ALso verlieffen sich etliche Tag/ daß kein newes Vngewitter dar-
zwischen schlug (dann auch Poliarchus/ vber Verhoffen/ geschwin-
de zu Kräfften kam) biß das Schreiben welches Argenis dem Arsi-
das anvertrawt hatte/ widerumb ein Spiel deß widerwärtigen Glücks
anfienge. Dann nachdem Gobrias vnd Arsidas in dem dürfftigen



Vfer/ darein sie nach vberstandener Vngestümmigkeit gewichen
waren/ eine Nacht zugebracht hatten/ hielten sie miteinander
Raht/ wohin sie sich nunmehr wenden/ vnd was sie thun solten. Sie
hatten eine Flotte vnd Soldaten; jene zerschmettert vnd bawens be-
dörffendt; diese noch wolauff vnd begierig jhren Kö-
[853]nig zu-
schawen. Es mangelte selbiger Orten an Zugehör/ weil das Land
Einöde war vnd keine Bäume trug. Doch verwahrten sie die Schiffe
auffs beste sie kundten/ vnd fülleten auß dem Brunnen der (welches
sonst in Africa seltzam ist) nicht weit von dannen floß Wasser ein.
Es wuchs auch Hanff auff den wüsten Feldern mit Menge/ der jh-
nen zu Seylern vnd anderer Nohtturfft wol zustatten kam. Die wie-
derwärtigen Winde hatten sich allbereit geleget: aber in welch Landt
oder See solten sie/ weil sie nicht wusten/ wohin das Vngewitter den
Poliarchus würde geworffen haben? Endtlich brachte Arsidas jhre
Gemüter auß dieser Vngewißheit/ vnd redete mit dem Gobrias heim-
lich also: Die gar zu grosse Verschwiegenheit würde nunmehr ein
Laster seyn/ Gobrias/ wann jhr eweres Königes Anschläge dermas-
sen bey mir verbergen woltet/ oder ich euch die Vrsachen meiner
Absendung verhielte/ daß wir also mit gemeinem Rhate weder vns
noch vnseren Herren helffen köndten. Was ist aber daran gelegen/
daß wir so genaw vnd vergeblich dasselbige verschweigen/ was wir
doch schon vntereinander wissen? Wolan/ Gobrias/ gehet ewre
Flotte nicht in Sicilien? Gobrias/ der von dieser Freyheit auffge-
muntert wardt; vnd jhr Arsidas/ sagte er/ kommet jhr nicht von der
Argenis zum Poliarchus? Als sie es beyde bekandten/ vnd jhr trewes
Vernehmen mit einer newen Vmbfassung bestätigten/ giengen sie
hernach destosicherer auff
[854] fernere fortstellung jhres Wesens.
Gobrias verständigte jhn/ Poliarchus hette diesen Rhatschlag auff
Sicilien zuschiffen den wenigsten Obristen vertrawet/ die andern
würden vnter dem Scheine einer sehr weiten Reise betrogen. Ihm
aber habe der König für allen andern seine Angelegenheit ent-
decket. Dieses Volck hielte er der Argenis Heyrath zu erlangen/ bey-
des wieder etliche ich weiß nicht was für Sicilische Gesetze/ derer-
wegen die Verheyrathung mit Gallien nicht gestattet würde/ vnnd
dann auch wieder den Sardinischen König/ der die Prinzessin ohn
allen jhren Danck begehrte. Arsidas fieng drauff an/ die Sardinier
weren zwar auß Sicilien gewiechen; aber Poliarchus vnd Argenis
stünden nunmehr in grösserer Gefahr als zuvor; dann es sey er wiste
a

nicht was für ein Archombrotus/ welchem Meleander seine Toch-
ter versprochen hette. Mann köndte diesem Vbel allein mit der Gal-
lier Waffen zuvor kommen. Gobrias solte mit seinem Hauffen in
Sicilien eylen; dann dieses würde zum wenigsten die Argenis so weit
trösten/ daß sie desto sicherer stärckerer Hülffe erwartete/ oder
daß sie ja/ wann die Noth keinen verzug erlitte/ mit eben dieser
Flotte sich darvon köndte machen. So würde Poliarchus auch wol
geeylet haben/ vnd entweder schon/ oder ja baldt zur stelle seyn.
Kommet jhr eher/ sagte er/ so gebet für/ ewer Weg gehe auff Grie-
chenlandt; vnnd bittet durch einen Heroldt vom Meleander/ daß er

[855] euch wölle erlauben zu Ancker so lange zuliegen/ biß sich
ewere Mitgenossen/ die vom Wetter verschlagen worden/ zu euch
finden möchten. Ich wil euch ein Schreiben an die Argenis geben/
welches jhr aber selbst vberantworten sollet. Die Gelegenheit/ der
Ort vnd ewer Fleiß wirdt euch schon Mittel zeigen sie anzusprechen.
Wann jhr dieser Princessin gehorchet/ so wisset jhr wol/ was es
euch bey ewerem Könige für Ehre seyn wirdt. Ich lasse mir/ liebster
Arsidas/ fieng er an/ eweren trewen Rhat vnd Anschlag sonderlich
gefallen. Warumb wöllet jhr vns aber nicht ein Geferten in ewer
Landt geben? Ihr köndtet zum wenigsten mir zum Meleander einen
Zutritt machen/ vnnd mich sicherlich zur Argenis führen. Nein
sagte Arsidas; wann jhr es aber vermeinet so könnet jhr mir eine
Gallere hinderlassen/ mit welcher ich die Vfer in Africa vmbschiffen
wil/ damit/ wann ewer König durch das Vngewitter etwan auß-
geworffen ist worden/ die schreiben so ich an jhn habe/ nicht vmb-
kommen/ vnd er auß meinem Bericht verstehe/ in was für Zustande
ich seine Sachen in Sicilien gelassen habe.

Nach solcher Abrede nam Arsidas eine leichte Gallere/ die zu
vmbfahrung deß Randes bequem war/ vnd segelte seinem fürhaben
nach. Gobrias aber wandte mit fünffzehen Schiffen/ in denen ohn
die Seeleute Zwey tausendt vnd Zweyhundert Soldaten waren/ sei-
nem Lauff nach Sicilien zu. Sie hatten
[856] zimlich gutes Gewitter;
nit zwar weil sie gantz für dem Winde lieffen/ sondern weil er also
vom Nidergange kam/ daß er denen die auß Africa in Sicilien/ vnd
die auß Sicilien in Africa schifften seiten halben in die Segel gieng.
Das Verhängniß wolte zu eben dieser Zeit den Archombrotus/ sampt
seinem stattlichen Heere/ vnd/ so viel in der eyl geschehen können/
wolaußgerüsteten Kriegsschiffen/ vnsäumig in Africa bringen.
b



Dann der Mutter Schreiben war jhm durch den Diener zeitlich zu-
kommen/ darinnen sie jhme zuwissen machte/ wie Radirobanes
im Anzug wider Africa were/ vnd auß mütterlicher Gewalt die Hey-
rath so lange zurück hielt/ biß er in Africa kommen/ vnd sich mit
jhr berahtschlagt hette. Wiewol Archombrotus von zweyen Bewe-
gungen fast gestorben were/ auß Zorn nämlich vber die Sardinier/
vnd für Schmertzen wegen der verschobenen Heyrath; doch war
jhme gantz Africa weniger dann seine Liebe/ vnd er bekümmerte
sich hefftiger/ warumb seiner Mutter jhne so zuplagen gefiele/ als
durch was für Mittel er den Feindt auß seinem Lande abtreiben
wolte. Was würde hernach Meleander/ oder was würde Argenis
gedencken? Wie viel Angelegenheitten hetten sich durch Säumniß
zerschlagen? wie offtmals were das Glück zurück gewiechen/ wann
man es nicht in Zeiten angenommen? In diesem Eyfer vnd Bekla-
gung bey sich selbst vber seine harte Mutter nam er eine kurtze
Zeit sein Gemüte zu sänfftigen.
[857] Als das erste Vngewitter deß
Schmertzens vnnd tobens fürüber war/ gedachte er seinen gantzen
Zorn wieder den Radirobanes zuwenden/ gieng zum Meleander/
vnd redete jhn also an: Wolten die Götter/ Herr/ daß ich euch für
diesem mein Geschlecht geoffenbahret hette/ ehe mich ein frembdes
Vnrecht gezwungen Sicilien beschwerlich zuseyn. Nun muß ich zu-
gleich meine Ankunfft erzehlen/ vnd zu Beschützung meiner Wür-
den euch vmb Hülffe bitten. Hyanisbe die Königin in Mauritanien
ist meine Mutter. Diese hat mir zugeschrieben/ wie daß sich Mau-
ritanien vnd sie eines Todt Feindes besorgen müste. Wiewol mich
die Gefahr deß Königreiches bewegen soll/ dennoch gehet mir meine
Mutter mehr zu Hertzen. So häuffet mir vber diß den Zorn der
Stiffter deß Vbels. Der Rauber Radirobanes nämlich/ welchen das
Verhängniß/ als er euch vnd der Argenis nachtrachtete/ von hinnen
getrieben hat; der aber nun wieder nach Weiblichem Raube trach-
tet. Ich wolte auch seinentwegen für Mauritanien keine Sorge tra-
gen/ wann er es nicht so plötzlich vberfiele. Derhalben wil ich
mich hienein machen/ vnd zwar mit ewerer Hülffe/ wann ich
euch zum Eydam gefalle. Ich wil den Radirobanes zum Lycogenes
schicken. Sardinien sol Mauritanien/ Mauritanien aber sol Sicilien
dienen. Dann warumb wöllen wir für diesem Kriege Beylager hal-
ten/ bey welchem wir doch wegen jnnstehender Waffen vnd vnge-
wissen
[858] Außganges nicht köndten recht frölich seyn? Werden
wir siegen/ so wirdt der Triumph das Beylager zieren: hat das
Ver
hängnißwas anders im Sinn/ so begehre ich der Argenis auff
etzliche wenige Tage nicht verheyrahtet zuseyn.

Meleander/ als er dieses gehöret/ war er nicht in geringerer Be-
stürtzung als Archombrotus; daß Archombrotus der Hyanisben
Sohn were; daß er Hülffe wieder den Radirobanes suchte; vnd daß
seiner Tochter Heyraht/ die er so gerne fortgestellet haben wolte/ ge-
säumet würde. In so häuffigen Gedancken stundt er zwischen Frew-
den vnd Trawren. Doch vmbfieng er sonderlich den Archombrotus/
den er auff den Nahmen Mauritanien viel destolieber hatte. Das
reiche Landt/ darinnen Meleander vorweilen auch wol verhalten
worden/ machte jhm den vermögenden jungen Herren/ dem er ohn
dieß seiner Tugendt halben von Hertzen bewogen war/ noch viel an-
genehmer. Hernach hielte er es für eine sonderliche Frömmigkeit/
daß er seiner Mutter mit Hindansetzung der Heyrhat helffen wolte;
vnwissendt/ daß diese Tugendt dem jungen hitzigen Menschen nicht
auß eigener Bewegniß/ sondern auß Zwang deß mütterlichen Befehls
herrhürete. So wuste er/ daß Radirobanes sein Todtfeindt were/ vnd
hielte es für sein Glück/ viel lieber mit jhm in Mauritanien als in Si-
cilien zustreiten. Vber
[859] diß bewegte jhn die Gefahr deß König-
reiches/ so dem Archombrotus gehörete/ vnd die Freundtschafft des-
sen Printzens dem er durch solche Verpflichtung zuvor kommen
muste; daß er also destoleichtlicher zu den Waffen zubringen war.
Derhalben verhieß er sein Bündtniß zum Kriege/ ehrete jhn nach-
mals als einer Königin Sohn höher/ vnd hielte es weiter nicht ver-
borgen/ daß er jhn zum Eydam haben wolte. Er wündtschte auch
seiner Tochter Glück/ daß sie einem so fürnehmen Fürsten solte ver-
mählet werden. Welches alles Argenis als eine Anzeigung jhres
herzunahenden Todes auffnahm: vnd sich doch dessen einig frewete/
daß deß Archombrotus Reise in Africa jhr noch einen Anstandt
vergönnete. O die verwirreten Anschläge der Menschen! Sie war
nunmehr dem Radirobanes bey sich selbst günstig/ vnd liebete jhn
wegen deß Krieges in Africa; mit Bitte/ die Götter wolten jhm Glück
verleihen; nicht so sehr daß er vberwinden/ als daß er nicht vber-
wunden werden möchte; oder ja daß beyde darüber auffgiengen.


Nachdem aber rüchtig worden/ daß der Argenis Beylager mit dem
Archombrotus nur allein wegen deß Krieges der in Mauritanien
fürlieffe zurück gehalten wurde/ kamen alle fürnehme Häupter
c d



vnd Stände jhnen Glück zuwündtschen vnd Ehre anzuthun. Sie
befliessen sich sämptlich jhm zugefallen Waffen/ Pferde vnd
Schiffe außzuzieren. Es
[860] war kein Edelmann der jhm seine
Dienste nicht antruge/ der nicht Vnkosten auffwendte/ vnd mit
vermahnung zu schleuniger Fortstellung deß Zuges dem Fürsten
sein gutes Hertz erwiese. Argenis hatte wenig Lust hiervon/ zu wel-
cher viel kamen jhre Fröligkeit zubezeugen/ weil sie Mauritanien zu
jhrer Kron brächte; lobten auch den Archombrotus/ vnd wündsch-
ten jhm von den Göttern mit jhr vnangenehmer Freundligkeit ge-
schwinde Zurückkunfft in Sicilien. Den Archombrotus aber ließ der
gegenwärtige Anschlag deß Kriegs auff seine Liebe vnd Schmertzen
so sehr nicht gedencken. Baldt lobte/ baldt ermunterte er den Fleiß
seiner Leute; sahe wie sie mit den Waffen für dem rechten Ernste
spielen lerneten; verordnete etliche/ die vber die Proviant/ die
Rüstung vnd Schiffe seyn solten. Dann nicht allein die Krafft/ son-
dern auch die Anmuhtigkeit der Hülffe bestundt in eylen; damit
Hyanisbe erführe/ vnd Argenis verstünde/ wie hurtig er were. In-
nerhalb kurtzen Tagen lag die Flotte von dreyssig Galleren außge-
rüstet zu Ancker. Der kleinen Schiffe waren Zwantzig/ zur Rüstung
vnd allerley Notturfft.


Fußnotenapparat

a seltzam = selten
b mir/] Virgel eingefügt
c Anstandt = Aufschub, Ruhe
(inducias; quelques trefues)
d auffgehen = zugrunde gehen
(occumbere)
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_2/Buch_5/III_2_76_5_II.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl