ALs sie nachmals vnter dem Gespräche von dem Aufflauffe der
Bawren zu reden kamen/ muthmassete der König selber/ daß ohne
das Gesicht vnd Alter deß Archombrotus/ seine frembde Tracht
auch zu diesem Irrthumb nicht wenig geholffen; vnd daß die vnver-
ständigen Leut vermeinet/ weil Poliarchus ein Außländer/ so müßte
er auch
[119] außländische Kleyder tragen. Darauff sagte Archom-
brotus: Ich wil es nicht mehr darzu kommen lassen/ daß die Tracht
meines Landes mich in Gefahr bringen möge: sondern wil einen
Mantel auff Griechische Art vmbnemmen/ vnd mich in allen denen
Sitten gleichmässig halten/ von denen ich lehren deß Gemüts all-
hier zu schöpffen gesonnen bin. Nein/ sagte der König/ haltet so
lang darmit jnne/ biß euch vnser Thun besser gefallen/ vnd die ge-
wonheit euch vnser vbermässige Kleydung gemeiner gemacht ha-
ben wirdt. Wir kommen euch an jetzo gantz frembd für/ vnd jhr
haltet ewer gewonheit/ welche ich die älteste zuseyn vermeine/ für
die beste: weil ich die Fürbildung ewers Volcks noch nicht gäntz-
lich auß dem Hertzen gelassen. Wann jhr aber euch vnsern Ge-
brauch vollkömmlich werdet eingebildet haben/ so werdet jhr euch
vber ewerm Vnterscheide verwundern/ vnd jhn nicht länger erley-
den können. Ich weiß mich zuerinnern/ daß ich/ als ich in meiner
Jugendt in Africa kam/ die jenigen außzulachen pflag/ welche sich
anders als wir trugen. Hernach wie mir diese durch Gewonheit
angenehm worden/ vnd wider in Sicilien kam/ so vernichtete ich
a b

[Seite 81]


mit nicht geringerem Eckel die Tracht meines Landes: biß ich sie
durch Gedult sie zu sehen auffs new lieb gewonnen. Dann es ist kein
vnbillicher Ding/ als das jenige stracks verdammen was wir selber
nicht thun/ oder nicht gesehen
[120] haben/ wann es fürnämblich
bey gantzen Völckern gebräuchlich ist. Dann weil wir durch ver-
mittelung der Zeit daran gewohnen/ so erscheinet/ daß es vns zuvor-
hin nit so sehr seiner Schuld/ als vnserer Vnwissenheit halben Miß-
fallen gebracht habe. Vber diß muß man gedencken/ daß ein jeg-
lich Volck sich solcher Tracht vnd Sitten gebrauche/ welche dem
Ort worinnen es wohnet/ am besten fügen; wie es euch dann auch
die Natur dieses Lands lehren wird/ wo jhr eine zeitlang darinnen
könnet Gedult haben. Derentwegen wöllet jhr euch an ewerm/ oder
einem Außländischen Volck nichts als Tugend oder Laster sonder-
lich bewegen lassen. Jedoch wündsche ich/ daß euch alles nach
ewern Sitten vnd Gebrauche allhie bey vns ergehen möge.

In dem Meleander dieses redt/ vnd nach alter Leute Gebrauch
seine Weltweißheit sehen läßt/ hatt Arsidas Gelegenheit zu der Ar-
genis wider vmbzukehren/ da er den Archombrotus lobte/ daß er
bey seiner ersten Ankunfft zu dem Könige deß Poliarchus in allen
Ehren erwehnet. Aber in dem die Princessin vnd jhre Wärterin von
dieser deß newen Gastes Beständigkeit mit grosser Begier höreten/
kompt gehlinge ein Geschrey in dem Zimmer auß/ Poliarchus sey
in Verhafftung/ vnd würde zum König geführt. Argenis erschrack
hierüber nichts/ in Meinung/ weil man nicht wüßte wie es zugienge/
so redte man vom Archombrotus. Sie hub lächlende das Haupt em-
por/ vnd deutete an sie solten vnbesorget
[121] seyn; es were sonst
einer als Poliarchus. Eine von den Jungfrawen sagte hergegen/ daß
diß was man jetzt erst ankündigte weit ein anders were/ als sie zwar
glaubete. Sie hetten alle miteinander gute Wissenschaft/ daß der
junge Außländer den die Bawren gebracht Poliarchus nit were.
Aber man erführe jetzundt durch gewissere Zeitung/ Poliarchus
sey auß einer höle/ darinnen er mit veränderter Kleydung gelegen
von anderen Bawren herfür gezogen worden/ die jhn dann jetzt
zum Könige führeten. Argenis erschrocken von diesem Donner-
schlage/ stund doch nicht mehr in zittern vnd forchte als Arsidas
oder Selenisse. Vnd zwar diese sagte kein Wort darzu. Arsidas aber
neigete sich zu der Argenis Ohre; vnd/ die boßheit deß Glücks/ sagte
er/ hat all vnsere Künste vbertroffen. Es ist vmb jhn geschehen/
gnädigste Princessin/ wo jhr euch seiner nicht offentlich annemmet.

[Seite 82]


Nachdem ich von der Höle/ vnd der verwechselten Tracht gehört
habe/ so zweiffele ich nicht/ daß dieser Vnfall nicht solle war seyn.
Aber Argenis/ gleich ob sie in dem eussersten Vbel welches sie reit-
zete behertzter würde/ fieng an: Wie man mir sagte daß Poliarchus
todt were/ kam es mir für/ daß ich so wenig Trost als Hoffnung
finden köndte. Ich kundte nichts anders als klagen wegen eines so
kläglichen Zustandes. Jetzundt aber nun er noch leben kan/ vnd
man sich zuförchten hat daß er nicht sterbe/ so wil ich nicht glau-
ben daß ich
[122] genugsam für jhn außgestanden habe/ es sey
dann daß er durch meinen vleiß sein Leben behalte/ oder daß ich
so wol sterbe als er. Ich wil hin zu meinem Vatter. Es were eine
Vbelthat solte ich stille schweigen. Er müsse erfahren/ wie hoch er
dem Poliarchus verbunden sey. Wollen vnß ja die Götter vertilgen/
so werde ich zum minsten diß Begnügen empfinden/ daß ich alles
das was bey mir von Tugendt ist herfür gesucht habe solchem Vnter-
gang zu entrinnen. Selenisse erschrack vber diesem verwegenen
Rathschlage/ vnd besorgete sich für dem Zorn deß Königs/ wann
jhm Argenis das jenige was sie so lang in geheim gehalten/ ent-
decken solte. Es war aber kein Mittel solchs jhr zu widerrahten:
man müßte es nur auff die Wage setzen. Dann Argenis war schon
vnter wegs zum Meleander/ welcher erstlich so vnversehens wenig
auß jhrem Frawen-Zimmer/ bald aber sie auch selber nachfolgete.

Der König gieng ohngefehr damals im Garten spatzieren/ sel-
best bekümmert wegen deß Poliarchus/ von welchem die gemeine
Rede war/ daß er in Verhafftung kommen. Dem armen bekümmer-
ten Alten ließ das Glück wenig ruhe. Was solte er sagen/ oder thun?
Es war jhme alles zuwider; alle Sachen liessen sich zu newem Hert-
zenleyde an. Es waren fast zwey Tage/ daß er jhn als einen Todten
dermassen bey sich beweinet hatte/ daß er vermeinete/ er hette dar-
mit ein genügen
[123] gethan/ vnd den Fehler seinentwegen außge-
leschet. Jetzt warff das Verhängnuß diesen Zweiffel auff das newe
auff/ ob es besser were sich an dem Jünglinge vergreiffen/ oder
durch eine vnsichere Billichkeit den getroffenen Frieden in Sicilien
zerreisen. Die ärgsten Feinde deß Poliarchus waren schon in grosser
Menge beysammen/ vnd sagten zu jhm/ daß bey Lebe Zeiten dessen
Jünglings nichts beständiges in Sicilien zu hoffen were.
???Archom- c d e

[Seite 83]

brotus???
war zur Stelle/ welcher nicht weniger ob dem Könige als dem
Poliarchus ein Mitleyden trug/ vnd begierig war auß den vnter-
schiedenen Meynungen auffzumercken/ welche Poliarchus zu
Freunden hette oder nicht. Iburranes war kurtz zuvor ankommen/
vnd suchte nebenst dem Dunalbius/ der in ebenmässiger geistlicher
Würden als er/ vnd damals bey Hoffe war/ wie er Mittel finden
möchte den Poliarchus zu schützen: als vnversehens/ wie jeder-
man abwieche/ Argenis zu dem Könige kam/ die jhren Schmertzen
mit solcher Verständigkeit zu rücke hielte/ daß sie nichts anzubrin-
gen bedacht war/ biß es Zeit vnd Noht erfoderte. Welches sie viel
sicherer machte war dieses/ daß sie jhr fürgenommen zu sterben/
wann jhr Vorsatz zu rück gienge. Sie warff jhre Augen rings vmb-
her auff die Feinde deß Poliarchus/ vnd ward durch solchen Eyfer
noch hefftiger entzündet.
[124] Es war auch kein Mensch verhan-
den/ der mittelmässiger Weise dem Poliarchus wol oder vbel wolte.

In dem sie aber sämptlich/ wegen der Vngewißheit dessen das
sich begeben solte/ im Zweiffel so stille stunden/ als ob es jhnen be-
fohlen worden/ kam Eurimedes/ vnd führte den Heraleon bey der
Handt. Dieser Mensch war wegen Blödigkeit der Sinnen bey Hoffe
sehr bekandt. Hier sagte er/ ist der Poliarchus/ den die Bawren
auß der Flucht zu rück gebracht haben. Da fiele Heraleon auff die
Knie/ vnd bate mit auffgehabenen Händen vmb Gnade. Der König
ward etwas lustiger/ vnd fragte was er verbrochen. Nichts/ sagte er/
als daß ich Poliarchus bin. Sie huben alle an zu lachen. Der König
aber fragte vom Eurimedes/ ob solches auß Schertze oder Ernste
sich zutrüge. Herr/ sagte Eurimedes/ als ich am Thore deß Schlos-
ses stund/ wie jhr mir anbefohlen/ den Poliarchus/ wann er ge-
bracht würde/ anzunehmen/ sahe ich eine grosse Menge von Bawers-
leuten kommen die den Heraleon vmbringeten. Der vnter jhnen
der Obriste zu seyn schiene/ fieng an/ wie er an seinem Fleisse vnd
Trew nichts erwinden lassen/ biß Poliarchus bekommen/ vnd in
gute Verwahrung gebracht worden sey. Heraleon aber war Poli-
archus. Ich verbisse das Lachen/ vnd fragte/ was für ein Glück jhn
in jhre Hände gebracht? Die fürnembsten vnter vns/ sagte er/
welche es geoffenbaret/ sind deß Mor-
[125]gens auff die Arbeit ge-
gangen; vnd haben sich verwundert/ als sie gesehen/ daß einer sein
Pferdt vber quer Feldt getrieben/ vnd auff einen verwachsenen
f

[Seite 84]


Berg reyten wollen. Erstlich haben sie jhm den Weg gezeiget/
nachmals auß Verdacht nachgesetzet. Dann er/ gleichsam als ob er
für allen fliehe/ so bald einer auff jhn kommen/ das Roß gewendet
hat/ vnd als es wegen deß stetten herumb rennens weiter Athem zu
holen nicht vermocht/ ist er abgestiegen/ vnd hat sich in eine Höle/
die er in der Nähe gefunden/ verborgen. Es waren vnserer viel bey-
sammen zu zu schawen/ vnd stiegen mit hellem hauffen hinunter.
Als wir jhn mit seinem grossen Schrecken vnd Geschrey herauff ge-
zogen/ vnd jhn fragten/ wer er were/ vnd warumb er sich verberge/
bekandte er freywillig; er sey Poliarchus. Er war zimlich vbel be-
kleydet zu einem so fürnehmen Herren; aber wir haben leichtlich
geglaubet/ daß er desto besser zu fliehen sich also außgemacht hette.
Darauff haben wir jhn/ wie sehr er sich geweygert/ gebunden/ vnd
zu dem Könige/ wie jhr sehet/ zu ruck geführet. Als der Bawer
seine Worte vollendet/ habe ich jhre Trew gelobet/ vnd sie widerumb
an jhre Arbeit gelassen. Vbergebe ich derwegen/ Gnädigster König/
euch diesen Menschen/ mit welchem jhr nach Gefallen thun kön-
net. Als Eurimedes dieses sagete/ vermochte sich auch der traw-
rigste deß Lachens nicht zu enthalten: Dann sie wusten/ daß
Heraleon in seiner Blödsinnigkeit so weit gerathen/ daß er jhm
eynbildete er wäre Poliarchus.


Fußnotenapparat

a reden] Aus Dkf rede verbessert
(à parler)
b vbermässige = über das Ge-
wohnte hinausgehend (insolen-
tiam nostri cultus)
c Begnügen (Aus Dkf Begnüg-
nen) = Befriedigung (solatio)
d so...] paucaeque ex comitatu
primum, ut in re improvisa,
mox ...
e Were.] Punkt eingefügt
f verwachsen = unwegsam (im-
peditus; fascheux)
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