Erstdruck A: In einem zusammengesetzten Rahmen von ± 169 ×
119 mm Außen- und 145 × 100 mm Innenmaß: MARTINI |
OPITII |
Buch von der Deutschen | Poeterey. | In welchem alle
jhre eigen- | schafft vnd zuegehör gründt- | lich erzehlet/ vnd mit
exem- | peln außgeführet wird. | [rechteckige Verzierung 11
× 22
mm] | Gedruckt in der Fürstlichen |
Stadt Brieg/ bey Augustino |
Gründern. | In Verlegung David Müllers Buch- | händlers in Breß-
law.
1624.
4°: A–I, K2, L2. Benutzte Exemplare: Breslau 4 V 645; Gö 8
Poet. Germ. I,5; U. B. Kiel;
Wolfenbüttel; Yale University,
F. du F. 203 (Mikrof.) und Exemplar im
Besitz des Hrsg.
Der Rahmen des Titelblattes wurde aus auch sonst häufig ver-
wendetem
ornamentalen Kleinmaterial aus Typenguß herge
Die Kustoden nehmen (wie in andern Drucken dieser Zeit) häu-
fig nur
einen Teil des Anschlußwortes voraus. Unregelmäßig sind
folgende
Kustoden: [F2b] werd. [F3a] werde. [F4a] mag/ [F4b]
mag. Die Kustoden fehlen auf Bl. [I2b] und [K2b]. Kolumnen-
titel und Pagination sind nicht vorhanden. Peinlich wirkt es, daß
ein Teil der Überschrift (nämlich Das V. Capitel.) des auf [C4a]
beginnenden neuen Abschnittes noch als
letzte Zeile von Bl. [C3b]
erscheint. Einen
ähnlich ungeschickten Eindruck macht die An-
gabe Das VIII. Capitel. |
Beschluß dieses buches. am Fuße von
[I4a],
worauf der Text des neuen Abschnittes auf [I4b]
anfängt.
Der Druck ist keineswegs sorgfältig. Für mangelhafte oder
gänzlich
fehlende eigene Korrekturlesung macht Opitz [L1a]
seine Abwesenheit verantwortlich. Für die knappe Errataliste
wurde
ein Halbbogen verwendet, dessen übriger Platz mit Ver-
legenheitsmaterial in großer Schrift (Fibel- oder Donatschrift)
ausgefüllt wurde. Die Größe des Druckspiegels (ohne die Signatur-
zeile) schwankt in der Höhe zwischen 15,1 bis 16 cm bei konstan-
ter Breite von 10,2 cm. Die Normalseite enthält im Widmungsteil
28
Zeilen (aus der Tertiafraktur), im Hauptteil 32 Zeilen (Mittel-
fraktur) und im Nachwort 20 Zeilen. Tertiafraktur und die ent-
sprechende Antiquagröße werden im Hauptteil als Zitiertype und
für
die Anfangszeile jedes Kapitels benutzt; Donatschrift und
Tertiafraktur
finden auch als Kapitelüberschriften Verwendung.
Laut Angabe auf [J4b] ist die Poeterey in fünf Tagen vollendet
worden; das wäre nicht
möglich gewesen, wenn Opitz nicht mit
bereits vorhandenen Notizen und
Exzerpten gearbeitet hätte.
Auf Bl. [A2] spricht er von der
»enge der zeit« und »sonsten allerley
vngelegenheiten«, die ihn verhindert hätten,
»weitleufftiger vnd
eigentlicher zue schreiben.« Das
Manuskript wird gegen Ende
September 1624 fertig geworden sein: die
hier wiederholte Ode
zur Hochzeit Nüßler–Gierlach deutet auf dies Datum, und Witk.
Arist. 37, Anm. 5, gibt weitere Anhaltspunkte aus
dem Alexan-
drinergedicht ›An Nüßlern‹, Nr. 72.56; siehe
auch die Einleitung
zu Nr. 63. Zuerst erwähnt wird das
»unbedeutende Büchlein« von
der deutschen Poeterei im
Breslauer Brief vom 5. Okt. 1624 an
Buchner; es ist der Brief, worin Opitz sich der Straßburger Samm-
lung gegenüber distanziert:
»Nullum libellum de re poetica Ger-
manorum, quo de accentuum
nostrorum, syllabarum et carminum
ratione disserui, typographis
transmisi« (Geiger, Mitth. 32). Der
Druck hat sich dann ziemlich lange hingezogen, wozu die in [L1a]
erwähnte Abwesenheit des Autors, die
Entfernung zwischen Au-
tor und Drucker, Differenzen zwischen Verleger
und Drucker
über den Umfang etc. mit beigetragen haben dürften. Am 6.
Nov.
schrieb Opitz aus Liegnitz an Zincgref, das Werk sei unter der
Presse und werde in
den nächsten Tagen erscheinen (Rei 151,16);
aber noch am 28. Dez. macht
er dieselbe Mitteilung aus Bunzlau
an Lingelsheim (Rei 156,30). Er verspricht, beiden Freunden ein
Exemplar
zu schicken, aber erst am 16. Feb. 1625 sendet er eins
an Buchner
(Geiger, »Ungedr. Briefe« 340). Etwa neun Monate
später
(Straßburg den 12. Nov. 1625, Rei 182,44) berichtet
Bernegger, er habe vor kurzem die Trojanerinnen wie auch die
Poeterey
durch Vermittlung des Buchhändlers (Zetzner) erhalten.
Im Frankfurter Meßkatalog wird das Werk im Frühjahr 1625 als
verkaufsbereit angezeigt; auf demselben Blatt, E1, stehen Opitz’
Achtbücher [!] Teutscher
Poematum und die Trojanerinnen sowie
Barths
Teutscher Phoenix.
Während für die Veröffentlichung von Gelegenheitsschriften
und kleineren
literarischen Erzeugnissen (z. B. Aristarchus) die
Der Hauptanlaß für die Ausarbeitung der Poeterey war
Opitz’
Befürchtung, daß sein dichterischer Ruf unter der
Veröffentli-
chung der Straßburger Sammlung mit ihren »vielfältigen män-
gel[n] vnd irrungen« (Poeterey D3a) leiden würde. Ferner wollte
Opitz aber,
wie es eine Anzahl von Dichtern und Theoretikern in
andern Sprachen
getan hatten, seine Theorien darbieten, damit
andere die deutsche
Dichtung in der neuen Art und Weise weiter-
führen könnten.
»Juventuti consulere animus fuit et ostendere,
quam levi opera
linguae nostrae decus instaurari possit,« schreibt
er in dem
schon erwähnten Brief vom 16. Feb. 1625 an Buchner.
Daß Opitz in dieser Hinsicht erfolgreich war,
ist durch die vielen
Nachahmungen der in der Poeterey gebrachten Mustergedichte,
durch Anklang an
Opitzische Formulierungen in den zahlreichen
späteren Poetiken, und
nicht zuletzt durch die vielen Neuauflagen
der Buches von der Deutschen Poeterey hinlänglich erwiesen. Merk-
würdigerweise kümmerte Opitz sich in keiner Weise um diese
Drucke,
änderte nichts, fügte nichts hinzu. Für die Gründe dieser
Vernachlässigung eines seiner einflußreichsten Werke sind wir
auf
Vermutungen angewiesen. In der Korrespondenz wird die
Poeterey nach 1625 nicht mehr erwähnt.
Unter Anschluß an die Siglen in Witk. Arist.
77–80 seien die
Neuauflagen sowie die kritischen Ausgaben in
chronologischer
Folge angeführt. Der Titel der Drucke B bis N beginnt
mit den
wahrscheinlich nicht von Opitz stammenden Worten Prosodia
Germanica (B nennt erst den Namen des
Autors mit Adelsprädi-
kat), worauf leicht variierte Formulierungen der
deutschen
Komponente des Titels folgen; Einzelheiten bei Witk. Arist.
77–80; die Formate sind: B bis H, K sowie N bis S 8°; I, L und
M 12°, bei T ist Formatangabe bedeutungslos; siehe auch die
Ein
Erwähnt sei noch die Exzerptausgabe Compendium ex Martini
Opitii Prosodia ... in usum olim privatum excerptum a B. A. C.
p[iae]. m[emoriae]. Joh. Haken, Wittenberg 1646, 8°, 7 Bl.
(Alewyn in Ausgabe S, S.
viii).
Von den älteren Arbeiten über die Poeterey sind mit
gewissen
Einschränkungen immer noch wichtig: Joh. Heydtmann, Über
Enoch Hanmanns Anmerkungen zu M. O.ens
Buch ..., Diss.,
Rostock 1882; Otto Fritsch, M. O.ens
Buch ..., Diss., Halle 1884;
ders., »Zu Opitzens Deutscher
Poeterey«, PBB X (1885), 591–98;
Karl Borinski, Die Poetik d. Renaissance u. die
Anfänge d. lit.
Kritik in Deutschl., Berlin 1886, bes. S.
56–114; Christian W.
Berghoeffer, M.
O.’ Buch ..., Diss., Göttingen 1888; die schon
oben als
R erwähnte Ausgabe Witkowskis, Leipzig 1888; G. Wen-
deroth, »Die poet.
Theorien d. frz. Plejade in M. O.’ dt. Poeterei«,
Euphorion XIII (1906), 445–68; K. Burdach,
»Zur Geschichte d.
nhd. Schriftsprache«, in dess. Vorspiel, Bd. I, Teil 2, Halle 1925,
S.
34–69; A. Heusler, Dt. Versgeschichte, Bd.
III, Berlin 1929 (Re-
print 1956), bes. § 935 u. § 969–85; Bruno
Markwardt, Geschichte
d. dt. Poetik, Bd. I,
Berlin, bes. S. 29–46 u. 361–66. Siehe ferner
Rudolf
Drux, M. O. u. s. poet. Regelsystem, Bonn 1976,
passim,
und R. D. Hacken, The Relig. Thought of M.
O., Stuttgart 1976,
S. 19–32.
Ronsard wird zitiert nach Œuvres
complètes, hg. von Paul
Laumonier in der Serie Soc. des
textes français modernes, Paris,
Hachette 1914ff. (= L). S bezeichnet die
Ausgabe Les Œuvres de
Ronsard, Texte de
1587, hg. von Isidore Silver, Chicago, University
of Chicago
Press, 1966–70.
EHrenveste/ Wolweise/ Wolbenambte vnd Wolgelehrte
insonders
günstige HErren/
Was bißanhero von einem vnnd dem andern/ auch vornemen
Leuten/ zum offteren an mich ist begehret worden/ das ich nem-
lich von vnserer Deutschen Poeterey/ derselben art vnd
zuegehör/
etwas richtiges auffsetzen möchte/ habe ich vorwichene
tage zue
wercke gebrachtf.
Zwar erstlich/ solchem ehrlichen begehren wie
billich zue
verhengen: nachmals aber/ die jenigen vor derer augen
diese vorneme
wissenschafft ein grewel ist zue wiederlegen/ vnd
die/ so
sie als ein leichte ding vor handen zue nemen vnbedacht sich
vnterstehen/ ab zue halten/ die gelehrten aber vnd von natur hier-
zue geartete gemüter auff zue wecken/ mir/ der ich dißfals bey
weitem nicht genung bin/ die hand zue bitten/ vnd den weg so ich
allbereit vmb etwas eröffnet vollendts zu bähnen. Weitleufftiger
vnd eigentlicher zue schrei- [A2b] ben hat mich nicht allein
die
enge der zeit/ sondern auch sonsten allerley vngelegenheit ver-
hindert/ die mir von denen zuegefüget wird/ welche/ wann es bey
jhnen stünde/ wünschen wolten/ das auch das gedächtniß der
Poeterey vnnd aller gutten Künste vertilget vnd außgerottet würde.
Ob mich nun wol dergleichen vnbilliche Wiederwertigkeit/
die ich
ohne meinen verdienst tragen muß/ offtermals kaum nicht
zwinget wie Nero zue sagen; Vellem nescire literasg: jedoch habe
h
i
j
E. E. W.
Dienstwilligster
Martin Opitz.
uAugustinus Iskra Siles:y
z aa ab ac
WIewol ich mir von der Deutschen Poeterey/ auff
ersuchung vor-
nemer Leute/ vnd dann zue beßerer fortpflantzung
vnserer spra-
chen/ etwas auff zue setzen vorgenommen; bin ich doch
solcher
gedancken keines weges/ das ich vermeine/ man könne
iemanden
durch gewisse regeln vnd gesetze zu einem Poeten machen.
Es ist
auch die Poeterey eher getrieben worden/ als man je
von derselben
art/ ampte vnd zuegehör/ geschrieben: vnd haben die
Gelehrten/
was sie in den Poeten (welcher schrifften auß einem
Göttlichen
antriebe vnd von natur herkommen/ wie Plato hin vnd wieder
hiervon redetaf) auffgemercket/ nachmals durch richtige
verfassun-
gen zuesammen geschlossen/ vnd aus vieler
tugenden eine kunst
gemacht. Bey den Griechen hat es Aristoteles vornemlich gethan;
bey den Lateinern
Horatius; vnd zue vnserer Voreltern zeiten
Vidaag
vnnd Scaliger so außführlich/ das weiter etwas darbey zu
thun vergebens ist. Derentwegen ich nur etwas/ so ich in gemeine
von aller Poeterey zue erinnern von nöthen zue sein
erachte/ hier-
vor setzen wil/ nachmals das was vnsere deutsche
Sprache vornem-
lich angehet/ etwas vmbstendtlicher für augen
stellen.
DIe Poeterey ist anfanges nichts anders gewesen als eine
ver-
borgene Theologie/ vnd vnterricht von Göttlichen sachen. Dann
weil die erste vnd rawe [B1b] Welt gröber vnd vngeschlachter war/
als
das sie hette die lehren von weißheit vnd himmlischen dingen
recht
fassen vnd verstehen können/ so haben weise Männer/ was
sie zue
erbawung der Gottesfurcht/ gutter Sitten vnd wandels er-
funden/ in
reime vnd fabeln/ welche sonderlich der gemeine pöfel
zue
hören geneigt ist/ verstecken vnd verbergen mussenaj. Denn
das man
jederzeit bey allen Völckern vor gewiß geglaubet habe/
es sey ein
einiger vnd ewiger GOtt/ von dem alle dinge erschaffen
worden vnd
erhalten werden/ haben andere/ die ich hier nicht mag
außschreiben/
genungsam erwiesen. Weil aber GOtt ein vnbegreiff-
liches
wesen vnnd vber menschliche vernunfft ist/ haben sie vor-
gegeben/
die schönen Cörper vber vns/ Sonne/ Monde vnd Ster-
nen/ item
allerley gutte Geister des Himmels wehren Gottes Söhne
vnnd
Mitgesellen/ welche wir Menschen vieler grossen wolthaten
halber
billich ehren solten. Solches inhalts werden vieleichte die
Bücher des Zoroasters/ den Man für einen der eltesten Lehrer der
göttlichen vnd menschlichen wissenschafft helt/ gewesen sein/
welcher/ wie Hermippus bey dem Plinius im ersten Capitel des
30. Buches bezeuget/
zwantzig mal hundert tausendt Verß von der
Philosophie hinterlassen
hatak. Item was Linus/ wie Diogenes
Laertius erwehnet/ von erschaffung der Welt/ dem lauffe der
Sonnen vnd des Mondens/ vnd von erzeugung der Früchte vorge-
geben hat. Dessen werckes anfang soll gewesen sein:
Neben diesem haben Eumolpus/ Museus/ Orpheus/ Homerus/
Hesiodusap
vnnd andere/ als die ersten Väter der Weißheit/ wie
sie Plato nenntaq/ vnd aller
gutten ordnung/ die bäw- [B2a] rischen
vnd fast viehischen Menschen zue einem
höfflichern vnd bessern
leben angewiesen. Dann inn dem sie so viel
herrliche Sprüche er-
zehleten/ vnd die worte in gewisse reimen vnd
maß verbunden/
so das sie weder zue weit außschritten/ noch zue
wenig in sich
hatten/ sondern wie eine gleiche Wage im reden
hielten/ vnd viel
sachen vorbrachten/ welche einen schein
sonderlicher prophe-
ceiungen vnd geheimnisse von sich gaben/
vermeineten die ein-
fältigen leute/ es müste etwas göttliches in
jhnen stecken/ vnd
liessen sich durch die anmutigkeit der schönen
getichte zue aller
tugend vnnd guttem wandel anführen. Hat
also Strabo vrsache/
den Eratostehnes lügen zue heissenar/ welcher/ wie viel vn-
wissende leute heutiges tages auch thun/ gemeinet/ es begehre
kein Poete durch vnterrichtung/ sondern alle bloß durch ergetzung
sich angeneme zue machen. Hergegen/ spricht er Strabo im
ersten Bucheas/ haben die alten gesagt/ die Poeterey sey die
erste
Philosophie/ eine erzieherinn des lebens von jugend auff/
welche
die art der sitten/ der bewegungen des gemütes vnd
alles thuns vnd
lassens lehre. Ja die vnsrigen (er verstehet die
Stoischen) haben
darvor gehalten/ das ein weiser alleine ein
Poete sey. Vnd
dieser vrsachen wegen werden in den Griechi-
schen städten die
Knaben zueföderst in der Poesie
vnterwie-
at
au
AVß oberzehlten sachen ist zue sehen/ wie gar vnverstendig
die je-
nigen handeln/ welche aus der Poeterey nicht weiß ich was
für ein
geringes wesen machen/ vnd wo nicht gar verwerffen/
doch nicht
sonderlich achten; auch wol vorgeben/ man wisse einen
Poeten in
offentlichen ämptern wenig oder nichts zue gebrauchen;
weil er
sich in dieser angenemen thorheit vnd ruhigen wollust so
ver-
teuffe/ das er die andern künste vnd wissenschafften/ von
welchen
man rechten nutz vnd ehren schöpffen kan/
gemeiniglich hindan
setze. Ja wenn sie einen gar verächtlich halten
wollen/ so nennen
sie jhn einen Poeten: wie dann
Erasmo Roterodamo
von groben
leuten geschahe. Welcher aber zur antwort
gab: Er schätzte sich
ax
ay
als Pindarus/ der stracks im anfangecd
seiner bücher saget: [C1a]
Ἄϱιστον μὲν ὕδωϱ, Das Wasser ist das
beste das man findt.
Mit welchem es Alceus/ Aristophanes/ Alcman/ Ennius vnd
andere nicht gehalten hetten; auch
Eschilus nicht/ dem Sophocles
vorgeworffen/ der wein hette seine Tragedien gemacht/ nicht erce.
Vnd zum theile thut auch zue dem etwas nachleßigen
wandel man-
cher Poeten nicht wenig die gemeinschafft
etlicher alten/ die jhre
reine sprache mit garstigen epicurischen
schrifftencf
besudelt/ vnd
sich an jhrer eigenen schande
erlustiget haben. Mit denen wir aber
cg
ch
ci
cj
[C2a] Welchen namen wenn die
Poeten nicht zue gewarten het-
ten/ würden viel derselben durch die
boßheit der Leute/ die sie
mehr auß neide alß billicher vrsache
verfolgen/ von jhrem löbli-
chen vorsatze zuerücke gehalten vnd
abgeschreckt werden. Es wird
aber bey jhnen nicht stehen/ vnd
ich bin der tröstlichen hoffnung/
es werde nicht alleine die
Lateinische Poesie/ welcher seit der ver-
triebenen langwierigen
barbarey viel große männer auff geholffen/
vngeacht dieser
trübseligen zeiten vnd höchster verachtung gelehr-
ter Leute/ bey
jhrem werth erhalten werden; sondern auch die
Deutsche/ zue
welcher ich nach meinem armen vermögen all-
bereit die fahne
auffgesteckt/ von stattlichen gemütern allso auß-
gevbet werden/
das vnser Vaterland Franckreich vnd Italien wenig
wird bevor
dörffen geben.
VOn dieser Deutschen Poeterey nun zue reden/ sollen wir
nicht ver-
meinen/ das vnser Landcz
vnter so einer rawen vnd vngeschlachten
Lufft
liege/ das es nicht eben dergleichen zue der Poesie tüchtige
ingenia könne tragen/ als jergendt ein anderer ort
vnter der
Sonnen. Wein vnnd früchte pfleget man zue Loben von dem
orte
da sie herkommen sein; nicht die gemüter der Menschen. Der
weise
Anacharsis ist in den Scitischen wüsten gebohren worden.
Die Vor-
nemsten Griechen sind in Egypten/ Indien vnd
Franckreich ge-
reiset/ die weißheit zue erlernen. Vnd/ vber diß
das wir so viel
Vorneme Poeten/ so heutiges tages bey vns erzogen
worden/ vnter
augen können stellen/ erwehnet Tacitus von den Deutschen in dem
buche das er von
jhnen geschrieben/ das ob wol weder Mann noch
Weib vnter
jhnen zue seiner zeit den freyen künsten ob zue liegen
pflegetenda/ faßeten sie
doch alles was sie im [C2b] gedächtniß be-
halten wolten in gewisse reimen vnd
getichtedb. Wie er denn in ei-
nem andern orte saget/ das sie viel von des Arminius seinen thaten
zue singen
pflegetendc. Welches
sie vieleichte den Frantzosen nach-
gethan haben/ bey denen/
wie Strabo im fünfften buche anzeigetdd/
Dreyerley Leute waren/ die man in sonderlichen ehren hielt:
de
Das ich der meinung bin/ die Deutschen haben eben dieses
im
gebrauche gehabt/ bestetiget mich/ vber das was Tacitus meldet/
auch der alten Cimbrer oder Dänen ebenmäßiger gebrauch/ die
von
jhren Helden schöne vnd geistreiche Lieder ertichtet haben/
deren
nicht wenig von alten jahren her in Dennemarck noch ver-
handen
sind/ vnd von vielen gesungen werdendh. So
ist auch Hiar-
nesdi
bey jhnen einig vnnd alleine deßentwegen zum Königreiche
kommen/ weil er dem vorigen Könige zue ehren ein solch
grab-
getichte gemacht/ das vor allen andern den preiß
behalten.
[C3a] Vnd vber diß/ sind doch eines vngenannten Freyherrens dj dk
Das nun von langer zeit her dergleichen zue vben in
vergessen
gestellt ist worden/ ist leichtlicher zue beklagen/ als
die vrsache
hiervon zue geben. Wiewol auch bey den
Italienernec
erst Petrarcha
die Poeterey in seiner Muttersprache getrieben hat/ vnnd nicht
sehr vnlengst Ronsardus; von deme gesaget wird/ das er/ damit
er
sein Frantzösisches desto besser außwürgen köndte/ mit der
Griechen schrifften gantzer zwölff jahr sich vberworffen habe;
als
ed
ee
ef
eg
eh
ei
ej
ek
el
WEil die Poesie/ wie auch die Rednerkunst/ in dinge vnd
worte
abgetheilet wirdeo; als
wollen wir erstlich von erfindung vnd ein-
theilung der
dingeep/
nachmals von der zuebereitung vnd ziehr der
worte/ vnnd endtlich
vom maße der sylben/ Verse/ reimen/ vnnd
vnterschiedener art
der carminum vnd getichte reden.
Die erfindunges
der dinge ist nichts anders als eine sinnreiche
faßung aller sachen die wir vns einbilden können/ der Himlischen
vnd jrrdischen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein
Poete jhm zue beschreiben vnd herfür zue bringen vornimpt: dar-
von in seiner Ideaet
Scaliger außfürlich berichtet. An dieser er-
findung hengeteu
stracks die abtheilung/ welche bestehet in einer
füglichen vnd artigen ordnung der erfundenen sachen. Hier mußen
wir vns besinnen/ in was für einem genere carminis vnd art der
getichte (weil ein jegliches seine
besondere zuegehör hat) wir zue
schreiben willens
sein.
Ein Heroisch getichte (das gemeiniglich weitleufftig ist/ vnd von
hohem wesen redet) soll man stracks von seinem innhalte vnd der
Proposition anhebenev; wie Virgilius in den büchern vom Acker-
baweew
thut:
Vnd ich (wiewol ich mich schäme/ das ich in
mangel ande- [C4b]
rer deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen
soll/ weil
mir meine wenigkeit vnd vnvermögen wol bewust ist) in
dem ersten
buche der noch vnaußgemachten Trostgetichte in
Wiederwertig-
keit des Kriegesex:
Nachmals haben die heiden jhre Götter
angeruffen/ das sie jhnen
zue vollbringung des werckes beystehen
wollen: denen wir Christen
nicht allein folgen/ sondern auch an
frömigkeit billich sollen vber-
legen sein. Virgilius spricht
weiter an gedachtem orteez:
Vos, o clarissima mundi
Lumina, labentem coelo quae ducitis
annum,
Liber et alma Ceres &c.
Vnd ich:
Diß hab ich mir anjetzt zue schreiben fürgenommen.Wiewol etliche auch stracks zue erste die anruffung
setzen. Als
Lucretius:
Aeneadum genetrix, hominum divumque voluptas,
Alma Venus &c.fc
Vnd Wilhelm von Sallust in seiner andern wochefd:
Doch istff/ wie hier zue sehen/ in der anruffung allzeit die pro-
position zuegleich begrieffen. Auff dieses folget gemeiniglich die
dedication; wie Virgilius seine Georgica dem
Keiser Augustus zue-
geschriebenfg. Item die vrsache/ warumb man eben
dieses werck
vor sich genommen: wie im dritten buche vom
Ackerbawefh
zue
sehen:
Omnia jam vulgata; vnd wie folget. Dem ich in den Trostge-
tichtenfi
auch habe nachkommen wollen:
Das getichte vnd die erzehlung selber belangend/ nimpt sie
es
nicht so genawe wie die Historienfm/ die sich an die zeit vnd alle
vmbstende nothwendig binden mußen/ vnnd wiederholet auch
nicht/ wie Horatiusfn
erwehnet/ den Troianischen krieg von der
Helenen vnd jhrer brüder geburt an: lest viel außenfo
was sich
nicht hin schicken wil/ vnd setzet viel das
zwar hingehöret/ aber
Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte ge-
meße/ ohne das sie selten leidet/ das man geringen standes per-
sonen vnd schlechte sachenfq
einführe: weil sie nur von König-
lichem
willenfr/
Todtschlägen/ verzweiffelungen/ Kinder- vnd
Vätermörden/ brande/
blutschanden/ kriege vnd auffruhr/ kla-
[D2b] gen/ heulen/
seuffzen vnd dergleichen handelt. Von derer
fs
ft
Die Comediefv
bestehet in schlechtem wesen vnnd personen:
redet
von hochzeiten/ gastgeboten/ spielen/ betrug vnd schalck-
heit der knechte/ ruhmrätigen Landtsknechten/ buhlersachen/
leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd sol-
chen sachen/ die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen. Haben
derowegenfw
die/ welche heutigen tages Comedien geschrieben/
weit geirret/ die Keyser vnd Potentaten eingeführet/ weil solches
den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder
laufft.
Zue einer Satyrafx
gehören zwey dinge: die lehre von gueten
sitten vnd
ehrbaren wandel/ vnd höffliche reden vnd schertzworte.
Ihr
vornemstes aber vnd gleichsam als die seele ist/ die harte ver-
weisung der laster vnd anmahnung zue der tugend: welches zue
vollbringen sie mit allerley stachligen vnd spitzfindigen
reden/ wie
mit scharffen pfeilen/ vmb sich scheußt. Vnd
habenfy
alle Satyri-
sche scribenten zum gebrauche/ das sie
vngeschewet sich vor feinde
aller laster angeben/ vnd jhrer besten
freunde ja jhrer selbst auch
nicht verschonen/ damit sie nur andere
bestechen mögen: wie es
denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Persius meisterlich an
den tag gegeben.
Das Epigramma setze ich darumbgb
zue der Satyra/ weil die
Satyra ein lang Epigramma/
vnd das Epigramma eine kurtze
Satyra ist: denn die kürtzegc
ist seine eigenschafft/ vnd die spitz-
findigkeitgd
gleichsam seine seele vnd gestallt; die sonderlich an
dem ende erscheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet
hetten
gefallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeitge
vornemlich be-
stehet. Wiewol aber das Epigramma
aller sachen vnnd wörter
fähig ist/ soll es doch lieber in
Venerischem wesen/ vberschrifften
der begräbniße vnd gebäwe/ Lobe
vornemer Männer vnd Frawen/
kurtzweiligen schertzreden vnnd
anderem/ es sey was [D3a] es
wolle/ bestehen/ als in spöttlicher hönerey vnd
auffruck anderer
leute laster vnd gebrechen. Denn es ist eine
anzeigung eines vnver-
schämten sicheren gemütes/ einen jetwedern/
wie vnvernünfftige
thiere thun/ ohne vnterscheidt
anlauffen.
Die Eclogengf
oder Hirtenlieder reden von schaffen/ geißen/
seewerck/
erndten/ erdgewächsen/ fischereyen vnnd anderem
feldwesen; vnd
pflegen alles worvon sie reden/ als von Liebe/
heyrathen/
absterben/ buhlschafften/ festtagen vnnd sonsten auff
jhre
bäwrische vnd einfältige art vor zue bringengg.
In den Elegiengh
hatt man erstlich nur trawrige sachen/
nach-
gi
gj
gk
Das ich der Echo oder des Wiederruffes zue ende der wörtergo
ge-
dencke/ thue ich erstlich dem Dousagp
zue ehren/ welcher mit et-
lichen solchen getichten
gemacht hat/ das wir etwas darvon hal-
ten; wiewol das so Secundus
geschrieben (wie alle andere seine
sachen) auch sehr artlich
istgq: darnach
aber/ weil ich sehe/ das sie
bey den Frantzosen gleichfalls im
gebrauche seingr; bey denen man
sich ersehen kan. So sind jhrer auch
zwey in meinen deutschen
Poematis, die vnlengst zue Straßburg auß gegangen/ zue findengs.
Welchen buches halben/ das zum
theil vor etlichen jahren von mir
selber/ zum theil in
meinem abwesen von andern vngeordnet vnd
vnvbersehen zuesammen
gelesen ist worden/ ich alle die bitte denen
es zue gesichte kommen
ist/ sie wollen die vielfältigen mängel vnd
irrungen so darinnen
sich befinden/ beydes meiner jugend/ (an-
gesehen das viel darunter
ist/ welches ich/ da ich noch fast ein
knabe gewesen/
geschrieben habe) vnnd dann denen zuerechnen/
die auß keiner bösen
meinung meinen gueten namen dadurch zue
gt
gu
gv
Hymnigy
oder Lobgesänge waren vorzeiten/ die sie jhren Göttern
vor
dem altare zue singen pflagen/ vnd wir vnserem Gott singen
sollen.
Dergleichen ist der lobgesang den Heinsius vnserem erlö-
sergz/ vnd der den ich auff die
Christnachtha
geschrieben habe. Wie-
wol sie auch zuezeiten was
anders lobenhb; wie bey
dem Ronsard
ist der Hymnus der Gerechtigkeit/ Der Geister/ des Himmels/ der
Sternen/ der Philosophie/ der vier Jahreszeiten/ des
Goldeshc/ &c.
Sylven oder wälderhd
sind nicht allein nur solche carmina, die
auß geschwinder anregung vnnd hitze ohne
arbeit von der hand
weg gemacht werden/ von denen Quintilianus im
dritten Capitel des
zehenden bucheshe
saget: Diversum est huic eorum vitium, qui
primum discurrere per materiam stylo quam velocissimo volunt,
et
sequentes calorem atque impetum ex tempore scribunt: Hoc
sylvam
vocant; vnd wie an den schönen sylvis die
Statius
ge-
schrieben zue sehen ist/ welche er in der
Epistel für dem ersten
hf
hg
Die Lyricahj
oder getichte die man zur Music sonderlich ge-
brauchen kan/ erfodernhk
zueföderst ein freyes lustiges gemüte/
vnd wollen
mit schönen sprüchen vnnd lehren häuffig geziehret
[D4a] sein: wieder der
andern Carminum gebrauch/ da man son-
derliche masse wegen der
sententze halten muß; damit nichthl
der
gantze Cörper vnserer rede nur lauter augen zue
haben scheine/
weil er auch der andern glieder nicht
entberen kan. Ihren inhalt be-
treffendt/ saget Horatiushm:
Er wil so viel zue verstehen geben/ das sie
alles was in ein kurtz
getichtehn
kan gebracht werden beschreiben können; buhlerey/
täntze/ banckete/ schöne Menscher/ Gärte/ Weinberge/ lob der
mässigkeit/ nichtigkeit des todes/ &c. Sonderlich aber
vermah
NAch dem wir von den dingen gehandelt haben/ folgen
jetzund die
wortehq; wie es der natur auch gemeße ist. Denn es muß ein Mensch
jhm erstlich etwas in seinem gemüte fassen/ hernach das was er
gefast hat außreden. Die worte bestehen in dreyerleyhr; inn der ele-
gantz oder
ziehrligkeit/ in der composition oder
zuesammensetzung/
vnd in der dignitet vnd ansehen.
Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich
sein.
Damit wir aber reine reden mögen/ sollen wir vns
befleissen deme
welches wir Hochdeutschhs
nennen besten vermögens nach zue
kommen/ vnd nicht
derer örter sprache/ wo falsch geredet wird/
in vnsere schrifften
vermischen: als da sind/ es geschach/ für/
es geschahe/ er sach/
für/ er sahe; sie han/ für sie haben
ht
hu
hv
hw
So stehet es auch zum hefftigsten vnsauber/
wenn allerley Latei-
nische/ Frantzösische/ Spanische vnnd Welsche
wörter in den
text vnserer rede geflickt werden; als wenn ich wolte
sagen:
Wie seltzam dieses nun klinget/ so ist nichts desto
weniger die
thorheit innerhalb kurtzen Jharen so eingeriessen/ das
ein jeder/
[E1b] der nur drey oder
vier außländische wörter/ die er zum off-
tern nicht
verstehet/ erwuscht hat/ bey aller gelegenheit sich be-
mühet
dieselben herauß zue werffen/ da doch die Lateiner eine
solche
abschew vor dergleichen getragen/ das in jhren versen auch
fast
kein griechisch wort gefunden wird/ das zwar gantz griechisch
ist.
Dann Juuenalis setzet in einem orte ξωὴ καὶ φυχή, eben
die-
hy
hz
ia
ib
ic
id
vnd nicht/ des Jouis. Item/ der Venus pfeile/ nicht
Veneris.
Wie es denn auch die Römer mit den griechischen wörtern
machen.
Die Frantzosen gleichfals. Bartaß in seinem buche/ dem er den
titel die
Herrligkeitih
gegeben:
Item die Hollender. Als Heinsius:
van daer is zij gegaen
Doch können wir anfanges/ weil es in vielen
ohren noch etwas
harte lautet/ etliche lateinische endungen noch
gebrauchen/ biß
ij
mag ich wol setzen:
[E2a] O Rom/ des
Martis kind/ sey sehr gegrüßt von mir;
den im fall ich spreche/ O
Rom/ du kind des Mars/ möchte es
vielen zu anfange seltzam
vorkommen.
Die diphthongi oder
doppeltlautenden Buchstabenil/ weil sie bey
vns nicht vblich/ dürffen nur mit dem
selblautenden buchstaben
geschrieben werden/ dessen thon sie
haben; als Enéas/ Eschylus/
Mecenas &c.
Newe wörter/ welches gemeiniglich epitheta, derer wir bald ge-
dencken werden/ vnd von andern
wörtern zuesammen gesetzt
sindt/ zue erdencken/ ist Poeten nicht
allein erlaubetim/ sondern
macht auch den getichten/ wenn es
mässig geschiehet/ eine son-
derliche anmutigkeit. Als wenn ich die
nacht oder die Music eine
arbeittrösterinn/ eine kummerwenderinn/
die Bellona mit einem
dreyfachen worte
kriegs-blut-dürstigin/ vnd so fortan nenne.
Item den
Nortwind einen wolckentreiber/ einen felssen stürmer vnd
meerauffreitzer: wie jhn Ronsardt (denn die Frantzosen nechst
io
ip
iq
ir
Welches auß dem Ovidioit genommen ist.
Apta mihi vis est, hac tristia nubila pello,Solches stehet auch an seinem orte bey den Lateinern nicht
vbel;
als da Catullus saget in seinem vberauß schönen getichte vom
Atys:
Ubi cerva sylvicultrix, ubi aper nemorivagusiu
vnd Publius
Syrusiv
von dem storche:
[E2b] In welchen
erfindungen Joseph Scaligeriw
zue vnserer zeit
meines bedünckens alle andere/ auch
die alten selber/ vber-
troffen.
Darbey aber vns Deutschen diß zue mercken ist/ das
das nomen
verbale, als treiber/ stürmer/
auffreitzer/ &c. allzeit/ wie bey den
Lateinern/ muß
hinten gesetzt werdenix; wieder der Frantzosen
gebrauch/ derer sprache es nicht anders mit sich bringt. So
Hein-
sius in dem Lobgetichte des
Weingottesiy/ welches er auch zum
theil von dem Ronsardt entlehnet:
Vnd nach meiner verdolmetschungjb:
Wie denn auch sonsten die epitheta bey vns gar ein vbel auß-
sehen haben/ wenn sie
hinter jhr substantiuum gesetzet werden/
als:
Das mündlein roht/ der Weltkreiß rund/ die hände
feinjc;
für: das rothe mündlein/ der [E3a] runde Weltkreiß/ die
feinen hände/ &c. wiewol bey vnsern reimenmachern nichts
gemeiner ist.
So bringen auch die Frantzosen newe Verbajd
herfür/ welche/
wenn sie mit bescheidenheit gesetzet
werden/ nicht vnartig sind.
Als Ronsardt brauchet in einer Elegie an die Caßandra/ das
wort
Petrarquiser, das ist/ wie Petrarcha buhlerische reden brauchen:
Vnd ich habe es jhm mit einem anderen worte nachgethan/ da
ich die Leyer anrede:
Ich darff aber darumb nicht bald auß dem
Frantzösischen sagen:
approchiren, marchiren; oder auß dem Lateine:
dubitiren, serui-
ren; gaudiren, wie zwar die zue
thun pflegen/ die eher jhre Mutter-
sprache verterben/ als das sie
nicht wollen sehen laßen/ das sie
auch was frembdes gelernet
haben.
Wie nun wegen reinligkeit der reden frembde
wörter vnnd der-
gleichen mußen vermieden werden; so muß man auch
der deutlig-
keit halben sich für alle dem hüten/ was vnsere worte
tunckel vnd
vnverstendtlich macht. Als wann ich sagen wollte: Das
weib das
thier ergrieff. Hier were zue zweiffeln/ ob das weib vom
thiere/
oder das thier vom weibe were ergrieffen worden:
welches die
Griechen eine ἀμφιβολίαν nennen.
Der πλεονασμός, da etwas vbriges
gesaget wird/ verstellet auch
die rede zue weilen nicht wenig. Als
wann ich spreche:
weil es sich wol ohne diß verstehet. So wie
Pansajl
sagete: Das
Kind were von der Mutter zehen monat im
leibe getragen worden:
fragete Cicero: ob andere weiber die kinder im rocke
trügenjm.
Doch hilfft bißweilen das was vbrig hinzue
gesetzet wird auch zu
[E3b] auffmutzung der
rede. So saget Virgilius:
zue mehrer bestetigung deßen das er erzehlet.
jn joDie ἀναστϱοφή oder verkehrung der
wortejp
stehet bey vns sehr
garstig/ als: Den sieg die Venus
kriegt; für: Die Venus
kriegtjq
den sieg. Item: Sich selig dieser schätzen magjr; für:
Dieser mag sich selig schätzen. Vnnd so offte
dergleichen ge-
funden wird/ ist es eine gewiße anzeigung/
das die worte in den
verß gezwungen vnd gedrungen sein.
Auff die außlesung der worte/ sagen wir nun billich auch
von
jhrer zuesammensetzung; wie wir nemlich die buchstaben/ sylla-
ben vnd wörter aneinander fügen sollen.
Weil ein buchstabe einen andern klang von sich
giebet als der
andere/ soll man sehen/ das man diese zum offteren
gebrauche/
die sich zue der sache welche wir für vns haben am
besten
schickenjs. Als wie
Virgilius von dem berge Etna redet/ brauchet er
alles harte vnd
gleichsam knallende buchstaben:
Heinsius saget:
juSo/ weil das L vnd R fließende buchstaben sein kan ich
mir [E4a]
sie in
beschreibung der bäche vnd wäßer wol nütze machen/ als:
Wie nun bißweilen eine solche zuesammenstoßung der
buchsta-
ben recht vnd guet ist; soll man sie doch sonsten mitt
einander so
wißen zue vermengen/ das nicht die rede dadurch gar zue
raw oder
zue linde werde. Eben dieses ist es auch/ wann eine
syllabe oder
wort zue offte wiederholet wird; als: Die die
dir diese dinge
sagen.
Item/ Es siehet nicht wol auß/ wenn ein Verß in lauter
eynsylbi-
gen wörternjw
bestehet. Deßen exempel Ronsard giebet:
Wiewol wir deutschen/ wegen der menge der
einsylbigen wörter
die wir haben/ es zuezeiten kaum vermeiden
könnenjx.
Hergegen sollen die verß/ sonderlich die Masculini (wie
wir sie
im folgenden Capitel nennen werden) sich nicht mit viel
sylbigen
wörtern endenjy.
〈Was〉 das ansehen vnd die dignitet der
Poetischen rede anlangt/
bestehet dieselbe in den tropis vnnd schematibus, wenn wir nemb-
lich ein wort von seiner eigentlichen bedeutung auff eine andere
ziehen. Dieser figuren abtheilung/ eigenschafft vnd
zuegehör all-
hier zue beschreiben/ achte ich darumb vnvonnöthen/
weil wir im
deutschen hiervon mehr nicht als was die Lateiner zue
mercken
haben/ vnd also genungsamen vnterricht hiervon neben den
exempeln aus Scaligerska
vnnd anderer gelehrter leute büchern
nemen
können. Dessen wil ich nur erinnern/ das für allen dingen
nötig
sey/ höchste möglichkeit zue versuchen/ wie man die epi-
theta, an denen bißher bey vns grosser mangel
ge- [E4b] wesen/
sonderlich von den Griechen vnd Lateinischen abstehlen/ vnd vns
zue nutze machen möge: Dann sie den Poetischen sachen einen
solchen glantz geben/ das Stesichoruskb
für den anmutigsten
Poeten ist gehalten worden/ weil
er derselbigen zum füglichsten
sich gebraucht hat.
Sie mussen aber so gemacht werden/ das sie entweder die
dinge
von denen wir reden von andern vnterscheidenkc; als
da der Poet
spricht: nigra hirundo, die schwartze Schwalbe/ oder sie vermeh-
ren/ als: frigida
bello Dextera, eine handt die im kriege nicht
viel
außrichtet.
Sie mussen auch wahrhafftig sein/ vnd etwas nicht anders
be-
schreiben als es ist. Zum exempel: florida Hyblakk; weil viel Blu-
men darauff wachsen
sollen: Parnassia lauruskl, aestuosa Cala-
briakm, vnd dergleichen.
Strabo rhümet den Homerus/ das er die
eigenschafft eines/
ietwedern dinges sehr genaw in acht genom-
men/ vnd jhm vnfehlber
sein gehöriges epitheton allzeit gegeben
habekn. Die
Poeten/ denen mehr freyheit als den Oratoren einge-
räumet ist/
können auch wol den schnee weiß/ vnnd den wein
feuchte nennen: wie
Aristoteles im dritten buche der Rhetoricko
vnnd Quintilianus im sechsten Capitel des achten
bucheskp
saget.
Wiewol Virgilius nicht ohne vrsache
setzet:
Denn in dem er spricht/ das man in den Mitternächtischen
Ländern
den gefrorenen Wein/ der doch von natur sonst naß ist/ mit
äxten
zuehawen muß/ macht er das man desto mehr der
vngewöhnlichen
kälte nachdenckt.
Letztlich haben wir in vnserer sprache dieses auch zue
mercken/
das wir nicht vier oder fünff epitethakr
zu einem worte setzen/ wie
die Italiener thun/ die
wol sagen dürffen:
Dieses sey nun von der allgemeinen zuegehör der Poetischen
rede: weil aber die dinge von denen wir schreiben vnterschieden
sind/ als gehöret sich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd
von den andern vnterschiedener Character oder
merckzeichen der
worte. Denn wie ein anderer habit einem könige/
ein anderer einer
priuatperson gebühret/ vnd ein Kriegesman so/ ein
Bawer anders/
ein Kauffmann wieder anders hergehen soll: so muß man
auch
nicht von allen dingen auff einerley weise reden; sondern zue
niedri-
gen sachen schlechte/ zue hohen ansehliche/ zue
mittelmässigen
auch mässige vnd weder zue grosse noch zue gemeine
worte brau-
chen.
In den niedrigenkw
Poetischen sachen werden schlechte vnnd ge-
meine
leute eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengesprechen.
Darumb tichtet man
jhnen auch einfaltige vnnd schlechte reden
an/ die jhnen gemässe
sein: So Tityrus bey dem Poeten/ wenn er
seines Gottes erwehnet/
redet er nicht von seinem plitze vnd
donner/ sondern
Wie Theocritus sonsten inn dem paß wol jederman vberlegen/
so
weiß ich doch nicht wie sein Aites mir sonderlich behaget: in-
massen ich denn auch halte/ das Heinsius gleichfals grossen gefal-
len daran
treget/ der dieses Idyllion Lateinisch vnnd Hollendisch
gegebenkx. Weil ich jhm aber im deutschen
nachgefolget/ vnd den
ky
kz
la
[F2b] Hergegen in wichtigen
sachen/ da von Göttern/ Helden/
Königen/ Fürsten/ Städten vnd
dergleichen gehandelt wird/ muß
man ansehliche/ volle vnd
hefftige reden vorbringenlf/ vnd ein
ding
nicht nur bloß nennen/ sondern mit prächtigen hohen worten
vmbschreibenlg.
Virgilius sagt nicht: die oder luce sequenti; son-
dern:
Die mitteleli
oder gleiche art zue reden ist/ welche zwar mit jhrer
ziehr vber die niedrige steiget/ vnd dennoch zue der hohen
an
EIn reim ist eine vber einstimmung des lautes der
syllaben vnd
wörter zue ende zweyer oder mehrer verse/ welche
wir nach der art
die wir vns fürgeschrieben haben
zuesammen setzenlk. Damit aber
die syllben vnd
worte in die reimen recht gebracht werden/ sind
nachfolgende
lehren in acht zue nemen.
Erstlichll/ weil offte ein
Buchstabe eines doppelten lautes ist/
soll man sehen/ das er in
schliessung der reimen nicht vermenget
[F3a] werde.
Zum exempel: Das e in dem worde ehren wird wie
ein
griechisch ε/ in dem worte nehren wie
ein η außgesprochenlm:
kan ich
also mit diesen zweyen keinen reim schließen. Item/ wenn
ich
des Herren von Pybrac Epigrammaln
wolte geben:
Hier/ weil das e in lehret wie ε/ das in bescheret wie η ge-
lesen wird/ kan ich vor bescheret das wort verehret setzen. So
schicken sich auch nicht zusammen entgegen vnd pflegen; ver-
kehren vnd hören weil das ö von vnns als ein ε/ vnnd 〈die〉
mitlere sylbe in
verkehren wie mit einem η gelesen wirdt. So
kan
ich auch ist vnd bist wegen des vngleichen lautes
gegen einander
nicht stellenlq.
Das e/ wann es vor einem andern selblautenden
Buchstaben zue
ende des wortes vorher gehet/ es sey in
wasserley versen es wolte/
wird nicht geschrieben vnd
außgesprochen/ sondern an seine statt
ein solches
zeichen’ darfür gesetztlr. Zum exempel wil ich nach-
folgendes
Sonnetls
setzen/ weil diese außenlaßung zue sechs malen
darinnen wiederholet wird:
Hiervon werden außgeschlossen/ wie auch Ernst Schwabelx
in
seinem Büchlein erinnert/ die eigenen namen/
als: Helene/ Eu-
phrosine; darnach alle einsylbige
wörterly/ als: Schnee/ See/
wie/
die/ &c.
Zue ende der reimen/ wann ein Vocalis den
folgenden [F4a]
verß anhebet/ kan man das e stehen lassen oder weg
thun. Stehen
bleibt es:
Weg gethan aber wird es:
Wann auff das e ein Consonans oder mitlautender
Buchstabe
folget/ soll es nicht aussen gelassen werden: ob
schon niemandt
bißher nicht gewesen ist/ der in diesem nicht
verstossen. Ich kan
nicht recht sagen:
Die wäll der starcken Stadt vnnd auch jhr
tieffe Graben;
Weil es die Wälle vnd jhre Graben sein soll.
Auch nicht wie
Melißus:
für/ Rote rößlein.
Gleichfals nicht:
für: Meine.
Es soll auch das e zueweilen nicht auß der mitten der
wörter ge-
zogen werden; weil durch die zuesammenziehung der
sylben die
verse wiederwertig vnd vnangeneme zue lesen
seinmi. Als/ wann
ich schriebe:
Welchem die reime nicht besser als so von
statten gehen/ [F4b]
mag es künlich bleiben lassenmj: Denn er
nur die vnschuldigen
wörter/ den Leser vnd sich selbst darzue
martert vnd quelet. Wie-
wol es nicht so gemeinet ist/ das man
das e niemals aussenlassen
möge: Weil es in Cancelleyen (welche
die rechten lehrerinn der
reinen sprache sindmk) vnd sonsten vblich/ auch im
außreden nicht
verhinderlich ist. Vnnd kan ich wol sagen/ vom
für von dem/
zum für zue dem/ vnd dergleichen. So ist es auch
mit den
verbis. Als:
Hier/ ob gleich die wörter/ trincket/
pfleget/ wollet inn eine
sylbe gezogen sind/ geschiehet jhnen
doch keine gewalt. Hiesige
verß aber sindt in Griechischen bey
dem Anacreon:
Welche oden ich sonst auch in ein distichon gebracht; weil ich
zue den lateinischen
Anacreonten weder lust noch glück habe.
Stehet das h zue anfange eines wortes/ so kan das e
wol geduldet
werden; als:
Oder auch aussen bleibenmy; als:
Ferner soll auch das e denen wörtern zue welchen es
nicht ge-
höret vnangehencket bleiben; als in casu
nominatiuo:
Vnd:
Dir scheint der Morgensterne;naWeil es Sohn/ Held/ Stern heisset.
Vber diß/ die letzte sylbe in den männlichen/ vnd
letzten zwo
inn den weiblichen reimen (wie wir sie bald
abtheilen werden) sol-
len nicht an allen Buchstaben gleiche
sein; als/ in einem weiblichen
reime:
Es ist falsch; weil die letzten zwo sylben
gantz eines sindt: kan
aber so recht gemacht werden:
Wiewol es die Frantzosen so genaw nicht
nemennb. Dann in
[G1b] nachfolgender Echo/ welche vom tantze redet/ alle verß
gleiche
fallen:
Gleichfals begehet man einen fehler/ wann in dem
rythmo
foeminino die letzte sylbe des einen
verses ein t/ des andern ein d
hat; weil t harte vnd d
gelinde außgesprochen wird. Als im
23. Psalme:
So auch/ wann das eine u ein selblautender/ das andere
ein dop-
peltlautender Buchstabe ist/ vnd fast wie ein i
außgesprochen
wird. Als in 42. Psalme:
Dann in dem worte sünden ist das u ein diphthongusnh.
Vnd letzlich wird der reim auch falsch/
wann in dem einen verse
das letzte wort einen doppelten
consonantem; vnnd das in dem an-
dern einen
einfachen hat; als: wann der eine verß sich auff das
wort
harren; der andere auff das wort verwahren/ oder der eine
ni
nj
nk
nl
[G2a] Das wir nun
weiter fortfahren/ so ist erstlich ein jeglicher
verß/ wie sie
die Frantzosen auch abtheilen/ (denn der Italiener
zarte reimen
alleine auf die weibliche endung außgehen) entweder
ein
foemininus, welcher zue ende abschiessig ist/ vnd den
accent in
der letzten sylben ohne eine hat/ Als:
Oder masculinus, das ist/
männlicher verßnn/ da der thon auff der
letzten
sylben in die höhe steiget; als:
Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein
iambicus oder
trochaicus; nicht zwar das wir auff art
der griechen vnnd lateiner
eine gewisse grössenp
der sylben können inn acht nemen; sondern
das
wir aus den accenten vnnd dem thone
erkennen/ welche sylbe
hoch vnnd welche niedrig gesetzt
soll werden. Ein Jambus ist die-
ser:
Der folgende ein Trochéus:
nr nsDann in dem ersten verse die erste sylbe niedrig/ die
andere
hoch/ die dritte niedrig/ die vierdte hoch/ vnd so
fortan/ in dem
anderen verse die erste sylbe hoch/ die andere
niedrig/ die dritte
hoch/ &c. außgesprochen werden.
Wiewol nun meines wissens
noch niemand/ ich auch vor der zeit
selber nicht/ dieses genawe in
acht genommen/ scheinet es doch
so hoch von nöthen zue sein/
als hoch von nöthen ist/ das die
Lateiner nach den quantitatibus
oder
grössen der sylben jhre verse richten vnd reguliren. Denn es
gar einen übelen klang hat:
weil Venus vnd Juno Jambische/ vermocht ein Trochéisch
wort sein soll: obsiegen aber/ weil die erste sylbe hoch/ die
andern
zwo niedrig sein/ hat eben den thon welchen bey den
lateinern der
dactylus hat/ der sich zueweilen (denn er
gleichwol auch kan ge-
duldet werden/ wenn er mit vnterscheide
gesatzt wirdnu) in vnsere
sprache/ wann man dem
gesetze der reimen keine gewalt thun wil/
so wenig zwingen
leßt/ als castitas, pulchritudo vnd
dergleichen
in die Lateinischen haxametros vnnd pentametros zue bringen
sind. Wiewol die Frantzosen vnd andere/ in den
eigentlichen na-
men sonderlich/ die accente so genawe nicht in
acht nemen wie ich
dann auch auff art des Ronsardts in einer Odenv
geschrieben:
Doch/ wie ich dieses nur lust halben gethan/ so bin
ich der ge-
dancken/ man solle den lateinischen accenten so
viel möglich nach-
kommen.
Vnter den Jambischen versen sind die zue föderste zue setzen/
welche man Alexandrinische/ von jhrem ersten erfinder/ der ein
Italiener soll gewesen seinob/ zue nennen pfleget/ vnd werden an
statt der
Griechen vnd Römer heroischen verse gebrauchtoc: Ob
gleich Ronsardt die
vers communs
oder gemeinen verse/ von denen
wir stracks sagen
werden/ hierzue tüchtiger zue sein vermeinet;
weil
dieod
Alexandrinischen wegen jhrer weitleufftigkeit der
vnge-
bundenen vnnd freyen rede zue sehr ähnlich sindt/ wann
sie nicht
jhren mann finden/ der sie mit lebendigen farben
herauß zue strei-
chen weiß. Weil aber dieses einem
Poeten zuestehet/ vnd die vber
welcher vermögen es ist nicht
gezwungen sind [G3a] sich darmit zue
ärgern/ vnsere sprache auch ohne
diß in solche enge der wörter wie
die Frantzösische nicht kan
gebracht werden/ mussen vnd können
wir sie an statt der
heroischen verse gar wol behalten: inmassen
dann auch
die Niederländer zue thun pflegen.
Der weibliche verß hat dreyzehen/ der männliche zwölff
sylben;
wie der iambus trimeter. Es muß
aber allezeit die sechste sylbe
eine caesur oder abschnitt haben/ vnd masculinae
terminationis,
das ist/ entweder ein einsylbig
wort sein/ oder den accent in der
letzten sylben habenoe; wie auch
ein vornemer Mann/ der des
of
og
oh
Hier sind die ersten zweene verß weibliche/ die andern
zweene
männliche: Denn mann dem weiblichen in diesem
genere carminis
gemeiniglich die
oberstelle leßt; wiewol auch etliche von den männ-
lichen
anfangen.
Bey dieser gelegenheit ist zue erinnern/ das die
caesur der sech-
sten syllben/ sich weder mit
dem ende jhres eigenen verses/ noch
des vorgehenden oder
nachfolgenden reimen soll; oder kürtzlich;
es soll kein
reim gemacht werden/ als da wo er hin gehöret: als:
Dann solches stehet eben so vbel als die reimen der
lateini- [G3b]
schen verse; deren exempel zwar bey den gutten
Autoren wenig zue
finden/ der Mönche bücher aber vor etzlich
hundert Jahren alle
voll sindt gewesenok.
So ist es auch nicht von nöthen/ das der periodus
oder sententz
allzeit mit dem verse oder
der strophe sich ende: ja es stehet zier-
lich/ wann er zum wenigsten biß zue des andern/
dritten/ vierdten
verses/ auch des ersten in der folgenden
strophe caesur behalten
wirdol. Zum exempel:
Item:
1. Ja wir gedencken vns wie meister fast zue werdenDie reimen deren weibliche verß eilff sylben/ vnd die
männlichen
zehen haben/ nennen die Frantzosen
vers communs
oder gemeine
verse/ weil sie bey jhnen sehr im brauche
sind. Wie aber die
Alexandrinischen verse auff der sechsten
sylben/ so haben diese
auff der vierdten jhren
abschnittor. Als:
Weil die Sonnet vnnd
Quatrains
oder vierversichten epi- [G4b]
grammata fast allezeit mit Alexandrinischen oder
gemeinen versen
geschrieben werden/ (denn sich die andern fast
darzue nicht
schickenot) als wil ich derselben gleich hier
erwehnen.
Wann her das Sonnet bey den Frantzosen seinen namen
habe/
wie es denn auch die Italiener so nennen/ weiß ich
anders nichts
zue sagen/ als dieweil Sonner klingen oder wiederschallen/ vnd
sonnette eine klingel oder schelle heist/ diß
getichte vielleicht von
wegen seiner hin vnd wieder
geschrenckten reimeou/ die fast
einen andern laut
als die gemeinen von sich geben/ also sey ge-
tauffet
worden. Vnd bestetigen mich in dieser meinung etzliche
Holländer/ die dergleichen carmina auff
jhre sprache
klinc-
ov
Ein jeglich Sonnet aber hat viertzehen verse/ vnd
gehen der
erste/ vierdte/ fünffte vnd achte auff eine endung
des reimens auß;
der andere/ dritte/ sechste vnd siebende
auch auff eine. Es gilt aber
gleiche/ ob die ersten vier
genandten weibliche termination haben/
vnd die andern viere
männliche: oder hergegen. Die letzten sechs
verse aber mögen
sich zwar schrencken wie sie wollen; doch ist am
bräuchlichsten/ das der neunde vnd zehende einen reim machen/
der eilffte vnd viertzehende auch einen/ vnd der
zwölffte vnd drey-
zehende wieder einenox. Zum
exempel mag dieses sein/ welches ich
heute im spatzieren gehen/
durch gegebenen anlaß/ ertichtet.
Oder/ im fall dieses jemanden angenemer sein möchte;
Welches
zum theil von dem Ronsardt entlehnet istpe:
Item diß/ von gemeinen versenpg:
ph piVnd letzlich eines/ in welchem die letzten sechs verse
einer umb
den andern geschrencket istpj:
Quatrains
oder quatrini, wie auß dem
namen zue sehen/ sind
vierverßichte getichte oder
epigrammata; derer hat der Herr von
Pybracpo
hundert vnd sechs vnd zwantzig im Frantzösischen ge-
schrieben; von welchen ich nur dieses setzen wil:
[H2b] Hier reimen sich der
erste vnd letzte verß so weiblich sind
zuesammen/ vnd die
mitleren zwey männlichen deßgleichen zue-
sammen. Wiewol
man auch einen vmb den andern schrencken
mag/ oder lauter
männliche oder weibliche setzen:
Als:
An meine Venus.Welch epigramma im
lateinischen bey dem
Grudiopt,
sonsten
einem bösen Poeten/ wiewol er eines
gueten Poetens bruder ist/
gefunden wird.
Die andern versepu
mag ein jeder mit sieben/ acht/ fünff/
sechs/ auch vier vnd drey sylben/ vnd entweder die männlichen
oder die weiblichen lenger machen nach seinem
gefallen.
Die reimen der ersten strophe sind auch zue schrencken
auff
vielerley art/ die folgenden strophen aber mussen wegen
der Music/
die sich zue diesen generibus carminum am besten schicken/ auff
die erste
sehenpv. Ein exempel einer Trocheischen
Ode oder Liedes
ist in dem fünfften Capitel zue
findenpw. Wil ich
derhalben einen
Jambischen gesang hieher schreiben.
Zue zeiten werden aber beydes Jambische vnd Trocheische verse
Die Saphischen gesänge belangendt/ bin ich des
Ronsardts mei-
nung/ das sie/ in vnseren sprachen sonderlich/
nimmermehr kön-
nen angeneme sein/ wann sie nicht mit
lebendigen stimmen [H4a]
vnd in musicalische instrumente eingesungen werden/
welche das
leben vnd die Seele der Poeterey sind. Dann ohne
zweiffel/ wann
Sappho hat diese verse gantz verzucket/ mit
vneingeflochtenen
fliegenden haaren vnnd lieblichem anblicke
der verbuhleten au-
gen/ in jhre Cither/ oder was es
gewesen ist/ gesungen/ hat sie
jhnen mehr anmutigkeit gegeben/
als alle trompeten vnd paucken
den mannhafftigen vnnd kühnen
versen/ die jhr Landtsmann
Alcéus/ als er ein
Kriegesoberster gewesen/ ertichtet hatqc. Zum
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qe
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Eine ander solche Ode hebet er also an:
Mon âge et mon sang ne sont plus en vigeur:qiIn den Pindarischen Odenqj/ im fall es jemanden sich daran zue
machen geliebet/ ist die στϱοφή frey/
vnd mag ich so viel verse
vnd reimen darzue nemen als ich wil/
sie auch nach meinem ge-
fallen eintheilen vnd schrencken:
ἀντιστϱοφή aber muß auff die
στϱοφήν sehen/ vnd keine andere ordnung
der reimen machen:
ἐπῳδός ist wieder vngebunden. Wan wir dann mehr
strophen
tichten wol- [H4b] ten/ mussen wir den ersten in allem nachfolgen:
wiewol die Gelehrten/ vnd denen Pindarus bekandt ist/ es ohne
diß
wissen/ vnd die andern die es aus jhm nicht wissen/ werden
es auß
diesem berichte schwerlich wissen lernen. Ich vor
meine person/
bin newlich vorwitzig gewesen/ vnd habe mich
vnterwinden dürffen
auff Bernhardt Wilhelm Nüßlersqk/
meines gelehrtesten freundes/
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[I4b] SO viel ist es/ was ich
von vnserer Poesie auffsetzen wollen.
Wiewol ich keinen zweiffel
trage/ es sey noch allerseits eines vnd
das andere zue
erinnern/ welches nicht weniger notwendig seyn
mag/ als etwas von
denen sachen/ derer ich erwehne. Es kan auch
wol sein/ das mir in
dem eilen (denn ich vor fünff tagen/ wie meine
freunde wissen/ die
feder erst angesetzt habeqv) diß vnd jenes mag
einkommen sein/ das entweder gar außengelassen/ oder ja im
minsten verbeßert sollte werden. Ich hoffe aber/ es wird mir
der
guethertzige Leser/ in betrachtung der kurtzen zeit so ich
hierbey
verschloßen/ etwas vbersehen/ vnd bedencken/ Rom sey nicht
qw
Wo diese natürliche regung ist/ welche Plato einen Göttli-[K1a]
chen furorqz
nennet/ zum vnterscheide des aberwitzes oder blödig-
keit/ dürffen weder erfindung noch worte gesucht werden;
vnnd
wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird/ so wird
es
auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutigkeit
gelesen. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die be-
mühung loben/ der nachkommenen gunst aber können wir jhnen
nicht verheißen.
Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: dann
im
fall dieselbigen mit der natur vereiniget werden/ muß etwas
folgen
das böse mäuler leichtlicher tadeln können als
nachmachen.
Einera guete art der vbung aber ist/ das wir vns zueweilen auß den rb
Plinius der Jüngere/ welcher vber alle seine sachen
gelehrter
freunde guet achten erfodert/ saget in der 17. Epistel
des 7. Bu-
ches/ das jhn diese gewohnheit gar nicht rewe.
Denn er bedächte/
welch ein grosses es sey/ durch der leute hände
gehen/ vnd könne
jhm nicht einbilden/ das man dasselbe nicht solle
mit vielen vnd
zum offtern vbersehen/ was man begehret/ das es
allen vnd immer
gefallen solle.rj
Welches denn der grösseste lohn ist/ den die Poeten
zue gewarten haben; das sie nemlich inn königlichen vnnd
fürst-
lichen Zimmern platz finden/ von grossen vnd verständigen
Män-
nern getragen/ von schönen leuten (denn sie auch das Frawen-
zimmer zue lesen vnd offte in goldt zue binden pfleget) geliebet/
in
die bibliothecken einverleibet/ offentlich verkauffet vnd von
jeder-
man gerhümet werden. Hierzue kömpt die hoffnung
vieler künffti-
gen zeiten/ in welchen sie fort für fort grünen/
vnd ein ewiges ge-
dächtniß in den hertzen der nachkommenen
verlassen. Diese glück-
seligkeit erwecket bey auffrichtigen
gemüttern solche wollust/ das
Demosthenes sagete/ es sey jhm nichts angenemers/ als
wenn auch
nur zwey weiblein welche wasser trügen (wie zue
Athen bräuchlich
war) einer den andern einbliesse: Das ist
Demosthenesrk. Welcherrl
ob er zwar als der vornemeste redener in hohen ehren
gehalten
worden/ ist doch der rhum nicht geringer denn Homerus erlanget.
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Nebenst dieser hoheit des gueten namens/ ist auch die
vnver-
gleichliche ergetzung/ welche wir bey vns selbst
empfinden/ wenn
wir der Poeterey halben so viel bücher vnnd
schrifften
durch
Lit. A. fac. 8. inimice venae.
B. f. 2. [griechische Textstelle].
f. 3. heutiges tages f. 5. ἰδιότητα. ibid. Manilius.
C. f. 1. μὲν. ib. genawe. ib. d’escorte. f. 6. habe
D. f. 4. die kürtze.
E. f. 2. Ζωὴ και. f. 3. nechst. ib. L’irrite-mer.
f. 7. Ie vy le ciel. ib. auff eine andere. f. 8. abstehlen.
ib. machen möge.
F. f. 7. stehen lassen. f. 8. ϑάλασσα. ib. ϑάλασσα. ib.
distichon. ib. anacreonten.
G. f. 3. das die Lateiner nach. f. 4. Lateinischen haxametros.
ib. vers communs oder. f. 7. jhren abschnitt.
H. f. 1. der mundt ist Himmelweit. ib. In summa.
I. f. 6. STRO. II.
K. f. 1. ἐγκϱίνεσϑαι.
Das vbrige/ dessen ich vieleichte nicht gewahr worden;
wollet jhr
vnbeschweret selber zu rechte bringen.
[L1b] Hierneben habe ich auch
nicht sollen vnerwehnet lassen/
das mir vnlengst eines gelehrten
mannes in der frembde schreibensk
zuekommen/ welcher der meinung ist/ wann wir
die eigentlichen
namen der Götter vnd anderer sachen/ als Jupiter/
Orpheus/ Phe-
bus/ Diana vnnd dergleichen in vnsere sprache
brächten/ würde
sie nicht von allen verstanden werden/ vnd solte
man sich dieselben
Deutsch zue geben befleissen. Wie aber solches
vnmöglich istsl/ vnd
sm
sn
so