SIe waren auff dem Saal/ vnd Meleander bate sie in das Zimmer ab-
zutretten/ da sie
bequemer miteinander reden köndten. Sie aber/
weil sie sahen/ daß es gute
Gelegenheit were die Sache fürzuneh-
men/ blieben sie beyde stehen/
vnd Archombrotus vbergab Melean-
dern seiner Mutter Schreiben/
mit Ersuchung solches alsbald zu
lesen. Dann er köndte nicht ehe ruhen.
Deßgleichen begehrte auch
Poliarchus. Der König wunderte sich/ was es doch müßte
anlangendt
seyn/ das in solcher Eyl bestünde/ brach also das Siegel auff/
vnd
fieng den weitläufftigen Brieff an zu durchsehen. Bald sahe
man/
daß deß Poliarchus vnd Archombrotus Gesichter wegen grosser
Verwirrung geändert
wurden. Dann ein jeglicher von den beyden
sahe das Schreiben dermassen an/
als ob an demselben sein
eusserstes Glück oder Vnglück gelegen were. Solte
die Sach anders
hinauß lauffen als Hyanisbe verheissen hatte/ solte
entweder keiner
oder ja ein vnannehmlicher Vertrag angebotten werden/ so
waren
a
Wie er nun also durch die Wichtigkeit der plötzlichen Regung
eingenommen wardt/ bath er den Poliarchus/ er wolte es nicht vbel
vermercken/ daß er
etliche verborgene Sachen absonderlich für-
nehme; zohe also den Archombrotus der sich verwunderte be-
kandter weise zu der
Tafel/ vnd vberreichte [1019] jhm der Hyanis-
ben
Schreiben. In dem er solches laß/ fiel jhm Meleander vmb den
Hals. Der junge Herr kniete
nieder/ vnd bewegte mit seiner verän-
derung deß Gesichts/ vnd gar einer
andern Art der Ehrerbietung als
er sonst pflegte/ aller Vmbstehenden
Gemüter. Sonderlich kümmer-
te diese Comedien den Poliarchus. Solte er sehen/ daß sein Gegen-
part zur
Vmbfangung vnd allerley Anzeigung der geheimsten Liebe
gefordert
würde; er aber indessen vom Meleander verlassen stehen/
vnd die Zeit mit dem Eurymedes vertreiben? Dann dieser war
Ehren halben jhm
allgemach an die Seiten getretten/ in dem Mele-
ander mit dem Archombrotus redete/ damit dieser König nicht
allein mitten
in dem Saal durffte stehen bleiben. Wie er dieses groß-
mütig bey
sich bedachte/ wardt seine grosse Vnwilligkeit noch heff-
tiger
gestärcket. Dann Argenis kam auff Erforderung deß Vatters
in die
Tafelstuben/ vnd als jhr der König etwas gesagt hatte daß die
so weit
darvon stunden nicht verstehen kundten/ fiel sie dem Ar-
chombrotus
welcher sie küssen wolte gutwillig mit beyden Armen
[1020] Der Grimm hatte deß Poliarchus Gedult schon vberwun-
den/ vnd er war
entschlossen diese jhm feindselige Frewde zuzer-
stören. Er wußte nicht
welchem er mehr fluchen solte/ Hyanisben/
Meleandern/ oder dem Archombrotus. Der Zorn wider die Argenis
erregete jhn mit
solchem wüten/ daß er sich allein mit seinem Todt
an jhr zu rechen
gesonnen war. Vnd wie die Gedancken/ sonderlich
wann sie zornig sind/ alle
Reden mit Geschwindigkeit vbertreffen/
also setzte er jhm in kurtzer Zeit
viel vnd grausame Sachen für. Ist
dieses Hyanisben Danck/ welche ich durch meine vnd der Meinigen
Wunden erhalten habe? Sie hette mir Gifft beybringen können; ich
habe mich jhrer Artzney in meiner Kranckheit gebraucht: sie hat
mich aber nicht ehe wöllen sterben lassen/ dann ich mich verachtet
vnd in meiner Gegenwart beleydiget befinden/ vnd sehen würde/ daß
die
verzauberte Argenis mir nicht allein abgesprochen were/ son-
dern auch
jhrem Sohne am Hals lege. Hastu/ Zauberinn/ mich dar-
umb
fortgeschicket/ einen so jämmerlichen Todt zu sehen? Sindt
dieses die
Schreiben/ die Verheissungen/ der Eydt den du für den
Ohren deiner
Haußgötter geschworen hast? Bin ich nicht vnsinnig/
daß ich Trew vnd
Glauben in Africa gesucht habe? Aber es sol dir
vngestraffet nicht
hingehen. Ich wil dich also bekriegen/ dich also
ängstigen/ daß
keiner von deinen Leuten auß meinen Händen ent-
rinnen soll. Was gedencke
ich tobender Mensch? was mache ich
mir Hoffnung [1021] eines Trostes/ gleich als ob ich noch lange zu
leben hette?
Siehestu nicht/ welche jetzundt baldt aber mit dir zu-
gleich sterben
müssen? Ich wil hinzu tretten/ vnd dem Hencker
das Leben nehmen/
der durch meinen Sieg Sardinien vberkom-
men hat/ vnd nun auch an meine statt
Beylager zuhalten geden-
cket; Ich wil die vnverschämpte Argenis zum
wenigsten mit seinem
Blut roth machen. Diesen Alten aber/ den Schein/ das
Gespänste
wil ich ehe erwürgen/ als jemandt jhm zu Hülffe kommen kan. Der
Argenis selber/ der Argenis/ sage ich. Vber Entschliessung
solchen
grausamen Fürhabens blieb der Armselige behalten. Warumb sol
ich aber einer vnsinnigen Jungfrawen Blut vergiessen? Sie wirdt
b
c
Er hatte genugsam Zeit auff solche vnd dergleichen rasende Ent-
schliessungen zugedencken/ in dem die ersten Liebesworte den Me-
leander/ den Archombrotus vnd die Argenis an andere Sachen nicht
gedencken liessen. Wie er nun gleich so tobete/ trat Me-[1022]lean-
der/ der vmb diese Wahnsinnigkeit nicht wußte/ zu
jhm/ vnd: Ver-
zeihet vns/ mein Gast/ sagte er/ daß vns eine vnverhoffte
Frewde
verhindert hat euch gebührliche Ehr anzuthun. Ihr werdet
viel-
leicht nicht weniger dessentwegen froh seyn/ als jhr jetzt gesehen
habt/ daß ich vnd Argenis 〈es〉 gewesen sind. Kompt her/
allerliebster
Freundt auff der gantzen Welt/ geniesset vnserer
Glückseligkeit/
vnd sehet wie wol sich dieser Tag vmb euch verdienet habe.
Poliar-
chus wardt durch diese Rede geändert/ vnd wußte in solcher
Ver-
wechslung der Gedancken nicht was er gewarten oder vrtheilen
solte; folgte also dem Meleander der jhn führte. Nachdem sie aber
bey dem
Archombrotus vnd der Argenis stunden/ fieng Meleander
nicht mit sehr gelinder Sprache/ daß es die nechsten Vmbstehenden
hören kundten/ an: O/ glückseliger/ O meinem Alter gewündschter
Tag! da ich vorhin auff der einigen Tochter beruhete/ sehe ich mich
noch mit zweyen andern Kindern die jhr gleiche sindt gemehret. Ich
mißgönne den Göttern jhr Glück nicht. Welch Mensch ist glück-
haffter
als ich? oder wem soll die kleine Zeit zu leben lieber als mir
seyn? Hat das günstige Verhängniß mir durch so viel Vmbschweiffe
vnd
harte Bedräwungen diese starcke Seulen vnd Zier meines Ge-
schlechts
fürbehalten wöllen? Lasset den gefaßten Zorn wider den
Archombrotus fahren/ O jhr grössester König; oder damit ich euch
mit einem rühm-[1023]lichern Namen nenne/ O
Poliarchus. Ich
habe ewern Haß lang gemercket. Ihr
werdet die Argenis beyde lie-
ben; vnd sie wirdt aller beyder seyn. Dann
diesen der mein Sohn ist
wirdt sie als eine Schwester meinen. Euch aber/
wann jhr nicht an-
ders gesonnen seydt/ sage ich sie zur Gemahlin zu. Dann
ob sie wol
deß nunmehr erkandten Bruders wegen meine Kron nicht erben