DEr Heroldt war fast heisser worden vber dem
lesen; worauff ein
grosses Getümmel von dem schreyen deß Volcks
wardt. Etliche
hatten es gehört; andere machten die so darumb
wußten jrr mit
jhrem fragen. Viel kunden das Schreiben nicht
verstehen; dessen
sich dann Meleander besorgte/ vnd die Sach selber erklärte. Er
widerholte die gantze History seiner Jugendt: wie er auff
seines
Vattern geheiß deß Königs der Brutier Tochter erstlich geheyrathet
hette/ welche
vnfruchtbar gewesen/ vnd Sechs Jahr hernach an einer
Wunden/ die
sie an einem Ast gerissen/ als sie auff der Jagt vom
Rosse
gestürtzet/ verschieden were: Damals were er noch bey Leben
deß Vatters Fünff vnd dreyssig Jahr alt gewesen. Zur selbigen Zeit
hette gleich Juba/ der Sicilier guter Freundt/ in Mauritanien regie-
ret/ an dessen Hoff er sich mit
wenigen Leuten begeben/ zu ab-
wendung der Trawrigkeit/ welche jhme
durch seiner Gemahlin
Todt verursacht worden. Hernach sagte er/ daß
Juba [1038] zwey
Schwestern gehabt. Die ältere Hyanisbe sey mit dem Syphax einem
grossen Herrn selbigen Landes
verheyrahtet worden; der jüngeren/
so Anna geheissen/ habe Cyrthus ein Numidier auffgewartet/ so ein
mächtiger
Mann/ daß jhm Juba/ wiewol er jhme nicht günstig war/
doch nicht
durffte zuwider seyn. Indessen were er gegen diese An-
nen
in Liebe gerahten; wie jhm dann auch sie günstiger als dem
Numidier
gewesen. Derhalben hetten sie heimliche Heyrath mitein-
ander
getroffen: vnd sie jhm gerahten/ ehe er sich offentlich an den
Numidier machte/ solte er zuvor Volck in Sicilien zusammen brin-
gen; darumb er dann auch nach Hause gesegelt were. Daselbst
hette jhn seines Vattern Todt verhindert/ daß er zu rechter
Zeit in
Africa widerumb nicht seyn können. Inner diesem were
jhm Zei-
tung von der Annen Todt zukommen/ derhalben er sich mit verlas-
sung Mauritanien in ein Sicilisches Fräwlein/ seines Vettern
Toch-
ter/ verliebet hette; von welcher Argenis sey. Das vbrige
habt jhr
auß der Hyanisben Schreiben/ sagte er/ meine Bürger/ wie sie
näm-
lich nach dem Bruder Juba das Königreich vberkommen/ vnd wie
mir Anna
diesen Sohn geboren habe. Die Zeichen der Warheit hat
Hernach sahe er den Poliarchus an/ vnd: Wie soll ich euch aber/
sagte
er/ nennen/ O jhr grössester [1039] vnter allen
Königen?
dem wir zudancken haben/ daß wir leben vnd regieren.
Ihr habt
mich/ jhr habt die Argenis auß den Banden errettet/ als
deß Lycoge-
nes Leute im Frawenzimmer raseten. Ihr seydt in der
Schlacht
meinen Soldaten zum Siege fürgegangen; habt allein die
Feinde er-
leget. Hernach seydt jhr mit meinem Schaden/ vnd mit
meiner
Schande/ jhr wendet gleich ein was jhr wöllet/ auß
Sicilien gewi-
chen. Dennoch ist das Vnrecht so jhr von vns
gelitten/ so groß als
ewere Gedult nicht gewesen. Ob jhr schon
beleydigt waret/ so habt
jhr doch nicht auffgehört die Argenis zu
lieben. Sol ich ferrner sa-
gen/ wie jhr durch leytung der Götter
die Zeichen/ welche mir mei-
nen Sohn zeigen/ vnd jhm seinen
Vatter widergeben/ bey den Räu-
bern gefunden/ vnd mit ewerer
Stärcke erobert habet? Den Sieg
vber den Radirobanes belangendt/ so gibt ewer bleiches Gesicht
vnd das Blut so jhr noch nicht wider bekommen/ vnd darumb ver-
giessen wöllen/ damit der böse Mensch Africa nicht einbekäme/ ge-
nugsame
Anzeigung ewerer gehabten Mühe vnd Arbeit. Gefiele es
den Göttern/
daß euch ein Namen behagte/ der meine vnterdienst-
liche Pflicht
gegen euch zuverstehen gebe. Ihr wöllet mich aber lie-
ber ewern
Schweher nennen. Wie glückselig ist Argenis wegen
solcher Heyrath!
Ihr habt zwar mit ewerer Tugendt vnserer Vorfah-
ren gar zu
forchtsame Fürsichtigkeit verdammet/ die der Gallier
Hoheit dermassen scheweten/ daß sie den Sicilischen [1040] Fürsten
ewere Heyrathen vntersagten; als ob solche
Verwandschafft einer
Dienstbarkeit gleich were. Ihr habt Verdienst/
daß man solches Ge-
setze mit allgemeiner Bewilligung abschaffe.
Aber die Götter machen
euch selbst/ daß man von der Ordnung
nicht weichen darff. Dann
sie haben mir meinen Sohn widergegeben/
auff den Sicilien fallen
soll. Meine Tochter Argenis wirdt nicht
geringeren Zustands seyn/
vnd Sardinien sampt Ligurien vberkommen; welche Königreiche
sie mit gutem Verlaub vnserer Satzungen zu ewerem Gallien brin-
gen soll. Nachmals bath
Archombrotus/ wie beschlossen worden/
der Vatter
wölle jhm zu reden erlauben. Fieng darauff also zum Po-
liarchus
an. Die Besitzung Sardiniens darinnen ich bin/ ist sie nit
die
Frucht ewers Sieges? Ihr habt diese Insel in Africa bestritten.
Ich bin nur zum Triumph kommen.
Derwegen jhr/ liebste
Schwe
Wie sie gleich in den Tempel gehen wolten/
tratt deß Nicopom-
pus Sohn kaum von Zehen Jahren durch Anleitung
deß Vattern
zur Argenis/ vnd vbergab jhr ein HochzeitGetichte das
der Vatter
gemacht hatte/ mit anmutiger freyer Vermeldung/ er were
selber
der Erfinder. Meleander ruffte jhm/ vnd hieß jhm vnd dem Poliar-
chus auch eins geben/ wie dann der Knabe schon in der Handt
trug; fragte also/ wer es geschrieben hette/ vnd machte/ daß der
Knabe mit lachendem Munde etlichmal liegen mußte. Es waren we-
nig Verse/ als für Fürsten/ vnd zwar vnmüssige; derhalben wurden
sie von vielen gelesen:
Die Schlachtopffer waren in der Lucinen Tempel bereitet:
so wol
die Priester vnd Leute deß Heiligthumbs/ das Beylager
zufeyern.
Das Volck auff den Wegen sang HochzeitLieder. Vnd weil
Argenis
keine Mutter hatte/ welche die Fackel für der
Tochter hertragen
können/ wardt auß Fürbitte deß Poliarchus vnd Archombrotus
diese Ehre der Timocleen angethan. Nach anruffung der Götter der
Fröligkeit/ vnd sonderlich der Beschützer deß Fewers das der Arge-
nis welche verhüllet war fürgetragen [1044] wardt/ als das Messer
schon an die Opffer gelegt wardt/
bate Poliarchus die Priester ein
wenig jnnen zuhalten/
vnd redte mit einem Gesichte/ daß wegen
Glückseligkeit deß Tags
Majestätischer außsahe/ den Archombrotus
also an: Im Fall ich verdienet habe/ daß jhr mir glaubet/ mein Bru-
der/ so thut es mir wehe/ daß ich mich verheyrahten vnd euch erst
hernach eine Gemahlin suchen lassen sol. Ich habe eine
Schwester
von solcher Schönheit vnd Natur/ dadurch auch eine vnedle
köndte
hoch gehalten werden/ ohngefehr von zwantzig Jahren. Wann
jhr
vnsere Freundschafft noch mehr zu bekräfftigen begehret/ so wil
ich sie euch zur Ehe geben. Vnd weil sie vnserm Landsgebrauch
nach kein theil deß Königreichs erben kan/ als sol die
Morgengaabe
Sechs hundert Talent bahr seyn. Meleander hörete dem Gespräch
zu/ vnd fragte den
Archombrotus (der nicht so sehr zweifelte ob er
solche Antragung/ die jhm sehr wolgefiel/ annehmen solte/ als daß
er dem Vatter frey ließ jhm eine Gemahlin zuerwehlen) ob er jhrer
mit dieser Bedingung begehrte. Wiewol auch Argenis wegen
Schamhafftigkeit der Ceremonien sonst nichts redete/ doch hatte sie
Poliarchus vermahnt/ jhren Brudern zubewegen/ damit er
solch
Bündniß möchte annehmen. Er gab außdrücklich zur Antwort/
daß es jhm sehr lieb were/ vmbfieng den Poliarchus/ Vnd: O aller-
glückseligster
König/ sagte er/ jhr seydt meinem Begehren zuvor
kommen. Welcher
Gott hat euch die Heimligkeiten meines Gemüts
entdecket?
[1045] Derhalben wünsche ich/ daß eben bey dieser
Opfferung vnsere Vermählung geschehen möge: jhr könnet/ wann
es euch geliebt/ die Trew für eines vnd das andere Theil
versprechen.
Die Priester wurden erinnert/ daß sie jhre
Einsegenung duppelen
Indessen nahm man das Eingeweyde für die Götter herauß/
vnd
als die Hostien/ von deren einer die Leber in ein Häutlein
gehüllet
gewesen/ dem Zeichendeuter gefielen/ ward Weyrauch
angezün-
det/ vnnd die Verlobeten tratten zu dem Altar. Nach
Vollbringung
der heiligen Ceremonien wandten sie sich wieder nach
Hofe/ als
Aneroest jhnen vnter dem Eingange deß Tempels entgegen
kahm/
bleich im Gesichte/ vnd voll Geistes künfftige Dinge zusagen.
Dann
die Götter hatten sein heiliges Gemüte eingenommen.
Derhalben
erschütterte er das Haupt so von Göttlicher Rührung
erfüllet war/
vnd/ ich wündsche euch Glück/ sagte er/ O jhr Könige/
jhr Sorge
der Götter/ welche das Verhängniß bißher gekräncket hat/
nunmehr
aber wird erfahren lassen/ [1046] daß kein grösser Genügen als die
Tugendt sey? O Meleander/ Glückseligster Alter/ verweiset es den
Göttern ja nicht/ daß sie etliche Jahre euch mit Kriege vnd einhei-
mischen Auffstande beleget haben. Ihr seydt noch in lebhaffter
Stärcke/ könnet noch lange Zeit leben/ werdet weder offentlich
noch zu Hause etwas fürchten dürffen. Bald werdet jhr Hyanisben
in Africa sehen/ vnd baldt in Sicilien annehmen. Alle
Empörung/
alle Hinterlist sol weit von euch seyn. Ewer Alter/ vnd
deß Archom-
brotus Jugendt wirdt durch jhr Ansehen vnd Schrecken
alle vnter
sich bringen. Ihr sollet jhn vber die Brutier/ Lucaner/ vnd das
Epireische Vfer
triumphieren sehen. Seine Kinder sollen in ewren
Armen
auffwachsen/ vnd Sicilien eine grosse Anzahl Fürsten ge-
ben. Ewre
Tochter so nun in Gallien gehöret wirdt euch nicht lieber
seyn als
die Gemahlin ewres Sohnes so darauß kommen sol. Vnd
jhr Poliarchus vnd Argenis/ jhr Ziehr dieser Zeit/ verhoffet
allhier
nicht zuhören/ was für Belohnungen ewerer Trew vnd Tugendt
euch
bereitet sindt. Ich weiß viel nicht; vnd viel muß ich
verschweigen.
Das Verhängniß verschweiget ein Theil ewerer
künfftigen Glück-
seligkeit den Göttern selbst/ damit sie euch
nicht etwan beneyden
möchten. Doch von vielen höret dieses wenige.
Die Liebe so euch
heute zusammen giebet/ wirdt euch vnbeleydiget
biß in ein
voll
ENDE.
[[1048] = Vvv4b: leer]