euch/ in das Hauß wo er
ist zu reysen.
Dann jhr könnet leichtlich eine Vrsach wegzuziehen
erfinden. Ich
vbergebe euch das wolbehagen welches ich solte
ein
Auff solchen der Königin Bericht/ bedanckte ich mich nach
Ge-
bühr/ daß sie meines Fleisses in so geheimen Sachen gebrauchen
wolte. Ich war dem Commindorix ohn diß feind/ vnd die Süssigkeit
dieses Verbündnüsses machte daß ich die Gefahr/ so bey solcher
Hoffnung vnd Anschlage war/ leichtlich verachtete. Derwegen
spatzierte ich folgenden Morgen auff das Feldt/ vnd kam in dem
Wege den mir die Bawersleute zeigten/ zu dem Vorwercke. Als ich
hinein gieng/ sahe ich in dem Hofe/ wo der Ackerzeug vnd Pflüge
lagen/ etliche Knaben miteinander schertzen. Darumb gieng
ich
näher herzu/ ob ich vielleicht vnter jhnen die Vrsache meines
Wegs
finden köndte. O mein Freundt! Es bedurffte keines Menschens
der
jhn zeigte/ noch keines Merckzeichens. Die Natur meldete genug-
samb/ welcher so vie-[702]ler Helden
Nachkömmling were. Die an-
dern lieffen entweder auß
bäwrischem vnd kindischem Schrecken
darvon/ oder wendeten mir
furchtsam den Rücken/ vnd sahen mich
vber Achsel an. Er aber blieb
stehen/ vnd ließ sich nichts jrren/ daß
einer so anders außsahe als
die Leute mit denen er sonst vmbgieng/
zu jhm tratt. Er trug einen
Bogen der jhm zur Hand war; denselben
stellete er an die
Erden vnnd lehnete sich darauff/ erwartete also
meiner freymütig/
vnd mit anmutigen Geberden deß gantzen Lei-
bes. Er hatte gelbicht
Haar/ vnd das darumb destoschöner außsahe/
weil es nachlässig durch
einander hieng. Dann es lag nicht allein
auff der Achsel
zerstrewet/ sondern war jhm auch vnter dem Eyfer
zum Spiel
vber die Stirne gefallen. Die Augen erzeigeten ein Mittel
zwischen
dem Ernste vnd Freundtligkeit; seine Lippen vnd Wan-
gen wie man
sie dem Cupido zumahlen pfleget. Ich ward bestürtzt
wegen seiner
Hoheit/ vnd bate die Götter kürtzlich/ daß sie solcher
jhrer Gabe
wolten günstig bleiben. Ich schewete mich jhn als einen
andern Knaben anzureden; damit ich aber das Spiel nicht verder-
bete/ so stieg ich nur vom Pferde/ vnd fragte was seine Eltern
mach-
ten/ vnd wie es jhm gienge. Er gab zur Antwort der Vatter
were
mit dem Gesinde zu Felde an der Arbeit/ die Mutter aber zu
Hause;
a
Als sie mich aber erkandte/ vnd noch in Zweiffel stundt/
ob mir
wissend were mit wessen Standes [704] Kindt ich Sprach hielte/
oder was für ein
Glück mich zu jhr getragen hette/ nam sie mich in
jhr Hauß/ nebenst
vmbschweiffiger Nachfrage/ auß was Vrsachen
ich dahin kommen/ vnd
ob meine Fraw wol auff were. Nachdem wir
nidergesessen/ fieng ich
mit zweiffelhafftigen Worten an zu lachen/
vnd/ Ich habe wol
Vrsach/ sagte ich/ mich vber meine Fraw zube-
klagen/ wann
jhr die Schuldt nicht auff euch nemmet/ vnd beken-
net/ daß sie von
euch gelernet habe/ wie man mit tieffem Still-
schweigen ein ding
beschönen solle. Weder euch noch jhr habe ich
zu dancken/ daß ich
diesen Kleinen jetzund kenne; sondern der
Königin selber/ auff
welcher Befehl ich euch besuche/ vnd zu Rath
b
c
d
Derwegen als ich es mit der Sicambre verlassen/ zu welcher Zeit
sie in meinen
Meyerhoff kommen solte/ schertzte ich wieder mit
dem Knaben/
vnd lockte auff allerley Art die Anzeigung seiner ede-
len Natur
herfür. Hernach nahm ich jhn in die Armen/ der durch
Verleihung der
Götter eines so mächtigen Königreiches Monarch
seyn solte. Auff
dieses begab ich mich auß diesem Hause in die
nechste Stadt/ von
dannen ich auff den Morgen wieder nach Hofe
ritte. Wie ich
der Timandre alles erzehlete/ war jhr dieses einige
beschwerlich/
daß sie noch zwey Tage biß zu Vollziehung der ver-
heissenen
Fröligkeit warten muste; nach welcher Verlauffung Si-
cambre sich
mit dem Knaben einstellete. Die Königin kam inglei-
chem mit
wenigen Leuten/ als dann auch vonnöhten war/ vnd als sie
ein
wenig im Garten herumb gegangen/ sagte sie zu meiner Frawen/
sie
wolte sich im Zimmer zur Ruhe legen. Derhalben fuhrte man sie
in
eine Schlaffkammer/ die zu der bewusten Heimligkeit am beque-
mesten war; weil man niemanden so darinnen redete vernehmen
kundte. Nach dem alle/ ohn die so Wissen-[706]schafft darumb tru-
gen/ herauß gegangen
waren/ wardt die treweste Sicambre auß dem
nechsten Gemache hienein gelassen/
die der Königin jhren Sohn
zwischen die Knie stellete. Die Königin
erlaubete mir darbey zu
seyn; was ich aber gesehen vnd gehöret
habe/ kan ich mit keinen
e
f
Weil wir mit diesen Sachen vmbgehen/ war eine Stunde ver-
lauffen/ vnd der Königin Leute musten wegen vnseres
Säumnisses
in keinem Argwohn gerahten. Sie aber wolte sich vom
Sohne nicht
reissen lassen/ biß sie sich in Hoffnung künfftiger
Frewden mit
einem schweren Seufftzer von dem Knaben wandte/ vnd jhn
weg
zuführen Befehl that. Ihre Hoffnung aber war diese: Sie wolte/
daß
ich nebenst etzlichen Gefehrten/ so doch vmb meinen
Anschlag
nicht wißten/ entweder der Jagt oder anderer bequemer
Vrsachen
halben/ in der Sicambre Hauß kommen/ daselbst deß Astioristes Na-
tur vnd Gestalt höchlich loben/ vnd
in beyseyn der andern seine
Eltern vmb jhn bitten solte/ damit ich
jhn zu Hause mit löblichen
Vbungen erziehen könte. Dann er
schiene für das Feld vnd die Ein-
samkeit nicht gebohren zuseyn.
Sicambre muste darauff mit jhrem
Manne etwas
streiten/ ehe sie solches eingienge. Alsdann solte ich
den Knaben
in die Stadt bringen/ vnd meiner Frawen zugeben/ jhn
zu dem was
solchem Alter gemäß ist zugebrauchen. Also würden wir
seiner
Vnterweisung nutzen/ vnd er die Königin ohn Verhinderung
vnnd nicht
nur eine geringe Zeit ergetzen können.