NAchdem aber Arsidas auß Africa zurück kommen war/ machte er
jhnen zwar
mehr Gewißheit/ aber auch grössere Gedancken. Dann
nachdem er deß
Poliarchus vnd Timonides Schreiben eingeantwor-
tet hatte/
erzehlte er jhnen nach der länge eben dieses was darinnen
stundt;
hielte sich aber sonderlich vber dem Lob deß Poliarchus auff/
wie weit sich sein Gebiet
erstreckte/ was für Kriegsvolck/ vnd welch
ein mächtiges
Schiffsheer er mit sich führete; wie ritterlich er wider
die
Sardinier gestritten hette; vnd wie deß Archombrotus Ankunfft/
nachdem er von den Wunden
fast heyl worden/ jhn mit Zorn/ Haß
vnd Eyfer entzündet hette. Wie
es auch zum Schlagen gerahten we-
re/ wann Hyanisbe nicht
darzwischen kommen/ welcher sie alle
beyde so viel zugefallen
gethan/ entweder durch Meleanders Ver-
mittelung Frieden zu machen/ oder
jhre Feindschafft in Sicilien
außzuführen. Arsidas wolte auch die Vrsachen deß Wiederwillens
nicht groß verbergen/ weil er wußte daß Timonides nicht allein dar-
von geschrieben
hette/ son-[997]dern auch Bocchus so bald er käme
jhrer offentlich erwehnen
würde. Nachdem er aber für die Argenis
kommen/ vnd jhr alles
erzehlet hatte/ wie die jenigen zuthun pfle-
gen/ welche glauben
daß man sie gern höre/ vnd abwesender Sachen
erwehnen/ wardt der
Argwohn welcher die Princessin kränckte/
leichtlich hinweg
gethan. Gobrias/ der an allen Frewden ein Theil
hatte/
suchte Gelegenheit baldt heimlich/ baldt offentlich zu der
Argenis
oder dem Arsidas zu kommen. Kurtz hernach kam auch
Bocchus/ vnd bestättigte eben dieses was Arsidas mit sich gebracht
hatte.
Meleander aber ließ alle Hoffnung vnd Anschläge/ die er
nach
Abweisung deß Radirobanes geschöpfft hatte/ fahren/ vnd war
eines
fast vnvmbgänglichen Vbels gewärtig. Gobrias were ohne
Vrsach mit seinen Galliern in Sicilien nicht ankommen. Lycogenes
vnd die Sardinier hetten jhm nicht können viel Vbels thun;
mit was
für Waffen vnd Stärcke aber köndte er auff einer Seitten
Gallien/
vnd auff der andern Mauritanien widerstehen? In solchem Zweifel
vnd
Beklagung vber sein Verhängniß ließ er den Gobrias für sich
fordern. Dieser war damals gleich
ohngefehr bey der Argenis; wel-
che nicht zweifelte/ der
Vatter würde jhn etwas fragen wöllen/ den
Poliarchus betreffendt; weil sie wußte/ daß er vber
dieser Newerung
hefftig bestürtzt were. Derhalben warnete sie ihn
für seinem Ab-
schiede/ er solte sich nichts förchten/ [998]
oder von seinem König
verschweigen. Die Sache
were nunmehr so weit gerahten/ daß man
die Larve gemach
mußte weg thun. Der jenige welchen man zum
Gobrias geschickt hatte/
erzehlte dem Könige ohngefehr/ daß er mit
der Argenis redte/ vnd
baldt zur Stelle seyn würde. Dieses machte
deß Meleanders Vermutung noch stärcker. Doch wie Gobrias kam/
sahe er jhn freundlich an/ vnd: Wol/
mein Freundt/ sagte er/ war-
umb habt jhr vns ewers Fürsten
Namen so lange Zeit verhalten?
welchem ich gewiß so sehr verbunden
bin/ daß jhr mich fast in eine
Vndanckbarkeit geführet/ vnd mir
nicht Anlaß gegeben habet/ daß
ich euch seinentwegen besser
verhalten können. Gobrias entschul-
digte sein Stillschweigen: Ihrer
Majestät were besser als einem auff
der Welt bekandt/ daß
die jenigen so mit Fürstlichen Personen in
Freundschafft stünden
jhrer selbst nicht mächtig weren: er hette
sich geförchtet etwas zu
entdecken/ von dem er nicht wüßte ob es
sein Herr lieber wolte
verborgen haben. Meleander sagte alsbaldt
darzu/ er hette vom
Poliarchus auß Africa Schreiben/ darinnen er
meldete/ er
wolte ehistes zur Stell seyn. Aber es ist schon lange/
Gobrias/ daß jhr dises wisset: Vnd darumb habt jhr mit
ewerer
Flotte allhie auff jhn gewartet. Ewere Majestät verzeihe
mir/ sagte
Gobrias/ ich habe von der Vngestümmigkeit die mich von
der an-
dern Flotte getrennet hat nichts als die Warheit
gesagt; [999] vnd
seyt derselben
Zeit weder meinen König noch seine andere Schiffe
gesehen. Darumb
aber bin ich in diese Insel kommen/ weil ich/ ob
a
b
Meleander kundte auß dem Gobrias weiter nichts erzwingen; ließ
jhn
also gehen/ vnd schlug sich in seinem geheimen Zimmer lange
mit
allerley Gedancken. Warumb nämlich Poliarchus den Gobrias
zuvor angeschickt/ warumb er mit einer solchen Flotte sich ausser-
halb Gallien begeben hette/ wann er nicht die Argenis/ vnd
vielleicht
mit jhrer Bewilligung hinweg haben wolte? Ob es nicht
auß dieser
Hoffnung herrührete/ daß Archombrotus bißher von jhr verachtet
worden? Ob
sie nicht selbst solche Vnruhe auß Gallien gefordert
hette? Es kamen jhm deß
Radirobanes Schreiben/ Selenissen Todt/
Theocrine/ Pallas/ für allen andern Sachen aber die Forcht für
seine Tochter/ ein. Vber dieses erinnerte er sich auch der Tugenden
deß Poliarchus/ die Hülffe die er jhm in Gestalt einer
Jungfrawen
geleistet hette/ vnd aller Sachen die einem Eydam wol anstünden.
Weiter machte die Scham/ weil
er jhn vertrieben/ vnd nicht ohn
Gefahr von sich gelassen hatte/
daß er jhn nicht lieben dürffte.
Dann er stundt in der Meinung/ daß
auch er [1000] billiche Vrsach
hette
jhn zu hassen oder zu verachten. Letztlich/ wann er jhn schon
zum
Eydam wolte annehmen/ so stünden jhme doch ohne das Ge-
schrey der Vnbeständigkeit die Gesetze deß Vatterlands/ welche
solche Vermählung mit den Königen auß Gallien nicht zuliessen/
im Wege; wie auch die
Macht deß Archombrotus/ in Betrachtung
der
Mauritanischen Kräfften vnd sonderlichen Gunst bey den Sici-
liern.
Er hette auch nicht vnterlassen mit seiner Tochter scharff zu
reden; weil er aber noch nicht wußte/ was die Götter zuthun ge-
meinet weren/ damit er den jenigen der vnter beyden sein Eydam
werden solte/ nicht beleydigte/ hielt er den Zorn zurücke; ohne daß
jhm ein mal im Grimm dieses Wort entfuhr: Wol/ meine
Tochter/
jhr wartet deß Poliarchus/ den jhr wenig liebet/ weil jhr jhn nicht
begehret zu sehen ehe er mit seinem eigenen oder deß Archombrotus
Blut besprützet ist. Sie zwang sich zu schweigen/ vnd ertrug es mit
stillschweigendem guten Gesichte/ als ob sie es nicht verstanden
hette. Cleobulus aber vnd Eurymedes/ wie auch die andern Herren/
hatten nicht
wenig von jhren weisen Rahtschlägen nachgelassen;
weil sie sich für
dem König besorgten/ wann sie etwas wider den
Archombrotus fürnehmen; vnd auch nicht zweifelten/ daß
sie vnter
c
Indessen segelte Poliarchus mit gutem Winde auff die Insel zu.
Die
Spitzen deß Lilybeus fiengen an sich zuentdecken; vnd kurtz
hernach als so fleissig gerudert wardt/ kundte man mit frölichem
Geschrey der Soldaten vnd Botsgesellen das Landt besser
erkennen.
Endlich hielten sie die Flotte bey der Insel Eguse an/ weil Poliar-
chus im Zweifel stundt/ ob
er Meleandern zu Syracuse/ oder gegen
Epeircte suchen solte. Es wardt aber nach Lilybeus geschickt/ ge-
wissen Bericht einzunehmen;
darauff die Antwort kam/ Meleander
were zu Palermo. Derhalben wandten sie sich gegen Drepane/ vnd
als sie für dem Agathyrsus fürüber waren/ stieß Gobrias nahe bey
der Insel Paconien mit seiner Flotte zu jhnen. Dann er schiffte
allenthalben hin vnd wider/ bereitet allen bewegungen deß Königs
nachzukommen; vnd hielte sich täglich fertig/ wann je Argenis jhm
etwas befehlen wolte. Wie Poliarchus jhn so zu bequemer Zeit an-
getroffen/
vmbfieng er jhn/ vnd wußte sich nicht frölich genugsam
zu erzeigen.
Dieser fiel auff die Knie/ küssete jhm die Handt/ vnd
war so lustig
vber der guten Gesundheit vnd Gegenwart seines sieg-
reichen
Königs/ daß weder sein kriegisches Heldengemüte/ noch
das
Alter/ noch das mannliche Geschlecht jhn vom weinen zurück
hielte.
Er fieng [1002] auch an seinen fürnembsten
Freunden wegen
deß guten Fortganges in verlauffenem Kriege Glück zu
wündschen;
als jhn Poliarchus zu sich ruffte/ vnd fragte/ was er indessen
daselbst
gemacht hette? ob er auch mit Erlaubniß deß Königs in
Sicilien
kommen? Ob er die Argenis sehen vnd mit jhr reden
können? was
letztlich sie in der Insel zuthun gemeinet/ vnd wie
starck sie weren?
Gobrias erzehlte alles von Anfange an/ vnd
ergetzte deß Königs Ge-
müte auff mancherley Wege; in dem er baldt
der Argenis Bestän-
digkeit vnd Trewe Liebe zu preisen anhub/ baldt
von dem Ge-
schrey deß Africanischen Krieges sagte/ daß jhn allenthalben
daher-
umb als einen trefflichen Siegesherren beruffen gemacht
hette. Erin-
nerte aber beynebenst/ Meleander/ wiewol er sich Leutselig zuerzei-
gen
zwinge/ dennoch wolte er jhm doch gar wol nicht. Darumb
hette er
sich auch auff Gutachten der Argenis zu der Flotte gemacht/
Die so dem Könige die erste Zeitung von deß Poliarchus Ankunfft
brachten/ kundten jhn kaum
[1003] vberreden/ daß so viel Schiffe/
vnd solche
Kriegsbereitschafft mit jhm solte kommen seyn. So wol-
te er
auch bey solcher Vngewißheit der Gefahr der Hyanisben
Schreiben wenig glauben geben/ die jhm verhiesse/ dieses Heer
wurde jhm kein Vbel zufügen. Noch hefftiger war er vber sie er-
zürnet/ daß sie den Krieg auß jhren Augen gebracht/ vnd in Sici-
lien geschickt hette. Hernach forderte er die Argenis/ vnd fragte
sie nicht mehr mit Vnwillen/ sondern mit grosser Sorge/
ob es mit
dieser Flotte wider Sicilien Krieg zu führen angesehen
were? Dann
er hette gute Nachricht/ daß Poliarchus ohn jhr wöllen vnd wissen
nichts
fürnehme. Sie gab zur Antwort/ deß Poliarchus Anschläge
weren jhr verborgen/ sie
glaubte auch nicht daß er Sicilien vbel
wolte. Im vbrigen/
ob sie zwar weiblicher List wegen vnd durch
lange Erfahrung
Weltlicher Sachen jhre heimligkeit sehr bergen
kundte/ so vermochte
sie doch jhre vnmässige Frewde nicht wol an-
zuhalten; vnd
kränckete sich nur einig darumb/ daß der Beystand
nicht auß der
Nähe ankäme/ vnd Poliarchus mit seinem Volck den
König
besuchte: dann es bedachte sie ein jeglicher Augenblick lang
zu
seyn/ so vngedultig war sie vber der Verweylung worden.
Archombrotus aber/ als ob er den König zu Syracuse
antreffen
solte/ war fast schon biß zum Pachin kommen/ als er sein
Irrthumb
hörete/ [1004] vnd die Segel auff
Lilybeus zurück kehrete. Wie Me-
leander
auch von dessen Kräfften vernam/ geriethe er in newere
vnd mehr
gewisse Forchte/ daß auff einer seitten der verliebte Po-
liarchus
tobete; vnd auff der andern Archombrotus mit den Mauri-
tanischen Kräfften
seine Heyrath zusuchen angelanget were. Man
köndte leichtlich
spüren/ daß deß Poliarchus Kampff der Hyanisbe
wegen mit dem
Radirobanes zu Ablehnung jhrer Strittigkeiten
we-
d
e
f
g
In dem Meleander also bekümmert war/ zeigete man jhm an/
daß deß Archombrotus Schiffe zu dem Poliarchus so friedlich ge-
stossen/ als ob es
alles eine Flotte gewesen. Wie er es vbel glauben
kundte/ wardt
angemeldet/ es weren Abgesandten am Port/ welche
sagten/ daß die
Könige Poliarchus vnd Archombrotus 〈sie〉 abgefer-
tiget hetten. Dann so baldt Archombrotus bey Paconien die Seinigen
zu deß Poliarchus Schiffen gebracht hatte/ begehrten die
Sicilier so
mit jhnen kommen/ vnd nach Hause zu
gelangen begierig waren/
man solte alsbaldt in den Hafen einfahren.
Aber die beyde Könige
verbotten mit gleicher Entschliessung/ es
solte kein Schiff sich
von der Flotte trennen; vnd schickten
in einem Nachen den Gelanor
vnd Micipsa zum Meleander. Er wardt bestürtzt/ daß diese Für-
[1006]sten zugleich jhre Gesanden zu jhm abgeordnet
hetten.
Wel-
h
So baldt aber Gelanor vnd Micipsa für den König/ der gleich mit
seiner
Tochter redte/ kommen waren/ wandten alle Leute die Augen
auff jhn.
Der König vmbfieng sie beyde; vnd/ weil man den Galliern
die Ehre gab erstlich zu reden/ fieng Gelanor also an: Poliarchus der
König in Gallien/ vnd Archombrotus in Sardinien/ Großmächtig-
[1007]ster König/ ligen in ewerer See bey der
Insel Paconie zu
Ancker/ vnd haben vns abgefertiget zu
bitten/ daß sie als Freunde in
den Port einfahren/ vnd euch
zugleich ansprechen möchten. Micip-
sa setzte hinzu/ Archombrotus würde keiner Versicherung begeh-
ret/
oder einen Gesandten vorher geschicket haben; wann die Sache
nicht also beschaffen were/ daß er ohne den Poliarchus in Sicilien
nicht außsteigen/ vnd den
König besuchen dörffte. Meleander gab
zur Antwort: Sicilien stünde seinen
Freunden offen. Sie solten ab-
stossen in welchen Hafen der Insel
es jhnen geliebte; er wolte sie am
Strande empfangen/ oder jhnen
auch entgegen kommen. Die Ge-
sandten sagten alsbaldt
darwider: Es würde jhren Königen am an-
genehmsten seyn/ wann er
sich sonsten nicht bemühen/ vnd jhrer
nur bey Hofe erwarten wolte.
So vermeldet ewern Königen/ hub
Meleander an/ ich thu auch dieses jhnen zu Willen/ daß
ich lieber
mein Ampt als jhr Begehren hindan setzen wil. Ich solte
zum wenig-
sten biß auff Paconien zu jhnen reisen; Weil sie es aber begehren/
so wil ich jhrer allhie gewärtig seyn. Gelanor antwortete: Es ist noch
etwas/ daß ich im
Namen meines Königes begehren muß. Ihr wisset
i
j
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[1010: Kupfer Nr. 22]