HEtte es jemandt vermeinen sollen? Dem Poliarchus/ der in sol-
chem Spiel der Fortun
seine [1024] eigene Glückseligkeit nicht glau-
ben wolte/ wardt durch den Archombrotus/ der Mittler in dem
Wesen war/
vnd jhm der Jungfrawen Handt reichte/ die Argenis
zuheyrathen Anlaß
gegeben. Argenis wardt selber Schamroth; vnd
die zuvor/ in
wehrender Wiederwärtigkeit deß Kriegs oder deß Vat-
ters gegen sie
so kühn/ so fast halsstarrig wider den Vatter gewe-
sen/ dem
Poliarchus auch folgen wolte wohin er reysete; dieselbe
erinnerte sich anjetzo da die Sache leicht war/ daß sie
eine Jung-
fraw were. Poliarchus gab jhr die Handt/ danckte dem Archombro-
tus/ vnd wunderte sich/ wie doch Archombrotus so geschwinde der
Argenis Bruder
worden. Hernach/ wie es bey grossen vnd plötz-
lichen Fällen
hergehet/ redeten sie sämptlich ohne Ordnung/ vnd
zugleich
durcheinander. Die jungen Könige geriethen widerumb in
die vorige
Liebe/ welche sich vor diesem bey der Timocleen ange-
fangen.
Meleander vnd die Princessin waren gleichsamb wider le-
bendig worden/ vnd der Fürsten Fröligkeit theilte sich auch in die
jenigen auß/ welche sie ansahen. Die Herren bey Hoff stunden baldt
gantz stille/ baldt erfülleten sie den gantzen Saal mit
jhrem Ge-
mürmel vnd vermengeten Stimmen. Es waren jhrer nach dem
Ge-
schrey mehr hinein gegangen; vnd Meleandern war diese Menge
nicht verdrüßlich. Dann
es war daran gelegen/ daß jederman von
solchen Sachen die das
gemeine Wesen zugleich betraff/ Wissen-
schafft hette.
Derowegen/ in dem jhme die Regung der Frewden
Nachdem die Herren also abgetretten/ führte er den
Poliarchus
weiter im Hofe in ein Zimmer/ vnd wolte denselbigen Abendt in
Versamblung seiner liebsten Freunde mit Frewden hinbringen.
Es
ist nicht außzusprechen/ was für Lust vnd Genügen ein jeglicher
gehabt habe. Die keusche Argenis war in Besitzung der Frucht jhrer
Beständigkeit/ [1026] vnd hatte mit
ertragung vielen Vbels zuwegen
gebracht/ daß keine eines solchen
Glücks schiene würdiger zuseyn.
Poliarchus/ der an keine Strittigkeit/ an keine Sorgen
mehr gedach-
te/ empfandt es mit grosser Wollust/ wann jhn der
Schwehervatter
außlachte/ daß er wegen der Küsse geeiffert/ die
Argenis dem Ar-
chombrotus auß Schwesterlicher Lieb gegeben hette.
Meleander
schertzte ferrner mit beyden/ vnd hieß den Archombrotus seinen
Eydam/ den Poliarchus aber Theocrinen. Archombrotus fragte die
Argenis/ was jhr als sie
jhn erkandt hette frölicher were fürkom-
men/ daß sie jhn zum
Bruder haben/ oder daß sie jhn zum Gemahl
nicht haben solte? Vnter
solchen Schertzreden kundten sie für
Fröligkeit an kein Geschäffte
groß gedencken. Aneroest legte
seinen Ernst selbst zur
Seiten/ vnd machte sich lustig. Wiewol er nur
raw bekleidet war/
ehreten jhn doch Meleander vnd Argenis als
einen König. Es wußten
von dieser Lust wenig vnter den
geheim-
a
Hernach kamen sie vom Poliarchus auff den Archombrotus/ vnd
wunderten sich auch vber
jhm vieler Sachen wegen. Daß er Fürst
in Sicilien seyn solte; daß
er Meleandern so sehr geliebet hette/ vn-
wissendt wen
er ehrte! Wie lang Hyanisbe die Sache verborgen ge-
halten; wie sie
es gleich zu rechter Zeit entdecket; wie die Götter
also vollführet
hetten/ daß es mehr einem Gedichte als der Warheit
gemäß
were. Weiter sagte Meleander von seiner Heyrath in Afri-
ca; vnd
beklagte/ so viel bey gegenwärtiger Frewde sich gezie-
mete/ seiner
Gemahlin [1029] Todt: vnd in dem er zum offtern
vnd
ordentlich alles erzehlete/ theilete er jhm die Rede ab/ welche
er
auff folgenden Tag bey der Versamlung halten wolte.
Es war spath in die Nacht/ als sie von der
Tafel auffgestanden.
Deß Morgends so baldt der Tag anbrach/ kamen
alle die sich zu Pa-
lermo befunden nach Hofe mit Zweigen vnd
Blumen gekrönet. Der
Eingang war für das Volck zu enge. Ein theil
stieg auff die Mawren/
etliche trugen eine Bühne zusammen; andere
legten Leitern an/ von
welchen hernach der Last wegen nicht
wenig zubrachen. Bey den
HoffThor wardt ein kleiner Schawplatz in
Menschens höhe auff-
gerichtet. Auff demselbigen stunden die Throne
der Könige: Zwey
vom Orte gleiche/ darauff Poliarchus vnd Meleander sassen; vnd
zwey etwas weiter hinein auff
die Seite/ für den Archombrotus vnd
die Argenis. Nachdem sich
die Könige für dem Volck sehen liessen/
vnd der Herold das Getümmel
gestillet hatte/ hielte Meleander erst-
lich etwas jnnen/ hernach fieng er
an also zu reden: Wann ich/
lieben Gäste vnd Bürger/ was böses zu
sagen hette/ so müßte ich
durch Griffe ewere Gemüter zu sänfftigen
mich bemühen. Anjetzo
aber was ist es vonnöthen/ daß ich die
Geschencke der Götter/ wel-
che sie so hoch gezieret haben/ mit
scheinbaren Worten außstrei-
che? Ich verkündige euch fröliche
Zeitung/ den Königen vnd Völ-
ckern Friede vnd Bündniß/ den Feinden
aber vnsers Names Schre-
cken/ Empörung vnd Vntergang. Ich glaub
auch [1030] nicht/ daß
b
c
d
e
Hierauff nam der Heroldt das Schreiben/ vnd fieng an also
zu
lesen: Die Königin Hyanisbe grüsset den König Meleander. Ich
weiß nicht ob ich euch sagen sol/
ewere Tugendt oder Laster sey
Vrsache gewesen/ daß ich euch biß
hieher die Frewde/ welcher ich
euch mit ewerer Verwunderung
anjetzo theilhafftig machen wil/
verhalten habe. Dann auff einer
seitten halte ich es für vnrecht/ daß
jhr die Vermählung mit meiner
Schwester Annen verborgen gehal-
ten/ auch nach jhrem Tode
nicht gefraget habet/ ob sie euch etwas
hinderlassen. Ewere Tugendt
aber hab ich also geehret/ daß ich
euch ewer Kindt nicht
zuschicken wöllen/ biß ich gesehen hette/
ob es euch also
auffwüchse/ daß es ewerer würdig were. Nunmehr
aber/ weil alles mit
seinem Geschlechte [1031] vbereinstimmet/
habe ich euch entdecken sollen; was bey mir so viel Jahr vber ver-
borgen gewesen ist. Als jhr meine Schwester Annen/ die jhr heim-
lich hattet
geheyrathet/ in ewerm Abreisen nach Sicilien bey vns
gelassen habt/
fiel sie nach etlichen Monaten/ jnner denen sie den
wachsenden Leib
mit allerhandt Künsten verdecket hat/ in schwere
Kranckheit. Wir
vermeineten es were etwas anders/ vnd suchten al-
lerley vergebene
Mittel. Weil sie aber spürete/ daß sie schwerlich das
Leben
würde davon bringen/ redete sie mich allein also an: Meine
Schwester/ ich bitte euch vmb Verzeihung einer Sachen/ in wel-
cher mein einiges Verbrechen ist/ daß ich sie verschwiegen habe.
Ich bin Meleanders deß Königs in Sicilien Gemahlin. Ich arbeite
jetzundt in der Geburt; vnd/ wo mich anders die Schmertzen nicht
betriegen/ ich werde von dem Kindbetthe schwerlich
auffkommen.
Werde ich nach meinem Todte etwas Lebendiges
hinderlassen/ so
lasse ich es zu ewerm Gefallen/ ob jhr es
erziehen/ oder seinem Vat-
ter zuschicken wöllet. Doch wolte ich
lieber/ daß es heimlich er-
halten würde: damit es nicht offenbahr
werde/ daß ich eine Mutter