DIeser Tagen begab sich Argenis jres Vattern Befehl nach mit dem
Iburranes/ der damals etzlicher Geschäffte halben bey Hofe war/
nach Epeircte. Vnd als Meleander kurtz hernach auch dahin ver-
reisete/ kam er vnterwegs in grosse Lebensgefahr/ entweder auß
Boßheit der seinigen/ oder auß Göttlicher Vorsehung/ welche dem
Archombrotus hierdurch Mittel vnd Wege zu der
[193] Gunst vnd
Gnade machen wolte. Es hatte ein See welches im Vmbkreiß nicht
weiter als ein vierthel Wegs war/ zwar stille vnd seichte am Vfer/
hernach aber sehr tieff vnd sumpfficht am Boden. Gegen demselben
wandte sich deß Königs Kutscher/ gleichsamb als wolte er besser
im Schatten fahren. Weil viel Wägen daselbst gegangen/ vnd ein
a b

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richtiges Gleiß gemacht hatten/ meineten sie/ man hette sich nichts
zu förchten. Aber deß Königs Pferde/ entweder daß sie von sich
selber schew/ oder von den Mücken gestochen/ oder durch Verräthe-
rey deß Knechts angereitzet worden/ lehneten sich empor/ vnd
rannten mit vollem Lauff auff die See hinein. Alle die den König
begleiteten erhuben zwar ein forchtsames Geschrey/ aber wenig
lieffen zu hülffe; ob sie vielleicht jhrer mehr als sich damals ge-
bührete schoneten/ oder wegen grossen Schreckens vber solchem
vnversehenen Vnglück verstarreten/ vnd jhrer Kräfften nicht
mächtig waren. Von denen die dem Wagen/ der eine vnwegsame
Strasse vnterhin schosse/ trewlich nachlieffen/ eylete niemandt
mehr als Archombrotus. Bald schrie er auff den Kutscher/ daß er
die Roß besser anhielte/ bald warnete er den König/ daß er in das
Wasser springen solte/ welches noch keines Manns tieff were. Vnter
dessen rannte der Wagen fort/ vnd das Wasser bedeckte allbereit die
fördern Räder. Da vnterstundt sich Archombrotus einer mann-
lichen That/ vnd weil sein Pferd von wegen verhinderung der Flut
auffgehalten ward/ so
[194] sprang er hienein/ eilete auff den Wagen
zu/ vnd erwüschte den Meleander zu seinem Glück eben damals/ als
Wagen vnd Pferd von einer tieffe der See zugleich verschlungen
worden. Die schwere deß Königs/ welcher auß dem Wagen auff
den Archombrotus gefallen war/ hatte jhn vbel getroffen: so war
auch der feiste Schlam sehr schlüffrig/ vnd die Macht deß reissen-
den Wassers reichete jhm biß an die Achseln. Der König hatte nicht
weniger zu schaffen/ damit er möchte stehen bleiben. Also hieng
einer an dem andern wie zwene Ringer; in dem sie das Wasser bald
vmbgerissen hette/ wann die geschwindesten von jhren Freunden
nicht weren zur Rettung kommen.

Als Meleander an das Vfer gelanget/ stalte er vnd jederman jhm
die schreckliche Gefahr erst recht für Augen. Dieses vermehrete
aber jhre Entsetzung sonderlich daß er als der nicht schwimmen
kundte ohn allen Zweifel ersauffen müssen/ wann nicht Archom-
brotus/ hindan gesetzt sein Leben/ die Gefahr auff sich gewendet
hette; vnd als man erfuhr/ daß er gleichfals keinen Schwimmer
gebe/ fiengen sie an sich noch hefftiger zu verwundern/ daß er zu
rettung des Königes sich so geringe gehalten; ein junger Mensch/
ein Frembder/ vnd der weder durch Gutthat noch Vnterthänigkeit
hierzu verbunden gewesen: da so viel andere Angesessene vnd ver-
pflichtete Leute solchen Spott auff sich ersitzen/ vnd den König in

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Gefahr gelassen. Der König wardt durch solche Wolthat/ wie es
auch seyn solte/ hertzlich bewe-
[195]get/ vmbpfieng jhn/ der vber
dem Lobe das jhm gegeben wardt erröthete: vnd wie er wegen sei-
ner herrlichen Natur anlas bekommen jhn vorhin schon zu lieben/
also war er jetzundt fro/ daß er durch diesen Fall fug ersahe/ jhn
ohn allen Neidt in grössere Gnade zu nehmen/ vnd mit mehrer Ver-
trewligkeit zu vnterhalten. Indessen war des Königes Kutscher den
Wellen entronnen/ vnd stieg mit einem scheutzlichen Gesichte an
den Randt. Eristenes aber/ nach dem er lange jhn mit harten Wort-
ten angegriffen/ zohe seinen Degen auß/ vnd sties jhn/ des Königes
Gefahr zu rechen/ ehe sich dessen jemandt versehen/ darnieder. Er
fiel stracks in das Wasser/ mit sonderlichem frolocken aller Ju-
gendt/ so daselbst zu gegen war. Von Verständigern aber wardt es
nicht für gut gesprochen. Dann im fall die Schuld deß Kutschers
nicht gewesen/ was hat man jhn so jämmerlich dörffen hinrich-
ten? Hat er es aber verdient/ warumb ist er nicht befraget/ nicht zu
eröffnung derer auff welcher Anschlag er solches gethan gezwun-
gen/ vnd mit einem viel zu leichten Tode der gebürlichen Straffe ent-
riessen worden? Ob dann niemandt sey der den König so sehr lie-
bete als Eristenes/ welcher sich einer dermassen geschwinder Ra-
che vnterfangen? Darüber gerhieten jhrer viel in Gedancken/ der
Kutscher hette von des Lycogenes Leuten sich bestechen lassen/
vnd den König auff diese weise vmbringen wollen: weil aber die
böse That aus sonderlicher Schickung nachblieben were/ hette

[196] jhn deß Lycogenes Freund Eristenes erstochen. Aber die Ge-
walt deß Eristenes vnd die Zeit so zur Rache noch nicht reiff war/
zwangen Meleandern sich eines so freyen vnd gütigen Gesichts an-
zunemmen/ daß es auch Eristenes nicht gewar worden/ daß er in
Verdacht gerahten.


Fußnotenapparat

a angiessen = anschwärzen
b ein vierthel Wegs = eine viertel
Meile (passuum non plus mille;
mille passe)
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