INdem Poliarchus solches erzehlete/ kamen sie in der Frawen Gute
an/ welches nicht weit von Phthinthia an dem Flusse Himera auff
der einen Seiten benanntes Wasser/ auff der andern dicke Stauden
vnd gleichsam einander vmbfangende Bäume vmbringeten. Das
Hauß so von Ziegeln vnd in die Länge gebawet war/ lag deß Was-
sers vnd der Felder halben/ vberauß lustig: hierzu kam der Waldt/
vnd etliche nahe Hügel/ welche die Gelegenheit deß Orts noch an-
muhtiger machten. Der Leute vnd deß Gesindes war viel/ vnd ver-
hielten sich ehrbar vnd keusch/ nach den Sitten der Frawen/ welche
jhren Mann schon vor etlichen Jahren verlohren/ vnd durch gutes
Gerüchte die Hoheit jhres Standes vermehret hatte. Diese machte
damals dem Gespräche jrer Gäste ein Ende/ vnd bate freundlich/
die Armut der geringen Behausung nicht zu verschmehen. Sie
a

[Seite 17]


giengen in das [11] Hauß/ da dann die Höffligkeit der Wirthin/ vnd
der späte Abendt sie bewegte/ daselbst das Abendmal zu nemen/
vnd vber Nacht zu bleiben. In dem nun das Gesinde zu Tische an-
richtete/ wusche Poliarchus seine Wunden mit gewässertem Essige/
damit sie sich nicht mit Geschwulst entzündeten; hernach bestrie-
che er sie mit Oele/ in welches wilde Rauthen Blüte vermischet war;
in Meinung daß es sicherer sey so gemeine vnd vngekauffte Mittel
zu ergreiffen/ als sich auff die Artzneyen derselben Leute zu ver-
lassen/ die offtermals die Schmertzen mit vnnötigem Säumnüß er-
längern/ vnd vnter dessen die vnbillichste Belohnung hinweg ne-
men. Als das essen fertig war/ satzten sie sich zu Tische; vnd wie
eine Rede die andere gab/ vnterstunde sich Timoclee von dem fremb-
den zu fragen/ wie er hiesse/ von wannen er were/ vnd auß was für
einem Anschlag oder Fall/ er in dieser Insel angeländet hette? Er
sagte/ daß er der Nation ein Africaner were; seinen Namen vnd Ge-
schlechte belangend/ so were der jenigen/ so Gewalt vber jhn hetten/
Meinung/ daß er solches/ biß auff die Zurückkunfft verschweigen/
vnd sich in dessen Archombrotus nennen solte; Er were auch von
dem Winde wider seinen Willen/ in Sicilien nicht verschlagen wor-
den: sondern hette jhm diese Reise dahin zuthun fürgenommen/
sich mit Gesellschafft mannhaffter Leute/ welche dem Geschrey
nach/ bey diesem Könige sich befinden solten/ zu ergetzen. Es kame
dem Poliarchus vnd der Timocleen nichts
[12] wunderlichers für/
als daß er/ der Geburt auß Africa/ so schöne weiß von Gesichte war.
Er hatte keine auffgelauffene vberhangende Lippen nicht; so stun-
den jhm auch die Augen nicht tieff in die Stirne gebogen. Es ware
vber diß auch eine Anzeigung eines hertzhafftigen Gemühtes/ daß er
sich die Liebe der Tugendt/ so weit ausser seinem Lande ziehen las-
sen. Er ingleichen fragte nach der Mahlzeit den Poliarchus auff
rechte Trew/ wannher doch die Räubereyen in Sicilien so gemeine
im schwange giengen? Wer dieser Lycogenes sey/ auß dessen Läger
er zuuor gemuttmasset/ daß die Räuber/ so jhn angefallen/ kom-
men weren? was es mit dem Königreiche für einen Zustandt/ vnd
was für Kriege es darinnen hette? Poliarchus/ weil sie allein waren
(dann sie hatten sich zu Ruhe/ vnd beyde in ein Kammer begeben)
hube an jhm also zu sagen: Es hat viel Tugenden/ Archombrotus/
die zu Lastern werden: vnd was mehr ist/ so kan man offtmals
???spü- b c
[Seite 18]

ren???/
daß einerley Art deß Gemühtes/ wie es die Zeit mit sich bringt/
bald für eine Tugend/ bald für ein Laster gehalten wird. Meleander/
wie ich vermeine/ daß jhr wisset/ ist seinem Vatter vnd Vorfahren
in Besitzung deß Königsreichs Sicilien nachgefolget/ ein Mann eines
sehr gelinden vnd glimpfflichen Gemühts; der aber weder auff jetzi-
ger Zeit Boßheit/ noch auff die Sitten der Menschen sonderlich Ach-
tung gibet/ vnd anderen also glaubet/ wie jhn seine Tugendt ver-
sichert/ daß man jhm auch glauben
[13] vnd trawen solle. Vnd ich
bin der Gedancken/ daß jhm seine grosse Glückseligkeit geschadet
habe. Dann/ als er Anfangs seiner Regierung alles in friedlichem
Wesen befunden hat/ hat er seine Begierden vnverholen außgelas-
sen; die zwar wol erträglich gewesen/ vnd vielen Fürsten gemeine
sindt/ dennoch aber seine gar zu grosse Güte so weit an den Tag ge-
geben haben/ als ob er dem Vnrecht/ so ihm selber angethan würde/
mit Ernst nicht begegnen könte: In dem er nemlich dem Wayd-
werck/ mehr als sich geziemet/ nachgehangen/ vnd in desselben
vnterschiedene Art das Jahr eyngetheilet hat: Item daß er allerhand
Leute/ ohn Vnterscheidt/ in seine Freundschafft gezogen/ vnd jhnen
viel mehr auß sonderlicher Zuneygung/ als auß bedachtsamen
Rathe grosse Ehr angethan: daß er gar zu freygebig gewesen; die
Geschäffte geflohen/ vnd sie gemeiniglich denen anvertrawet hat/
die jhn am wenigsten mit Trewen gemeinet. Ich wolte wünschen/
geehrter Gast/ daß man dieses verschweigen dörffte. Aber es ist doch
besser/ daß jhr mit Warheit von allem berichtet werdet/ als daß jhr
es durch das gemeine Geschrey/ welches falsch vnd ertichtet ist/ erst
erfahren sollet. Dann die Feinde gehen weiter/ vnd machen das
Vbel grösser als es ist. Vnd dannher entspringt dem frommen Kö-
nige alles Vnheil; fürnemlich aber auß Neide vnd Ehrgeitze deß
Lycogenes/ der auff alle seine Fehler ein Auge hat. Dieser/ weil er
von dem Stamme der alten Könige her-
[14]rühret/ so ist er mit der
andern Stelle niemals zu frieden gewesen; ein Mann von Rhat vnd
That/ vnd der jhm bey dem Volcke sonderliche Gunst zu machen
weiß: im vbrigen darff er an Grawsamkeit/ Meineyde vnd Hoffart
bey aller Gelegenheit/ keinem auff der Welt zuvor geben. Er hat
sich nicht viel mühen dörffen den Meleander/ so einen auffrichtigen
Fürsten/ vnter dem Scheine der Freundschafft/ zu betriegen. Dann
in dem der König/ nach beygelegten Sorgen sein Gemühte rühig er-
getzen wil/ so erfüllet dieser den Hof mit Leuten seines Anhangs/
theilet die fürnembsten Aempter/ als er Fug vnd Recht darzu hette/
[Seite 19]


vnter seine Freundschafft auß/ so daß hernach niemand in dem
Königreiche bliebe/ der jhm nicht verbunden were. Letzlich bringet
jhn seine Thorheit vnd Ehrgeitz so weit/ daß er fast offentlich wi-
der den König die Waffen ergreiffet. Meleander wurde dessen sehr
langsam gewahr/ vnd als der Krieg sich schon zu regen begundte/
fienge er erst an nachzudencken wer er were/ vnd zu was Ende er
Kron vnd Scepter angenommen habe. Er ist ein König/ der keinem
er sey wer er wolle/ an Muthe vnd Hertzhafftigkeit nachgibet/ auch
von solchem Verstande/ daß er nicht anders hat können vmbgangen
werden/ als durch den Vberfluß seiner Güttigkeit. Ich kan euch nicht
gnugsam erzehlen/ wie stattlich er seine Weißheit/ vnd Stärcke an
den Tag gegeben/ seyt er durch anderer Leute Laster nach seinen
Tugenden zugreiffen gezwungen ist
[15] worden. Doch wiewol jhm
deß Lycogenes böser Anschlag gnugsam bekannt war/ so wolte er
doch eine Zeitlang seines Rechtens sich gegen jhm nicht gebrau-
chen/ der Meynung/ daß es gar gnug were/ wann er seines Feindes
Rathschlägen zuvor käme/ vnd jhm seine Kräfften beschnitte. Er
hat auch offtmals gehoffet/ oder zum wenigsten begeret/ von diesem
vndanckbaren Menschen eine Rewe solches Verbrechens zu erzwin-
gen: Lycogenes aber/ dem es vnleydlich zu seyn schiene/ daß je-
mand seyn solte/ der jhn wider zu Gnaden nehmen könte/ vnter-
stande sich offentlich vbel von jhm zu reden. Vnd was jhn noch be-
hertzter machte/ war dieses/ daß der König seine einige Tochter in
Erbschafft deß Königreiches zu setzen gesonnen war. Wolt jhr es
glauben/ mein Archombrotus? Der böse Mensch hat sich dörffen
vnterfangen sie zu rauben/ vnd mit Gewalt zu heyrathen. Es ligt an
dem Außgange deß Wassers Albe ein Schloß/ da der König seine
Tochter verwahret hielt; Dahin schickte er heimlich etliche Solda-
ten/ welche jhm die Princessin sampt dem Könige/ so ohngefehr in
dieser Festung vber Nacht lage/ zuführen solten. Meleander hat
geglaubt/ es sey durch Schutz der Mineruen diese Hinterlist zu rück
gegangen: Dann die Rauber auff frischer That betretten/ vnd vmb-
gebracht sind worden. Darumb hat er zur Danckbarkeit der Göttin
so viel Ehr angethan/ als er erdencken mögen. Dann er ließ eine
Müntze pregen/ auff welcher
[16] eine Eule standt: vnd wann er
opffert/ oder auff Bancketen sich erlustigen wil/ so setzt er keinen
andern Krantz als von Oelzweigen auff. Was auch noch höher zu
d
[Seite 20]


achten ist/ so hat er seiner Tochter/ biß sie verheyrathet werde/ dem
Heyligthumb der Göttin fürzustehen befohlen. Ihr werdet sie auff
allen Festtagen in heyliger Tracht vnter den Priestern vnd geist-
lichen Jungfrawen der Göttin gewöhnliche Feyerung begehen se-
hen. Dennoch hat diese grosse Frömmigkeit den Krieg nicht gestil-
let. Dann auff dieses deß Lycogenes Verbrechen/ welches sich mit
keiner Entschuldigung verdecken läst/ ist zwar nicht eine gehlinge/
aber doch eine grosse vnd mit reiffem Rathe erwogene Empörung
erfolget. Er wandte zu Behelligung seiner Waffen eyn/ die Beschüt-
zung beydes deß gemeinen Wesens/ vnd dann seiner Person selber:
klagte bald/ wie jhn der König ohne Schuld vnd Vrsach einer Ver-
rätherey geziehen/ vnd hinrichten zu lassen gemeynet were: bald
fienge er an/ daß er das Vnrecht/ so den Vnterthanen geschehe/
länger nicht anschawen könte/ vnd mit offentlichem Kriege der
jenigen Tyranney widerstehen müste/ die Meleandern auff so
grawsame Rathschläge leitteten. Er hatte viel seiner Creaturen vnd
andere so jhm anhiengen. Oleodemus/ Eristhenes/ Menocritus/
welche vber die fürnembsten Prouintzen gesetzt waren/ stimmeten
mit jhm vber eyn. Viel auß lauter Leichtfertigkeit wider den Mele-
ander: Es begaben sich auch viel
[17] auff der Rebellen Seite/ in
Meinung Lycogenes thete alles zum besten/ vnd hette sich wider die
Vngerechtigkeit der Tyranney zur Wehre gestellet. Derentwegen
ward er auffgeblassen/ begab sich zu Felde/ vnd begerete eine
Schlacht zu lieffern. Der König/ so auch viel Volckes auff dem
Fusse hatte/ schlug es nicht ab. Es ist heute der funffzehende Tag/
daß wir nicht weit von hier auff den Geloischen Feldern ein Treffen
gethan haben. Die Schlacht war strenge/ in dem jene nicht weniger
mannhafftig für jhr Verbrechen/ als wir für allgemeine Wolfarth
stritten. Letzlich wie die Nacht herbey kam/ neygete sich der Sieg
auff deß Königes Seiten/ vnd Lycogenes/ der sein Volck in solcher
Vnordnung sahe/ ließ zum Abzuge blasen; damit die Flucht einen
Schein deß Krieges Gerhorsams von sich geben solte. Meleander
war auch selber nicht gesonnen/ dem zerstreweten Feinde weiter
nach zu setzen; entweder daß er deß Blutes seiner Vnterthanen ver-
schonete/ vnd sich vergnügete an erhaltenem Siege; oder daß er
sich für der Nacht vnd allerley hinterlist befährete. Es kan auch sein/
weil seine fürnemeste Leute dem Lycogenes nit abgünstig waren/
e f
[Seite 21]


daß er Beysorge trug/ sie möchten sich auff seine Seiten wenden/
wann er jhn biß auff das eusserste verfolgen wolte. Dann Lycogenes
hat noch nicht alle die jhm anhangen zu Vollbringung seines bösen
Fürhabens gezogen/ vnd es sind derselben nicht in geringer Anzahl
vmb den König/ die bey einem
[18] Theil die Waffen haben/ vnd
bey dem andern das Gemühte. So ist dem Meleander sonsten auch
alles zu entgegen: Die Räthe sagen jhre Meynung nicht trewlich:
man trägt die Anschläge den Feinden zu/ vnd ist sich nicht weniger
bey Hofe als ausser demselbigen fürzusehen. Derentwegen ob er
gleich eben das Feld/ welches der Feind bey wehrender Schlacht
innen hielte/ erhalten hat/ so wil er doch nichts desto weniger Frie-
den machen nach dem Rathe welchen man ihm hatt eyngeschwät-
zet. Er hat seinem Siege auch selber nicht trawen können/ vnd li-
get noch jmmer zu/ als ob der Krieg sich nichts zu stossen/ zu Felde.
Nach heimlicher Vnterhandlung beyderseits/ worden vom Lycoge-
nes Gesanten zum Könige abgefertiget. Ihr Fürgeben war/ Vrlaub
zu bitten die Todten zu begraben: in der Wareit aber giengen sie
darauff/ wie sie eines Bundnüsses vnd Friedens erwehnen möchten:
welches dann so angenehm war/ daß die abgesandten/ in Meynung
als der König sich für jhrem Theile fürchtete/ dem Siegesherren
auch Bedingungen vnd Gesetze des Friedens fürschreiben dürfften.
Mich betreffendt/ so bin ich der Gedancken/ daß Meleandern der
Friede/ er geschehe auff was Weise er wolle/ gefalle/ damit wann er
vollzogen ist/ die jenigen so sich dem Lycogenes anhängig ge-
macht/ zerstrewet werden/ vnd sich nicht so leichte widerumb ver-
binden mögen. Also wird man Zeit gnug haben auff newe Mittel zu
sinnen/ wie sie selber entweder an einan-
[19] der zu hetzen/ oder
nach Verleschung deß Auffstandes bey dem Volcke verhaßt zu ma-
chen/ vnd durch jhre eygene Boßheit zu stürtzen sind; oder auch/
wie sie jhrer vnrühigen Empörung satt werden/ vnd sich von sol-
chem Auffruhr dem Könige zu vnterthänigem Gehorsam eynstellen
mögen. Ich für meine Person hab nicht für thuelich befunden/ daß
man mit so hoffertigen Leuten/ vnd die sich an der Majestet deß
Königes vergriffen haben/ einigen Friede eyngehen solte. Aber ich
fürchtete/ daß ich nicht/ wann mich der König/ wie er pfleget/ zu
Rathe einer so wichtigen Sache erforderte/ meiner Jugendt vnd
???Ge- g h
[Seite 22]

schlechte???
vieler Mißgönner Neydt auff den Halß ziehen möchte.
Dann ich bin so wol frembde als jhr seyt/ Archombrotus/ vnd bin
auß keiner andern Vrsache dem Meleander zu gezogen/ als daß
sein Vnglück ein Exempel ist/ für dem alle Völcker ein Abschew tra-
gen solten. Dann sie nimmermehr ohne Krieg seyn werden/ wanns
frey wird stehen sich wider die Gebrechen seines Fürsten auffzuleh-
nen/ vnd seiner Güte mißzubrauchen. Bey wehrender solcher Frie-
denshandlung/ mit der ich gar nicht zu frieden bin/ habe ich mir
Anlaß genommen nach Agrigent zu reysen. Ich trage sonderliche
Lust zu guter Rüstung vnd Waffen: nun werden solche nirgends
besser gefunden/ als welche daselbst ein frembder Meister von
Lipara zu schmieden pfleget.

[20: Kupfer Nr. 2]


Fußnotenapparat

a Gelegenheit = Lage (situs; as-
siette)
b Geschrey = Gerücht (fama)
c ein] Opitz benutzt oft endungs-
lose Formen.
d zu rück gehen = keinen Erfolg
haben (exitum non haberent;
n’eust lors aucun effect)
e haben.] Aus haben/
f sich befährete = (be)fürchtete
(verebatur; craignit)
g als ob der Krieg sich nichts
zu stossen = als ob noch vol-
ler Krieg wäre (integro bello;
comme en pleine guerre); sich
zustossen = sich zerschlagen
h giengen] Aus Dkf geingen.
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_1/Buch_1/III_1_76_1_II.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl