116 Sz 111
Dü 112
1630
Hercinie
Einzeldruck X: Von X existiert nur eine Ausgabe, die aber in zwei
Ausführungen
vorkommt. Der Unterschied besteht einzig im Wort-
laut des Titelblattes.
Ausführung a: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her-
cinie.
Ausführung b: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her-
cinie. | Gedruckt zum Brieg/ | In verlegung David Müllers Buch- |
handlers in Breßlaw.
1630. [Kolophon auf Bl. [I2a], identisch in
beiden Ausführungen]
Gedruckt in der Fürst- | lichen Stadt Brieg/
durch | Augustinum Gründern. | A. C. 1630.
4°: A–I2. Exemplare: Ausführung a – Genève BB; Ausführung b
– Genève BB;
Breslau (drei); Göttingen UB; Yale UL, FdF 218
Gliederung: Bl. [A1] Titelblatt,
Rückseite unbedruckt. A2a (=
S. 3) bis A3b (= S. 6) Widmung an Hans Ulrich, SchaffGotsch ge-
nannt. S. 7 (= Bl. A4a) bis S. 66 (= I1b) der Text des
Werkes, Prosa
mit eingelegten Versen. Bl. I2a (= S. [67]) Kolophon; I2b unbe-
druckt.
Der Druck ist einfach und relativ sorgfältig hergestellt. Die ver-
wendete Schrift
ist die Mittelfraktur; die Gedichte sind fast alle (au-
ßer S. 37) aus der
Cicerofraktur gesetzt. Die normale Prosakolumne
enthält 29 Zeilen, doch kommen
Seiten zu 28 und 30 Zeilen vor. Das
Büchlein weist nur drei Verzierungen auf: ein
kleines Ornament am
[Seite 509]
Ende, S. 66, aus 8 Röslein, 1,0 × 2,5 cm; eine zusammengesetzte
Zierleiste, 1,1 × 10,6 cm, über den vier Zeilen des Kolophons und
eine
Arabeske, 5,8 × 7,1 cm, darunter: Widderköpfe l. und r. oben,
in der Mitte
ein weibliches Gesicht. Keine Kolumnentitel, keine Zei-
lenzählung, kein
wechselseitiger Einzug von Reimpaaren bei den
Alexandrinergedichten. Das Manuskript
scheint auf zwei Setzer
verteilt worden zu sein: auf S. 37 wird der Anschluß der
zweiten
Partie erst durch die Verwendung einer kleineren Type für die
Prosa
und einer noch kleineren für die ersten sechs Zeilen des Ge-
dichts ermöglicht.
Bei den Kustoden kommt es sechsmal vor, daß das Merkwort in
größerem Typengrad
gesetzt worden ist als das dann folgende An-
schlußwort; außerdem erscheinen
folgende Unregelmäßigkeiten:
S. 20 dann 21 Dann; 23 Dkf
rrzehl- 24 erzehlten; 26 erwehnte 27
erwehnete; 43 Dkf Der
44 Den; 54 Wann 55 wann. Kustoden fehlen
S. 14 u. 55. Die Seitenziffern stehen 1.
und r. an den oberen Außen-
rändern; keine Zahlenangaben auf S. 1 und 2 sowie 67.
Alle zu er-
wartenden Blattsignaturen sind fehlerfrei vorhanden; Titel- und
Kolophonblatt sind unsigniert.
Das weniger häufige Vorkommen von Fassung a läßt sich vielleicht
so erklären:
während der Arbeit an Bogen A bemerkte man in der
Druckerei Gründer, daß der
Verleger nicht genannt war. Die Kor-
rektur wurde vorgenommen und die restlichen
Bogen ausgedruckt,
ohne daß die schon fertigen eingestampft wurden.
Von Xb liegt ein im Format leicht verkleinerter Reprint vor: Mar-
tin Opitz, Die Schäfferey ... herausgegeben und eingeleitet von Karl
F. Otto, jr. (Nachdrucke dt. Lit. des 17. Jh.s, Bd. 8), Herbert Lang,
Bern 1976.
Der zweite authentische Druck befindet sich in der Sammlung F II
(1644). Die Hercinie steht dort als letztes Werk des Vierten Buches
der
Poetischen Wälder von S. [397] bis 464
wie folgt: [397] der Son-
dertitel
MARTINI | OPITII | Schäfferey/ | Von der Nimfen Herci-
nie. [Kleines Ornament, 3 Eicheln um (o) gruppiert]a. Die Kolum-
nentitel beginnen auf S. 398 und laufen bis
463: Mart. Opitij Vierd-
tes Buch || Der Poetischen Wälder.
Nur auf S. 464: M. Op. IV.
[Seite 510]
Buch/ der Poet. Wälder. Druckfehler: S. 419 Dtr statt Der.
Auf
S. 398, unter einer zusammengesetzten Kopfleiste, 0,7 × 7,4 cm, die
Widmung bis S. 401. Von 402 an, unter einer einheitlichen Kopflei-
ste, 1,9
× 7,0 cm, das eigentliche Werk. Pro Seite 32 Zeilen Prosa;
die Gedichte auch
hier meist aus einer kleineren Schrift gesetzt. Auf
S. 464, etwas oberhalb der
Mitte, das auf den Band II zielende Wort
ENDE. Darunter ein Dreiecksornament, 3,9 × 5,1 cm, mit schraf-
fierten Bestandteilen. Dieser Abdruck ist in dem von
Erich
Trunz
betreuten Reprint von F II leicht zugänglich.
Die Herstellung des Druckes F geschah weniger sorgfältig als die
des Erstdruckes.
In F wimmelt es von Setzerfehlern, Schlimmbesse-
rungen und Versehen. Andererseits
finden sich aber auch Beispiele
für auktorielle Änderungen, wovon hier einige
erwähnt seien (Anga-
ben nach der Seitenzählung von X aber zumeist in der
Schreibung
von F; Hervorhebung durch Kursivschrift): S. 25 dein erschöpfftes
Vatterland [Zusatz] Buntzlaw ist ...; 27 Historien mit
[getilgt] klei-
nen Muscheln ...; 36 Herr Caspar [statt zue Trachenberg] / so das
Lähnhauß
gehalten; ibid. eine hochverständige [statt hoffverstän-
dige] Gemahlinn; 54 die zarten Rinden [statt birken] hier | Die Bir-
cken [statt
fichten] lassen ... u.s.w.
Weitere Abdrucke der Hercinie finden sich in den Werk-Ausga-
ben von 1645 und 1689 (1690); diese halten sich an den Wortlaut von
F II. Bei
Bodmer und Breitinger (1745) geht dem Werk selbst eine
längere kritische
Untersuchung voraus, S. 519–29, in der die
Schweizer das Wunderbare der Hexenszene
herausstellen und be-
dauern, daß Opitz sich nicht eingehender mit der Gestalt des
Berg-
geistes Rübezahl befaßt habe. Die spärlichen Anmerkungen regi-
strieren die
Abweichungen in F und bringen einige Erklärungen zu
Personen und Sachen.
Triller (1746) erwähnt in seiner charakteristisch gönnerhaften
Weise
mancherlei Quellen und Vorlagen, besonders aus der klassi-
schen Literatur.
Tittmann (1869) wie Oesterley in der DNL (1889)
läßt die Widmung weg.
Für die Ausgabe bei Reclam, Stuttgart 1969,
ist Peter Rusterholz verantwortlich; sein Nachwort verdient beach-
tet zu
werden. Der schon erwähnte photomechanische Reprint von
Karl
F. Otto jr. (1976) stellt die bisher umfangreichste Ausgabe dar;
sie
enthält u. a. eine Einleitung, die auch die Nachwirkung der Her-
cinie berücksichtigt, ferner Erläuterungen, Gedichtanfänge, ein
Verzeichnis der Druckfehler u. s.w. In der Anthologie Die
deutsche
[Seite 511]
Literatur, Texte und Zeugnisse, Bd. III:
Barock, Beck, München
1968, S. 704, bringt
Albrecht Schöne nur das Schlußgedicht »Auff
jhr klugen Pierinnen«.
In der erhaltenen Korrespondenz des Dichters findet sich nur
spärliche Auskunft
über dies Werk. In einem von Breslau aus an
Buchner gerichteten Briefe vom 31. Dezember 1629 überrascht
Opitz den
Wittenberger Freund durch diese Mitteilung: »Nunc au-
daciam meam
vide, qui clarissimum nomen tuum meis schedis adji-
cere ausus fuit.« Die Rolle
eines Sprechers in der Hercinie werde
Buchner nun nicht mehr ablegen können. Der andere
Gesprächs-
partner, Nüßler, lasse grüßen. (Venator wird nicht erwähnt.) Opitz
hofft auf Buchners Verständnis:
»aut enim minus recte vales, aut
minus me amas. Res est solliciti plena timoris
amor«. Ende Februar
werde er über Leipzig und Hamburg nach Paris reisen. Vor dem
Tore stehe im Augenblick schon das Pferd, das
ihn nach Glatz beför-
dern solle (Geiger 57).
Die Entfernung Breslau–Glatz beträgt in Luftlinie etwa 80 km,
war also zur Not und
bei gutem Wetter in einem längeren Tagesritt
zu bewältigen. In der Tat ist die
Widmung der Hercinie »zue auß-
gange des 1629. Jhares«,
d.h., den 31. Dezember, datiert. Opitz
kann sich also ohne dichterische Freiheit
dieses hervorstechenden
Datums bedient haben. Wir sind leider nicht über Tätigkeit
und
Reisen von Hans Ulrich von Schaffgotsch in genügend Detail unter-
richtet, daß
ein Aufenthalt in Glatz an diesem Tage verifiziert wer-
den könnte. Falls er sich
in Glatz befand, hielt er sich gewiß in der
dortigen Residenz des Fürsten Heinrich
Wenzel von Münsterberg
auf; dieser war gut kaiserlich gesinnt und stand auf freundschaftli-
chem Fuße
mit Karl Hannibal von Dohna. Wahrscheinlich über-
reichte Opitz dort also
Hans Ulrich eine Abschrift, wenn nicht schon
ein gedrucktes Exemplar der Schäfferey, wie zu Ende der Widmung
angegeben.
Bibliographische Angaben der Sekundärliteratur finden sich bei
Trunz’ Reprint von Opitz Geistliche Poemata 1638,
Niemeyer, Tü-
bingen 1975, S. 36*, bei Rusterholz und Otto. Ferner zu beachten
sind: Eine Analyse von Klaus
Garber in Der Locus amoenus und der
locus
terribilis, Böhlau, Köln 1974, S. 111–16, auch 18, 28 etc.;
ders. »Martin
Opitz’ ›Schäferei von den Nymphe Hercinie‹ [als]
Ursprung der Prosaekloge und des
Schäferromans in Deutsch-
land«, Daphnis 11 (1982),
547–603, mit außergewöhnlich vollstän-
[Seite 512]
digen bibliographischen Hinweisen in den Anmerkungen;
Leonard
Forster, »Martin Opitzens ›Schäfferey von der Nimfen Hercinie‹,
eine nicht nur arkadische Pionierarbeit« in
Theatrum Europaeum,
Festschrift für
Elida
Szarota, Fink, München 1982, S. 241–51.
Siehe auch Gel 166–75. Einen
weiteren Bericht zur Nachwirkung
liefert
Anthony
J. Harpers Artikel »Zur Opitz-Rezeption in Leipzig:
Eine frühe
Leipziger Schäferei in der Nachfolge der ›Schäfferey von
der Nimfen Hercinie‹«,
Dafnis 11 (1982), 605–12.
Die Rückseite des Titelblattes – unbeziffert – zählt als S. [2].
af
ES lieget dißeits dem Sudetischen gefilde/ welches Böhaimb von
Schlesien trennet/ vnter dem anmutigen Riesenberge ein thal/ de-
ßen weitschweiffiger vmbkreiß einem halben zirckel gleichet/
vndt mitt
vielen hohen warten/ schönen bächen/ dörffern/ maier-
höfen vndt
schäffereyen erfüllet ist. Du köndtest es einen wohn-
platz aller frewden/ eine
fröliche einsamkeit/ ein lusthauß der
Nimfen vndt Feldtgötter/ ein meisterstücke
der Natur nennen.
Daselbst befandt ich mich/ nach dem ich die zeit zue
vertreiben/
vndt meinen gedancken desto freyer nach zue hengen/ vor zweyen
tagen von einem andern orte/ welcher eben mitt diesem gebirge
gräntzet/
vndt des außgestandenen vbels wegen bey jtzo schwe-
benden jämmerlichen kriegen/
nicht vnbekandt ist/ entwiechen
war.
ai
[Seite 517]
Der Monde machte gleich mehr stunden zue den träwmen/
Der
stock stundt ohne wein/ das obst war von den bäwmen/
Der strenge Nortwindt
nam den püschen jhre ziehr/
Vndt auff die Wageaj tratt der Scorpionak herfür;
Mitt einem worte: Es war zue ende des Weinmonats/ als
die hirten
im felde ein fewer zue machen/ vndt der ackersmann/ welcher nun
vber winter außgeseet/ seinen rock herfür zue suchen begundte.
Ich war
vorige nacht auß müdigkeit beydes von sorgen vndt dem
wege so harte
entschlaffen/ daß ich nicht erwachte/ biß die muter
der gestirne die
Nacht verruckt war/ vndt die schöne Morgenröthe
anfieng sich vndt zuegleich
alles mitt jhr zue zeigen.
Vndt kanst du dennoch/ fieng ich wieder mich selbst an/ der-
[8] maßen auff guetes vertrawen ruhen/ nach dem du zu gehor-
samben dem jenigenal/ dem du
freylich das beste theil deiner wol-
farth zuedancken hast/ der dich
singen letßt was du wilt/ von der-
selbten gewiechen bist/ ohn welche dich
keine fröligkeit ergetzte/
vndt mitt welcher dich kein vnfall betrübete? Oder/
schläffest du
darumb/ damit sie dir/ weil du jhrer gegenwart nicht genießen
kanst/ zum minsten durch die wolthaten eines trawmes könne ge-
zeiget werden? Vnter dieser rede sprang ich auff/ vnd grüßete die
lieblichen
stralen der Sonnen/ welche von den spitzen der berge
herab blincketen/ vndt
mich gleichsam zue trösten schienen; wor-
über ich dann in meinung mir selber
ein hertze zue machen/ auff
diese worte gerhiete:
Weil mein Verhengniß wil/ vndt lest mir nicht das glücke
Bey dir/ mein Augen trost/ zue leben nur allein/
So giebet zwar mein sinn sich mitt gedult darein/
Doch sehnt vndt wündschet er auch stündtlich sich zuerücke.
am
an
ao
ap
aq
ar
[Seite 518]
5 Es ist ja lauter nichts wo diese schöne blicke/
Diß liecht das mich verblendt/ des güldnen haares schein
Das mein gemüte bindt/ diß lachen nicht kan sein/
Der mundt/ vndt alles das wormit ich mich erquicke.
Die Sonne macht mir kalt/ der tag verfinstert mich;
10 Ich geh’/ vndt weiß nicht wie; ich geh’ vndt suche dich
Wohin du nie gedenckst. was macht mein trewes lieben?
Ich seh’ vndt finde nichts; der mangel deiner ziehr
Hatt alles weg geraubt: zwey dinge sindt noch hier:
Das elendt nur/ vndt ich der ich darein vertrieben.
Aber/ sagte ich weiter/ was beschuldige ich mein Verhengniß?
fliehe ich nicht auß eigener wahl für jhr/ vndt für mir selbst? Wo-
ferren du mir meine augen/ so durch die deinigen geraubet sindt/
wiedergiebest/ verhoffe ich/ mein Liecht/ dich zue sehen/ ehe
5 noch das auge der welt die Sonne in das herzuerückende jhar se-
[9]hen wirdt. Was für ein Verhengniß aber wil ich kurtz hernach
anklagen? was für eine hülle werde ich finden/ zue bedeckung de-
ßen verbrechens/ daß ich mein Vaterlandt mitt so weit entlegenen
Provinzen vertauschen/ die meinigen sampt dem größeren theile
10 meines hertzens hinter laßen/ vndt mich in ein freywilliges elendt
verjagen wil? Es ist eine böse gewohnheit/ das wir menschen ge-
meiniglich auff das glück schelten/ welches wir vns doch auff dem
eigenen amboß unserer boßheit geschmiedet haben:as
oder wollen
die zeit für gerichte laden/ die/ wann sie ie was böses begehen kan/
15 nichts ärgers thut/ alß daß sie sich uns so reichlich vndt milte ver-
leihet. Armer schäffer! Wilt du lieben/ warumb bleibst du nicht wo
du wirst geliebet? Oder gedenckest du der liebe zue entfliehen/ so
entfleuch erstlich deiner eigenen person/ vndt laß das gemüte zue
lieben daheimbe; wo du anders nicht einen krancken mitt dir füh-
20 ren/ vndt seine siecheit durch die bewegung mehr erwecken wilt.
Soll dir ie die freyheit/ welche dir von kindtheit an gefallen/ zue
theile werden/ so sey nicht allein anderswo/ sondern auch anders/
vndt segele mitt gebundenen augen vndt verstopfften ohren zue
at
au
av
aw
ax
ay
[Seite 519]
der gedult dem hafen des kummers/ welche dich sampt jhrer mu-
ter der zeit in gewündtschte sicherheit setzen kan.
Mitt solchen vndt dergleichen gedancken schlug ich mich eine
lange weile/ biß ich in dem hin vndt wieder gehen nahe bey einem
5 klaren quelle/ das mitt anmutigem rauschen vndt murmeln von
einer klippen herab fiel/ zue einer glatten vndt hohen tannen kam
die mir dann bequem zue sein schiene/ ein gedächtnüß meiner
sorgen zue verwahren. Schnitte ich also auff jhre rinde nachfol-
gendts
Sonnet.
az
Es ist gewagt; ich bin doch gantz entschloßen
Jetzt noch ein mal zue laßen vnser landt/
Vndt hin zue ziehn wo auch ist mordt vndt brandt/
Wo auch das feldt mitt blute wirdt begoßen.
5 Es ist gewagt; heißt aber diß genoßen
Der liebe frucht? ist diß das feste bandt
Der waren gunst? schläfft deine trewe handt?
Ist deiner lust gedächtniß gantz verfloßen?
Wo bleibet dann der mundt/ die augen/ dieses haar/
10 Vndt was sonst mehr dein trost vndt kummer war?
Was thue ich dann? ich bin selbselbst verlohren
Verlier ich sie: verbleib’ ich dann allhier
So ist doch nichts als wanckelmuth an mir:
Ich habe recht den wolff jetzt bey den ohren.
ba
Ich schnitzte noch über dem letzten worte/ als mir ein
liebliches
gethöne vnterschiedener querpfeiffen vndt wolldingender music
zue ohren kam. Wiewol ich mich nun besorgete/ daß durch solche
ankunfft
anderer mir meine einsamkeit/ bey der ich mir jetziger
beschaffenheit nach
nicht ließ übel sein/ möchte abgestrickt wer-
den: so zwang mich doch
die begiehr die jenigen zue erkennen/
welche der schönen einstimmung wegen
entweder der Musen
söhne/ oder auch die Musen selbst zue sein schienen/ daß
ich
bb
bc
bd
be
bf
[Seite 520]
jhrer/ weil sie sonderlich gerichts auff mich zue giengen/
erwar-
tete. Wie ein plötzliches vndt großes liecht die augen für seinem
schimmern nicht sehen leßt/ also blendete vndt verwirrete mir die
unverhoffte doch gewündtschte gegenwart der berhümbten hir-
ten/
vndt meiner vor diesem liebsten mitgesellen/ Nüßlers/ Buch-
ners vndt Venators/ hertze vndt sinnen. Seidt jhr es/ sagte ich;
oder muß
auch ewer schaten mein fast erliegendes gemüte auff
zue richten an diesen ort
kommen/ dahin ich nicht allein von allen
menschen/ sondern [11]
auch von allen geschäfften entwiechen
bin? Ja/ wir sindt
es/ hub Venator an/ vndt ich für meine person/
habe endtlich zue wercke
gerichtet/ was ich dir längst gedrewet;
auch vnserem Buchner/ wiewol er kümmerlich einen gefunden/
dem er seine herde
indeßen vertrawen können/ dennoch anlaß
gegeben/ dich vndt deinen Nüßler/ der
sich dir zue gefallen auch
mitt vns hieherwerts erhaben hatt/ heim zue
suchen.
Hierüber empfingen wir einander sämptlich. Vndt du Bruder/
fieng ich wieder Buchnern an/ bist mir ein angenemer gast in die-
sen
orten. Ich zweiffele nicht/ sagte er; aber du mir ein flüchtiger
wirth. Jetzt
habe ich erfahren/ daß der jenige niergendt sey/ der
allenthalben
ist.bg Es hatt seinen ort/ sagte Nüßler/ daß du
dem/ der
es so gnädig mitt dir meinet/ folge zue leisten/ von den grünen
wiesen vndt fruchtbaren feldern vnserer Hauptstadt dahin gewie-
chen bist/
wo wir dich ehegestern gesucht/ vndt von dannen wir
der trifft nach hieherwerts
gegangen sindt. Welche notwendigkeit
aber leget dir auff/ die zeit
dermaßen absonderlich zue verschlie-
ßen/ vndt in solcher einsamkeit herumb zue
wandern? Du weißest
wol/ gab ich zur antwort/ daß ein mensch der gedancken
hatt/ nie-
mals weniger allein ist/ als wann er allein ist.bh Vnd was sindt es für
bi
bj
bk
bl
bm
bn
bo
bp
[Seite 521]
gedancken? sprach Venator: solten sie wol an jener tannen ste-
hen? (dann sie
hatten mir von ferren zuegesehen. ) Wie gern ich sie
auff was anders leiten
wollen/ traten sie dennoch hinan/ vndt la-
sen. Zwey wiederwertige dinge/ sagte
eben er Venator; lieben/
vndt reisen. Ich habe freylich gehöret/ daß du
deinem Vaterlande
auff etzliche monat guete nacht geben/ vndt in dem
königreiche
darauß ich newlich abgereiset binbq/ die ziehr der städte/ die
schule der leutseligkeit/ die
muter der gueten sitten auff der insel
der Seyne begrüßen wilt. Es wirdt dich
aber der strenge dienst/ in
dem du dich befindest/ [12]
nicht weit kommen laßen. Der jenige
gab ich zur antwort/ dem ich
getrewlich auff zue warten verbun-
den bin/ ist so gar mitt mir zue frieden/
daß er mir nicht allein
diesen spatzierweg zue erlauben/ sondern auch allen
gnädigen
vorschub zu thun auß gewöhnlicher leutseligkeit vndt liebe gegen
mir verheißen hatt. Hieran ist kein zweiffel/ sagte er; wann ich
aber
dem bawme gegenüber glauben soll/ so steckest du in einer
solchen
dienstbarkeit/ welche dir dem bedüncken nach so ange-
nem ist/ daß du jhr deine
freyheit/ wie hoch du sie/ vndt billich von
jugendt an gehalten hast/ willig
auffopfferst. Ich lachte/ vndt Die
warheit zue bekennen/ gab ich zur
antwort/ du kömpst fast auff die
meinung meines nechsten liedes. Ey laß es uns
doch auch hören/
sprach er; gefelt vns der innhalt nicht/ so ergetzen vns doch
die
worte. Vieleicht auch diese schwerlich/ sagte ich; dann sie nicht
wenig von der einfalt an sich haben/ welche sie loben. So ist es
auch jetzundt nicht zeit zue singen/ weil vns Gott vndt das geneigte
Glück
erst zuesammen fügen. Doch dein weiteres guetachten her-
auß zue locken/ soll
mich die mühe nicht rewen. Sang ich derowe-
gen/ so guet ich es gelernet/
folgender maßen:
br
bs
bt
bu
bv
[Seite 522]
Ist mein hertze gleich verliebet
In ein schlechtes mägdelein/
Die mich tröstet vndt betrübet/
Soll ich darumb vnrecht sein?
5 Liebste/ deiner Schönheit liecht
Mindert sich durch einfalt nicht.
Was das Glücke dir nicht schencket/
Das verdient doch deine ziehr/
Vndt worauff mein hertze dencket
10 Solches hast du gantz bey dir;
Was mein hertze denckt hast du/
Vndt das hertze selbst darzue.
bw
Ein bestendiges gemüte/
Das auß keiner furchte weicht/
15 Sucht jhm gleichfalls ein geblüte/
Eine seele die jhm gleicht/
Sieht für allen dingen an
Trew auff die es bawen kan.
Niemandt wirdt mir vnrecht geben;
20 Hohe brunst bringt furcht vndt neid;
Deiner liebe frucht/ mein Leben/
Ist begabt mitt sicherheit/
Die ich einig mir erkiest/
Vndt mein reiches armutt ist.
25 Dich mitt rhue besitzen können
Ist mein trost vndt gantze lust:
Bleib auff deinen trewen sinnen/
Liebste/ wie du jetzundt thust;
Meine freyheit soll allein
30 Deiner liebe dienstbar sein.
Der liebe dienstbar sein/ hub Venator anbx/ heißet die
liebe zum
herren haben: dann welcher dienet/ muß einen herren haben dem
er
dienet. Ist jhm nicht also? Ja sagte ich. Ein herr/ redte er wei-
ter/ ist der
jenige/ der das was er wil/ oder nicht wil/ zue thun oder
zue laßen macht
hatt. Wirdt dich nun die liebe zue halten begeh-
ren/ die mehr einem tyrannen
als einem herren ähnlich siehet/
weil sie nicht allein den leib/ sondern auch
das freye theil des men-
schen das gemüte zum sclaven macht/ so schawe du/ wie
es vmb
by
bz
[Seite 523]
deinen vorsatz stehen wirdt. Gehe aber in dich/ vndt bedencke/
ob
du mehr vrsache hast/ diesem vnbarmhertzigen herren zue die-
nen; oder
mehr vermögen/ jhn selbst dienstbar zue machen. Wann
die liebe dergleichen
beschaffenheit an sich hette/ wie wir vns ein-
bilden/ vndt nicht unter
jhrem scheinbaren glantze ein greifflicher
betrug steckte/ [14] so köndten wir
sie für einen regenten paßiren
laßen; angesehen/ daß sie über alle furcht vndt
notwendigkeit sit-
zen/ vndt jhre freyheit vnbeleidigt wißen wil. Sie
verwundert sich
über kein reichthumb/ sie fürchtet keinen könig/ schewet kein
ge-
richte/ vndt pfleget keinen todt zue fliehen. Sie leßt sich durch
kein fewer/ kein waßer/ keinen degen/ kein thier noch menschen /
keine
hoffnung des glückes/ noch verlust der wolfarth von jhrem
vorsatze bringen. Was
andere meiden das verachtet sie; vndt was
andern schwer fürkompt/ das macht sie
jhr leichte. Sie schwimmet
durch die teuffe der flüße/ segelt im
vngewitter/ vndt klettert über
alle berge. Sie hatt alles in jhrer gewalt/ vndt
macht jhr alle gewalt
vnterwürffig. Ein herrliches wesen/ wann diß alles auß
einem
muthe der tugendt/ vndt nicht auß verwegenheit/ offtmals auch
auß
verzweiffelung/ herrhürete; wann jhre endtursache mitt den
vmbständen
überein stimmete/ ja wann sie nicht eben die jenige
were/darüber so viel
hirtengetichte schreyen/welche auff allen
schawplätzen gezeiget/vndt in allen
fabeln verklaget wirdt; voll wü-
tens/voll vngedult/voll weinens vndt jammers
ist. Wordurch wirdt
sie dann darzue verursacht? Durch die schönheit; wirst du
sagen.
Wol; es ist natürlich/ daß ein mensch sich an natürlichen sachen
erlustige. Ich zweiffele aber sehr/ ob es mitt einer solchen Schön-
heit/
die von denen welche mitt der rechten Schönheit vnbekandt
sindt dermaßen
gepriesen wirdt/ nicht eben bewandt sey wie mitt
den Egyptischen tempeln
vorzeiten; die zwar an sich selber kost-
bar vndt prächtig erbawt
gewesen: hettest du aber einen gott dar-
innen gesucht/ so würdest du an stat
seiner etwan einen bock/ ei-
nen affen/ oder eine katze gefunden haben. Wilt du
sehen was
schönheit ist/ so mußt du die augen der vernunfft zue rhate ne-
men/ vndt jhr die vnbändige begiehr der liebe/ wie das pferdt dem
zaume/ den bogen dem schützen/ das schiff dem stewerruder/ das
ca
cb
cc
[Seite 524]
werckzeug end-[15]lich dem meister vnterwürffig machen. Dann
wie die vernunfft ohn die liebe vnvollkommen ist; also ist die liebe
fast
vnbesonnen/ wann sie der vernunfft nicht gehorchet. Dieser
gehorsamb nun ist
nichts anders als der vernunfft vndt liebe ver-
mählung/ die zuegleich
vndt mitteinander hitzig vnd in einem ren-
nen auff die Schönheit zue eilen.
Welcher nun dieselbte in dem
leibe/ in den vmbschweiffenden augen/ gebleichten
haaren/ ge-
mahlten wangen/ vndt was dem anhengig ist/ suchen wil/ der findet
eußerlich eine schnöde vergengligkeit/ ein zerbrechliches guet/
einen stündtlichen raub/ einen plitz der zuegleich leuchtet vndt
vergehet;
inwendig aber offtmals wanckelmuth/ betrug/ vndt wie
etwan vnsere Poeten am
besten hiervon zue reden wißen. Von de-
nen ich gleichwol einen/ deßen name
aber nicht verhanden ist/
kaum loben kan/ der ein wenig zue sehr vber die
schnur häwet/
vnd gar sagen darff;
Vertrawe dich der see/ dem Frawenzimmer nicht;
Dieweil kein
glaß so baldt als jhre gunst zerbricht.
Kein weib ist guet/ vndt ist ja eines
oder zwey/
So weiß ich nicht wie guet auß bösem worden sey.cd
Andere sprechen:
Wer jhnen glaubt fengt windt auff mitt der handt/
Pflügt in
das meer/ vndt seet in den sandt;
welche worte ich sie dann verfechten laße. Wiewol auch eine
stoltze abgeführte Dame/ (dann also nennen sie vnsere auffwar-
ter)
die niergendt schöner ist als in jhrem eigenen spiegel/ offtmals
mit gleicher
müntze bezahlt wirdt/ als in welcher kundtschafft sich
einheimbische vndt
frembde zue spielen pflegen/ nicht liebe zue
suchen/ welche bey einem
vnbestendigen weihe nur übel angeleget
ce
cf
cg
ch
[Seite 525]
ist/ sondern sich mitt jhrem anmutigen gespreche vndt buhleri-
schen sitten zue erlüstigen. Diese aber wie klug sie auch ist/ mer-
cket
doch nicht/ [16] daß jhr solche höffligkeit mehr der erget-
zung/ als liebe
wegen erzeigt werde. Darumb wie sie durch jhr
tägliches auffnemen vndt
tägliches verstoßen andere schertzet/
also wirdt sie von andern wieder
geschertzt. Ein mal ist es gewiß/
daß eine solche liebe gemeiniglich eine
arbeit des müßigganges/
eine hoffnung der vnbedachtsamkeit/ vndt darumb eine
beherr-
scherinn eines knechtischen hertzens ist/ weil diese flüchtige
schönheit mehrmals mitt so vielem auffwarten/ flehen/ weinen
vndt
fußfallen/ dergleichen zue thun ein edeles gemüte in reiffes
bedencken nimpt/
wil bedienet werden. Soll aber je die liebe recht
antreffen/ so muß sie die
vernunfft zum gefehrten haben/ muß den
eußerlichen sinnen/ sonderlich aber den
augen/ welche als zwey
vnachtsame thürhüter zum offtern allerhandt
falsche meinungen
zue dem gemüte einlaßen/ den muth brechen/ vndt durch vrtheil
vndt verstandt von der außwendigen schönheit zue der inwendi-
gen/ welche
durch diese angenemer gemacht wirdt/ dringen kön-
nen. Wie die blumen so an
sich selber schöne sindt/ dennoch an-
mutiger zue sein scheinen/ wann
sie vnter einem klaren waßer her-
für leuchten: also ist die blüte des gemütes/
wann sie mitt einem
schönen leibe vmbhüllet ist.ci
So soll nun die schönheit des leibes
nichts anders sein als ein fürfechter der
blüte der tugendt/ vndt als
ein heroldt einer größeren schönheit weder sie
nicht ist: als wie
der glantz/ welcher sich diesen morgen von hiesigem
gefilde bli-
cken ließ/ ein vorbote der güldenen Sonnen war. Wie ferner Py-
thagoras die Sonne für einen gottcj/ Anaxagoras für einen steinck
ansahe; also wirdt die schönheit anders von den begierden/ anders
von der
vernunfft angesehen/ welche auch von dieser jnnerlichen
schönheit
allgemach zue der jenigen steigen lernet/ die dem was
cl
cm
cn
co
cp
[Seite 526]
allenthalben ist seine schönheit verliehen hatt. Alß dann
wieder-
fehret vns wie etwan menschen/ welche jhre gantze lebenszeit in
[17] einer finsteren hölen zuegebracht/ vndt an stat des liechtes
nur
einen schatten der cörper vndt dinge die bey vns auff erden
sindt
erkieset/ dieselbten auch für die rechten vndt warhafftigen
gehalten haben.
Dann wie es vermuthlich ist/ wann sie auß dem
tunckelen an das klare liecht
kommen solten/ daß sie nicht allein
alles was sie zuevor gesehen/ sondern auch
sich selbst als betro-
gene leute verachten würden: also auch vnsere gemüter/
wann sie
der vergenglichen schönheit entronnen/ vndt durch die schönheit
der tugendt einen weg zue der göttlichen gefunden haben/ so fan-
gen sie
jhren eitelen wahn vndt vorige thorheit von hertzen an zue
verdammen. Wie nun
ein mensch in einem bilde die kunst/ vndt
nicht das bildt/ in einer pflantze
die frucht/ vndt nicht die pflantze/
liebet: also mußen wir in einem
schönen frawenzimmer nicht die
gestalt/ sondern/ wo sie verhanden ist/ die
schönheit des gemütes/
vndt in dem gemüte die schönheit deßen von dem sie
hergerhüret/
erheben vndt hochhalten. Vndt hergegen/ wie wir den vrsprung
aller schönheit über alles zue ehren schuldig sindt/ also sollen wir
seinenthalben auch die schönheit des gemütes/ vndt dieser wegen
die schönheit
des leibes lieben; weil sie sich nicht weniger zuewei-
len darinnen blicken
leßt/ als die edelsten flüße/ die wann sie sich
in das meer außgießen/ den
vorigen süßen geschmack vndt lautere
farbe in dem gesaltzenen waßer dennoch
nicht baldt verlieren.
Das übrige/ was von eitelen gedancken gesucht
wirdt/ ist nicht eine
liebe/ sondern eine begier: dann die liebe siehet auff
die Schön-
heit/ die begier auff die wollust/ welche wann sie herr/ vndt die
vernunfft knecht ist/ so mußt du jhr folgen/ sie befehle was sie
wolle.
Kanst du aber der wollust ie nicht entberen/ so wiße daß
keine größere
als ein bestendiges gemüte ist/ das mitt einem gue-
ten gewißen begleitet
wirdt. Daßelbige leßt sich keine liebe/ keine
falsche lust/ keine betrübende
fröligkeit/ keine [18] furchte noch
hoffnung von seinem ehrlichen vorsatze
dringen. Was wilt du doch
der jenigen dienen/ welcher du zue gebieten hast?
welche du mitt
dem zaume der vernunfft anhalten/ mitt der schärffe einer
freyen
entschließung als eine leibeigene magdt von dir verstoßen kanst?
cq
cr
[Seite 527]
Die frucht der Schönheit/ die im gemüte bestehet/ die nicht
zue-
gleich mitt den zähnen wurmstichig/ mitt den haaren greiß/ mitt
der
Stirnen geruntzelt/ mitt den wangen bleich/ mitt den augen
trieffendt vndt
tunckel wirdt/ die mitt der zeit gewalt nichts zue
thun hatt/ dieselbte
wirdt dich über landt vnd see/ durch waßer
vndt waffen/ in glück vndt
wiederwertigkeit begleiten. Ist dir aber
vnmöglich der jenigen liebe zue
hinterlaßen/ die vieleicht in dei-
nen augen schöner ist/ als in anderer leute/
vndt die wir drey auch
nur nicht zue kennen begehren; so kanst du bey glauben
sicherer
hier bleiben; dann eine solche lust wird nur übel sein fort zue
brin-
gen.
Eine stattliche rede/ mein Bruder/ sagte ich/ vndt die leichtlich
zue erkennen giebt/ in was für einer schulen/ bey was du für einem
mannecs
(der allein exempels genung ist/ daß ein weißer mann
dem glücke die wage
halten/ vndt dem vngestirne der zeiten gebie-
ten kan) an den trechtigen
feldern des Reines/ wo die Elle vndt
Breuschect von jhm verschluckt
werden/ vorwiechener zeit gele-
bet hast: deiner eigenen geschickligkeit/
welcher Apollo vndt der
himmel nichts versaget/ zue geschweigen. Es leßt sich
aber der-
gleichen viel behertzter reden/ als in das werck richten. Doch
ver-
hoffe ich eine solche mäßigkeit in der liebe zue treffen/ daß sie
mich an meinem fürhaben dennoch nicht verhindern soll. Wer sei-
cu
cv
cw
cx
cy
cz
da
db
[Seite 528]
nem laster/ gab Venator zur antwort/ eine maße sucht/ ist eben als
wolle er
glauben/ einer der sich von jenem gähen felsen stürtzete/
könne sich wann es
jhm geliebte im herab fallen besinnen vndt
wiederhalten. Dann wie diß zue thun
vnmöglich; also kan ein ver-
wirrtes [19] vndt erhitztes gemüte sich
weder hinterziehen/ noch
an dem orte wo es wil verbleiben. Es weiß auch
derjenige/ welcher
allbereit liebet/ so wenig mitt was maße er lieben soll; als
wenig
einer/ dem man die augen außgestochen hatt/ weiß wo er hin soll
gehen.
Ich muß jhm gleichwol nicht gar hülffloß laßen/ fieng
Nüßler an/
vndt bilde mir gäntzlich ein/ daß er jhm auff der Poeten art/ wel-
che/ der Natur nichts nach zue geben/ offtmals sachen erdencken/
die nie
gewesen sindt/ noch sein werden/ eine liebe mache/ die er
nie in den sinn
gebracht/ vndt zum theile anderer leute buhlschaff-
ten/ eitelkeiten
vndt müßige vnrhue durch seine ertichtete fürbil-
den/ zum theile die
einsamkeit/ darinnen er sich dieser zeit befin-
det/ lieber mitt diesem/ als
mitt nichts thun erleichtern wolle.
Steckt aber auch etwas von dem anmutigen
übel bey jhm/ das
vnseren standes leuten nicht vngemein ist/ so schätze ich jhn
frei-
lich weniger glückselig als die jenige/ welcher er mitt seiner
Poete-
rey ein vnsterbliches lob vndt gerächte vervrsachen wirdt; wiewol
das Frawenzimmer dergleichen offtmals entweder nicht verste-
het/ oder
vnsere getichte lieber als vns hatt. Ich hoffe aber gäntz-
lich/ das reisen/
darzue mir bißher niemals der wille/ sondern das
glück vndt die
umbstände meiner gantzen wolfahrt gemangelt ha-
ben/ werde jhm in kürtzen was
anders an die handt geben.
Vndt ob ich wol/ liebster mittgeselle/ sagte er zue mir/ deine
abwesenheit kaum mitt gedultigem hertzen werde ertragen kön-
nen/ so finde
ich doch nicht/ wann ich meine ergetzligkeit deinem
fromen nachsetzen
wil/ was ich dir aller beschaffenheit nach beß-
sers rhaten/ oder auch
wündtschen solle. Wie ein waßer das nie-
mals gereget wirdt/ endtlich anfengt
zue faulen vndt stincken: also
werden auch vnsere gemüter durch vbermäßige rhue
träge vndt
dc
dd
de
df
dg
dh
di
dj
[Seite 529]
verdroßen gemacht;dk
welche weil sie etwas himmlisches sindt/ so
[20] sollen sie auch billich dem
himmel/ der ohn vnterlaß in bewe-
gung ist/ nachfolgen. Vndt wann du diesen
großen menschen die
welt ansiehest/ was leßt darinnen vngereiset? Die Sonne
vmbwan-
dert den erdenkreiß alle tage: der Monde/ vndt der gantze pöfel
des gestirnes/ haben jhre wanderschafft/ trösten durch jhr liebli-
ches
anblicken die vmbschweiffenden/ vndt zeigen den jrrenden
häusern den schiffen
wo sie hin sollen. Hast du nie gesehen/ wie die
see von jhrem vfer zue rechter
zeit hinweg geflohen/ vndt auff
gewiße stunde allzeit ist zuerück
gekehret? Die vierfüßigen thiere
lauffen von einer wildtniß in die andere; die
fische steigen auß der
see in die flüße; die vögel/ welche jetzundt hauffen
weise in jhr
winterquartir geflogen sindt/ werden mitt dem anbrechenden frü-
linge wieder hieher vndt zue felde kommen. Ja die gantze Natur
giebt vns anlaß zum reisen/ vndt wil vns gleichsam zeigen/ daß wir
auff ein
vaterlandt gedencken sollen/ welches nicht krieget noch
bekrieget wirdt/ vndt
die stete herbrige aller fromen wandersleute
ist. Zwar wir pflegen von Natur
das jenige landt zue lieben/ deßen
athem wir erstlich geschöpfft/ das wir zum
ersten getreten/ dem
wir vnsere kindtheit vndt aufferziehung zue dancken
haben/ vndt
darinnen vns lufft/ waßer/ flüße/ äcker vndt alle gelegenheit am
besten bekandt sindt. wir reisen aber darumb/ daß wir jhm nach
vnserer
zuerückkunfft/ vndt erlernung frembder völcker spra-
chen vndt sitten/ desto
rhümlicher sein mögen/ vndt mitt dem was
wir auff gemerckt zue staten
kommen. Dann mitt diesem bedinge/
mein Bruder/ wirst du hinweg gelaßen/ daß du/
wann der außgang
dem vorsatze überein stimmet/ vns deiner über die zeit nicht
ent-
beren laßest. Anderwerts den fuß ein zue setzen/ verursacht ein
stetes verlangen nach den seinigen/ vndt gemeiniglich einen neidt
dl
dm
dn
do
dp
dq
dr
ds
dt
[Seite 530]
bey denen/ wohin wir vnseren zuestandt gepflantzt haben.
Wiewol
auch nicht ohn vrsach: [21] Dann durch beföderung frembder
bleiben
die einheimischen dahinden stehen; vndt wann solches
nicht mäßig geschiehet/
muß endtlich mißvertrawen/ vnrhue/
auch wol gar verenderung des
allgemeinen wesens darauß erwach-
sen: welches die alten Römer wol wußtendu/ vndt
heutiges tages die
klugen fischer in der Adriatischen see zimlich in acht
nemen.dv Zur
Pestzeit/ wann die todtengräber in ein hauß gehen/ so
kan man
leicht gedencken/ daß jemandt darinnen gestorben sey: also zei-
get die einnemung der außländer (welches aber allein von der
überhäufften menge zue verstehen ist) daß nur der gemeine nutz
in letzten
zügen liegt.
Von dir wil ich mir nicht einbilden/ daß du dich eines vndt ande-
res trübes wölcklein vnsers Vaterlandes vertreiben laßest; dann du
ja auß der aschen in das fewer/ vndt an die jenigen orte geden-
ckest/ wohin
das freßende wüten der waffen/ vndt die rache der
gesuchten beleidigung/ sich
auß hiesigen winckeln erst recht zue
wenden/ vndt alles auff eine merckliche
verenderung angesehen
zue sein scheinet.dw Ich mache mir viel mehr rechnung/ daß die
liebe der deinigen/ vndt die rhue welche dir bißher so gnädig ist
verliehen
worden/ deinen fuß offtermals zuerücke ziehen/ vndt
deiner entschließung dieses
vndt jenes in den weg wollen werffen.
Wie nun freylich ein freundt ein
lebendiger schatz ist/ der lange
gesucht/ kaum gefunden/ vndt schwerlich
verwahret wirdt: so ist
doch die vngefärbte liebe an keinen ort
gebunden/ vndt jhre abwe-
senheit wirdt zum theil durch das gedächtnis voriger
gesellschafft/
zum theil durch schreiben/ welches die rechten fußstapffen vndt
kennezeichen trewer gemüter sindt/ nicht wenig erträglicher ge-
dx
dy
dz
ea
eb
ec
ed
[Seite 531]
macht. So weiß ich auch nicht/ wie gar zue stete
gemeinschafft vns
gemeiniglich zart/ vndt auch deßen überdrüßig macht/ was [22]
im
leben das beste ist. Zue geschweigen/ was du auch an jenem orte
entweder allbereit für grosse berhümbte leute zu freunden hast/
oder
doch bekommen wirst: welche nur zue sehen ich für ein theil
meiner
glückseligkeit schätzen wolte. Ist ferner etwas dergleichen/
weßen dich
Venator beschuldiget/ vndt liebest der schönheit we-
gen/ so
wirdt auch solches verlangen eher verschwinden als du jetzt
vermeinen magst.
Eines fuchsschwäntzers freundtschafft besteht
nicht lange/ weil die
heucheley vndt anmaßung der falschen warheit
durch die zeit verzehret wirdt:
wer nun der schönheit oder ziehr
wegen liebet/ der giebet nur einen schmarotzer
bey dem welchen er
liebet/ vndt sindt also seine guete worte auff kein ewiges
angesehen.
So mußt du auch wißen/ ob du wieder geliebet wirst/ oder nicht:
dann ich wil nicht hoffen/ daß du auß der jenigen zahl seyest/ welche
sich selbst einer gegenliebe bereden wo sie nirgendt ist/ vndt wie
jener
sindt/ der jhm in seiner frölichen blödigkeit einbildete/ alle
schiffe die auß
Indien segelten weren seine; gieng an den port/
frewete sich über jhrer gueten
ankunfft/ hieß außladen/ und was
der narrheit mehr war: auch über diß
mit seinem bruder zürnte/
daß er jhm durch die ärtzte von solcher reichen
thorheit abhelffen
lassen/ vndt jhn seiner besten lust beraubet hette.ee
So bist du in aller zeiten historien vndt exempeln dermaßen
durchtrieben/ daß du wol weißest/ wie das frawenzimmer nicht
allein
offtmals die wangen/ sondern auch die worte zue färben
pfleget/ vndt daß kein
waßer geschwinder eintrucknet als weiber-
threnen.ef Wie ich dir ferner mitt trawrigen augen nachschawe/ so
bin ich der
hoffnung/ der wahren welche du zue holen außzeuchst/
die kein Zöllner anhalten/
kein seerauber versencken/ kein fewer
verzehren kan/ ehist durch dich
zue genießen. Du bist in dem al-
ter/ da die besten reisegesellen/ wahl vndt
vrtheil/ mitt dir ziehen/
eg
eh
ei
ej
ek
el
[Seite 532]
vndt [23] wirst nicht nach art etlicher jungen leute/ an stat
der
tugendt eine nichtige wißenschafft/ einen leichten schatten der
höffligkeit vndt gueter übungen ertappen; weßen die außländer/
welchen man
jhre leichtfertigkeit/ laster vndt gauckeley thewer
genung bezahlen muß/
in die faust hinein lachen. Von welcher jun-
gen purß newlich einer sagte; sie
kämen jhm für/ wie wann man
etwan eine wandt ansiehet/ vndt auß tunckelen
striechen vndt zü-
gen vermeinet/ als ob köpffe von thieren/ waßer vndt wälder
daran
stünden/ da doch nichts dergleichen verhanden were: dann alle
gebrechen mußten in jhren augen eine tugendt sein/ also daß sie
einen
hoffertigen Spanier anders nicht als ehrbahr/ einen vnver-
schämten Welschen
freundtlich/ einen leichtsinnigen Frantzosen
behertzt/ einen springerischen
Engelländer hurtig/ vndt einen
versoffenen Deutschen lustig vnd verträwlich zue
nennen pflege-
ten. Du hast die sitten der höfe/ da so viel rauch vndt
schmincke
verkaufft wirdt/ zimlich erfahren; vndt wirst wißen/ daß wie da-
selbst/ also auch auff reisen eine sparsame Zunge/ vndt ein ver-
schloßenes hertz hoch von nöthen sindt. Letzlich wann dich der
fuhrmann
des leibes das gemüte/ durch so viel festungen/ städte
vndt Länder
führen wirdt/ wann du augen vndt sinnen zum genü-
gen füllen/ vndt die
müdigkeit des weges mitt ergetzung/ diese mitt
jener vermengen wirst/ so schawe
zue/ daß du die segel deines
lebens nach dem leitsterne der vnvergängligkeit
allzeit wendest/
vndt die weltlichen dinge also ansehest/ daß du betrachtest/
es be-
herrsche sie keiner nicht beßer/ als der jenige welcher sie
verach-
ten kan.
Aber/ sagte Nüßler/ was halten wir vnsere gäste mitt anderen
reden auff/ weil jhnen vielleicht lieber were/ in diesen plätzen vndt
gefilden sich vmb zue schawen? Sie lißen es jhnen belieben/ satz-
ten sich zuvor etwas vnter den schatten der hohen bäwme/ vndt
[24] erzehlten
von diesem vndt jenem/ was es theils in eines jegli-
chen seinem vaterlande/
theils mitt jhrem eigenen zuestande für
em
en
eo
ep
eq
er
es
et
[Seite 533]
beschaffenheit hette. Als sie nachmals vermeinten weiter zue
ge-
hen/ vndt die gelegenheit selbiger orte zue besichtigen/ kamen sie
ohn
gefehr an eine schöne bach/ die mitt jhrem silbergläntzenden
waßer die augen/
vndt mitt dem lieblichen geräusche ohren vnd
sinnen ergetzete. Ein edeles
flüßlein/ fieng Venator an/ vndt weil
die berge dermassen nahe sindt/ so muß es
nicht weit hiervon ent-
springen. Laßt vns/ sagte Buchner/ ein wenig daran hinauff spat-
zieren. Wir waren fast an
den wurtzeln des schneegebirges/ als wir
einer Nimfeeu/ die an einer frischen grotte oder höle auff den lin-
cken arm gelehnet lag/ gewahr worden/ welche mitt einem subti-
len durch
scheinenden schleyer bekleidet war/ die haare/ so mitt
einem grünen krantze
geziehret/ auff eine frembde art auffgebun-
den hatte/ vnd vnter der rechten
handt ein geschirr von dem wei-
ßesten marmor hielte/ darauß das quell des
bächleins geronnen
kam. Wiewol wir nun über dem plötzlichen anschawen
nicht allein
erschracken/ sondern auch im zweiffel stunden/ ob wir stehen sol-
ten oder lauffen/ fieng doch die schöneste creatur/ oder viel mehr
göttinn/ mitt anmutiger stimme also an zue singen:
Ihr hirten/ die jhr kompt zue schawen
Die quelle/ diese berg’ vndt awen/
Ihr hirten/ lauffet nicht vor mir/
Ich bin des ortes Nimfe hier.
ev
5 Der Zacken den jhr mich seht gießen/
Der minste von den kleinen flüßen/
Führt oben silber klare flut/
Sein reiner sandt tregt goldt vndt guet.
Warumb sich freundt vndt feinde neiden/
10 Darbey könnt jhr die schaffe weiden.
ew
ex
ey
[Seite 534]
ez
Wer goldt zue waschen erst gelehrt/
Hatt ja die menschen hoch versehrt!
fa
Die götter lieben solche sinnen/
Die güldinn’ einfalt lieben können;
15 So kompt/ jhr hirten/ schawet an/
Was ich/ vndt kein mensch zeigen kan.
Wir stunden verwundert vnd bestürtzt/ weren auch auß schre-
cken zuerück gelauffen/ wann sie mich nicht mit höfflicher demut
bey der
handt genommen/ vndt die andern zue folgen vermahnet
hette. Als wir in die höle
hinein kamen/ sahen wir nichts für vns als
ein lauteres waßer/ das sich
gegen jhr wie ein berg aufflehnete/
vnd wir also trucken hindurch giengen. Von
dannen befunden wir
vns in einer fast kühlen grotte/ auß welcher nicht allein
dieses wa-
ßer sämptlich gefloßen kam/ sondern auch andere ströme durch
verborgene gänge vndt adern der felsen hinauß drungen. Diß ist/
sagte sie/ die Springkammer der flüße/ darvon so viel felder be-
feuchtet/ so
viel flecken vndt städte versorget werden. Diese klei-
nere bach (darauff sie
dann mit jhren schneeweißen fingern zei-
gete) ist auch ein theil des Zackens
an dem jhr hieher gegangen
seidt/ vndt wirdt nicht ferren von dem gebirge mitt
dem andern
vermenget. Hier zur seiten sehet jhr den vrsprung des
fischrei-
chen klaren Bobersfb/ der jhm in
einem schattichten walde sein
thor gesucht hatt/ darauß er sich durch berg vndt
thal zwinget vndt
windet/ vndt/ nach dem er bey Hirschberg den Zacken in sich ge-
schluckt/ auch etzliche
städte/ darunter/ sagte sie zue mir/ dein
nicht allein dir sondern auch
vns Nimfen liebes/ aber erschöpfftes
Vaterlandt ist/ begrüßet hatt/ endtlich an
dem ende des landes
Schlesien seinen strom vndt namen der Oder/ dem haupte vndt
regentinn der Schlesischen flüße/
zuegleich einantwortet. Wie
dann die goldt-[26]führende wilde Katzbach/ derer
brunnen
fc
fd
fe
ff
fg
fh
[Seite 535]
nechst darbey herauß quillet/ nicht weit von Parchwitz
derglei-
chen thut. Stracks oberhalb dieser krieget der durchbrechende
Queiß/ da zur seiten die hochfallende Aupe/ vndt/ wo jhr den glat-
ten
kieß sehet/ die Iser jhren vrsprung; welcher wir zwar wenig
waßer/
dennoch aber so viel andere reiche gaben verliehen/ daß
sie den mangel des
gewässers darmit wol ersetzen kan. Ich hette
aus begiehr fast angefangen zue
fragen: sie aber/ die es mir am
gesichte ansahe; dieser große strom/ sprach
sie/ der gerichts für
euch mitt solchem strudeln vndt prausen herauff steiget/
ist die
Elbe/ so von jhrer geburtsstat den hohen Alben die wir über vns
haben den namen bekommen hatt.
Wie wir vns nun über den seltzamen dingen der Natur verwun-
derten/ vndt den vnerschöpfften lauff der gewäßer bestürtzt in
augenschein
genommen/ auch von wegen des großen gethönes
vndt rauschens der
auffspringenden fluten fast das gehör verloh-
ren hatten/ gieng sie durch ein
weißes thor/ welches vns von mar-
morstein zue sein bedünckte/ für vns her/
vndt; Beschawet nun/
sagte sie/ das ort/ welches für mannes augen zwar sonst
verschlos-
sen ist. In diesem Erdengemache pflege ich sampt meinen schwe-
stern der Thalien/ Arethusen/ Cydippen/ Opisfi vndt den andern
die zeit zue vertreiben. Diese
anmutige höle war nach art der alten
tempel zirckelrundt/ vndt in zimlicher
höhe. Ringes vmbher stun-
den gefrorene cristallen säulen/ welche von der
grünen bewachse-
nen erden biß an die decke reichten/ vndt mitt jhrem
durchsichti-
gen glantze das gantze zimmer erleuchteten. Mitten innen saßen
die Nimfen/ alle blüende vndt jung von antlitz/ auff grünen teppi-
chen in einem kreiße vmbher/ sponnen/ stickten vndt neheten an
der
subtilesten leinwadt/ hatten allerhandt liebliche gespreche/
vndt [27]
erwehnete gleich damals eine/ wie die stoltze weberinn
Arachnefj der
Minerven kampff angeboten; weil aber jhre arbeit
der himmlischen nicht
zuegesagt/ sich selbst erhenckt habe/ vndt
nachmals in eine spinne verwandelt
worden sey: daß sie nunmehr
fk
[Seite 536]
als ein beyspiel der vermeßenheit für den augen aller welt
wircken
vndt weben muße. Wer seine hoffart an den vnsterblichen außla-
ßen
wil/ fieng eine bräunlichte an/ so Lycorias sein solte (vnsere
begleiterinn
aber hieße Herciniefl)
dem bekömpt es ja allzeit
übel; vndt erzehlte wie der närrische
Midasfm mitt seiner block-
pfeiffen den Apollo außgefodert/ vndt
endtlich nicht allein nicht
den danck/ sondern auch gar eselsohren davon
bekommen habe:
welches er zwar/ gemeinem gebrauche der menschen nach/ ver-
bergen wollen/ solches auch seinem diener zue offenbahren ver-
boten habe. Dieser aber/ dem gäntzlich zue schweigen vnmöglich
gewesen/ were
zue einem schilffichten orte gegangen/ hette seine
heimligkeit den rhoren
vertrawet/ die/ wann der windt daran ge-
schlagen/ nachmals alle zue schreyen
angefangen: Midas hatt
eselsohren. Sie lachten/ vndt; Es mögen wol rhore sein/
fieng
eine andere an/ darmit gelehrte leute schreiben/ vndt die jenigen
für der gantzen welt zue schanden machen/ welche mitt jhrem
vnbesonnenen
vrtheile von hurtigen vndt gelehrten gemütern wol
zue erkennen geben/ daß sie
Midas gleichen sindt.
Nicht weit von jhnen lagen etzliche lauten/ geigen vndt andere
musicalische instrumente; auch köcher vndt pfeile/ die sie/ wann
sie
nebenst den Waldtgötinnen vndt Bergnimfen sich mitt dem ge-
jägdte ergetzen/
zue gebrauchen pflegen. An der wandt waren
vnterschiedene historien mitt
kleinen muschelnfn vndt
kleinen
steinlein/ vndt zwar so künstlich/ eingelegt/ daß wir hinzu giengen/
[28] vndt es mehr für eines Apellensfo werck als
für sonst etwas
fp
fq
fr
fs
ft
fu
fv
[Seite 537]
ansahen. Vnter andern stundt die geschichte/ wie der Jupiter/
wel-
chen sein Vater Saturn freßen wollen/ dem aber die Muter Rhea
einen
stein in die windeln gewickelt/ vndt zue verschlucken gege-
ben habe/ von jhren
der Nimfen schwestern sey erhalten/ vndt
durch einen adler bedienet
worden.fw Baldt darneben/ wie andere
auß
jhnen den Bacchus bey Nisa in Asien erzogen/ welche Jupiter
nachmals zur
danckbarkeit hinauff genommen/ vndt zue den Hya-
den/ dem schönen gestirne/ das
vns gemeiniglich regen ankündi-
get/ gemacht habe. An einem andern orte/ wie
die Nimfen Erato/
Pemfredo vndt Dino dem Perseus flügel vndt tasche
(welche jhm
gleichwol von den mahlern der himmlischen bilder abgestrickt
wirdt) geliehen/ durch derer hülffe er der Medusen das haupt ab-
geschlagen/ vndt endtlich die Andromeden/ der stoltzen Caßio-
peen
tochter/ von dem grawsamen meerwunder erlöset.fx Ferner
wie
die Syrinx/ als sie für dem Pan geflohen/ in die pfeiffe so Mer-
curius
nachmals gebrauchtfy wie andere Flußnimfen von dem er-
zürnten Achelous in die
Echinadischen inseln verwandelt wor-
den;fz vndt was allhier zue erzehlen nicht
gelegenheit ist.
Kompt weiter/ sagte Hercinie/ vndt beschawet die wohnung
Thetisga der vnsterblichen muter der Nimfen/ wann sie durch die
verborgenen gänge des erdtreichs mitt jhren seeroßen hieher zue
fahren/
vndt vns zue besuchen pfleget. Wir giengen in begleitung
aller anderen Najaden/
denen die gelben haare vmb den zarten
halß vndt brüste/ vndt die dünnegewebten
mäntel vmb jhre bloße
leiber flogen/ durch eine ärtzinne pforte/ vndt
kamen in einen
köstlichen saal von großer länge vndt breite. Der boden war
an
gb
gc
gd
ge
gf
[Seite 538]
sich selbst cristallinn/ vndt mitt allerhandt schlangen/
fischen vndt
meer wundern von anderer art berhümbten steinen dermaßen
eingefü-[29]get/ daß wir im ersten anschawen fast nicht trawen
vndt
aufftreten wolten; deßen dann die Nimfen mitt einem süßen
anblicke
sämptlich lachten. An der gewölbeten decke/ die mitt
blawen lazursteinen über
vnd über belegt war/ vnd durch welche
auß zweyen runden cristallinnen fenstern
der anmutige tag den
gantzen platz von oben her beleuchtete/ schiene nicht
weniger von
eben dieser köstlichen arbeit das geflügel als in den wolcken her-
umb schweben/ vndt mangelte/ vnsers bedünckens/ nichts als die
stimme. Auff beyden seiten stunden in gleicher zahl vndt abthei-
lung
seßel von agsteine/ deren einer vmb den andern roth oder
gelbe war. Hinten/ wie
auch gegen der föderthür zue/ waren zwey
vergüldete altare/ auff deren einem
dem großen Ocean/ auff dem
andern der Thetis geopffert wardt. Nicht weit
von einem jeglichen
sprungen auß zweien weiten silbernen becken oder schalen/
so
ingleichen von silbernen Sirenen gehalten worden/ sehr anmutige
quelle/
die eine blancke metalline kugel in die höhe trieben/ vndt
darmit spieleten;
auch gleich wieder herab fielen/ vndt von sich
selbst verschluckt vndt
stets wiederumb auffgestoßen worden. In
der mitten war eine lange tafel von
polirtem steine/ an welche The-
tis mitt jhnen speise vndt tranck zue nemen
pfleget.
Ihr hirten/ fieng Hercinie an/ wir wißen was der himmel vndt die
Musen euch verliehen/
vndt mitt was für begiehr der wissenschafft
jhr behafftet seidt. So
laßet euch nun/ indeßen das meine Schwe-
stern den Vnsterblichen jhren dienst
erzeigen/ vnd jhr gebürliches
opffer fürtragen/ von mir zeigen/ was die gemelde
vnd schrifften
an den wänden allhier in sich halten. Wißet/ sagte sie ferner/
daß
alles was jhr biß anher gesehen vndt noch sehen werdet/ inheimi-
sche außbeute/ in diesen gründen geseiffetgg/ in diesen wäßern
gh
gi
gj
gk
gl
[Seite 539]
gewaschen/ hier gefunden vndt gearbeitet sey. Der weiße [30]
chalcedonier/ der schwartze cristall/ der violbraune amethist/ der
blawe
saffir/ der striemichte jaspis/ die tunckelrothen granaten/
der fleischfarbene
carniol/ der rothgelbe gifftfeindtgm der
hya-
cinth/ der gelbichte beryll/ der vielfärbichte achat/ der gelbe
topa-
zier/ welchen jhr in der handt jenes adlers (vndt zeigte einen adler
an der decken darauff Ganymedes saß) als einen plitz fünckeln
sehet/ der
helle demant/ sindt alle hier zue hause. Diese perlen/
dieses silber/ diß goldt
ist in flötzen vndt quärtzen/ flämmicht vndt
körnicht in hiesigen
reichen gefilden vndt gegenden an zue tref-
fen; des zinnes/ kupffers/ eisens/
glases vndt allen deßen was die
magdt des höchsten Gottes vndt die gütige muter
der menschen
die Natur sonst gebiehret/ zue geschweigen. Hiermit führte sie vns
erstlich wiederumb der pforten zue/ darüber folgende reime stun-
den:
Ihr blinden sterblichen/ was zieht jhr vndt verreist
In beydes Indien? was wagt jhr seel vndt geist
Für jhren knecht den leib? jhr holet krieg vndt streit/
Bringt auß der newen welt auch eine weltvoll leidt.
5 Ihr pflügt die wilde see/ vergeßet ewer landt/
Sucht goldt das eisern macht/ vndt habt es bey der handt.
Den demant findet kaum der schwartze Moor so weiß/
Der jaspis ist vns schlecht/ die perlen tregt der Queiß.
Hieher mensch/ die Natur/ die Erde ruffet dir:
10 Wohin? nach guete: bleib: warumb? du hast es hier.
Nechst diesen Versen/ die in eine schwartze steinerne platten
gehawen waren/ folgeten auff der einen seiten viel historien vndt
bilder
von erschaffung der welt; von der güldenen/ silbernen/ irr-
denen vndt letzlich
eisernen zeit; von den himmelstürmerischen
gn
go
gp
gq
gr
gs
gt
[Seite 540]
Giganten; der überschwemmung des erdtbodens; alles in der ord-
nung wie es Hesiodusgu/ Apollodorusgv/ Hyginusgw vndt andere/
sonderlich
der sinnreicheste vnter allen Poeten in seinen verwan-
delungsbüch-[31]erngx (darumb es
allhier zue wiederholen vnnö-
tig ist) verzeichnet haben. Auff der andern
seiten stundt erstlich
eine landttafel/ darinnen vnterschiedene berge/
schlößer/ flüße
vndt felder zue sehen waren. Dieses/ sagte sie/ ist die
gelegenheit
hiesiger orte/ deren größestes theil von langer zeit her die edelen
Schaffgotschen/ weßen geschlechtes verlauff jhr in folgenden ge-
melden vndt schrifften biß auff jetzigen werthen helden vernemen
sollet/
beherrschen. Ihr vhraltes geblüte/ jhre tugendt/ jhre löbli-
che thaten/ vndt
sonderlich die stille rhue/ welcher wir vnter jhnen
als gleichsam schutzgöttern
bißanhero genoßen/ hatt verdienet/
jhnen bey vns allhier diß gedächtniß auff
zue richten. Damit ich
aber euch/ als denen so zue nachsuchung der alten
zeiten sonderli-
che lust tragen/ etwas außführung thue/ so wißet daß wie
hiesiges
hohe risengefilde/ hiesiger flintzberggy vndt schneegebirge an-
fänglich von natürlichen
erbursprünglichen deutschen/ den Mar-
comannengz/ Marsingernha vndt dergleichen bewohnt/ also auch
von
jhnen zueweilen der Hartz oder Hercinische waldthb/ darvon
ich heiße/ zueweilen das Sudeten oder Sudödenhc gebirge sey
ge-
hd
he
hf
[Seite 541]
nennt worden: biß die Sarmatischen Windenhg (nicht die
Wandali-
schen Völcker) jhre Vistul oder Weixel überschritten/ vndt sich
dieser vndt anderer lande bemächtigt haben. Daß aber dennoch
allzeit etwas
von Deutschen übrig verblieben sey/ könnet jhr dan-
nenher von euch
selbst schließen/ daß der name Bömenhh/ wel-
cher allbereit vor anderthalb tausendt jharen vndt viel
zeiten vor
der Winden einfall berhümbt gewesen/ noch heutiges tages nicht
verloschen ist; wie dann auch ein theil dieser berge die Alpehi
oder
Elbe vndt dergleichen/ bey jhren ältern wörtern biß anjetzo ver-
blieben sindt. Hetten ewere Deutschen mit solchem fleiße denck-
würdige große thaten auffschreiben/ als verrichten können/ oder
die
blutigen kriege für etzlichen hundert jharen [32] mitt den leu-
ten nicht auch
zuegleich das gedächtniß derselbten vndt alle ge-
schickligkeit
außgerottethj/ so köndte der
edelen Schoffe (dann
also worden sie vormals genennet) werther name/
vndt die tapffer-
keit welche sie zue beschützung des vaterlandes angewendet/
euch
mehr vor augen gestellet werden: bey vns haben wir jhren rhum
allein
von der zeit auffgemercket/ seidt vnsere bäche vnter jhrem
schirme ruhig
gefloßen/ vndt sie besitzer der orte/ die zum theile
hier entworffen
stehen/ gewesen sindt.
Hierüber trat sie fort/ vndt; Dieser/ sagte sie/ welchen jhr in
gantzem küriß stehen sehet/ ist der frey werthe heldt Gothardt/
oder/ wie
damals den alten zue reden beliebet hatt/ Gotsche
hk
hl
hm
hn
[Seite 542]
Schoffho/ der seinen kindeskindern mitt dem größeren lobe vndt
auffnemen
auch seinen namen/ deßen sie sich sämptlich rhümen/
übergeben hatt. Wir wißen
nicht anders/ als daß sein vater Vlrich
Schoff geheißen/ vndt fast für
dreyhundert jharen Burggraff zue
Kinsberghp gewesen sey.
Edele Nimfe/ fieng ich an/ wann ein
mensch eine göttin zue fragen macht hatt/
warumb daß seine
rechte faust gleichsam blutig abgebildet ist? Vor Erfurthq/ gab
sie
zur antwort/ hielte er sich bey gelegenheit eines außfalles so wol/
das jhn der Feldherr/ keyser Carl der vierdte/ alßbaldt für sich
fodern ließ/
jhm seine wolverdiente gnade persönlich an zue tra-
gen/ vndt die handt zue
bieten. Er aber/ der vom würgen der
feinde erst zurück gekehret/ hatt die
blutigen finger an seine
blancke rüstung gewischt/ vndt also den Keyser mitt
dieser wer-
then faust geehret; welcher jhn dann zum ritter geschlagen/ vndt
das hochadliche wapen mit vier rothen striechen deßentwegen ge-
ziehret hatthr/ daß seine nachkommenen nicht allein wißen
möch-
ten/ wie jhr adel/ der vor alter von trefflichen thaten hergerhüret/
ingleichen von trefflichen thaten vermehrt worden sey: sondern
auch durch
dieses zeichen als einen leb-[33]hafftigen zunder zue
dergleichen solten
angeregt/ vndt auffgemuntert werden. Wan-
nenher aber ist der grüne bawmhs in eben diesem wapen? fragte
ht
hu
hv
hw
[Seite 543]
ich. Der sieghaffte Bolcohx/ sagte sie/ Hertzog zur Schweidnitz
vndt Jawer/
deßen bruders tochter Carl der vierdte zur ehe hatte/
liebte jetzt erwehnten Gothardt
Schoff seinen waffenträger des
löblichen verhaltens vndt vieler hohen tugenden
wegen derma-
ßen/ daß er jhm hiesigen riesenberg/ die trächtige Iser
sampt an-
gräntzenden böhaimbischen walde/ das birgguet Schmiedeberghy
neben aller zuegehör/ wie auch das feste schloß oder berghauß
Kinasthz/ auß fürstlicher miltigkeit zue erbeigen übergab vndt
ver-
ehrete; darumb dann der Kieferbawm oder Kinast zue dem vhral-
ten wapen ist gezogen worden. Mitt Friedeberg aber/ das jhr in der
tafel
gegen dem gebirge zue am Queiße liegen sehet/ wie auch mitt
der stadt
Greiffenbergia/ welche der himmlischen weberinn Mi-
nerven
dermaßen lieb ist/ vndt der festung oder dem berghause
Greiffenstein/ so hertzog Boleslaus der Heiligen Hedwigen Sohnes
Sohn erbawet/ hatt jhn
vorbemeldeter Keyser beschencket; daß
also die besitzung hiesiger orte ein
lauteres verdienst der tugendt
ist.ib
Allerschöneste Nimfeic/ sagte Nüßler/
wir müßen gleichwol die
reime darbey vngelesen nicht laßen. Sie stellete es vns
anheim/
vndt gab so viel zueverstehen/ sie weren darumb eingehawen. Rit-
ters Gotschen überschifft war diese:
id
ie
[Seite 544]
Ich werde recht von dir mein werther stamm geehret/
Weil
ich dir namen/ rhum vndt wapen hoch vermehret;
Die roten striche hatt kein
geldt noch gunst erdacht/
Der Keyser hatt sie nur gelobt/ der feindt
gemacht.
Vnter dem wapen neben seiner tafel:
if
Schaw hier den edlen schildt als ie der tag beschienen:
Was
zeigt der frische bawm? die tugendt muß stets grünen:
Vndt was das schaff?
ein mensch soll guet vndt guetig sein;
Das blut? wo guet nicht hilfft/ schlag
mitt der faust darein.
Nachfolgende drey/ redte Hercinie ferner/ sindt ritter Got-
hardts Söhne. Der erste zur rechten
handt eben des namens; de-
ßen drey Söhne/ Vlrich/ Gotsche vndt Hans/ welcher
fast für an-
derthalb hundert jharen gestorben/ gleich vnter jhm sindt. Der
dritte/ so zur lincken/ Henrich oder Hentze Schoff auff Kemnitz/
deßen zwey Söhne/ Henrich vndt Peter/ auch vnter
jhm stehen.
Der andere/ in der mitten/ ist Hans Schoffgotsche auff Kinast/ den
wir in seinen nachkommenen noch anietzo blühen vnd
wachsen
sehen. Die sechse/ wie jhr sie ordentlich nacheinander allhier ge-
setzt findet/ sindt seine Söhne. Der ältere ist Christoff/ den ein
anderer edelmann wenig adelich vnversehens erschossen hatt.
Der andere Ernst
des namens/ welcher darumb ein zuesammen
gerolltes schreiben in der faust hatt/
weil er der Fürstenthümber
Schweidnitz vndt Jawer Cantzler gewesen; wie dann solche Cant-
zelley nebenst dem ampte des Hoffrichtersig zur Schweidnitz/ von
etzlichen hundert jharen an den Herren Schaffgotschen eigen-
thümblich hatt
zuegehört. Der dritte ist Jeronymus der blödtsin-
nige. Der vierdte Antonius.
Er siehet schwartz auß; sagte einer
von vns. Man hatt jhn auch/ gab Hercinie
zur antwort/ wie er sich
dann selbst/ den Reppelgotschenih geheißen/ ist ein statlicher
mann/ vndt mitt
einer gebornen Freyinn von Schumburg vermählt
gewesen. Der fünffte Caspar. Der
letzte Vlrich/ ein streitbarer
mann/ der mitt seiner strengen faust die
ritterschafft auff der
ii
[Seite 545]
Buntzlischen heidenij
gewonnen; wie auff seinem schwerdte/ das
noch verhanden/ zu lesen ist. Doch
besagt es auch die über-
schrifft:
ik
Des ritters rhüm ich mich/ dieweil ich obgesieget:
Ich bin kein kriegesmann der niemals hatt gekrieget/
Kein ritter ohne
feindt/ kein reuter ohne pferdt;
Wer von mir wißen wil/ der frage noch mein
schwerdt.
Wie nun Christoff/ Jeronymus vndt Ernst leibeserben nicht ge-
laßen; also sehet jhr vnter einem ieglichen der andern jhre Söhne.
Des Antons sindt Friedrich/ Ernst/ Vlrich/ Ritter Anton/ welcher
mitt einer
ketten vmb die armen abgebildet/ weil er von den Sara-
cenen gefangen/ an den
pflug gespannet vndt sehr übel gehalten
worden/ wiewol er endtlich in seinem
Vaterlande verschieden; Rit-
ter Hans Kayserlicher Rhat vnd Cämmerer/ vndt
Bernhard auff
Rurlach; deren kindeskinder theils noch bey leben. Vber
dem An-
ton waren diese worte eingegraben:
Ich wardt gefangen zwar/ vndt habe viel erlitten/
Du wilder
Saracen/ nach dem ich dich bestritten:
Doch was dann hast du jetzt von mir in
deiner handt?
Der himmel hatt den geist/ den leib das
Vaterlandt.
Caspar/ redete Hercinie weiter/ wie jhr sehet/ hatt fünff Söhne
hinterlaßen:
Watzlawen/ der jhm durch reisen vndt geschicklig-
keit großes ansehen gemacht/
Hansen/ Christoffen/ Casparn (de-
ßen einiger Sohn Adam/ Freyherr auff
Trachenberg vndt Prauß-
nitz/ wiewol er zwey gemahlinn/
deren die letzte eine Gräffinn war/
gehabt/ ohn erben gestorben ist) vndt
Balthasern/ der vier Söhne
erzeuget: wie dann der letzte ritterliche heldt
Vlrich der fast vier-
zig jhar über die Fürstenthümber Schweidtnitz vndt Jawer
Haupt-
mann gewesen/ vndt in die neunzig jhar alt worden/ Wolffen vndt
Hansen erzeuget/ deßen Wolffens Sohnes Sohn Vlrich oder
Vdal-
il
im
in
io
ip
[Seite 546]
rich (vielmehr Adelreich) zu seiner Vorfahren thaten auch
die
liebe der weißheit gebracht/ vndt einen artli-[36] chen Poeten ge-
geben hatt; wie er selbst von sich redendt allhier eingeführt wirdt:
Soll ich mich schämen dann des namens der Poeten?
Ist
kunst vndt wißenschafft dem adel nicht von nöthen?
Standt blüet durch
verstandt: hett ich nicht standt gehabt/
So hette mich verstandt mitt adel
doch begabt.
Obberhürte vier des Herrn Balthasars Söhne/ Freyherren/
sindt
der zur rechten Herr Balthasar auff Langenaw/ der zur lin-
cken handt
Herr Caspar zue Trachenberg/ der neben diesem Herr
Watzlaw auff Bernßdorff/ vndt
der in der mitten oben an der in
krieges vndt friedens tugenden erfahrene Herr/
Herr Christoffiq/
vnter deßen Sohne/ dem Hoch wolgebornen Herrn/ Herrn
Han-
sen Vlrichen/ dem freyen vnverzagten helden/ dieses
vorgebirge/
diese wälder vndt brunnen/ vndt wir Nimfen solcher rhue/
solchen
friedens genießen/ daß wir die angräntzenden fewer der blutigen
Bellonen/ dieses klägliche getümel der waffen biß anhero zwar
von ferren
angeschawet haben vndt gehöret/ aber (welches zue
einer gueten stunden geredet
sey) nie erfahren dürffen.
Hierauff schwiege die leutselige Hercinie etwas stille; ich aber
lase die reimen/ so bey Herren
Christoffen seliger gedächtniß ver-
zeichnet waren:
An tugendt bin ich recht/ vndt linckisch auch/ gewesen:
Warumb? dieweil ich diß geschrieben vndt gelesen
Was thaten
würdig ist/ vndt gleichfals diß gethan
Was der so thaten lobt gar wol
beschreiben kan.ir
Indeßen fragen die andern wegen der sachen die nach jhm stun-
den. Hier zue nechste/ fieng sie an/ ist seine tapffere/
hochverstän-
is
it
iu
iv
[Seite 547]
dige gemahlinniw/ des vhralten geschlechtes der
Freyherren von
Promnitz/ welcher vnsterbligkeit vndt verdienst eine größere
zeit
[37] bedörffen/ als daß sie allhier können erzehlt werden. Sehet
aber
jhre überschrifft:
5 Ich bin in diese welt von heldenstamme kommen/
Die
ziehr der helden hatt zur ehe mich genommen/
Ein heldt der kam auß mir an
dieses liechtes schein/
Wie solte dann nicht ich auch eine heldinn
sein?
Von jetzigem erst gemeldeten regenten/ sagte die Nimfe/ könnet
jhr den jnhalt folgender tafeln weitleufftig vernemen. Seine hohe
beschaffenheiten/ sein verstandt in anschlägen/ sein muth im strei-
ten/
seine ritterliche thaten verdienten zwar von allen edelen ge-
mütern
sinnreicher Poeten in das register der ewigkeit eingetra-
gen zue werden/ er
aber/ als ein vollkommener Heldt/ ist auch mitt
solcher demut begabet/ daß er
nicht gern von jhm rhümen leßt/
was doch die that vndt warheit selber redet.
Was jhr aber allhier
sehet/ haben die Parcen/ Clotho/ Lachesis vndt Atropos/
als sie
jhm auff befehl des himmels die faden des lebens gesponnen/ ein-
helliglich gesungen/ vndt mitt buchstaben von demant dem roste
der zeit
zuegegen in diesen schwartzen cristall versetzt. Wir ver-
wunderten vns nicht
so sehr über der menge der edelen gesteine/
als über der fürtrefflichen arbeit/
welche von solcher kunst vndt
schönheit war/ das wir wol abnemen kundten/
menschen hände
würden dergleichen nach zue thun sich vmbsunst bemühet haben.
Das getichte aber vndt weißagung der Parcen waren von worte zue
worte
diese:
Brich an/ du schöner tag/ vndt komm/ du edles kindt/
Dem götter/ vndt das hauß der götter günstig sindt/
Der himmel/ vndt auch wir. wir haben zwar gewunden
Ein garn/ ein weißes garn zue seines lebens stunden;
5 Wo ist die farbe hin? die faden werden goldt.
Brich an tag/ komm o kindt! die götter sindt dir holdt/
ix
Ihr himmel/ vndt wir auch: sie wollen dich begaben/
Dir schencken diß was viel wol wündtschen/ wenig haben;
iy
iz
ja
jb
[Seite 548]
Mars seinen großen muth/ vndt Jupiter verstandt.
10 Komm an/ dein güldnes garn das wächst vns in der handt/
Vndt spinnt sich selber auff. schaw hier die schönen blicke
Der heldinn welche dich mitt solchem gueten glücke
Der liechten Sonnen zeigt/ der heldinn die jetzt dir
Das leben/ vndt hernach des lebens beste ziehr
15 Die tugendt geben wirdt. du wirst zwar waise werden
Durch deines Vatern todt/ der kürtzlich dieser erden
Soll geben guete nacht/ wie vnser buch vermag;
Doch die durch welche du gebracht wirst an den tag
Wirdt nicht nur muter sein/ wirdt auch mitt vatersinnen
20 Zur waren tugendt lust dich baldt gewehnen können/
Dir zeigen einen weg wohin der gehen soll/
Stracks wann er gehen lernt/ der edlen lobes voll
Will brechen durch die zeit. du wirst für allen dingen
Auff jhrem arme noch am liebsten hören klingen
25 Die trummel vndt trompet/ wirst reißen mitt der handt
Auff einen degen zue/ der etwan an der wandt
Mag auffgehencket sein. das mittel dich zue schweigen
Wirdt sein ein blanckes helm/ ein schönes roß zue zeigen/
Die lantz’ vndt rennebahn. ein solches tocken spiel
30 Liebt erstlich baldt ein kindt das nicht versawern wil
In seiner muter schoß. wann dann zue deinen tagen
Die sprache kommen wirdt/ wo wirst du lernen fragen
Nach dem was ritterschaft vndt lob der ahnen ziehrt;
Wirst werden zue der lust der weißheit angeführt/
35 Kein feindt der bücher sein. wirst Rom begierig hören
In jhrer sprache selbst/ dich laßen von jhr lehren
Durch was für witz/ vndt krafft sie jhr die gantze welt/
Was Titan überscheint/ zun fußen hatt gefellt.
jc
Es wirdt von tapfferkeit/ von strengem kriegeswesen
40 Dir Leipzig/ Tübingen vndt Altorffjd weiter lesen/
je
jf
jg
jh
ji
jj
jk
jl
jm
jn
jo
[Seite 549]
Vndt sagen/ daß ein heldt der große thaten liebt/
Den thaten noch mehr schein durch kunst vndt klugheit giebt.
Biß daß der hohe sinn dich vber berge treget/
Wo freyheit jhren grundt tieff in die see geleget
45 Von langen zeiten an/ vndt Nereusjp eine Stadt/
Die aber länder zwingt/ zue seinem weibe hatt.
Dann wirst du nechst darbey ein gast Antenorsjq werden/
So lange Cynthiajr sechs mal den kreiß der erden
Mitt gantzem liechte füllt: du wirst hier deinen standt/
50 Dein edles ritterblut/ auch zeigen mitt der handt/
Die offtmals sagen muß was mancher führt im hertzen;
Wirst kunst zur mannheit thun/ vndt mitt dem degen schertzen/
Inkünfftig ernst zue sein; wirst legen deine zeit/
Die zeit so güldinn ist/ an güldne tapfferkeit/
55 An sprachen vndt verstandt. wirst hin nach Rom verreisen/
Vndt an den Tiberstrom daselbst dir laßen weisen
Wo Rom gewesen sey: hier stundt die ziehr der welt/
Wirdt sprechen wer dich führt;js hier war der tugendt feldt/
Das ort von dem sich ließ der erdenkreiß beschönen.
60 Auff dieses solt du sehn die muter der Sirenen/
Der welt Sirene selbst;jt vndt
Bajasju/ vndt jhr badt/
Was Cumajv/ was Puzoljw für
lust vndt wunder hatt/
Der schawplatz der natur. dich wirdt zue roße setzen
jx
Das blüende Florentz; es soll sich selbst ergetzen
65 Der weißen Nimfen schar am hohen Apennin/
Wann deine freye faust des pferdes stoltzen sinn
jy
jz
ka
kb
kc
kd
[Seite 550]
Wirdt brechen durch den zaum/ baldt sicher laßen fliegen
Mitt schäumender begier/ den winden ob zue siegen.
Dann leßest du die flut der see dich nach Meßanke/
70 Von hier nach Malta zue/ von Malta auff Drapan
kf
Den Lilibeer port mitt vollem segel tragen/
Darffst gegen Africa nach Tunis zue dich wagen/
Machst die Tyrrhener see dir weit vndt breit bekandt/
Biß Napolis dich setzt noch ein mal an sein landt/
75 Das reiche Napolis/ vndt dann auff Pisa sendet/
Diß wieder nach Florentz/ wo zwar der weg sich endet/
Nicht aber auch der fleiß; du wirst auffs newe hier
Die gantze sommers zeit vermehren deine ziehr
Durch sprachen vndt verstandt. hierauff nach Luca ziehen/
80 Von dar nach Genua wo krieg vndt friede blühen/
Vndt auff Minerven Stadt das künstliche Milankg/
Vndt was die tafel hier sonst mehr nicht faßen kan:
Biß endtlich Spanien dir in den sinn wirdt kommenkh/
Das nunmehr beydes hauß der Sonnenki eingenommen/
85 Vndt jhm verbunden hatt: dein weg soll Franckreich sein/
Der sitten meisterinn/ der künste liecht vndt schein/
An vieh vndt leuten reich/ das weit vndt breit beschloßen
Mitt starcken klippen steht/ mitt wäßern gantz vmbfloßen;
Verwahret mitt der see. du wirst durch Delfinat
kj
90 Hin auff Marsilienkk/
von da auff Arelatkl/
Vndt ferner an den fuß der schneeichten Pirenen/
Die jhre spitzen fast biß an die wolcken lehnen/
Wo du begrüßen solt zum ersten Arragon/
Vndt dann nicht ohn gefahr das stoltze Barcelon/
km
[Seite 551]
95 Tortosa vndt Sagunt berhümbt vom hungerleidenkn/
Die Königinn Valentz/ wo Duriako
viel weiden/
Viel blumen/ graß vndt waldt umb seine ströme hegt/
Biß dich ein langer weg hin nach Toledokp/ tregt/
Von dannen nach Madridkq/ auß denen jenes eisen
100 Vndt stahl/ diß weißheit hatt. dann wirst du rückwerts reisen
Da wo der Iber fleußt auff Saragosa hin/
Vndt auß der Sonnen brunst in beßer wetter ziehn.
kr
Wie nun dir Spanien gegeben witz zue hören
Vndt schweigen/ also wirdt dich Franckreich reden lehren/
105 Der außzug aller lust/ der edlen demut landt/
In welcher jederman geehrt wirdt vndt bekandt
Der tugendt leiden kan. die erste rhue vndt wonne
Das wirdt Tolosaks sein am
strande der Garonne;
Auff diese Bordeaux; Roschellekt nechst nach jhr/
110 Das Mars liebt vndt Neptun; hierauff der Musen ziehr [flüßenku
Vndt künstmarcktkv Poictiers: dann wirst du sampt den
Der gelben Loir Angiers/ vndt Tours/ vndt Blois begrüßen/
Nicht minder Orleans das Bacchuskw also liebt/
Vndt dem Mercurkx das lob der reinen sprache giebt.
115 Wo laßen wir Paris? hier wirst du auch verbleibenky/
Wo alle weißheit wohnt/ wirst deine zeit vertreiben
kz
la
lb
[Seite 552]
Mitt übung die ein heldt vndt ritter haben muß.
Nach Franckreich/ wann du nun der stoltzen Seyne fluß/
Den faulen gang der Arlc/ des Rhodans schnelles fliehen
120 Gesehn hast/ wirst du dann auch an die Temse ziehen
Dem wolgebawten strom/ beschawen Engellandt/
Das durch den Ocean von vns ist abgetranntld/
Dein rückweg sollen sein die starcken Niederlandele/
Ostende/ Brug vndt Schluys/ vndt Gendt am Scheldestrande/
125 Vndt Brüßel/ vndt was mehr des Zepters willen hört
Das gegen Ost vndt West gehorsamb wirdt geehrt/
Nicht nur von einer welt: dann seine gegen werckelf/
Die nun so lange zeit mitt großer list vndt stärcke
Sich wieder jhn gesetzt. hier halt die flügel an;
130 Hier schawe wieder heim; es ist genung gethan;
Die deinen ruffen dich/ du blum vndt ziehr der jugendt;
Sie wollen nunmehr sehn das reichthumb deiner tugendt/
Der reise newe frucht. was wirdt für wonne hier
Bey deinen quellen sein/ wann du/ jhr trost vndt ziehr/
lg
An beute reicher noch als Jason heim wirst kommenlh/
136 Nach dem du alles das in augenschein genommen
Was sehens würdig ist/ vndt nicht nur feldt vndt landt
Vndt städte/ sondern auch die leute hast erkandtli
Die Phebus oder Mars begreifft in seinem orden;
140 Wann dir der Musen volck zue freunde wirdt sein worden/
Zue Londen Casaubonlj/ vndt zue Paris Thuanlk/
Zue Leiden Scaligerll/
vndt was man nennen kan
lm
ln
lo
[Seite 553]
Für etwan einen geist der nicht auß schlechter erden
Vom Titan ist gedreht.lp die grünen wiesen werden
145 Sich frewen vmb vndt vmb/ es wirdt thal/ pusch vndt feldt
Ein grünes kleidt anziehn/ es werden dir/ o heldt/
Die klaren bäche hier mitt lust entgegen fließen/
Die felsen höher stehn/ der Nimfen schar dich grüßen/
Der zarten Nimfen schar von dreyerley gestaltlq/
150 Als denen heilig sindt die flüße/ berg vndt waldt/
Bey welchen wir diß liedt in demant einverleiben/
Damit es von der zeit mag vnbetastet bleiben/
Mag sein ein stetes pfandt des himmels der dich liebt/
Vndt vns noch mehr befehl also zue setzen giebt:
155 Ihr schönes himmel volck/ jhr glatten Oreaden/
Du der Napeen heer/ jhr flüchtigen Dryaden/
Vndt jhr Najaden auch/ du Echo die du nicht
Was anders sagen kanst als was man zue dir spricht/
Ihr süßen Gratien/ du Paleslr/ du
Diane/
160 Seidt günstig wann er hier auff einem grünen plane/
Auff ewre püsche zue/ vmb ewer edles feldt/
Bey dieser einsamkeit nach schnellem wilde stellt/
Vndt sucht ergetzt zue sein. er wirdt die wälder ziehren
Mitt seiner gegenwart/ wirdt an den wilden thieren/
165 Ein newer Hercules/ versuchen seine krafft/
Vndt diß nach dem er hatt die sorgen abgeschafft
ls
Für seine leut’ vndt landt.lt man muß die arbeit mengen
Mitt einer freyen lust/ vndt auch der rhue verhengen/
lu
lv
lw
lx
[Seite 554]
Wie selbst thut die Natur/ die nie stets winter macht/
170 Stets sommer/ oder lentz; stets regen/ oder nacht.
Dein bogen/ Delialy/ wirdt gleichfalls abgelaßen;
Es pfleget Jupiter den becher an zue faßen
Mitt eben dieser handt in der er donner tregt:
So wirdt der heldt auch thun nach dem er abgelegt
175 Des Vaterlandes last/ für welches er soll streiten
Mitt ritterlicher faust/ wann gar in kurtzen zeiten
Auch diß ort/ welches jetzt der werthe friede ziehrt/
Auff krieg ohn alle schuldt wirdt werden angeführt.lz
Als wie des windes zorn die eiche nicht kan spalten/
180 Wie eine klippe pflegt die wellen auff zue halten/
So wirdt er vnverzagt auch eine kecke schar
Den kürtzern lehren ziehn/ wirdt suchen die gefahr
Durch die er wachsen soll: jhmma wirdt der
hauffe weichen/
Als wie das schöne volck der sternen muß verbleichen
185 Wann etwan Cynthia das gantze liecht bekömpt/
Vndt einen vollen glantz von jhrem bruder nimpt
Der gegenüber steht; der starcke löwe zeiget
Vmbsonst die gelbe mahn/ die Thracer leyermb schweiget/
Orion drewet schwach/ das groß’ vndt kleine thiermc
190 Schawt tunckel vmb sich her/ vndt blickt kaum halb herfür
Auß einer hellen lufft. er wirdt dem feinde weisen
Wie schlechtes glücke hatt wer hunger/ glut vndt eisen
Zue frembden leuten tregt/ vndt bringt ein armes landt
Vmb freyheit/ recht vndt heil ohn vrsach vndt verstandt.
195 Damitt er rhümlich auch mag nach dem tode leben/
So wirdt der himmel jhm viel edle zweige geben
Durch einen werthen stamm/ den du/ o heldt Piastmd/
Mitt Zepter vndt gewalt so weit erhaben hast;
me
mf
mg
[Seite 555]
mh
Den eine göttinmi selbst zum himmel
auffgeführet
200 Mitt jhrer frömigkeit; den Henrichmj hoch
geziehret
Mitt blute für sein landt; dem seine grüne frucht
Kein wetter dieser zeit/ vndt keiner jhare flucht
Wirdt legen vnter sich. auch dieser heldt soll schawen
Sich selbst in seiner art/ soll schöne pflantzen bawen
205 Von aller tugendt ziehr/ die lust vndt fröligkeit
Vndt rhum jhm machen wirdt die gantze lebenszeit.
Genung; was sonst allhier ist vnverzeichnet blieben/
Das ist mitt golde doch in vnser buchmk geschrieben.
Wir hatten vns an der schönen tafel die augen/ an der weißagung
aber/ welche wir nun mehrentheils erfüllet zue sein wußten/ auch
das
hertze erquickt/ vnd wünschten dem Helden solche ersprößli-
che wolfarth/ wie
jhm allhier zue ende angekündigt würde. Die
andern Nimfen hatten sich vnter dem
lesen alle hinauß verlohren/
Hercinie aber; Ihr hirten/ sagte sie/ so viel ist menschlichen augen
allhier zue besichtigen erlaubet/ vndt jhr werdet mitt meiner vndt
meiner
schwestern anjetzo erzeigten gunst vergnüget sein. Also
führte sie vns durch
ein anderes thor in eine newe höleml/ die zue
weilen so enge war daß wir fast nach der seiten durch gehen muß-
ten/
zueweilen aber viel thäler vndt berge in sich zue halten
schiene. Nach dem wir
eine guete weile also gegangen waren/ ka-
men wir an einen fast heißen ort/
voll schweffelichten dampffes/
zue deßen beyden seiten ein knallen vndt prausen
gleichsam eines
auffkochenden waßers/ vndt ich wußte nicht was für ein gethöne
gehöret wardt. Vns war nicht aller maßen wol bey der sache; Ich
habe/
fieng aber die Nimfe an/ euch nicht ohn vrsach an dieses ort
mm
mn
[Seite 556]
geführet. Wißet daß Sicilien nicht allein Cyclopen/ vndt
Theßalien
Titanen getragen hatt; es liegen allhier zweene mächtige Gigan-
ten/ welche sich eben wie jene an dem himmel zue vergreiffen
vnter-[45]
standen/ vndt von den göttern vnter diese klüfften sindt
verstoßen worden. Sie
haben den geschmack des schwefels noch
anjetzo nicht verlohren/ vndt riechen
nach dem plitze vndt don-
ner/ darmit sie Jupiter hatt herab gestürtzt. Auß
jhren rachen
lauffen starcke vndt hitzige ströme/ die dennoch auß gnädiger ver-
ordnung der Vnsterblichen zum besten der menschen gereichen/
vndt nicht
weit von hier mitt zweyen heilsamen quellen in dem
gebiete jetztgemeldeten
Heldens entspringen mußen. Es solte mir
auch vnschwer sein/ euch zue jhren
vngehewren cörpern zue füh-
ren/ wann ewere blöde augen vndt ohren das
scheutzliche anscha-
wen vndt brüllen vertragen könten. Lernet aber gleichwol/
daß die
jenigen die sich den himmel an zue tasten vermeßen/ von dem
himmel
verstoßen/ vndt von der erden verschlungen werden.
Als wir nun vnter wehrendem gespreche gleichsam bergan ge-
gangen waren/ kamen wir an den außgang einer höle/ darein der
tag seine
stralen mitt vollem scheine fallen ließ; Hercinie aber ver-
schwandt ehe wir es gewar worden/ vndt kam vns
weiter nicht zue
gesichte. Wir wendeten vns gegen der grotten/ vndt ehrten die
Nimfe vndt den ort/ darinnen wir so/ merckliche vndt wunderbare
lachen
gesehen vndt erfahren. Ob vns auch zwar die gelegenheit
des gefildes da wir
herauß gegangen etwas seltzam fürkam/ so kun-
ten wir doch aller Beschaffenheit
nach fast erkennen/ daß wir eben
an der andern seiten des berges/ wo wir zuevor
hinein gelaßen
worden/ sein mußten/ stiegen also gemach vndt gemach gegen der
spitzen zue. Wir waren noch zimlich ferren von der höhe/ als sich
bey so
lieblichem wetter dennoch ein dünner schnee sehen ließ/
der aber auff der erden
alsobaldt zue tawe vndt waßer wardt. Wei-
ter hinauff war es gantz heiter vndt
stille; da wir dann nachfolgen-
des gelubde in einen lindenbawm eingeschnitten
funden:
mo
Du geist der du allhier bewohnst den öden plan/
Du seist auch wer du wilt/ wann ich vollbringen kan
Was mein gemüte sucht durch deine kunst vndt rhat/
So wil ich dir allhier an dieser grünen stat
mp
mq
mr
[Seite 557]
5 Erhöhen ein altar/ darauff zur danckbarkeit
Ein opffer das du liebst soll brennen iederzeit.
Du riesenherr/ du artzt/ du berggott/ komm herfür;
Der jene so dich ehrt erwartet deiner hier.
Dieser/ fieng Nüßler an/ hatt sich auch bereden laßen/ es sey ein
Rübezalms
allhier/ wie jhn die jenigen nennen/ die jhn nie gesehen
haben. Wir sindt eben
auff dem rechten orte/ gab ich zur antwort/
da er sein soll/ vndt nicht ist.
Ich habe gleichwol vernommen/ jhr
Schlesier/ sagte Venator/ es solle nicht gar richtig bey euch sein.
Freylich
nicht/ fieng ich an; dann es liegt einer hier oben begraben
der nicht mehr
lebet. Ich weiß wol/ redte Buchner darzwischen/
daß jhr alle drey dem hauffen zuegethan
seidt der nichts übrigs
glaubet: was aber durch lange erfahrung bestetigt ist/
vndt die au-
gen selbst sehen/ das kan das hertze ja glauben. Mitt einem stin-
ckenden aaße/ sagt Nüßler/ ist wol sonst wenig an zue fangen. Dar-
wieder
bin ich auch nicht/ spricht Buchner; wiewol manches ehe
verdirbet als ein
anders. Ich habe viel mal gehöret/ wann einen der
donner erschlagen hatt/ daß
sein cörper nicht verfaulen; vndt
wann einem mitt giffte vergeben ist/ daß das
hertze vnvertorben
bleiben soll. Ein mensch der mäßig gelebet hat/ wirdt nicht
so
baldt verwesen/ als einer so durch schwelgen vndt vollbretigkeit
seinen
leib zue einer pfützen gemacht hatt/ da alle feuchtigkeit
vndt flüße hinein
geronnen. Habt jhr nie gesehen/ daß den todten
mt
mu
mv
[Seite 558]
die haare vndt nägel gewachsen sindt/ sonderlich den jenigen
die
Jupiter abwäscht/ Apollo salbet vndt trucknet. Welchen/ fragt Ve-
nator? Den gehangenen/ meine ich/ spricht [47] Buchner/ denen
die geister plötzlich vmbzwenget vndt zuegeknüpfft
werden. Hier-
von nun kan man mehrentheils natürliche vrsachen geben: daß
aber der menschen seelen sich in gestalt der verblichenen leiber
sehen
laßen/ ist dermaßen klar/ daß es keiner laugnen kan/ der
gleich noch weniger
als jhr glaubet. Doch wollen wir den birg-
mann Rübezal in diese zahl nicht setzen: dann angesehen daß er
durch
zauberey geruffen wirdt/ so muß er weder eine frome/ noch
eine verdammte seele
sein; weil sie beyde biß zue seiner zeit vnter
der handt des Gottes aller
götter sindt/ der sich mitt beschwerun-
gen nicht zwingen leßt. So muß es dann
der teuffel sein/ fang ich
an. Recht so; sagt Buchner: er ists leibhafftig;
wiewol nicht alles
baldt der teuffel ist/ worfür man sich sonderlich bey nachte
zue
entsetzen pfleget. Natürlich sindt die flammen oder irrwische vmb
die
gesümpffe; natürlich die dünste/ so offtmals in der höhe wie
menschen/ wie
thiere vndt andere sachen herumb wandern; na-
türlich in den leibern/
sonderlich gewißen frawenzimmers/ das
seltzame kurren/ zischen/ krehen/ bellen/
das nach gestalt der sa-
chen vndt gänge von der durchdringenden lufft also
geartet wirdt/
vndt vnerfahrenen ärtzten eine nase zue drehen pflegt; vndt was
dergleichen mehr ist.
Wo bleiben dann die säuffer/ sagt Venator/ die so vngewisser
augen/ vnstetigen ganges/ vndt
seltzamer einbildungen sindt?
Wann sie den kopff fallen laßen/ so kömpt es
jhnen bißweilen für
sie versincken; vndt wann die stube ein radt mitt jhnen
macht/ so
legen sie sich nieder/ vndt erwischen mitt beyden händen den bo-
den: baldt erhebt sich ein sturm in jhren ohren/ daß sie meinen sie
sindt
zur see/ vndt schawen wie weit es noch zue lande ist; springen
wol über jhren
eigenen schatten/ vndt sehen jhn für einen graben/
eine katze für einen löwen
an; in summa/ schlaffen wachende/
mw
mx
my
mz
na
[Seite 559]
vndt [48] fechten schlaffende; schreyen nach pflastern/ vndt
wol-
len sich verbinden laßen.nb
Auff diese weise wirdt mancher bezaubert/ sagt Buchner: aber
ohn schertz/ jhr brüder/ von andern gespenstern
redet die gantze
welt/ vndt von diesem viel leute die hierumb wohnen; die jhn
zue
weilen in form eines schönen roßes/ einer kröten/ eines rabens/
einer
nachteule/ eines bergmännlins/ eines mönches vndt derglei-
chen gesehen haben.
Eines mönches? sagt Venator. Warumb
nicht/ giebt Buchner zur antwort? Pflegt sich
nicht der teuffel in
einen engel des liechts zue verkehren/ vndt hast du nie
gehört/ daß
er dem heiligen Martin in gestalt des Heilandes der welt erschie-
nen
sey?nc Muß er dann eben/ spricht Nüßler/ vmb
diese felsen
vnd tunckele hölen seinen wohnplatz haben? Er ist/ antwortet
Buchner/ ein Vater der trawrigkeit/ vndt bezeuget solches mitt
den einöden
trawrigen örtern/ da er zue nisten pfleget. Vieleicht
wil er jhm hierdurch ein
größer ansehen machen/ fange ich an/
weil jhm nicht vnwißendt/ daß der so über
vns ist an den stillen
vndt einfaltigen orten mitt einfaltigem hertzen vndt
ruhigem gewi-
ßen von allen zeiten her hatt wollen geehret sein. Solches
begehr-
ten die vngöttlichen götter/ Rübezales gleichen/ daß man jhnen
nicht weniger erzeigen solte;
wie dann die alten nicht so sehr hel-
ffenbeinerne vndt güldene bilder/ als
dicke püsche vndt das ge-
heime stillschweigen darinnen angebetet/ ja wälder/
wiesen vndt
see geheiliget/ vndt sie mitt namen der götter genennt haben. Die
Dacier auch berge/ hebt Buchner an. Freylich/ sage ich/ berge/
vndt die jenigen so einen schein der göttligkeit zue erlangen sich
darein
verborgen/ als Zamolxesnd vndt andere. Ich meinte/ sagt
Venator/ du würdest vns
dergleichen in deinen weitleufftigen be-
richten von den Daciernne außführlich machen. Zwar ich
weiß
[49] nicht/ ob es mir wie jenen bergen gehen möchte/ gebe ich
zur
nf
ng
nh
ni
[Seite 560]
antwort/ die nach langem geberen eine mauß zur welt
brachten:nj
wie ich mich aber anietzo mitt meinem zuestande vndt der zeit
gelegenheit
genungsam geschützt zue sein befinde/ so hoffe ich/
soll ich leben/ ich wil
erweisen/ daß ein hirte mehr als weiden/ vndt
ein Poet mehr als lügen
kan.
Vnter wehrendem reden/ als wir zwischen der trennung zweyer
hügel/ dahin wir vns durch hecken vndt gestäude mehr einen weg
gemacht/
als gefunden hatten/ gerichts eingiengen/ erblickten wir
hinter den
birckenbäwmen vnd eichen eine grüne wiese/ auff wel-
cher von einem andern orte
her ein altes weib/ mitt grawem
haupte/ zitterndem gange/ krummen rücken vndt
einem korbe
darauff/ fast gekrochen kam. Wir winckten einander/ vndt legten
vns vnvermerckt in die sträuche nieder/ zue erfahren was die red-
liche
muter guetes machen würde. Sie war fast in die mitten an
einen Scheideweg
zweyer engen stege kommen/ da ließ sie jhre
geflickte schauben fallen/ striech
die hägeren armen auff/ vndt
fieng mitt klingender stimme also an zue
ruffen:
Ist dann kein mittel nicht zue zwingen den gesellen
Der eine jungfraw fleucht? soll dann das heil der höllen
Erst sein herfür gesucht? es muß ja sonsten mir
Gehorchen was die welt in see/ in lufft vndt hier
5 In jhrer schoß verbirgt: die sternen mußen schwitzen;
Der monde stille stehn/ vndt seinen wagen stützen;
Der Nortwindt legt den sturm zue meinen füßen hin;
Der sommer schneyet mir: es machen wo ich bin
Die todten sich herzue; auff mein geheiße gehen
10 Die starcken eichen fort; die flüße bleiben stehen;
Die klippen sencken sich; die saate reiffet nicht;
Die thäler steigen auff; der schlangen leib zerbricht;
nk
Die löwen werden zahm. was gilt ich wil was finden/
Den wilden tigersinn genungsam zue entzünden!
nl
nm
[Seite 561]
15 Du dreykopff/ Hecatenn/ die älter ist als ich;
Du geist der diesen berg beherrschet höre mich;
O Pluto/ komm herauff; ich achte nicht der sachen
Die meines alters volck zue langsam reicher machen;
Ich suche nicht metall/ nicht jaspis/ nicht demant;
20 Ein fester hertz’ als er soll werden vmbgewandt.
Dieweil kein krötenblut/ noch drummel in den rhoren/
Noch federn so die eul hatt vmb ein grab verlohren/
Noch heiße pferdebrunst/ kein westerhembde nicht/
Kein nagelno von der handt/
kein haar/ kein blut/ kein liecht
25 Zue rhaten deiner trew/ o jungfraw/ derer schmertzen/
Wie hart’ vndt raw ich bin/ mir dringen selbst zue hertzen/
Bey jhm verfangen wil/ vndt ich vmbsonst gethan
Was menschen klugheit weiß/ so helffe was da kan.
Der glantz des himmels die Sonne/ welche/ wie wir auß vnserem
schatten abnemen kundten/ den tag biß über die helffte gebracht
hatte/
schiene für schrecken zue erbleichen/ kein geflügel hörte
man singen/ es regte
sich nichts als das zittern der bäwme/ vndt wir
selber zweiffelten welches
sicherer were/ zue lauffen oder zue
bleiben. Sie zohe den lincken schuch auß/
nam ein tuch über den
kopff/ kehrte sich zwey mal gegen morgen/ vndt zwey mal
gegen
Niedergang/ grub mitt einer sichel ein loch in die erden/ vndt
machte darauff einen zirckel vmb sich her/ murmelte auch eine
gute weile
eines vndt anders was wir nicht verstehen kundten.
Hiernach brachte sie auß
jhrem korbe allerhandt kräuter/ welche
np
nq
[Seite 562]
sie vermutlich bey vollem mondenscheine vndt für auffgange der
Sonnen/ auch sonst zue gewißen jhareszeiten mitt der lincken
handt
eingelesen hatte/ mengete etzliche steinlein/ wie auch ge-
beine von den todten
darzue/ vndt rhürete mitt einer ruten alles
durch [51] einander. Also legte sie
es auff wacholterholtz vndt ei-
senkraut/ darbey vngebrauchter schwefel vndt
weyrauch war/
zündete es auff/ vndt wie der loh in die höhe schlug/ redete sie
folgende worte:
So mußen gleichfalls auch deßelbten sinnen brennen/
Der von
sich selbst nicht wil den trewen sinn erkennen.nr
Ferner knüpffte sie einen haarlocken vmb drey federn von
vngleicher farben/ vndt sprach:
Diß sindt die federn hier so ich zue diesem wesen/
Auß dreyen
nestern zwar/ vmb mitternacht erlesen
Vom vogel den ich weiß; diß ist sein
eignes haar
Das bey dem lincken ohr’ ein falsches zeichen war
Der liebe
die er fleucht: die feder leßt das fliegen;
Sein haar wirdt jetzt ein bandt; er
soll mir auch erliegen.
Auff diß sprützete sie drey mal in jhre schoß/ nam ein bildlein
von jungfrawenwachse in die handt/ beraucherte daßelbte/ bandt
jhm drey
wöllene faden von dreyerley farben vmb den halß/ vndt
sagte:
Vngrad’ ist den göttern lieb; dreymal ist er auch gebunden;
Dreyer farben faden sindt vmb den harten halß gewunden.
Vnter solcher rede stach sie mitt einer langen nadel drey mal
hinein/ vndt fieng an:
Also geh’ es auch dem hertzen
Das ein weibes bildt darff
schertzen.
ns
nt
nu
nv
nw
[Seite 563]
warff es hierüber in das fewer mitt diesem worte:
Wie das reine wachs muß rinnen/
Soll jhm schmeltzen muth vndt
sinnen.
Nach dem nun alles nieder gebrennet war/ grieff sie auff die
erden/ warff die asche drey mal über den kopff/ sahe nicht hinter
sich/
vndt hub wie erstlich mitt verbrochenen worten an zue mur-
meln. Sie hatte jhre
schreckliche beschwerungen in dem maule
herumb zue werffen nicht recht
angefangen/ als sich ein mächtiges
[52] wetter/ schloß/ hagel vndt krachen erregete.nx
Das liecht wardt schwartze nacht; der himmel lieff zuesammen
In dickes finsterniß; die wolcken gaben flammen
Vndt eilten hefftig fort;
man sahe keinen tag
Als wann der grimme plitz durch einen donnerschlag
Vorher gesendet kam; der winde starckes prausen
Bewegte waldt vndt berg
mitt seinem wilden sausen;
Die lufft wardt lauter see; der höllen gantzes reich
Erregte seine krafft; die bäwme wurden bleich;
vndt was mich das schrecken noch jetzo nicht erzehlen leßt. Ich/
wie ich zuevor am letzten mich niederlegen/ vndt dieser vierdten
Furie
zuehören wollen; also war ich der erste so von dannen vndt
auff die nechste
straße zue lieff. Die andern kamen hernach ge-
rennet/ vndt hatten mitt dem
athem auch fast die sprache verloh-
ren/ wolten den blättern der espen so
vmbher stunden am zittern
nichts bevor geben. Eine seltzame sache: es stundt
der hügel/ auff
dem wir vns damals befunden/ so ferren nicht von dem vorigen
orte/ dennoch blickte vns die Sonne mitt so einem gnädigen auge
an/ vndt
das graß vmbher war dermaßen trucken/ daß wir leicht
verstehen kundten/ wie der
teuffel nicht allenthalben zue gebieten
ny
nz
oa
ob
oc
od
oe
of
og
[Seite 564]
hatt; vndt also in dem grünen ein wenig rhue zue nemen
veranlaßt
worden.
Als wir nun beydes von dem verlauffe ietziger schrecklichen
künste/ vndt sonsten diesem vndt jenem vnterredung hielten/ ge-
fiel vns
die landtart gegenüber liegenden Königreichesoh sonder-
lich/ als deßen ebene von dem gemach vndt gemach
auffsteigen-
den gebirge gleich wie von einem krantze vmbgeben ist/ vndt daß
außsehen eines künstlichen schawplatzes hatt/ darinnen etwan die
alten
jhre spiele zue zeigen gewohnt gewesen. Hierüber dann
meine drey mitgesellen/
in erwegung ietziger betrübter läufften/
auff folgendes hirtenliedt oder
gesprecheoi geriehten.
oj
Ist jenes dann das feldt/ liegt dahinein das landt/
Wo vnlengst eine glut so hoch ist auffgebrandt/
Darvon wir schäffer auch bey vnserm klaren Reine/
Sindt worden angesteckt? wir saßen vor im weine/
5 Das vieh gieng in das graß biß an den bauch hinein;
Jetzt sehen wir den krieg für schaffe/ blut für wein.
Hatt diß gebirge dann den namen von den riesen?
Entspringt mein Landesstromok vmb diese schöne wiesen?
Du suchst dir ja den weg zur Muldeol gar zur
weit/
10 Vndt hast auß jhr geschöpfft/ o Elbe/ noth vndt streit.
Nüßler.
Diß ist der Böhmerwaldt/ das heißen die Sudeten;
Wie hoch sie aber gehn/ so sindt doch angst vndt nöthen
Geflogen vber sie. du hast nur vnser landt
Vergebens/ o natur/ von diesem abgetrannt.
om
on
[Seite 565]
15 Wer hette diß gedacht! noch ist es so weit kommen/
Ein frembdes glücke hatt den Neckar eingenommen/
Sampt vnser hirtentrifft/ vndt mich hinweg gejagt
Von deßen bühels rhue wo Jetteoo wargesagt.
Ich hette doch vermeint/ es solte ja dein singen/
15 Dein edler schäffer thon/ dir gunst vndt liebe bringen/
Vndt freye sicherheit.
Nüßler.
der Musen seiten spiel/
Es sey so guet es kan/ schafft eben also viel
Bey einer heereskrafft/ als etwan eine taube
Für einem adler gilt der außfleugt nach dem raube.op
Venator.
oq
Es istor ein
berg bey vns/ vom Neckar nicht sehr weit/
26 Der heißt der königstul/ da hatt zue mancher zeit/
Von einer eichen her/ die schildtkraeos angekündet
Was eben ietzt mein landt (nicht ietzt mein landt) empfindet:
Sie hatt vns wol gesagt: jhr schäffer/ seht euch für:
30 Nun milckt man vnser vieh auff eine stunde zwier;ot
Die euter werden schlaff.
Buchner.
es bleibet nichts bestehen
In dieser gantzen welt: muß doch zue rüste gehen/
So offt es abendt wirdt/ der schöne himmelsschildt.
ou
ov
ow
ox
oy
[Seite 566]
Nüßler.
Wo häuser sindt war feldt: es leufft viel mal ein wildt/
35 Da etwan für der zeit ist eine Stadt gewesen.
Das obst ist abgerupfft/ der reiffe wein gelesen;
Die eicheln fallen selbst; die zarten bircken hier/
Die fichten laßen gehn jhr laub die grüne ziehr.
Die blumen werden welck/ die weide muß verterben.
Nüßler.
40 Man schlacht’ es oder nicht/ so muß das vieh doch sterben.
Venator.
Den leichten vögeln wirdt jhr leben gar nicht schwer;
Sie fischen in der lufft gesichert hin vndt her/
Vndt können stets daheim vndt in dem jhren reisen;
Ein quell giebt jhnen tranck/ der pusch vndt acker speisen;
45 Doch mußen sie dar von.
Buchner.
der rawen kälte zeit
Die dringt vns auff den halß
oz
wann alles überschneyt
Vndt zuegewintert ist/ so kömpt der früling wieder.
Venator.
Dann hört man durch die lufft der vögel schöne lieder.
Buchner.
Das vieh verleßt den stall.
Nüßler.
die weide wirdt verjüngt:
pa
pb
pc
pd
[Seite 567]
50 Die blumen finden sich.
Cibelens fichtepe bringt
Ein newes laub herfür.
Nüßler.
die frome birckepf blühet.
Venator.
Die eiche schlaget auß.
Buchner.
der süße weinstock siehet
Sich nach den augenpg vmb
Nüßler.
der obstbawm zeucht sein kleidt
Die blätter wieder an.
Venator.
das stadtvolck ist erfrewt.
Buchner.
55 Das dorff geht auff das feldt.
Nüßler.
so laßt vns dem vertrawen
Der dorff stadt/ obst vndt wein/ der bäwme/ feldt vndt awen/
Der vieh vndt vögel hegt; sein werther Sonnenschein
Wirdt nach der strengen lufft vns desto lieber sein.
[Seite 568]
[56] Diß hirtengetichte ermunterte mich/ nicht gar leer auß zue
gehen: damit ich aber nicht auß meiner alten gewohnheit schritte/
fieng
ich also an zue singen:
Meine frewde die mich bindet
Ist der list vndt kräuter frey:
Zwar sie hatt mich angezündet/
Doch ohn all Zauberey:
5 Daß mein sinn sich jhr ergiebt/
Kömpt daher weil sie mich liebt.
Diese Circe hatt beysammen
Ihrer augen plitz vndt glantz/
Des gesichtes helle flammen
10 Das mir meines nicht leßt gantz;
Ihre wörter die sie weiß
Nemen aller kunst den preiß.
Ihre ziehr darff nichts begehren
Was man sonst zue hülffe rufft/
15 Darff den monden nicht beschweren/
Rhat nicht suchen bey der lufft:
Lufft vndt monden darff nicht sein/
Wo schon ist jhr tageschein.
Welchem nicht zue hertzen steigen
20 Dieser wangen milch vndt blut/
Dieses reden/ dieses schweigen/
Diese jugendt/ dieser muth
Der mir meinen muth zerbricht/
Den bekehrt kein Zaubern nicht.
Hiernach stunden wir auff/ vndt wanderten allgemach durch die
gefilde vndt wiesen dißeits vndt nach mitternacht zue/ wo wir erst-
lich
hiesiger orte einander angetroffen. Im herunter steigen sahen
wir zwischen
den felsen vndt hügeln drey tieffe thäler/ darin-
[57] nen der schnee/ welcher niemals ab zue gehen pflegt/
vns der-
massen in die augen gläntzte/ daß wir gleichsam darvon geblendet
wurden. Wir gerhieten auch an einem heckichten vndt wüsten
orte zue
einem see/ deßen schwartzes vndt finsteres waßer/ darin-
nen weder fisch noch
geflügel gespüret wardt/ vns fast ein grausen
ph
pi
pj
[Seite 569]
verursachte. Kurtz darauff giengen wir durch ein lustiges
püsch-
lein/ deßen gelegenheit/ wegen der nähe noch eines andern kleine-
ren sees/ der grünen bäwme/ berg ab rauschenden bäche/ vndt
sonderlichen
anmutigkeit eine herbrige der Waldtnimfen/ eine
rhue der hirten/ eine
gelehrte entweichung der Poeten/ ein spat-
zierplatz der liebhabenden gemüter
zue sein schiene: wie wir dann
an den stämmen der hohen bäwme vnterschiedene
gedancken
vndt tichtungen sinnreicher geister eingeschnitten funden. Wir
kundten vns mitt lesen kaum sättigen/ vndt zwar schiene sich
nichts
beßer zue reimen als die vngereimte folgende
Sechstine.pk
Wo ist mein auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht?
Der trübe winter kömpt/ die nacht verkürtzt den tag:
Ich irre gantz betrübt vmb diesen öden waldt:
Doch were gleich ietzt lentz/ vndt tag ohn alle nacht/
5 Vndt hett’ ich für den waldt die lust der gantzen welt/
Was ist welt tag vndt lentz/ wo nicht ist meine ziehr?
Ein schönes frisches quell giebt blumen jhre ziehr/
Dem starcken adler ist nichts liebers als das liecht/
Die süße nachtigal singt frölich auff den tag/
10 Die lerche suchet korn/ die ringeltaube waldt/
Der reiger einen teich/ die eule trübe nacht;
Mein Lieb/ ich suche dich für allem auff der welt.
So lange bist du mir das liebste von der welt/
So lange Pales hegt der grünen weide ziehr/
pl
So lange Lucifer entdeckt das klare liecht/
16 So lange Titans glantz bescheint den hellen tag/
So lange Bacchus liebt den wein/ vndt Pan den waldt/
So lange Cynthia vns leuchtet bey der nacht.
Die schnelle hindinnpm sucht den hirschen in der nacht/
20 Was schwimmt/ vndt geht/ vndt kreucht liebt durch die gantze welt/
Die grimme wölffinn schätzt den wolff für jhre ziehr/
Die sternen leihen vns zum lieben selbst jhr liecht;
pn
po
pp
[Seite 570]
Ich aber gehe nun allhier schon manchen tag/
O Schwester/ ohne dich durch berge/ wildt vndt waldt.
25 Was ist wo du nicht bist? so viel der kühle waldt
Ein sandtfeldt übertrifft/ der morgen für der nacht
Vns angenemer ist/ der mahler dieser welt
Der lentz für winterlufft/ so viel ist deine ziehr/
Die Schönheit/ diese lust mir lieber/ o mein liecht/
30 Als das so weit vndt breit bestralt wirdt durch den tag.
Der trost erquickt mich doch es komme fast der tag/
Da ich nicht werde mehr bewohnen berg vndt waldt/
Da deine gegenwart/ vndt die gewündtschte nacht
Der trew noch lohnen soll: in deßen wirdt die welt
35 Vergeßen jhrer selbst/ eh’ als ich deiner ziehr/
Mein höchster auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht.
Laß wachsen/ edler waldt/ mitt dir mein trewes liecht/
Die liebste von der welt; es schade deiner ziehr/
O bawm/ kein heißer tag/ vndt keine kalte nacht.
Die andern drey lobten das
Sonnet
über die augen der Astree.pq
Diß sindt die augen: was? die götter; sie gewinnen
Der helden krafft vndt muth mitt jhrer schönheit macht:
Nicht götter; himmel mehr; dann jhrer farbe pracht
4 Ist himmelblaw/ jhr lauff ist über menschen sinnen:
pr
Nicht himmel; sonnen selbst/ die also blenden können
Daß wir vmb mittagszeit nur sehen lauter nacht:
Nicht sonnen; sondern plitz/ der schnell vndt vnbedacht
Herab schlegt wann es ie zue donnern wil beginnen.
Doch keines: götter nicht/ die böses nie begehen;
10 Nicht himmel/ dann der lauff des himmels wancket nicht;
Nicht sonnen/ dann es ist nur einer Sonne liecht;
Plitz auch nicht/ weil kein plitz so lange kan bestehen:
Jedennoch siehet sie des volckes blinder wahn
Für himmel/ sonnen/ plitz vndt götter selber an.
[Seite 571]
Die vnterschrifft war: Der vnwürdig Gekrönteps zue ehren dem
Nutzbaren.pt Daher wir abnemen kundten/ daß es auff
personen
auß dem edelen mittel der vnsterblichen Fruchtbringenden Ge-
sellschafft gemeinet were. Ob wir nun gleich
des kletterns vndt
steigens halben fast müde waren/ schätzten wir doch den
gang von
dieser lust wol bezahlt zue sein; namen vns aber für/ nunmehr ohn
vmbschweiff gerichts ein zue gehen/ vndt den tag mitt besichti-
gung des
warmen brunnens/ deßen vrsprung vns von der holdtseli-
gen Hercinie erzehlt worden/ zue beschließen. Vnter weges hiel-
ten wir
allerhandt gespreche/ von der miltreichen versehung vndt
güte Gottes/ deßen
gnädigste außtheilung ein landt mitt dieser/ das
andere mitt jener
eigenschafft vndt güte begabet hatt.
Hier wächset gerne korn/ da obst/ vndt dorte wein/
Sabéa
schickt geruch/ der Inde helffenbein;pu
sagte Nüßler. Sonderlich/ fieng Buchner an/ hatt sich die magdt
des Höchsten/ die gütige natur/
an der see/ den flüßen vnd quellen
außgelaßen/ vndt ihr bestes meisterstück
erwiesen. Das meer ist
ein stetswehrender gefährte des Mondens/ wächst mitt
ihm auff/
vndt wirdt auch mitt jhm alt: des waßers gaben aber sindt so viel-
fältig/ daß es vom Thales das stärckste element/ aller [60] dinge
vrsprung/ eine geseelete welt/ die voller geister sey/ ist genennt
worden.pv In Beotien sollen zwey flüße
sein/ deren einer alle
schaffe so darauß trincken schwartz/ der andere weiß
macht.pw In
px
py
pz
qa
qb
qc
qd
[Seite 572]
der stadt Garamant soll der brunnen Dubrisqe des tages zehen mal
eißkalt/ vndt des nachts zehen mal
siedendt heiß sein. In der Lari-
nensischen gegendtqf sindt zwey brunnen nahe beysammen/
von
denen der eine alles in sich schluckt/ der andere alles außwirfft.
Welcher auß dem Clitorischen brunnenqg trincket/ soll auch den
wein nur nicht
riechen können. In Teno ist ein quellqh/ deßen was-
ser sich vnter keinen wein mengen leßt; vndt ich
möchte leiden/
daß alle wäßer dieser art weren.
Man sagt von einem brunnen in vnserm Deutschlande/ daß
wann
iemandt eine henne hinein steckt die er mitt guetem titul
bekommen/ so sollen
jhr die federn stracks gebrühet werden vndt
abgehen; hatt er sie aber
gestolen/ so bleibt sie wie sie zuevor ge-
wesen.qi Vnsere reiseleute auß Italien wißen
von den zweyen
brunnen zue sagen/ in deren einem ein hundt stracks sterben/
in
dem andern baldt wiederumb lebendig werden soll.qj In Schott-
landt soll sich ein waßer in stein verwandeln. Das
habe ich/ fieng
ich an/ im Zipsqk an etlichen
brunnen mitt meinen augen gesehen.
Doch ist mir noch seltzamer fürkommen die
pfütze oder das see
bey Thordaql in Siebenbürgen/ welches/ ob es
zwar von vnglaubli-
qm
qn
qo
qp
[Seite 573]
cher tieffe ist/ dennoch keinen menschen vntersincken leßt/
er
kan schwimmen oder nicht.
Dieses sindt kunstwäßer/ sagte Nüßler/ derer eigenschafften
auch jhrer natürlichen vrsachen sonder zweiffel nicht mangeln/
wiewol
sie bey einem leichter zue ergründen sindt als bey dem
andern; aber dennoch
kommen sie der fabel des elendes dem
menschen also nicht zue staten wie
andere/ denen die Göttinn Hi-
giaqq
vndt die [61] heilsamen Nimfen eine solche krafft vndt art
eingepflantzet/ welche nutzbarkeit vndt fromen bringt. Auß denen
auch
ist das liebliche augenquell bey Cicerons Mayerguete so Aca-
demie geheißen/
darvon sein frey gelaßener Laurea Tullius fast
deßen innhalts geschrieben:qr
Du Hochberedter mann/ dem Rom muß schuldig sein
Die freyheit/ vndt sich selbst/ vndt alle sein Latein/
Der waldt hier der durch dich in newen baw ist kommen/
Diß Vorwerg wo du dir zue schreiben fürgenommen/
5 Zue suchen deine rhue/ ist schöner als zuevor:
Vndt diß noch nicht genug; es springt ein quell empor/
Ein newes wunderquell/ das vnter andern sachen
Ein blödes angesicht kan klar vndt lauter machen.
Der ort/ o Cicero/ thut dieses alles dir/
10 Der edle brunnen quillt nur wegen dein herfür:
Dann weil man weit vndt breit dich lesen wirdt auff erden/
So muß das waßer auch der augen artzney werden.
Zur Schmelnitz/ fieng ich an/ etzliche meilen von Caschawqs
wirdt das eisen durch ein quell innerhalb wenig stunden in schlich/
vndt
dieser in kupffer verwandelt. Aber wir haben fast gewonnen;
redte ich weiter.
Schawet das feste schloß zur rechten handt auff
dem hohen berge ist
vorgemeldeter Kinast; dort hinein zur link-
ken liegt die Kemnitz/ welche Ihr Gn. Herr Obrister Schaffgotsch
mitt einem herrlichen hause vndt lustigen gebäwden nicht wenig
geziehret
hatt. Gleich für vns ist der Warme brunnen/ den wir vns
qt
qu
qv
qw
[Seite 574]
zue besuchen fürgenommen. Ihr könnet auß der lustigen
gelegen-
heit des ortes/ wo nicht ferren so fruchtbare berge vndt hügel rin-
ges herumb/ da zue nechst der Zackenqx/ hier die grünen wiesen
sich anmutig zeigen/ leichtlich
absehen/ daß die natur diß heil-
same waßer in so ein köstliches landt/ als
einen fürnemen stein in
[62]
einen güldenen ring/ habe versetzen wollen. Von seiner
art
vndt eigenschafft laße ich die jenigen reden/ denen der geneigte
Phebus die geschickligkeit solcher dinge verliehen hatt: es
komme auch
gleich diese wärme entweder von einem verborge-
nen kalcksteine/ oder von dem
durchdringenden zwange der
winde/ oder von bestralung der Sonnen vndt des
gestirnes/ oder
von der schnellen fortschiessung vndt gähem abfall/ oder von
dem
heimlichen fewer des erdtreichs darüber das waßer lauffen muß/
oder
von andern vrsachen her; so geben doch die kräfftigen vndt
heilsamen
wirckungen/ daß es der gesundtheit des menschen (wel-
cher wegen auch so viel
blumen vndt kräuter wachsen mußen/ da
wir jhr doch mitt einem einigen
gewächseqy am meisten
schaden)
fürnemlich zum besten geschehe. Taug diß waßer wol zue trincken/
sagte Venator. Des erdtbeches/ saltzes vndt schwefels halben
den es
führet/ ist der geschmack etwas wiederwertig/ gab ich zur
antwort/ auch den
augen nicht allermaßen dienstlich. Die jenigen
aber/ welche sich etwan an
vnreinen weibesbildern verbrennt ha-
ben/ wil es gar nicht leiden: vndt
melancholischen oder choleri-
schen leuten bringt es mehr schaden als
fromen.
Du bist/ fieng Buchner zue mir an/ dieser orten nicht vnbekandt.
Freylich
nicht/ sagte ich; ich habe mich vor etzlichen jharen bey
einer
hochansehlichen gesellschafft zwey monat vber allhier zim-
lich wol
befundenqz/ vndt nicht allein das leben
des stattli-
ra
rb
rc
[Seite 575]
chen kriegesheldens Seyfriedens von Promnitz/ darvon
Venator
ein vrtheil zue fellen pfleget deßen meine wißenschafft nicht wür-
dig
istrd/ sondern auch
vnterschiedene getichte/ mehrentheils
aber in dem wäldichinn an dem vfer dort
oben/ das nechst dem
stege ist/ auffgesetzt:re daß ich also
erfahren/ wie auch vnsere
Musen bey den zarten Najaden nicht vnangenem
sindt.
[63] Vnter wehrendem gespreche kamen wir durch daß dorff an
den brunnen von dem wir reden; betrachteten die newe art des
bawes/ der
seiner runde vndt anderer weise halben einem heidni-
schen tempelrf nicht
vngleich sahe/ inwendig aber mitt gemä-
chern vndt stuben also eingetheilet
war/ daß jhrer mehr zue sein
schienen/ weder fast der raum des ortes solte
leiden können. Mit-
ten innen nun war das berhümbte quell selbstrg/ daß im auffschie-
ßen viel kleine blasen empor warff/
an der farbe aber helle/ durch-
scheinendt vndt auff art eines weißen saffirs
etwas bläwlicht an zue
schawen war. Nach dem wir vns nun genungsam ersehen/
vndt an
dem wunderwercke der natur augen vndt gemüte gesättigt hatten/
ehreten wir des glückseligen quelles halben die einheimischen
Nimfen
vndt waßergöttinnen dieses ortes/ des schönen bawes we-
gen aber den
Hochwolgebornen vndt werthen Helden Hansen
Vlrichen von Schaffgotsch; zue deßen billichem lobe wir
folgen-
den innhalts tafelnrh an die eußere wandt
des edelen bawes auff
ri
rj
rk
rl
[Seite 576]
zue hencken/ bey vnserem abschiede/ welchen die nunmehr an-
brechende Nacht verursachte/ sämptlich gelobeten.
I.
Nüßler.
Hier wo das klare quell mitt einfalt war vmbringet/
Das seiner adern krafft in vnsern adern regt/
Vndt beydes sinnen trost vndt leibes wolfarth hegt/
Hier wo jhr Najades in schlechter einfalt gienget/
5 Vndt ewren jägerzeug an faule wände hienget/
Ist worden vmb euch her ein newer grundt gelegt/
Der jetzt das edle hauß zue ewren ehren tregt/
Vndt der Natur auch selbst nicht wenig Schönheit bringet.
rmDiß hatt der heldt gethan dem dieses ort
gehöret/
10 Der seinen namen zwar mitt großen thaten mehret/
Doch gleichwol wirdt von jhm nicht minder auff die noth
Vndt lust der lebens zeit durch dieses werck geschawet.
Fragt jhr/ warumb er es nach tempelsart gebawet?
Er meint gesundtheit sey der siechen leute Gott.
II.
An Ihr Fürstliche Gnaden/
Ihr Gn. Gemahlinn.
Buchner.
Solt ich das große lob/ den Königlichen schein/
Die thaten vndt verdienst/ so von dem werthen stande/
Der dich erzeuget hatt/ durch alle ferne lande
Am liechten tage sindt/ recht preisen können? nein;
5 Mir sey die faust dann stahl/ die feder demantstein/
Die tinte hergeholt von dem gelehrten strande
Der beym Parnaß entspringt: mein schiff bleibt an dem rande/
Vndt leßt sich kühnlich nicht in solche wellen ein.
Wann einer ferner auch die sitten/ den verstandt/
10 Die tugendt so du hast/ der edlen gaben pfandt
Die dir der himmel schenckt/ der gantzen welt wil zeigen/
Muß höher gehn als ich/ wiewol Apollo mir
Mitt milden handen reicht die leyer meine ziehr/
Muß/ heldinn/ überauß wol singen oder schweigen.
rn
[Seite 577]
Ihr Schwestern/ derer geist auff vns Poeten schwebet/
Anietzt begehr ich nicht zue ewrem Helicon;
roIhr Waßernimfen kompt/ sucht einen süßen thon/
Damit jhr deßen rhum der euch auch ziehrt erhebet.
5 Ihm dancket daß jhr ietzt das quell noch schöner gebet/
Seht jung auß wie jhr seidt/ besitzet einen thron
Der schawens würdig ist/ da Venus vndt jhr Sohn/
Vndt alle Gratien/ vndt rhue/ vndt frewde lebet.
Du heldt/ dem dieses Badt von alters zuegehört/
10 Du hast jhm seine ziehr durch deinen baw vermehrt/
Drumb hebt ein weiser sinn dich billich hoch auff erden.
Nach dem durch dein verdienst/ durch thaten/ durch verstandt/
Dein Schuldner worden ist das gantze Vaterlandt/
So muß das waßer auch von dir begabet werden.
IIII.
Opitz.
Auff jhr klugen Pierinnenrp/
Laßet vns ein liedt beginnen
Einem Helden der euch liebt/
Der bey seinen schönen flüßen/
5 Welche sich herumb ergießen/
Vns auch eine stelle giebt.
Weiß er gleich mitt rittersachen
Ihm ein solches lob zue machen
Das der alten namen gleicht/
10 So erkennt er doch daß thaten
In die lange nacht gerathen/
Wann jhr nicht die hände reicht.
Keine heereskrafft kan streiten
Wieder die gewalt der zeiten;
15 rqDas metall vndt eisen bricht;
Kron vndt Zepter legt sich nieder;
Aber ewre schöne lieder
Wißen von dem tode nicht.
rr
[Seite 578]
Herr/ wo sindt die strengen kriege
20 Deiner Ahnen? jhre siege/
Ihr verdienst liegt vnbeklagt.
Was schon bleibet vnbesungen
Von der schwestern weiser zungen/
Wirdt nicht lange nachgesagt.
25 Vnser Phebus muß es bringen/
Vndt mitt grüner jugendt dringen
Durch der eitelkeiten wahn/
Phebus der mich angetrieben
Daß ich diß von dir geschrieben
30 Was des grabes lachen kan.
Deine blüte/ deine wercke/
Diese ritterliche stärcke
Fühlet endtlich doch die zeit:
Komm/ heldt/ friste dir das leben/
35 Komm/ Thalia wirdt dir geben
Einen krantz der ewigkeit.
rs
rt